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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer Prüfungsanfrage im Rahmen einer laufenden Groß- und Konzernbetriebsprüfung.
3Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Gesellschafter sind die C. und O. zu je 50 %. Beide Gesellschafter haben ein abgeschlossenes Ingenieurstudium. Auf Grundlage einer Anordnung vom 30.11.2021 führt das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Q. bei der Klägerin seit dem 03.02.2022 eine Betriebsprüfung für die Jahre 2008 bis 2019 durch.
4Anlässlich einer geplanten Schlussbesprechung fasste der Beklagte am 12.08.2022 zusammen, dass das Tätigkeitsfeld der Gesellschaft im Prüfungszeitraum neben sicherheitstechnischen Ingenieursleistungen auch betriebsärztliche Leistungen umfasst habe. Letzteres gehe exemplarisch aus dem Vertrag vom 14.06.2005 zwischen der Klägerin und der Berufsgenossenschaft K. (K.) sowie aus einer Zusatzvereinbarung vom 29.09.2005 mit der Verbraucherzentrale G. (vgl. Schreiben des Beklagten vom 02.03.2022) hervor. Nach § 4 des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG) dürfte als Betriebsarzt nur bestellt werden, wer berechtigt sei, den ärztlichen Beruf auszuüben. Mangels Berufsqualifikation der Gesellschafter in diesem Bereich handele es sich bei der Ausführung der betriebsärztlichen Leistungen um nicht nur geringfügige gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 EStG, weshalb die sog. Abfärberegelung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) Anwendung fände.
5Mit Schreiben vom 24.02.2022 und 20.10.2022 erläuterte die Klägerin demgegenüber, dass sie als Sicherheitsingenieurgesellschaft freiberuflich tätig werde: Das Unternehmen würde von den beiden Gesellschaftern geleitet, die eigenverantwortlich tätig seien und die zentralen Entscheidungen im Unternehmen träfen. Bei Auftragserteilung decke das Ingenieurbüro der Klägerin selbst ausschließlich solche Beratungsleistungen ab, die auch dem Ingenieurstudium der Gesellschafter entsprächen. Die Betriebsärzte erfüllten hingegen im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit der Klägerin als freie Mitarbeiter ausschließlich solche Aufgaben, die auch die Gesellschafter als beratende Sicherheitsingenieure selbst erfüllen könnten und dürften. Gegenstand der freien Mitarbeit seien gerade keine Dienstleistungen, die einem Arzt vorbehalten wären. Soweit seitens des Auftraggebers Ärzten vorbehaltene spezifisch arbeitsmedizinische Leistungen gewünscht würden, wickele der Arzt, z.B. A. (Facharzt für Arbeitsmedizin) aus J. bzw. B. (Arzt für Allgemein- und Betriebsmedizin), solche Leistungen nach gesonderter Auftragserteilung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung eigenverantwortlich ab. Die Mithilfe von fachlich vorgebildeten Arbeitskräften, freien Mitarbeitern oder Subunternehmern sei insofern nicht schädlich für die Qualifizierung der Einkünfte als freiberuflich.
6Mit streitgegenständlichem Schreiben vom 03.11.2022 bat der Beklagte um Einreichung geeigneter Unterlagen, aus denen die Trennung der Leistungen und Abrechnungen in einen ärztlichen und einen nicht ärztlichen Teil hervorgehe. Hierzu bat er um Einreichung der jährlich fünf größten Projekte, bei denen ärztliche Zusatzleistungen erbracht worden seien. Darüber hinaus bat er um näher bezeichnete Eingangsrechnungen von B. (über Grippeschutzaktionen bzw. Tätigkeit im Arbeitsschutzausschuss) und A. (über fachliche Stellungnahmen für Kunden und Vor-Ort-Beratungen bei Kunden) mit dazugehörigen Arbeitsunterlagen sowie eine Ausgangsrechnung an die o.g. Berufsgenossenschaft als Kundin der Klägerin. Der Beklagte bat um Einreichung der Unterlagen bis zum 05.12.2022. Sofern die angeforderten Unterlagen innerhalb dieser Frist nicht eingehen sollten, würde er vom Recht eines Auskunftsersuchens bei Dritten gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 AO Gebrauch machen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war dem Schreiben nicht beigefügt. Für Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 03.11.2022 verwiesen.
7Mit Schreiben vom 30.01.2023 erhob die Klägerin gegen das Schreiben vom 03.11.2022 Einspruch. Hierbei argumentierte sie neben materiell-rechtlichen Erwägungen u.a., dass die Feststellungslast für die Begründung der Gewerbesteuerpflicht beim Beklagten liege. Das Vorlageersuchen sei auch nicht hinreichend begründet und damit ermessensfehlerhaft. So sei nicht erkennbar, inwiefern die angeforderten Unterlagen von entscheidender Bedeutung für die steuerliche Einordnung der Einkünfte der Klägerin seien. Zuletzt bat die Klägerin um rechtzeitigen Hinweis, falls der Beklagte Auskunftsersuchen gegenüber Auftraggebern oder freien Mitarbeitern der Klägerin erlassen wolle, und kündigte entsprechend Eilanträge auf einstweilige Anordnung bzw. einen finanzgerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an. Zudem handele es sich bei dem Vorlageersuchen, welches konkret und genau bestimmt sei, durchaus um einen Verwaltungsakt. Das Vorlageersuchen sei auch „faktisch erzwingbar“, weil für den Fall der Nichtvorlage die Auskunft bei Dritten, die geschäftsschädigend sein könnte, angedroht werde.
8Mit Einspruchsentscheidung vom 04.05.2023 wurde der Einspruch als unzulässig verworfen. Der Einspruch sei bereits nicht statthaft, da es sich bei der Anforderung von Unterlagen nicht um einen Verwaltungsakt handele. Inhaltlich sei bereits im Eröffnungsgespräch zur Betriebsprüfung darauf hingewiesen worden, dass die Einkünftequalifikation einen Prüfungsschwerpunkt darstellen würde. Die Feststellungslast für die freiberufliche Tätigkeit in Abgrenzung zu gewerblichen Einkünften würde die Klägerin tragen. Die bislang vorliegenden Verträge und Rechnungen begründeten zudem ernsthafte Zweifel am Sachvortrag der Klägerin hinsichtlich der getrennten Abrechnung von sicherheitstechnischen Beratungsleistungen einerseits und betriebsärztlichen Leistungen andererseits. Zur Überprüfung dieses Sachvortrags sei der Anforderungskatalog vom 03.11.2022 nach pflichtgemäßem Ermessen erstellt worden.
9In den bislang vorliegenden Rechnungen würden überdies arbeitsmedizinische Leistungen i.S.d. ASiG in Rechnung gestellt, für dessen Ausführung Ärzte als Subunternehmer beauftragt worden seien. Die zugrundeliegenden Verträge aus 2005 würden daneben keine Begrenzung des Leistungsumfangs auf bestimmte Leistungen des Aufgabenkataloges des § 3 ASiG enthalten.
10Am 09.06.2023 hat die Klägerin Klage gegen die Prüfungsanfrage vom 03.11.2022 erhoben.
11Die Klägerin erläutert, dass zwischenzeitlich auch ein Strafverfahren gegen die beiden Gesellschafter eingeleitet worden sei. Das Vorlageersuchen des Beklagten müsse per se als durchsetzbar gelten, da die Ermittlungsbehörde aus ihrer Position heraus ohnehin jede Ermittlungsmaßnahme tatsächlich durchsetzen und Dokumente und Auskünfte beschaffen könne. Gerade wegen des Steuerstrafverfahrens sei das Vorlageersuchen ganz offensichtlich auch durchsetz- oder erzwingbar. Es sei widersprüchlich, dass den Gesellschaftern gemäß des „Nemo-tenetur“-Grundsatzes ein Auskunftsverweigerungsrecht zustehe und trotzdem mit Auskunftsersuchen an Dritte, gleichsam als Zwangsmittel, gedroht würde. Die Tatsache des parallel stattfindenden Steuerstrafverfahrens unterstreiche deshalb die Verwaltungsakteigenschaft des angefochtenen Vorlageersuchens. Die angeforderten Unterlagen seien – zumindest soweit sie sich auf die Ärzten vorbehaltenen Leistungen der Kooperationspartner beziehen – gar nicht vorlagefähig. Insofern greife die ärztliche Schweigepflicht; die Vorlage könne deshalb weder bei der Klägerin noch bei den Kooperationspartnern erzwungen werden.
12Die Klägerin beantragt,
13das Vorlageersuchen vom 03.11.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.05.2023 aufzuheben.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Klage sei unzulässig, da bereits kein Verwaltungsakt vorliege. Das Vorlageersuchen diene dazu, die von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalte zu verifizieren und die erzielten Einkünfte zu qualifizieren. Das Auskunftsersuchen an Dritte sei dabei kein Zwangsmittel im Sinne der AO. Nichts anderes ergebe sich aus dem laufenden Steuerstrafverfahren, was die Mitwirkungspflicht der Klägerin im davon zu trennenden Besteuerungsverfahren nicht suspendiere; diese dürfe lediglich nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden.
17Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand nimmt das Gericht auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung 11.01.2024, die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist unzulässig.
20A) Eine Anfechtungsklage scheidet aus.
21I. Eine Anfechtungsklage gemäß § 40 Abs. 1 Var. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist statthaft, wenn der Steuerpflichtige die Aufhebung eines „Verwaltungsakts“ begehrt. Ein Verwaltungsakt ist gem. § 118 Satz 1 Abgabenordnung (AO) jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die darin enthaltene „Regelung“ ist die Willenserklärung der Behörde aufgrund der Subsumtion eines bestimmten Sachverhalts unter eine Steuerrechtsnorm, durch die sie einseitig hoheitlich eine verbindliche Rechtsfolge setzt bzw. Rechtsverhältnisse (Rechte und Pflichten) feststellt oder gestaltet bzw. diese konkretisiert (Güroff in Gosch AO/FGO § 118 AO Rn. 8). Eine solche Regelung setzt einen entsprechenden Regelungswillen voraus (BFH Urteil vom 17.10.1997 VIII R 4/96, BFH/NV 1998, 1195). Ob eine auf einem Regelungswillen basierende Willenserklärung vorliegt, ist durch Auslegung in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches nach dem objektiven Erklärungswert aus Sicht des Empfängers (Empfängerhorizont) zu beantworten. Maßgebend ist, ob aus der Mitteilung selbst oder aus den Begleitumständen hervorgeht, dass eine verbindliche einer Rechtsbeständigkeit fähige Regelung mit hoheitlichem Charakter vorliegt (Güroff in Gosch AO/FGO § 118 AO Rn. 8.1).
221. Die neuere Rechtsprechung geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass bloße Vorlage- und Auskunftsersuchen im Regelfall kein Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO sind, solange sie nicht mit der Androhung von Zwangsmitteln verbunden werden und nicht erzwingbar sind. Ohne Erzwingbarkeit handele es sich um vorbereitende Maßnahmen, die der Ermittlung des Sachverhalts im Rahmen einer Außenprüfung gem. § 194 AO dienen (BFH-Urteile v. 10.11.1998 – VIII R 3/98, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1999, 199; v. 28.9.2011 – VIII R 8/09, BStBl II 2012, 395; Finanzgericht -FG- Münster v. 14.09.2022 – 13 K 3154/21 AO, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2022, 1857).
232. Ein anderes von der Rechtsprechung angewendetes Abgrenzungskriterium fragt danach, ob ein Aufklärungsverlangen der Ermittlung steuermindernder Umstände dient. Soweit der Steuerpflichtige feststellungsbelastet sei, liege in diesem Fall mangels Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung kein Verwaltungsakt vor (BFH-Urteile v. 20.4.1988 – I R 67/84, BStBl. II 1988, 927; v. 10.11.1998 – VIII R 3/98, BStBl II 1999, 199; FG Münster v. 14.09.2022 – 13 K 3154/21 AO, EFG 2022, 1857).
243. Die Literatur hält die o.g. Kriterien der Rechtsprechung für ungeeignet, um das Vorliegen eines Verwaltungsaktes zu prüfen. Weder die Erzwingbarkeit noch das materiell-rechtliche Ziel der Maßnahme (Ermittlung steuermindernder Umstände) zählten zu den in § 118 S. 1 AO abschließend aufgezählten Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes. Abzustellen sei vielmehr darauf, ob sich aus der Erklärung der Behörde ein konkretisierendes „Mehr“ gegenüber dem allgemeinen Hinweis auf bestimmte Pflichten und die einfache „Bitte“ um entsprechendes Verhalten im Rahmen von Vorbereitungshandlungen ergebe (Güroff in Gosch AO/FGO § 118 AO Rn. 8). Bloße Bitten des Prüfers an den Steuerpflichtigen, bestimmte Unterlagen bereitzustellen seien zwar tatsächliche Prüfungshandlungen bzw. nicht regelnde Vorbereitungsmaßnahmen, jedoch keine Verwaltungsakte, da der Regelungswille fehle (Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO/FGO § 118 AO Rn. 438). Dieser liege erst dann vor, wenn die Maßnahme auf eine über die allgemeine Duldungspflicht hinausgehende konkrete Rechtsfolge gerichtet ist. Aus Empfängersicht sind die Verwendung einer Rechtsbehelfsbelehrung (§ 356 AO) sowie eine Zwangsmittelandrohung (§ 332 AO) starke Anhaltspunkte für die Existenz des verwaltungsaktbegründenden Regelungswillens der Finanzbehörde (vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, § 200 AO Rz. 6).
25Selbst bei Annahme eines Verwaltungsakts verneinen Teile der Literatur unter Anwendung des Rechtsgedankens von § 44a der Verwaltungsgerichtsordnung dessen selbständige Anfechtbarkeit; das Abwarten des Steuerpflichtigen bis zum Abschluss der Außenprüfung sei zumutbar (Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO/FGO § 118 AO Rn. 438).
26II. Im Hinblick auf die o.g. Voraussetzungen ist die Klage als Anfechtungsklage bereits aufgrund fehlender Statthaftigkeit unzulässig. Das streitgegenständliche Schreiben vom 03.11.2022 stellt nach keiner vertretenen Auffassung einen Verwaltungsakt dar
271. Es fehlt der Regelungscharakter. In der als bloße „Bitte“ formulierten Anfrage zur Vorlage diverser Ein- bzw. Ausgangsrechnungen zuzüglich entsprechender Arbeits- und Rechnungsunterlagen vermag der Senat keine verbindliche Setzung einer Rechtsfolge oder die Gestaltung eines Rechtsverhältnisses zu erkennen.
28Insbesondere aus einer objektivierten Empfängersicht war dem Schreiben nicht zu entnehmen, dass die darin ausgesprochene Bitte auf eine konkrete Rechtsfolge gerichtet war. Zum einen enthielt das Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung, zum anderen offenbarte sich die fehlende Letztverbindlichkeit des Vorlageverlangens gegenüber der Klägerin nach Einschätzung des Senats gerade durch die Ankündigung des Drittauskunftsersuchens als nachgelagerte Ermittlungsalternative. Hierin brachte die Behörde zum Ausdruck, das Vorlageverlangen gegenüber der Klägerin bei deren Ablehnung gerade nicht mit Maßnahmen des Vollstreckungsverfahrens durchzusetzen, sondern auf ein Drittauskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO als weiteres Ermittlungsinstrument ausweichen zu wollen.
292. Auch anhand des Kriteriums der „Erzwingbarkeit“ lässt sich kein Verwaltungsakt begründen.
30„Erzwingbar“ ist ein Vorlage- oder Auskunftsersuchen im Wege der Verwaltungsvollstreckung. Die hierzu zur Verfügung stehenden Zwangsmittel sind mit Zwangsgeld, Ersatzvornahme und unmittelbarem Zwang im § 328 AO abschließend legaldefiniert.
31Das Vorlageersuchen vom 03.11.2022 war danach nicht erzwingbar. Es enthielt keine Androhung von Zwangsmitteln. Daran ändert die Ankündigung eines Auskunftsersuchens an Dritte nichts. Das Vorlageersuchen stellt kein Zwangsmittel dar. Dieses führt nicht zu der den Regelungscharakter begründenden Erzwingbarkeit
323. Da das Vorlageersuchen ausschließlich steuermindernde Umstände betraf, für welche die Klägerin darlegungs- und feststellungsbelastet ist, liegt auch nach der o.g. vom BFH teilweise angewandten Abgrenzung zwischen steuermindernden und steuererhöhenden Umständen kein Verwaltungsakt vor.
33Im Allgemeinen gilt für den Steuerprozess, dass der Steuergläubiger die objektive Beweislast für die den Steueranspruch begründenden Tatsachen trägt, während der Steuerpflichtige die objektive Beweislast für diejenigen Tatsachen trägt, die die Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung begründen oder die den Steueranspruch aufheben oder einschränken. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt, denn die Frage, welchem Beteiligten des Rechtsstreits es zum Nachteil gereicht, wenn nicht festzustellen ist, ob bestimmte rechtserhebliche Tatsachen gegeben sind, ist nur von Fall zu Fall unter Würdigung der einschlägigen Rechtsnormen und ihrer Zweckbestimmung zu beantworten. Liegt ein bestimmter Umstand in der Verantwortungssphäre des Steuerpflichtigen und ist ihm im Grunde die Beweisführung zur Klärung des Sachverhalts möglich und daher auch zumutbar, so kann nicht nach der angeführten allgemeinen Beweislastregel vorgegangen werden (BFH Urteil v. 12.10.2004 V R 37/02, BFH/NV 2005, 570; BFH Urteil v. 25.07.2000, IX R 93/97, BStBl. II 2001, 9).
34Danach kann im Ergebnis dahinstehen, ob der Beklagte die Feststellungslast für die eine Gewerbesteuerpflicht auslösenden Umstände als steuerbegründende Tatsachen grundsätzlich zu tragen hat oder die Feststellungslast bei der Klägerin liegt, da auch der freie Beruf grundsätzlich die Merkmale eines Gewerbebetriebs erfüllt und der Steuerpflichtige der Gewerbesteuerpflicht nur dann nicht unterliegt, wenn er die besonderen Merkmale des § 18 EStG erfüllt (vgl. dazu BFH v. 08.10.2008 – VIII R 74/05, BStBl II 2009, 238).
35In der konkreten Verfahrenssituation liegt die Feststellungslast nach den o.g. Maßstäben in jedem Fall bei der Klägerin. Sofern die vom Beklagten zitierten Verträge vom 14.06.2005 und 29.09.2005 nicht zwischen Leistungen differenzieren, die die Gesellschafter der Klägerin erbringen dürfen und solchen, die Betriebsärzten vorbehalten sind, liegt eine die Gewerblichkeit begründende Abfärbewirkung im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nahe. Will die Klägerin diesen Anschein widerlegen, obliegt es ihr, entsprechende Nachweise für Umstände vorzulegen, die sich in der konkreten Verfahrenssituation steuermindernd auswirken. Insofern ist die streitgegenständliche Anfrage des Beklagten für den Senat auch in der Sache grundsätzlich nachvollziehbar. Inwieweit insbesondere ärztliche Auskunftsverweigerungsrechte einer (ungeschwärzten) Vorlage von Unterlagen entgegenstehen könnten, war nicht zu entscheiden. Die bisher von der Klägerin – ausweislich der dem Gericht vorliegenden Akten – hierzu eingereichten Schreiben dürften als Nachweise ungeeignet sein. Sie enthalten im Wesentlichen die nach Aktenlage zweifelhafte Behauptung, nicht im Bereich von Vorbehaltsaufgaben der Betriebsärzte tätig zu sein und rechtliche Erwägungen.
36Das gleichzeitig durchgeführte Steuerstrafverfahren ist für die Frage, ob die Anfrage vom 03.11.2022 einen Verwaltungsakt darstellt, unerheblich. Es hat nach keiner vertretenen Auffassung eine entscheidungserhebliche Auswirkung auf die rechtliche Qualität des Vorlageersuchens. Dies ist aus Sicht des Senats folgerichtig. Da das Straf- und Besteuerungsverfahren selbständig nebeneinanderstehen (§ 393 Abs. 1 S. 1 AO), kann die rechtliche Qualität einer Maßnahme als Verwaltungsakt nicht davon abhängen, ob gleichzeitig ein Strafverfahren eingeleitet worden ist.
37B) Die Klage ist auch als allgemeine Leistungsklage unzulässig.
38Die Leistungsklage wäre zwar gemäß § 40 Abs. 1 Var. 3 FGO statthaft, da die Klägerin über die Rücknahme des Auskunfts- und Vorlageersuchens eine „andere Leistung“, die nicht im Erlass oder der Aufhebung eines Verwaltungsakts besteht, erstrebt, es fehlt jedoch an der Klagebefugnis.
39Gemäß § 40 Abs. 2 Var. 3 FGO ist die Klage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung oder Unterlassung einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein.
40Eine solche Rechtsverletzung hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Es ist nicht erkennbar, welches subjektiv-öffentliche Recht ihr zustehen sollte, welches der Beklagte durch die bloße „Bitte“ um Auskunft und zur Vorlage von Unterlagen verletzt haben könnte. Überdies ist es für die Klägerin zumutbar, dass Verwaltungsverfahren bis zum Erlass eines etwaigen Feststellungsbescheids abzuwarten. Ein solcher wäre rechtsbehelfsfähig. In einem Rechtsbehelfsverfahren gegen einen solchen Bescheid wäre auch die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens zu überprüfen (ähnlich FG Münster Urteil vom 14.09.2022 13 K 3154/21 AO, EFG 2022, 1857 für das Verhältnis zwischen Anfechtungs- und Feststellungsklage).
41C) Auch eine Umdeutung in eine Feststellungsklage kommt nicht in Betracht. Dies ergibt sich aus § 41 Abs. 2 FGO, da die Klage bereits als Leistungsklage statthaft wäre. Zudem fehlt auch hier die für die Feststellungsklage in Analogie zu § 40 Abs. 2 FGO erforderliche Klagebefugnis.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.