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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewerbesteuerbefreiung eines Gewinns aus der Veräußerung von Lehrinstituten.
3Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betrieb bis zum ...2017 sechs sog. A-Lehrinstitute (Unterrichtung ... auf Grundlage von ...Verträgen) als Franchisenehmerin im A-Franchisesystem. Franchisegeberin war u. a. die A GmbH (nachfolgend „A-GmbH“).
4Die durch die Klägerin erbrachten (Lehr-) Leistungen waren gem. § 4 Nr. 21 a) des Umsatzsteuergesetzes (UStG) umsatzsteuerfrei, die hieraus erzielten Einkünfte gem. § 3 Nr. 13 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) von der Gewerbesteuer befreit.
5Mit Vertrag vom ...2017 verkaufte die Klägerin die im Gesellschaftsvermögen befindlichen Lehrinstitute (Vermögensgegenstände unter Einschluss von Ansprüchen und Forderungen, Arbeits- und sonstigen Vertragsverhältnissen und von Verbindlichkeiten) zum ...2017 an die A-GmbH für insgesamt ... €. Die im Rahmen der Veräußerung übertragenen körperlichen Gegenstände machten dabei jeweils einen Anteil von lediglich ca. 1% des Wertes der jeweiligen Lehrinstitute aus. Die A-GmbH führte die Lehrinstitute nach dem Erwerb ohne Unterbrechung des Betriebs im Außenverhältnis unter Verwendung der erworbenen Betriebsgrundlagen unverändert als A-Lehrinstitute fort. Gemäß Ziff. 33 des Kaufvertrags sollte die Klägerin die A-GmbH in angemessener Weise unterstützen, um insbesondere eine reibungslose Fortführung der Geschäftstätigkeit der Lehrinstitute durch die A-GmbH sicherzustellen.
6Die Klägerin gab für das Jahr 2017 zunächst keine Gewerbesteuererklärung ab, weil sie davon ausging, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Lehrinstitute nach § 3 Nr. 13 GewStG i. V. m. § 4 Nr. 21 UStG nicht der Gewerbesteuer unterliege. Nachdem der Beklagte, der diesbezüglich anderer Auffassung war, die Erklärung angefordert hatte, wurde diese Mitte 2019 abgegeben, allerdings -- unter Hinweis auf die weiterhin seitens der Klägerin angenommene Gewerbesteuerfreiheit -- ohne Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns bei der Ermittlung des Gewerbeertrags.
7Mit Datum vom 23.08.2019 erließ der Beklagte den erstmaligen Gewerbesteuermessbescheid 2017 (unter dem Vorbehalt der Nachprüfung --VdN--) mit einem (abgerundeten) Gewerbeertrag i. H. v. ... €. Hierin enthalten war ein Veräußerungsgewinn i. H. v. ... € aus dem Verkauf der Lehrinstitute sowie ein laufender Verlust aus der Vermietung von Immobilien von -... €. Die Immobilien hatte die Klägerin aus den Mitteln des Veräußerungserlöses erworben, die Vermietung bildet seit dem ...2017 ihren neuen Unternehmensgegenstand. Die bis zum ...2017 erzielten laufenden Einkünfte aus dem Betrieb des Lehrinstituts (... €) wurden als steuerfrei behandelt. Es ergab sich ein Gewerbesteuermessbetrag von ... €. Im Kern begründete der Beklagte die Behandlung des Veräußerungsgewinns als steuerpflichtig damit, dass die Veräußerung der Lehrinstitute dem Schul- und Bildungszweck nicht unmittelbar diene, womit § 3 Nr. 13 GewStG keine Anwendung finde.
8Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 04.11.2019), der VdN blieb bestehen.
9Auf einen Antrag der Klägerin hin erließ der Beklagte am 06.01.2020 einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr (weiterhin unter dem VdN), in dem der Veräußerungsgewinn nunmehr mit ... € und der laufende (steuerfreie) Gewinn aus dem Betrieb der Lehrinstitute mit ... € angesetzt wurde. Der (abgerundete) Gewerbeertrag betrug ... €, es ergab sich ein neuer Gewerbesteuermessbetrag von ... €.
10Im März 2020 stellte die Klägerin einen erneuten Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) mit ausführlicher Begründung, weshalb der Gewinn aus der Veräußerung der Lehrinstitute nach § 3 Nr. 13 GewStG von der Gewerbesteuer freizustellen sei (es wird insoweit auf das Schreiben vom 30.03.2020 Bezug genommen). Der Beklagte folgte der Rechtsauffassung der Klägerin weiterhin nicht und lehnte den Änderungsantrag am 08.06.2020 ab. Auch der hiergegen gerichtete Einspruch, mit welchem die bisherige Begründung noch einmal vertieft und ergänzt wurde (s. Einspruchsschreiben vom 09.07.2020), hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 26.01.2022).
11Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin die Gewerbesteuerfreistellung des Veräußerungsgewinns weiterverfolgt. Sie wiederholt und vertieft die Argumentation aus dem Verwaltungs- bzw. Vorverfahren, die sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen lässt:
12Die Veräußerung der Lehrinstitute sei mit der Aus-/Fortbildungstätigkeit eng verbunden und damit umsatz- (§ 4 Nr. 21 UStG) und gewerbesteuerfrei (§ 3 Nr. 13 GewStG).
13Auch die Neufassung des § 3 Nr. 13 GewStG durch das Jahressteuergesetz 2019 (Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019, Bundesgesetzblatt --BGBl-- I 2019, S. 2451 ff., nachfolgend „JStG 2019") sei weiterhin unter Berücksichtigung des § 4 Nr. 21 UStG zugrundeliegenden Unionsrechts und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auszulegen. Die von § 3 Nr. 13 GewStG a. F. in Bezug genommene Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 21 UStG finde ihre unionsrechtliche Grundlage in Art. 132 Abs. 1 i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach werde die „Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung“ von der Mehrwertsteuer befreit. Der EuGH habe im Urteil „Horizon College" (vom 14.07.2007 C-434/05) zur Auslegung der inhaltsgleichen Vorgängerregelung von Art. 132 MwStSystRL, nämlich Art. 13 Teil A Abs. 1 i) der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern -- Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage vom 17.05.1977, den Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Umsatzsteuerbefreiung der mit dem Unterricht „eng verbundenen" Dienstleistungen auch auf Leistungen gegenüber anderen Personen als den unmittelbar in einer Bildungseinrichtung unterrichteten Schülern ausgedehnt. Der EuGH habe dort entschieden, dass die entgeltliche Gestellung eines Lehrers an eine Lehreinrichtung, in der dieser dann vorübergehend Unterricht erteilt, eine von der Mehrwertsteuer befreite, mit dem Unterricht „eng verbundene" Dienstleistung sei, wenn die Gestellung es der aufnehmenden Einrichtung ermögliche, den Unterricht als Hauptleistung unter den bestmöglichen Bedingungen anzubieten. Diese EuGH-Rechtsprechung lasse sich auch auf den Streitfall anwenden:
14Wie die Gestellung von Lehrkräften durch Dritte ermögliche es auch die Veräußerung der Lehrinstitute an die die A-GmbH, dass die Studierenden unter den bestmöglichen Bedingungen in den Genuss des nunmehr von der A-GmbH erteilten Unterrichts kämen. Denn der A-GmbH sei es durch den Erwerb der Lehrinstitute und der damit verbundenen Betriebsgrundlagen möglich gewesen, den Betrieb der erworbenen Lehrinstitute unter Einsatz der erworbenen Betriebsmittel im Außenverhältnis unverändert fortzuführen, und sie habe den Betrieb auch tatsächlich fortgeführt. Werde schon die Überlassung einzelner Gegenstände bzw. sonstiger Leistungen an eine andere Lehreinrichtung zur Gewährleistung eines optimalen Schulbetriebs als eng mit der Aus- und Fortbildung verbundene Leistung von der Umsatzsteuer befreit, dann müsse dies erst recht bei der Überlassung des gesamten Lehrbetriebs gelten.
15Dieses unionsrechtlich determinierte Verständnis des § 4 Nr. 21 a) UStG gelte auch im Rahmen des § 3 Nr. 13 GewStG, für dessen Anwendung -- auch nach der Neufassung durch das JStG 2019 -- weiterhin auf die zu § 4 Nr. 21 UStG entwickelten Grundsätze abzustellen sei. Zwar komme eine unmittelbare Anwendung von Art. 132 Abs. 1 i) MwStSystRL im Gewerbesteuerrecht nicht in Betracht. Möglich sei aber eine richtlinienkonforme Auslegung bzw. Analogie zu § 3 Nr. 13 GewStG i.V.m. § 4 Nr. 21 UStG auf Grundlage des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 i) MwStSystRL. Die richtlinienkonforme Anwendung der Gewerbesteuerbefreiung in § 3 Nr. 13 GewStG entspreche auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Dieser liege u. a. darin, die Gewerbesteuerbelastung privater Ausbildungseinrichtungen an diejenige der gemeinnützigen bzw. freiberuflichen Institute anzugleichen.
16Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur (mangelnden) Steuerbefreiung von im Zusammenhang mit der Ausbildungsleistungen gegenüber Dritten erbrachten Leistungen (Hinweis auf die Entscheidungen V R 25/84, V R 52/89 und V R 25/20). Die genannten BFH-Entscheidungen widersprächen zum einen der eindeutigen EuGH-Rechtsprechung zu dieser Konstellation im Urteil „Brockenhurst College" (vom 04.05.2017 C-699/15). Zum anderen sei die durch den BFH und den EuGH in den v. g. Urteilen erfasste Konstellation mit der vorliegenden Fallgestaltung der Veräußerung von Lehrinstituten an einen Erwerber, der gerade unter Nutzung der erworbenen Sachgesamtheiten selbst Ausbildungsleistungen an die Auszubildenden erbringe, nicht vergleichbar. Denn anders als in den durch den BFH entschiedenen Fällen bestünden vorliegend gerade keine voneinander abzugrenzenden Leistungsbeziehungen, welche unterschiedliche Erfolge bezweckten. Vielmehr bezwecke auch die Veräußerung der Lehrinstitute an den Erwerber -- wie auch die Gestellung der Lehrkräfte i. R. d. EuGH-Urteils -- die Förderung des Ausbildungserfolgs gegenüber den Auszubildenden, weil der Erwerber der Lehrinstitute hierdurch in die Lage versetzt werde, die Ausbildungsleistung unter den bestmöglichen Bedingungen zu erbringen. Die Veräußerung bzw. der Erwerb der Lehrinstitute sei damit gerade Voraussetzung für die Erbringung der entsprechenden Ausbildungsleistungen durch den Erwerber. Die streitgegenständliche Leistung fließe unmittelbar in die Ausbildungsleistung gegenüber den Auszubildenden ein und komme diesen zugute, während die den o. g. BFH-Urteilen zugrundeliegende Verwertung der Leistungen (durch Abrechnung gegenüber dem jeweiligen Kunden) auch hätte unterbleiben können, ohne dass der Ausbildungserfolg tangiert worden wäre.
17Darüber hinaus gebiete auch der Normzweck von § 3 Nr. 13 GewStG die Befreiung des Veräußerungsgewinns von der Gewerbesteuer:
18Nach der Rechtsprechung des BFH bestehe der Normzweck von § 3 Nr. 13 GewStG darin, die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der privaten Bildungsträger durch die Gewerbesteuerbelastung zu beheben (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 14.04.1993 I R 33/92). Insoweit solle die Gewerbesteuerbelastung privater Ausbildungseinrichtungen durch die Steuerbefreiung an diejenige gemeinnütziger oder freiberuflicher Institute bzw. öffentlicher Schulen angeglichen werden. Da die Veräußerung von Bildungseinrichtungen durch freiberufliche bzw. gemeinnützige Träger nicht der Gewerbesteuer unterliege, könne dieser Normzweck vorliegend allein durch die Freistellung auch der Veräußerungsgewinne der Klägerin erreicht werden. Der Anwendung von § 3 Nr. 13 GewStG könne auch nicht entgegengehalten werden, dass die Gewerbesteuerbelastung der Klägerin aus § 2 Abs. 2 GewStG, d. h. der Wahl der Rechtsform einer GmbH, folge und somit schlicht den nicht durch § 3 Nr. 13 GewStG zu kompensierenden „rechtsformbedingten Regelfall" darstelle. Sähe man dies so, könnten Kapitalgesellschaften wie die Klägerin auch für die unmittelbaren (Lehr-) Tätigkeiten die Gewerbesteuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen. Dies sei jedoch nach der eindeutigen BFH-Rechtsprechung nicht der Fall.
19Die Klägerin beantragt,
20den Beklagten zu verpflichten, den Gewerbesteuermessbescheid 2017 vom 06.01.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.01.2022 dahingehend zu ändern, dass der Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Lehrinstitute (... EUR) steuerfrei gestellt wird und somit nicht in den Gewerbeertrag einfließt;
21hilfsweise: die Revision zuzulassen.
22Der Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen;
24hilfsweise: die Revision zuzulassen.
25Er verweist auf seine Begründung im Vorverfahren, wonach die von der Klägerin erbrachte Veräußerungsleistung nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck diene, weil die Klägerin mit der Veräußerung einen wirtschaftlichen Erfolg gegenüber der A-GmbH bezwecke, nicht hingegen den Bildungserfolg bei den ...Schülern selbst bewirke. Unerheblich sei, ob die Veräußerungsleistung für die Erfüllung des Lehrauftrages notwendig oder unerlässlich sei. Dies ergebe sich aus den BFH-Urteilen vom 17.03.1981 (VIII R 149/76) sowie vom 15.07.1993 (V R 52/89). Entgegen der Auffassung der Klägerin könne die gewerbesteuerrechtliche Steuerbefreiung nicht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 i) MwStSystRL gestützt werden. Die MwStSystRL lege das gemeinsame Mehrwertsteuersystem fest und finde im Gewerbesteuerrecht keine unmittelbare Anwendung. Zudem verweise § 3 Nr. 13 GewStG 2002 lediglich auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG und nicht auch auf das zugrundeliegende Richtlinienrecht (Hinweis auf FG Münster, Urteil vom 31.08.2015 9 K 2097/14 G). Ebenso wenig lasse sich die Gewerbesteuerbefreiung mit einer richtlinienkonformen Auslegung von § 3 Nr. 13 GewStG i. V. m. § 4 Nr. 21 UStG begründen. Zwar könnten nach dem EuGH-Urteil „Brockenhurst College“ Tätigkeiten, mit denen Studenten einer höheren Bildungseinrichtung für ihre Ausbildung unerlässliche Dienstleistungen gegenüber Dritten gegen Entgelt erbrächten, u. U. als mit der Unterrichtsleistung „eng verbunden“ angesehen und folglich auf der Grundlage von Art. 132 Abs. 1 i) MwStSystRL von der Mehrwertsteuer befreit werden. Jedoch komme eine richtlinienkonforme Auslegung von § 3 Nr. 13 GewStG i. V. m. § 4 Nr. 21 UStG dergestalt, dass ein „unmittelbares“ Dienen für den Schul- und Bildungszweck bereits bei damit „eng verbundenen“ Leistungen anzunehmen sei, nicht in Betracht. Denn eine derartige Auslegung widerspreche jedenfalls im Gewerbesteuerrecht dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Dieser habe ursprünglich in § 3 Nr. 13 GewStG selbst geregelt, dass sich der Verweis auf die umsatzsteuerrechtliche Steuerbefreiung nicht auf die Betriebsteile erstrecken sollte, die nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienten (Hinweis auf BT-Drs. VI/1844). Die spätere Streichung dieser ausdrücklichen Einschränkung in § 3 Nr. 13 GewStG habe daran in der Sache nichts ändern sollen (Hinweis auf BR-Drs. 612/93 (Beschluss), S. 42). In diese Richtung weise auch die Änderung des § 3 Nr. 13 GewStG 2002 durch das JStG 2019. § 3 Nr. 13 GewStG knüpfe ausdrücklich nur an den Wortlaut des § 4 Nr. 21 UStG an, so dass es für die unmittelbare Anwendung der Gewerbesteuerbefreiung nicht ausreichend sei, wenn die Voraussetzung der unionsrechtlichen Richtlinie, die § 4 Nr. 21 UStG zugrunde liege, erfüllt seien (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 26.05.2021 V R 25/20).
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Steuerakte Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe
28Die Klage ist unbegründet.
29Der Gewerbesteuermessbescheid 2017 vom 06.01.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.01.2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht i. S. d. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in ihren Rechten.
301. Die Klägerin kann sich hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Lehrinstitute im Streitjahr nicht auf die Gewerbesteuerbefreiung i. S. d. § 3 Nr. 13 GewStG i. d. F. des JStG 2019 (nachfolgend „GewStG n.F.“) berufen.
31a) Nach § 3 Nr. 13 GewStG n.F., der erstmals für den Erhebungszeitraum 2015 anzuwenden ist (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 2 GewStG n.F.), sind private Schulen und andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen unter weiteren Voraussetzungen (s. die dortigen Buchstaben a und b) von der Steuer befreit, soweit unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen erbracht werden. Durch die Neufassung der Vorschrift, die anstelle des Verweises auf § 4 Nr. 21 UStG dessen Wortlaut -- mit Ausnahme des Wegfalls des Bescheinigungserfordernisses -- sprachlich leicht verändert übernimmt, sollte der Umfang der vorherigen Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 13 GewStG 2002 gewahrt bleiben (s. BT-Drs. 19/13436, S. 133).
32Das Tatbestandsmerkmal "unmittelbar" (welches im „alten“ § 3 Nr. 13 GewStG erst über den Verweis auf den dieses Tatbestandsmerkmal damals wie heute enthaltenden § 4 Nr. 21 UStG zur Anwendung kam) bezieht sich dabei nicht auf den Inhalt der Leistungen, sondern beschreibt die Art und Weise, in der die Leistungen bei der Erfüllung des Schul- und Bildungszwecks der Einrichtung eingesetzt werden müssen; danach dienen solche Leistungen unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck, die ihn nicht nur ermöglichen, sondern ihn selbst bewirken (vgl. BFH-Urteil vom 26.05.2021 V R 25/20, Bundessteuerblatt --BStBl-- II 2022, 131, unter II.1.b) m. w. N.).
33Diese Voraussetzung ist nur gewahrt, wenn eine Leistung den Schul- und Bildungszweck in der Weise unmittelbar erfüllt, dass keine weitere Leistung dazwischengeschaltet ist. Da § 3 Nr. 13 GewStG n.F. auf die Zweckdienlichkeit der Leistungen abstellt, ist für die Unmittelbarkeit die Frage maßgebend, welcher wirtschaftliche Erfolg mit der Leistung herbeigeführt werden soll. Bezweckt der Unternehmer daher mit einer Leistung, die er gegenüber einem anderen Empfänger als dem der Schul- und Bildungsleistung erbringt, einen gegenüber der Schul- und Bildungsleistung eigenständigen wirtschaftlichen Erfolg, ist die Leistung nicht von der Gewerbesteuer befreit (BFH-Urteil vom 26.05.2021 V R 25/20, BStBl II 2022, 131, unter II.1.b)).
34b) Gemessen an diesen Grundsätzen diente die Veräußerung der Lehrinstitute an die A-GmbH nicht „unmittelbar“ dem Schul- und Bildungszweck, wie es § 3 Nr. 13 GewStG n.F. verlangt.
35Denn durch die Veräußerung hat die Klägerin einen eigenständigen wirtschaftlichen Erfolg gegenüber der A-GmbH erbracht, die hierdurch in die Lage versetzt wurde, künftig den ...unterricht statt der Klägerin zu erbringen. Dadurch wurde zwar die weitere Erfüllung des Schul- und Bildungszwecks -- nunmehr durch die A-GmbH -- „ermöglicht“, aber nicht selbst „bewirkt“. Das bloße Ermöglichen ist indes nach der o. g. Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, gerade nicht ausreichend.
36Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass die Schüler -- weil der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin die Institute aus Altersgründen nicht fortführen wollte -- ohne die Veräußerung möglicherweise nicht weiter -- jedenfalls nicht in der bisherigen Form -- unterrichtet worden wären. Denn selbst, wenn die Veräußerung dadurch als Leistung einzustufen wäre, die für die Erfüllung des Schul- und Bildungszwecks notwendig oder gar unerlässlich war (was nach Auffassung des Gerichts nicht der Fall ist, s. w. u. unter II.1.d)), würde dies gewerbesteuerrechtlich nicht zur Bejahung des Unmittelbarkeitserfordernisses führen; denn die Unerlässlichkeit allein reicht gerade nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 26.05.2021 V R 25/20, BStBl II 2022, 131, unter II.1.c); BFH-Urteil vom 17.03.1981 VIII R 149/76, BStBl II 1981, 746, unter II.2).
37c) Die Veräußerung kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt nach § 3 Nr. 13 GewStG n.F. als gewerbesteuerfrei behandelt werden, dass insoweit umsatzsteuerlich von einer Nebenleistung zu den nach § 4 Nr. 21 a) UStG steuerfreien Unterrichtsleistungen auszugehen wäre (mit der Folge der Steuerfreiheit auch für die Nebenleistung).
38Die Auslegung von § 3 Nr. 13 GewStG n.F. anhand des Umfangs der (parallelen) umsatzsteuerlichen Befreiung scheitert dabei nicht bereits daran, dass der Verweis auf das Umsatzsteuergesetz durch die Neufassung des § 3 Nr. 13 GewStG entfallen ist. Denn der Gesetzgeber hat bei der Änderung der Vorschrift durch das JStG 2019 klargestellt, dass trotz dessen Wortlautlautänderung der bisherige -- sich nach der Reichweite des § 4 Nr. 21 a) UStG für die Umsatzsteuer richtende -- Umfang der gewerbesteuerlichen Befreiung unverändert bleiben sollte. Danach wäre also auch nach der neuen Gesetzesfassung von einer gewerbesteuerlichen Befreiung auszugehen, wenn diese nach der alten -- auf § 4 Nr. 21 a) UStG verweisenden -- Gesetzesfassung zu gewähren gewesen wäre. Dies ist vorliegend indes nicht der Fall; die Veräußerung der Institute stellt umsatzsteuerlich keine Nebenleistung zu der dem Schul- und Bildungszweck dienenden Hauptleistung, dem ...unterricht, dar.
39aa) Umsatzsteuerrechtlich ist nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH angeschlossen hat, in der Regel jede Lieferung oder Dienstleistung als eigene, selbständige Leistung zu betrachten, wobei aber eine Leistung auch Nebenleistung zu einer Hauptleistung sein kann, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, und zudem ein einziger untrennbarer wirtschaftlicher Vorgang nicht wirklichkeitsfremd aufgespalten werden darf (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 26.05.2021 V R 25/20, BStBl II 2022, 131, unter II.1.d) m. w. N.).
40bb) Im Streitfall ist in Bezug auf die Veräußerung und die (weitere) Erbringung des ...unterrichts nicht vom Vorliegen der vorstehenden Voraussetzungen und damit auch nicht (ausnahmsweise) von einer einheitlichen Leistung auszugehen, innerhalb derer die Veräußerung eine unselbständige Nebenleistung darstellt. Denn die beiden Leistungen können jedenfalls nicht als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang, der umsatzsteuerrechtlich nicht aufgespalten werden darf, angesehen werden.
41(1) Die Frage, ob mehrere Umsätze jeweils eigene und selbständige Leistungen oder --ausnahmsweise-- einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang darstellen, der nicht wirklichkeitsfremd aufgespalten werden darf, ist stets unter Berücksichtigung der jeweils zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse zu beantworten; ebenso ist für die leistungsbezogenen Steuerbefreiungen das der Leistung zugrunde liegende Rechtsverhältnis zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 26.05.2021 V R 25/20, BStBl II 2022, 131, unter II.1.d) m. w. N.).
42(2) Den beiden hier in Rede stehenden Leistungen, der Veräußerung der Lehrinstitute einerseits und der Unterrichtserbringung andererseits, liegen ihrer Art und ihrem Wesen nach völlig unterschiedliche Rechtsverhältnisse -- Kaufvertrag über Lehrinstitute einerseits und Unterrichtsverträge andererseits -- zugrunde, an denen auch jeweils unterschiedliche Leistungserbringer und Leistungsempfänger beteiligt sind. Angesichts der qualitativen Unterschiede der Rechtsverhältnisse und der darauf beruhenden Leistungen erschiene es vielmehr wirklichkeitsfremd, Veräußerung und Unterrichtserbringung als einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zu behandeln.
43(3) Gegen die Annahme eines Haupt- und Nebenleistungsverhältnisses spricht zudem, dass mehrere Leistungen unter dem Gesichtspunkt von Haupt- und Nebenleistung nur dann zu einer einheitlichen Leistung verbunden werden können, wenn die Leistungen gegenüber ein und demselben Leistungsempfänger erbracht werden; Nebenleistungen Dritter oder an Dritte gibt es dagegen nicht (vgl. BFH-Urteil vom 18.03.2015 XI R 15/11 BStBl II 2015, 1058, unter II.2.a)). Vorliegend besteht weder Identität bezüglich der Erbringer noch der Empfänger der Leistungen.
44d) Eine Gewerbesteuerfreiheit ergibt sich schließlich auch nicht -- unmittelbar oder im Wege der richtlinienkonformen Auslegung -- aus Art. 132 Abs. 1 i) MwStSystRL.
45aa) Eine Gewerbesteuerbefreiung unter direkter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 i) MwStSystRL scheidet bereits deshalb aus, weil die MwStSystRL das gemeinsame Mehrwertsteuersystem festlegt (Art. 1 Abs. 1 MwStSystRL) und daher im Gewerbesteuerrecht keine unmittelbare Anwendung findet.
46bb) Ebenso wenig lässt sich die Gewerbesteuerbefreiung mit einer richtlinienkonformen Auslegung von § 3 Nr. 13 GewStG 2002 i. V. m. § 4 Nr. 21 UStG -- abstellend darauf, dass die Reichweite von § 3 Nr. 13 GewStG n.F. sich nach derjenigen der bisherigen Fassung, die auf § 4 Nr. 21 UStG verwies, richten soll -- begründen.
47(1) Zwar kann man der EuGH-Entscheidung „Horizon College“ die grundsätzliche Aussage entnehmen, dass eine bestimmte Leistung dann eine von der Mehrwertsteuer befreite mit dem Unterricht „eng verbundene“ Dienstleistung sein kann, wenn sie das Mittel darstellt, um unter den bestmöglichen Bedingungen in den Genuss des als „Hauptleistung“ angesehenen Unterrichts zu kommen (im Fall „Horizon College“ ging es dabei um die entgeltliche Gestellung eines Lehrers durch eine Lehreinrichtung an eine andere Lehreinrichtung zum Zwecke der Unterrichtserteilung). Allerdings hat der EuGH die Annahme einer solchen eng verbundenen Dienstleistung u. a. unter die weitere -- von ihm im dortigen Fall nicht geprüfte, weil durch das nationale Gericht zu prüfende -- Voraussetzung gestellt, dass diese „Nebenleistung“ zur Ausübung der Hauptleistung „unerlässlich“ ist (die Begriffe „Nebenleistung“ und „Hauptleistung“ in diesem Absatz meinen im Übrigen nicht den -- weiter oben bereits behandelten -- umsatzsteuerlichen Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung, sondern lehnen sich an die diesbezügliche Terminologie des EuGH an; soweit dieser den Begriff der „Nebenleistung“ im Bereich der Steuerbefreiungsvorschriften definitorisch für „eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen“ benutzt, dient dies allein der Beschreibung des Umfangs der Steuerbefreiung, nicht hingegen der Definition von Nebenleistungen in Bezug auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung, so zutreffend Nieskens in: Rau/Dürrwächter, UStG, 186. EL 4/2020, § 1 Rz. 692; a. A. wohl Korf, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2007, 547, 551).
48(2) Eine solche Unerlässlichkeit scheidet vorliegend aus Sicht des Gerichts schon deshalb aus, weil eine Veräußerung der Lehrinstitute nicht die einzige Möglichkeit gewesen wäre, den Unterricht -- angesichts der Absicht des Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin, die Lehrinstitute nicht weiter zu betreiben -- weiterhin zu gewährleisten. So hätte z. B. auch die gleichwertige Möglichkeit bestanden, die Anteile an der Klägerin an die A-GmbH zu veräußern. In diesem Falle wäre zudem bereits keine Gewerbesteuer angefallen.
49(3) Letztendlich kann die Frage der Unerlässlichkeit aber dahinstehen, weil -- selbst wenn man diese entgegen dem Vorstehenden annähme -- eine richtlinienkonforme Auslegung des § 3 Nr. 13 GewStG jedenfalls dem Willen des Gesetzgebers widerspricht und daher ohnehin ausscheidet.
50§ 3 Nr. 13 GewStG sollte nach der ursprünglichen Gesetzesbegründung die Wettbewerbsnachteile (damals einiger weniger) gewerbesteuerpflichtiger Privatschulen gegenüber staatlichen Schulen oder aus anderen Gründen (insbesondere Gemeinnützigkeit oder Betreiben der Schule in freiberuflicher Form) von der Gewerbesteuer befreiter Privatschulen beseitigen und damit zur Stärkung und Erweiterung des privaten Bildungswesens beitragen (vgl. BT-Drs. VI/1844). Der Gesetzgeber hatte insofern -- in Konkretisierung dieses Gedankens der Schaffung von Wettbewerbsneutralität -- ursprünglich in § 3 Nr. 13 GewStG selbst geregelt, dass sich der Verweis auf die umsatzsteuerrechtliche Steuerbefreiung nicht auf die Betriebsteile erstrecken solle, die nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienen (vgl. BT-Drs. VI/1844).
51Hierin kommt nach Auffassung des Gerichts zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber nur den eigentlichen „laufenden Betrieb“ der Schule von der Gewerbesteuer befreien wollte, nicht hingegen andere Vorgänge wie z. B. die Veräußerung der Schule. Letzteres ergibt sich schon daraus, dass insbesondere staatliche, aber auch gemeinnützige private Schulen (die zusammen den überwiegenden Teil der dem Gesetzgeber vorschwebenden Vergleichsgruppe bilden dürften) in aller Regel nicht veräußert werden dürften und daher insoweit bereits keine Wettbewerbssituation zwischen diesen und den -- ohne die Befreiung nach § 3 Nr. 13 GewStG -- gewerbesteuerpflichtigen Privatschulen besteht, bezüglich derer für eine Wettbewerbsgleichheit gesorgt werden müsste. Es ist aus auch nicht anzunehmen, dass potentielle Betreiber dadurch von der Gründung oder dem Erwerb und dem anschließenden Betrieb einer Privatschule abgehalten werden, dass zu einem späteren (bei Gründung oder Erwerb völlig ungewissen) Zeitpunkt einmal Gewerbesteuer auf einen möglichen Veräußerungsgewinn anfallen könnte.
522. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
533. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).