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Der Gewerbesteuermessbescheid für 2017 vom 17.1.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.5.2022 wird in der Weise abgeändert, dass ein Teilbetrag i.H.v. 65.207 Euro des insgesamt erzielten Gewinnes als steuerfrei behandelt und der Gewerbesteuermessbetrag entsprechend gemindert wird.
Die Berechnung des Gewerbesteuermessbetrages wird dem Beklagten auferlegt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Mit der am 20.5.2022 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2017 vom 17.1.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.5.2022.
3Streitig ist, ob der Gewinn der Klägerin gem. § 3 Nr. 13 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in dem im Klageantrag formulierten Umfang von der Gewerbeteuer befreit war.
4Die Klägerin firmierte bis 2015 als UG haftungsbeschränkt (vgl. § 5 a GmbH-Gesetz) und ab 2016 als GmbH. Sie erzielte im Streitjahr Einnahmen durch ihren alleinigen Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer, G (im Folgenden: G). Weder war ein schriftlicher Geschäftsführervertrag geschlossen noch ein Geschäftsführergehalt vereinbart worden. Die Klägerin schüttete ihre Gewinne an ihren Gesellschafter aus.
5G war neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit an einer Hochschule für die Klägerin als Dozent für die ...-Fachschule F GmbH & Co KG (im Folgenden: F) tätig. Auf die hierbei erzielten Honorare beschränkt sich das klägerische Begehren. Die F war als Fortbildungsinstitut zur Vorbereitung auf IHK-...Prüfungen bundesweit an verschiedenen Orten, in eigenen und angemieteten Schulungsräumen tätig und bediente sich einer Vielzahl von Dozenten auf Honorarbasis. G erstellte und nutzte im Rahmen des vorgegebenen Prüfungsstoffes eigene Unterrichtsmaterialien und didaktische Konzepte. Darüber hinaus erteilte er gelegentlich auch für andere Bildungsinstitutionen Seminare (z.B. für die ...Akademie).
6Die Klägerin verbuchte im Streitjahr insgesamt einen Gewinn von 68.707 Euro, der in Höhe von 65.207 Euro der Arbeit als Dozent für die F zuzurechnen ist.
7Die Klägerin erklärt, Hintergrund der Wahl der Rechtsform einer GmbH seien in erster Linie sozialversicherungsrechtliche Erwägungen gewesen. Als angestellter aber auch als selbständiger Dozent für die F wäre G der Sozialversicherungspflicht unterfallen, was habe vermieden werden sollen. Steuerlich habe die Rechtsformwahl keine nennenswerten Vorteile mit sich gebracht.
8Der hier für die Vorschrift des § 3 Nr. 13 GewStG maßgebliche Begriff der „Einrichtung“ sei weit auszulegen. Die Verwendung eines anderen Ausdrucks als „Betriebsstätte“ im Falle freiberuflicher Tätigkeiten erkläre sich allein aus einem alten Selbstbild der freien Berufe, verbunden mit dem Anspruch, keinesfalls mit ordinärer Gewerblichkeit assoziiert werden zu wolIen. Demnach sei der Wortlaut der Bestimmung des § 3 Nr.13 GewStG schlichtweg so zu verstehen, dass sie sich auf nicht mehr und nicht weniger als den „Betrieb" eines Unterrichtenden beziehe, falls und soweit dieser aufgrund z.B. seiner Rechtsform dem Gewerbesteuergesetz unterfalle.
9Die Vorschrift des § 3 Nr. 13 GewStG sei historisch eng an § 4 Nr. 21 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) angelehnt. Die Nr. 21 des § 4 UStG habe in der Ursprungsfassung alle „Einrichtungen" umfasst, die Unterricht erteilten. Darunter habe die Finanzverwaltung jahrzehntelang auch die selbständigen Lehrer verstanden. Erst als in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Zweifel daran aufgetaucht seien, ob denn eine einzelne natürliche Person Träger einer „Einrichtung" sein könne, seien zur Sicherheit die „selbständigen Lehrer" zusätzlich ausdrücklich in die Vorschrift aufgenommen worden, um insoweit Rechtssicherheit gegen eventuelle Änderungen der Rechtsprechung zu schaffen (§ 4 Nr. 21 b) UStG). Bis dahin sei die Finanzverwaltung wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass mit dem Begriff der „Einrichtung" auch die freiberufliche Tätigkeit der selbständigen Lehrer miterfasst sei; dieses Begriffsverständnis habe über Jahrzehnte hinweg vorgeherrscht.
10Der EuGH habe später bestätigt, dass einzelne natürliche Personen selbstverständlich auch Träger einer „Einrichtung“ sein könnten. Damit wäre die Notwendigkeit der betreffenden Gesetzesänderung eigentlich entfallen. Sie zu streichen, sei aber unnötig gewesen, da es sich ja im Wesentlichen um eine klarsteIlende Regelung gehandelt habe.
11In der Kommentarliteratur späterer Jahre sei der historische Hintergrund nicht mehr beachtet worden. Es habe eine Suche der Kommentatoren nach einem begrifflichen Unterschied zwischen dem „Mehr“ an Merkmalen begonnen, die eine „Einrichtung" gegenüber einer selbständigen Lehrtätigkeit haben müsse.
12Unter dem Gesichtspunkt der Auslegung nach der Stellung der Vorschrift im System des Gesetzes sei zu bemerken, dass eine unterrichtende Tätigkeit als solche überhaupt nicht der Gewerbesteuer unterfalle. Damit könne § 3 Nr. 13 GewStG von vornherein nur auf jene Fälle abzielen, in denen die an sich freiberufliche Tätigkeit des Unterrichtens wegen der rechtlichen Organisation dieser Tätigkeit zu Einkünften aus Gewerbebetrieb qualifiziert werde. Der vom Gesetzgeber gewollte Effekt der Bestimmung von § 3 Nr. 13 GewStG könne also nur darin liegen, diesen Umqualifizierungseffekt für mindestens einige der von § 2 Abs. 2 GewStG betroffenen Einheiten wieder aufzuheben. Damit liege der Vorschrift erkennbar die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass zumindest in den von § 3 Nr. 13 GewStG erfassten Fällen die gewählte rechtliche Organisation aIs alleiniger Grund für die Erhebung von Gewerbesteuer in diesen Fällen gerade nicht als ausreichend anzusehen sei. Folgte man der Ansicht des Beklagten, hätte sich die Absicht des Gesetzgebers in der Tat nur darauf gerichtet, die Wirkungen der fiktiven Gewerblichkeit kraft Rechtsform nur für einige der betroffenen Einheiten aufzuheben, für andere rechtliche Gestaltungsformen - beispielsweise für Subunternehmermodelle, wie hier - dann aber nicht. Warum der Gesetzgeber dann aber bei unterrichtender Tätigkeit in einigen Fällen den die Gewerbesteuer verursachenden Einfluss der Rechtsform hätte ausschalten wollen, in anderen Fällen dagegen wiederum nicht, erschließe sich nicht. Hinzu komme, dass sich in den Gesetzesmaterialien zur·erstmaligen Einführung der Bestimmung eindeutig die Erläuterung finde, dass alle Einrichtungen gewerbesteuerfrei gestellt werden sollten.
13Es sei überdies selbstverständlich, dass Unterricht auch geeignete Räume erfordere. Dass diese Räume von der betreffenden Einrichtung selbst vorgehalten werden müssten, würde in der Praxis nicht verlangt. Anderenfalls wären weder Inhouse-Veranstaltungen noch Online-Ausbildungslehrgänge, wie sie schon vor der Corona Pandemie weit verbreitet und staatlich anerkannt gewesen seien, Unterricht und die Veranstalter keine „Einrichtungen". Die Ansicht des Beklagten laufe darauf hinaus, man müsse den Begriff ,,Einrichtung" einschränkend so interpretieren, als ob nur eigene unterrichtende Einheiten von den Folgen der Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform freigestellt werden sollten, andere aber nicht. Für eine solche Wertung des Gesetzgebers gäben weder der Wortlaut noch die Materialien zur Entstehung der Vorschrift in den 1960er Jahren irgendeinen Anlass. Soweit das Finanzamt auf die Parallele des Begriffs „Einrichtung" in § 4 Nr. 21 a UStG abhebt, sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Finanzverwaltung und der Gesetzgeber den Begriff „Einrichtung“ jahrzehntelang so verstanden hätten, dass damit auch die selbständige natürliche Person (Lehrer) erfasst sein sollte.
14Die Klägerin beantragt,
15den Gewerbesteuermessbescheid für 2017 vom 17.1.2022 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.5.2022 in der Weise abzuändern, dass 65.207 Euro von dem erzielten Gewinn als steuerfrei mindernd vom Gewerbeertrag abgezogen werden mit der weiteren Maßgabe, dass der Gewerbeertrag dann noch 3.500 Euro beträgt und es deshalb wieder bei der ursprünglichen Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags i. d. F. des Bescheids vom 5.3.2019 bleibt,
16hilfsweise, die Revision zuzulassen.
17Der Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen,
19hilfsweise, die Revision zuzulassen.
20Der Beklagte hält daran fest,
21dass die Klägerin keine organisatorischen oder sachlichen Voraussetzungen zu einer Unterrichtserteilung gehabt, mithin keine berufsbildende Einrichtung unterhalten habe.
22Die mit der Gewerbesteuerbefreiung einhergehende Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG beziehe sich auf den Teil der Vorschrift, der nunmehr unter Buchstabe a) erfasst sei. Der später eingefügte Buchstabe b) habe die Umsatzsteuerbefreiung auf die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer ausgedehnt. Die Ausdehnung der Umsatzsteuerbefreiung sei jedoch von
23§ 3 Nr. 13 GewStG, der unverändert ausschließlich für private Schulen und andere allgemeinbildende oder berufsbildende „Einrichtungen“ greife, inhaltlich nicht nachvollzogen worden, auch wenn § 3 Nr. 13 GewStG zwischenzeitlich vom Wortlaut her auf die gesamte Nr. 21 des § 4 UStG verwiesen habe. Eine Gesetzesänderung sei aber auch nicht für notwendig erachtet worden, da selbständige Lehrer als freie Miterbeiter an Schulen und ähnlichen Bildungseinrichtungen ohnehin freiberuflich tätig seien und schon aus diesem Grunde nicht der Gewerbesteuer unterlägen.
24Befreit seien nach § 3 Nr. 13 GewStG nur Einrichtungen der allgemeinen oder beruflichen Bildung. Nur insoweit stimme die Befreiung von der Gewerbesteuer nach § 3
25Nr. 13 GewStG mit den Voraussetzungen für die Befreiung von der Umsatzsteuer
26nach § 4 Nr. 21 a UStG überein.
27Der Beklagte hat hierzu auf die Kommentierung von Sarrazin in Lenski/Steinberg Kommentar zum Gewerbesteuergesetz zu § 3 Nr. 13 Rz. 441 ff. verwiesen.
28In dem von der Klägerin verwirklichten Sachverhalt hätten alle unterrichteten Seminarteilnehmer im Vertragsverhältnis zu der F gestanden, welche allein die geforderten berufsbildenden Einrichtungen unterhalten habe. Die Klägerin sei in diesem Zusammenhang lediglich wie eine freiberufliche Dozentin zu sehen, die lediglich Kraft ihrer Rechtsform mit ihren Leistungen der Gewerbesteuer unterliege. Der Begriff der berufsbildenden Einrichtung gehe über die von dem Kläger betriebene Unterrichtserteilung hinaus und verlange neben personellem auch organisatorischen und sachlichen Einsatz. Auch hierzu sei auf die Kommentierung von Sarrazin in Lenski/Steinberg zu § 3 Nr. 13
29GewStG zu verweisen, wonach der gewerbliche Unternehmer selbst Träger der Bildungseinrichtung sein müsse. Dies setze voraus, dass er die entgeltlichen Unterrichtsleistungen gegenüber seinen Vertragspartnern (z.B. Schüler, Studenten, Berufstätige oder Arbeitgeber) selbst erbringe. Erforderlich sei deshalb ein festliegendes Lehrprogramm und Lehrpläne zur Vermittlung eines Unterrichtstoffes für die Erreichung eines bestimmten Lehrgangziels sowie geeignete Unterrichtsräume oder -vorrichtungen. Außerdem müsse der Betrieb auf eine gewisse Dauer angelegt sein. Die Einrichtung brauche aber im Rahmen ihres Lehrprogrammes keinen eigenen Lehrstoff anzubieten. Es reiche aus, wenn sich die Leistung auf eine Unterstützung der Schul- oder Hochschulangebots bzw. auf die Verarbeitung oder Repetition des von der Schule angebotenen Stoffes beschränke. Einzelne Vorträge oder eine Vortragsreihe seien dagegen allein noch keine Unterrichtsleistung, könnten aber in ein Lehrprogramm eingebunden sein.
30Entscheidungsgründe
31Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht die durch die Unterrichtserteilung im Zusammenhang mit der F erzielten Gewinne der Klägerin als gewerbesteuerpflichtig behandelt. Die Gewinne sind im Umfang des Klageantrages gewerbesteuerbefreit gem. § 3 Nr. 13 GewStG.
321. Nach § 3 Nr. 13 GewStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung vom 12.12.2019 (Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 BGBl I 2019, 2451) sind private Schulen und andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen, soweit unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen erbracht werden, von der Gewerbesteuer befreit, wenn sie
33a) als Ersatzschulen gemäß Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder
34b) auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
35Gemäß Art. 8 Nr. 6 des vorgenannten Gesetzes vom 12.12.2019 ist § 3 Nr. 13 GewStG mit dem geänderten Wortlaut rückwirkend ab dem Erhebungszeitraum 2015 anzuwenden (vgl. auch § 36 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte durch die Neufassung der Vorschrift, die anstelle des Verweises auf § 4 Nr. 21 UStG dessen Wortlaut -mit Ausnahme des Bescheinigungserfordernisses- nahezu gleichlautend übernimmt, der Umfang der vorherigen Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 13 GewStG 2002 gewahrt bleiben (vgl. BT-Drucksache 19/13436, 133). Eine inhaltliche Änderung des Befreiungstatbestandes des § 3 Nr. 13 GewStG war nicht beabsichtigt.
36Die Klägerin hat als berufsbildende Einrichtung im Sinne des Gesetzes unmittelbar dem Bildungszweck dienende Leistungen erbracht, die auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, hier einer Industrie und Handelskammer (vgl. § 3 Abs. 1 IHKG), abzulegende Prüfung vorbereiteten; damit hat die Klägerin die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt.
372. Das Tatbestandsmerkmal "unmittelbar" (welches im „alten“ § 3 Nr. 13 GewStG erst über den Verweis auf den dieses Tatbestandsmerkmal damals wie heute enthaltenden § 4 Nr. 21 a und b UStG zur Anwendung kam) bezieht sich dabei nicht auf den Leistungsinhalt, sondern beschreibt die Art und Weise, in der die Leistungen bei der Erfüllung des Schul- und Bildungszwecks der Einrichtung eingesetzt werden. Danach dienen solche Leistungen unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck, die ihn nicht nur ermöglichen, sondern ihn selbst bewirken (vgl. Bundesfinanzhof -BFH- Urteil vom 26.5.2021 V R 25/20, Bundessteuerblatt --BStBl-- II 2022, 131). Die begünstigten Bildungseinrichtungen erbringen insoweit steuerbefreite Leistungen, als die Leistungen ihrer Art nach die allgemeine Schulbildung oder die Berufsaus- oder Berufsfortbildung fördern, ergänzen oder erleichtern, ohne dass eine weitere Leistung dazwischengeschaltet ist (vgl. Finanzgericht –FG- Münster Urteil vom 31.8.2015 9 K 2097/14 G, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG- 2016, 48, m.w.N).
38Die Klägerin hat in diesem Sinne ihre Bildungsleistungen unmittelbar bewirkt. Anders als in dem durch den BFH entschiedenen Fall im Urteil vom 26.5.2021 (s.o.) der Erbringung von gesondert berechneten Behandlungsleistungen im Rahmen einer Ausbildung zum Psychotherapeuten, hat die Klägerin keinen eigenständigen anderen wirtschaftlichen Erfolg als den der Erbringung von Bildungsleistungen mit ihrer Leistung bezweckt. Das Wirken der Klägerin war insbesondere abzugrenzen von Gesellschaften, die sich als eine Art Personalvermittler für Bildungseinrichtungen verstehen und damit möglicherweise nur mittelbar Bildungsleistungen erbringen. Die Klägerin indes hat durch ihr Organ selbst den Bildungsauftrag erfüllt und Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die auf die ...Prüfungen bei der IHK vorbereiten.
393. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klägerin als berufsbildende „Einrichtung“ zu qualifizieren.
40a) Eine berufsbildende Einrichtung ist jede Einrichtung, die Leistungen erbringt, die ihrer Art nach den Zielen der Berufsaus- oder Berufsfortbildung dienen. Sie müssen spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln, die zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten notwendig sind (vgl. BFH Urteil vom 18.9.2003 V R 62/02, BStBl II 2004, 252). Auf die Rechtsform des Trägers der Einrichtung kommt es nicht an. Es können auch natürliche Personen oder Personenzusammenschlüsse begünstigte Einrichtungen betreiben, wenn neben den personellen auch die organisatorischen und sachlichen Voraussetzungen vorliegen, um einen Unterricht zu ermöglichen (vgl. Bös in GewStG-eKommentar zu § 3 GewStG, u.a. unter Hinweis auf Abschnitt 4.21.2 Abs. 1 Sätze 3 bis 6 Umsatzsteueranwendungserlass –UStAE-- vom 1.10.2010, BStBl I 2010, 846).
41b) Vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift legt das Gericht den Begriff der „Einrichtung“ nicht einengend aus. Der Zweck der Befreiung ist bildungspolitischer Natur. Private Ausbildungseinrichtungen sollen ebenso wie öffentliche, gemeinnützige und freiberufliche Institute von der Gewerbesteuer freigestellt werden, um dem Bildungsauftrag ohne den zusätzlichen Kostenfaktor der Gewerbesteuer gerecht zu werden. Zudem dient die Vorschrift dem Gedanken der Wettbewerbsgleichheit. Insbesondere auf dem Feld der Berufsaus- oder Berufsfortbildung sollen Einrichtungen, die weder von vornherein als freiberuflich tätige unterrichtende Personen (§ 18 EStG) noch als öffentliche, gemeinnützige und freiberufliche Institute von der Gewerbesteuer freigestellt sind, zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen von der Steuer befreit sein.
42c) Daher ist es nicht erforderlich, dass die „Einrichtung“ über eigene Unterrichtsräume oder besondere Vorrichtungen verfügt. Dieses vom Beklagten genannte Merkmal ist schon deshalb für eine Abgrenzung nicht geeignet, weil auch anerkannte Schulen und Fortbildungseinrichtungen, wie beispielsweise hier die F, nicht bzw. nur zum Teil über eigene Räumlichkeiten verfügen. Es steht deshalb der Qualifizierung der Klägerin als berufsbildende Einrichtung nicht entgegen, dass sie nicht über eigene Unterrichtsräume oder besondere Vorrichtungen verfügte.
43Desweiteren ist nicht erforderlich, dass eine berufsbildende Einrichtung i.S.v. § 3 Nr. 13 GewStG einem klassischen Schulbetrieb zu entsprechen hat. Zwar benennt der Wortlaut des Gesetzes die anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen neben dem Begriff „Schule“. Dies lässt aber nicht darauf schließen, dass die „anderen“ Einrichtungen umfänglich mit klassischen Schulbetrieben vergleichbar sein müssten (vgl. BFH Urteil vom 27.3.1996 I R 182/94, BStBl II 1997, 449), denn im Vordergrund der Zielrichtung der gesetzlichen Regelung steht aus den unter b) genannten Gründen, die Erbringung von dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen zu erfassen, ohne dass die Art und Weise der Erbringung festgelegt wird.
44d) Überdies ist es nicht erforderlich, dass die zu unterrichtenden Personen Vertragspartner der die Leistung erbringenden Einrichtung sind. Nach Verwaltungsauffassung (siehe A 4.21.2 Abs. 2 UStAE, BStBl I 2010, 846) ist der Unternehmer Träger einer Bildungseinrichtung, wenn er selbst entgeltliche Unterrichtsleistungen gegenüber seinen Vertragspartnern (beispielsweise Schüler, Studenten, Berufstätige oder Arbeitgeber) anbietet. Ein solches Erfordernis ist allenfalls durch die umsatzsteuerliche Sichtweise bedingt, lässt sich aber jedenfalls für die Gewerbesteuerbefreiung weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Historie, noch aus der Gesetzesbegründung herleiten.
45e) Die Klägerin hat den ihr zuteil werdenden Unterrichtsauftrag mittels eigenen Unterrichtsmaterials und eigener Didaktik realisiert. Dies ist ohne eine eigene Struktur und Organisation nicht denkbar. Der Umfang der Struktur und Organisation mag überschaubar gewesen sein. Eine quantitative Abgrenzung zum Begriff der „Einrichtung“ erscheint jedoch hinreichend rechtssicher nicht möglich und wäre ausgehend von dem vorerwähnten Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift kein überzeugendes Kriterium.
464. Ein Rückgriff auf Darlegungen im Zusammenhang mit § 4 Nr. 21 UStG, wie von den Beteiligten ergänzend angesprochen, war für die Entscheidungsfindung nicht angezeigt. Richtig ist zwar, dass der bisherige Verweis auf § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG aus Gründen der Rechtssicherheit gestrichen wurde (vgl. Hidien in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht § 3 GewStG Rz. 80) und die in dem UStAE dokumentierten Verwaltungsgrundsätze hierzu weiter anwendbar sein sollen. Jedoch sind Verwaltungsgrundsätze für das Gericht nicht bindend und damit allenfalls eine Auslegungshilfe. Im Übrigen sind dem UStAE keine Aussagen zu entnehmen, die eine andere Entscheidung vorgeben würden. Gleiches gilt für historische Betrachtungen und Entwicklungen, sofern sie im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden haben.
475. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
486. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.