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Die Vollziehung des Tabaksteuerbescheids vom 13. April 2023 wird ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung, längstens bis zum Eintritt der Bestandskraft ausgesetzt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
2I.
3Der Antragsteller ist Geschäftsführer der P. O. GmbH, die wiederum geschäftsführende Gesellschafterin der P. T. GmbH & Co. KG (im Folgenden: P.) ist. Die P. betreibt einen Groß- und Einzelhandel mit Wasserpfeifen, Tabakwaren und Zubehör sowie mit E-Zigaretten und Liquids für E-Zigaretten.
4Mit Art. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Tabaksteuerrechts (Tabaksteuermodernisierungsgesetz -TabStModG-) vom 10. August 2021 (BGBl. I 2021, Z. 3411) wurden in § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2c des Tabaksteuergesetzes (TabStG) Substitute für Tabakwaren als Steuergegenstand der Tabaksteuer eingeführt. Zudem wurde § 1b TabStG geschaffen, der Regelungen zur Anwendung des TabStG und des Kaffeesteuergesetzes (KaffeeStG) auf die Besteuerung von Substituten für Tabakwaren enthält. Die Normen traten nach Art. 5 TabStModG am 1. Juli 2022 in Kraft.
5Durch Art. 1 Nr. 20 und Art. 12 Abs. 1 des Siebten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 30. März 2021 (-7. VStÄndG-, BGBl. I 2021, Z. 607) wurde zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/262 des Rates vom 19. Dezember 2019 zur Festlegung des allgemeinen Verbrauchsteuersystems (Neufassung der Verbrauchsteuersystemrichtlinie, ABl. EU L 58 vom 27. Februar 2020, Z. 4) mit Wirkung zum 13. Februar 2023 § 23f TabStG eingeführt, der u.a. eine Steuerentstehung mit dem Inbesitzhalten von Tabakwaren des steuerrechtlich freien Verkehrs vorsieht, wenn die Steuer im Steuergebiet noch nicht erhoben wurde.
6Mit auf www.zoll.de veröffentlichtem Schreiben vom 28. Dezember 2022 informierte die Generalzolldirektion, dass für die bisher nicht der Tabaksteuer unterliegenden Substitute für Tabakwaren, die bereits vor dem 1. Juli 2022 in den Handel gelangt waren (sog. „Altwaren“), ab dem 13. Februar 2022 gemäß § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG durch deren Inbesitzhalten Tabaksteuer entstehe, sofern die Händler nicht eine Nachversteuerung durch die Überführung in ein Steuerlager sicherstellten.
7Am 15. Februar 2023 kontrollierten Beamte des Hauptzollamts W. (HZA) den Groß- und Einzelhandel der P. im Rahmen einer Steueraufsichtsmaßnahme. Hierbei stellten sie insgesamt 294.555 ml Liquids, Aromen und Basen für E-Zigaretten sowie 15,1 kg „Flavor Bullet à 100 g“ Rauchpaste für Wasserpfeifen, alle ohne Steuerzeichen, sicher. Aufgefunden wurden die Waren unter leeren Kartons und gebrauchter Folie im Laderaum eines auf die P. zugelassenen, auf dem Firmengelände vor einer Lagerhalle geparkten Kleintransporters (vgl. Ablichtungen Bl. 13 f. der Verwaltungsakte).
8Mit Steuerbescheid vom 13. April 2023 setzte der Antragsgegner gegen den Antragsteller Tabaksteuer in Höhe von insgesamt 47.808,30 Euro (47.128,80 Euro für Substitute für Tabakwaren sowie 679,50 Euro, hiervon 286,90 Euro Zusatzsteuer, für Wasserpfeifentabak) gegen den Antragsteller fest. Zur Begründung führte er aus, dass für die in den Räumlichkeiten der P. aufgefundenen Waren ohne Steuerzeichen Tabaksteuer nach § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG entstanden sei. Der Antragsteller habe die Waren nach den Gesamtumständen in Besitz gehalten und sei daher Steuerschuldner.
9Hiergegen wendete sich der Antragsteller mit Einspruch vom 30. April 2023, über den bisher noch nicht entschieden worden ist, und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung machte er u.a. geltend: Die Voraussetzungen von § 23f TabStG lägen nicht vor. Zum einen sei der Besitz an den Waren mit Verzichtswillen im Sinne einer Dereliktion aufgegeben worden. Die Waren seien noch vor dem Ablauf der am 13. Februar 2023 endenden Abverkaufsfrist aus dem Sortiment genommen, im Müll entsorgt und zum Weitertransport zur örtlichen Mülldeponie durch den hiermit beauftragten Mitarbeiter F. in den Kleintransporter geladen worden. Zum anderen erfasse der Anwendungsbereich von § 23f TabStG sowohl nach einer teleologischen als auch nach einer systematischen Auslegung mit Blick auf § 23f Abs. 2 Nr. 2 TabStG keine Waren, die nicht mehr zum Verkauf, sondern zur Vernichtung vorgesehen seien. Hilfsweise sei auf die Festsetzung der Tabaksteuer für die vor dem 1. Juli 2022 ordnungsgemäß im freien Verkehr erworbenen Waren, die nach der Entsorgung offenkundig nicht mehr hätten verkauft werden sollen, aus Billigkeitsgründen zu verzichten.
10Der Antragsgegner lehnte die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Tabaksteuerbescheids mit Verfügung vom 31. Mai 2023 ab und führte aus: Dem Antragsteller habe durch die Abverkaufsfrist ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden, die bis zum 1. Juli 2022 unversteuert erworbenen Substitute für Tabakwaren abzugeben oder zu vernichten, sodass kein Raum für Billigkeitsmaßnahmen bestehe. Die Waren stellten auch unabhängig von einem Beseitigungswillen einen Steuergegenstand dar, da sie rein objektiv weiterhin zum Konsum geeignet gewesen und tatsächlich auch nicht entsorgt und vernichtet worden seien. Ein Verzichtswille ändere nichts an der Steuerentstehung nach § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG, der an das bloße Inbesitzhalten anknüpfe. Der Antragsteller sei gemäß § 23f Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 TabStG zutreffend als Steuerschuldner in Anspruch genommen worden. Er sei für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der P. verantwortlich. Im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) habe der Antragsteller seine Mitarbeiter anzuleiten und zu kontrollieren. Vorliegend habe der Antragsteller jedoch nicht überprüft, ob die Waren tatsächlich fristgerecht vernichtet worden seien.
11Am 4. Juni 2023 hat der Antragsteller die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung beantragt. Er ergänzt seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren im Wesentlichen wie folgt: Bei den streitgegenständlichen Waren handele es sich um Abfall, der keinen tauglichen Steuergegenstand darstelle. Abfälle seien nach § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) insbesondere Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigen wolle, sodass es maßgeblich auf die Zweckbestimmung ankomme. Hier habe er seinen Willen zur Entsorgung der ursprünglich zum Verkauf bestimmten Waren offensichtlich zum Ausdruck gebracht.
12Nach der zivil- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sei im Übrigen auf die P. als Besitzerin abzustellen (Verweis auf Verwaltungsgericht Düsseldorf., Urteil vom 19. Februar 2008 – 1 K 2039/07, juris; Oberlandesgericht Köln., Urteil vom 4. Juli 2006 – 22 U 13/06, juris). Aufgrund der Besitzaufgabe könnten aber weder er noch die P. als Besitzer angesehen werden. Auch ein mittelbarer Besitz scheitere am fehlenden Besitzerwerbswillen. Er, der Antragsteller, sei davon ausgegangen, dass die Waren bereits auf der Mülldeponie entsorgt worden seien, da der Mitarbeiter F. den Transport noch am 10. Februar 2023, an dem die Waren aus dem Sortiment genommen worden seien, hätte erledigen sollen. Eventuelle Verletzungen von Auswahl- und Überwachungspflichten seien für die Bestimmung der Besitzverhältnisse nicht maßgeblich. Einzig der Mitarbeiter und Fahrer F. komme als Besitzer in Betracht, da dieser die tatsächliche Sachherrschaft ausgeübt habe (Verweis auf Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 10. Oktober 2007 – VII R 49/06, Entscheidungen des BFH -BFHE- 218, 469). Dieser sei auch nach den Feststellungen des HZA letzter Gewahrsamsinhaber gewesen.
13Der Antragsgegner habe zudem nicht erkannt, dass mit der P. und dem Mitarbeiter F. möglicherweise weitere Steuerschuldner zur Auswahl gestanden hätten und mithin kein Auswahlermessen ausgeübt. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Antragsgegner erst mit Anhörungsschreiben vom 21. Juli 2023 gegenüber der P. angekündigt habe, diese als weitere Steuerschuldnerin neben dem Antragsteller in Anspruch nehmen zu wollen.
14Der Antragsteller beantragt,
15die Vollziehung des Tabaksteuerbescheids vom 13. April 2023 bis zu einer Entscheidung im Einspruchsverfahren auszusetzen.
16Der Antragsgegner beantragt,
17den Antrag abzulehnen.
18Er verweist auf die Gründe der Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung und führt ergänzend aus: Ein Dereliktionswille sei nicht ersichtlich und habe sich insbesondere nicht durch die Lagerung der Waren in einem Transportfahrzeug nach außen manifestiert. Im Übrigen ließe sich nicht mit abschließender Sicherheit sagen, ob die Waren später tatsächlich vernichtet worden wären. Die Lagerung unter Verzichtswillen sei nicht mit einer vollständigen Zerstörung im Sinne des § 23f Abs. 2 Nr. 2 TabStG vergleichbar.
19Der Antragsteller sei auch Besitzer, da er als Geschäftsführer für die Vernichtung der Waren verantwortlich gewesen sei. Der Antragsteller habe durch die Anweisung seines Mitarbeiters über den Verbleib der Waren entscheiden können, sodass er die tatsächliche Sachherrschaft ausgeübt habe und sich die Waren in dessen unmittelbarer Obhut befunden hätten (Verweis auf BFH, Urteil vom 10. Oktober 2007 – VII R 49/06, BFHE 218, 469). Entgegen § 34 AO habe der Antragsteller die Vernichtung der Waren durch das beauftragte Personal nicht überwacht. Im Übrigen habe der Antragsteller über das Schicksal der Waren geherrscht und komme daher hilfsweise als mittelbarer Besitzer in Betracht (Verweis auf Finanzgericht -FG- München, Beschluss vom 12. Juni 2012 – 14 V 592/12, Rn 28 f., juris; Bundesgerichtshof -BGH-, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 372/06, Rn. 25, juris).
20Die Inanspruchnahme sei auch ermessensgerecht, da der Antragsteller anhand der objektiven Umstände als Besitzer und Steuerschuldner ausgemacht worden sei. Das Auswahlermessen sei vorgeprägt, da der Antragsteller entgegen § 23g Abs. 3 Satz 1 TabStG keine Steuererklärung abgegeben und daher eine Steuerhinterziehung begangen habe. Einer besonderen Begründung der Ermessensausübung bedürfe es in diesem Fall nicht.
21Schließlich sei derzeit auch nicht geklärt, ob die streitgegenständlichen Waren überhaupt vor dem 1. Juli 2022 erworben worden seien. Unbeschadet hiervon führe das Inbesitzhalten unversteuerter Tabakwaren unabhängig vom Erwerbszeitpunkt ab dem 13. Februar 2023 zur Steuerentstehung.
22II.
231. Der Antrag ist nach § 361 Abs. 5 AO i.V.m. § 69 Abs. 4 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig.
242. Der Antrag ist auch begründet.
25a) Nach § 361 Abs. 5 AO i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (BFH, Beschluss vom 31. August 2021 – VII B 64/20 (AdV), Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2022, 5).
26b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Vollziehung des Tabaksteuerbescheids auszusetzen. Bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung bestehen in rechtlicher Hinsicht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids.
27aa) Dies betrifft zunächst die Frage, ob für die streitgegenständlichen 294.555 ml Liquids, Aromen und Basen für E-Zigaretten als Substitute für Tabakwaren, die bereits vor dem 1. Juli 2022 im Steuergebiet in den steuerrechtlich freien Verkehr gelangt sind (im Folgenden auch: Altwaren), die Steuer nach § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG entstanden ist.
28Nach § 1b Satz 1 i.V.m. § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG entsteht die Steuer in allen anderen Fällen mit dem Inbesitzhalten von Substituten für Tabakwaren des steuerrechtlich freien Verkehrs, wenn die Steuer im Steuergebiet noch nicht erhoben wurde.
29Das Tatbestandsmerkmal „wenn die Steuer im Steuergebiet noch nicht erhoben wurde“ könnte so auszulegen sein, dass lediglich eine Doppelbesteuerung von Tabakwaren vermieden werden soll. Es würde ausreichen, dass die Waren als Steuergegenstand grundsätzlich der Tabaksteuer unterliegen, bisher aber keiner Besteuerung unterworfen wurden. Auf einen rechtlichen und tatsächlichen Anknüpfungspunkt der unterbliebenen Besteuerung und damit auf den Zeitpunkt des Eintritts der Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr vor oder nach dem 1. Juli 2022 käme es dann nicht an. Da die Tabaksteuer durch die Verwendung von Steuerzeichen entrichtet wird (§ 17 Abs. 1 Satz 1 TabStG), könnte – wovon der Antragsgegner ausgeht – § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG als Auffangtatbestand zur Besteuerung sämtlicher Tabakwaren i.S.d. § 1 TabStG, die keine Steuerzeichen aufweisen, dienen. Hierfür kann auch angeführt werden, dass Steuerzeichen nach § 17 Abs. 1 Satz 3 TabStG bereits verwendet sein müssen, wenn die Steuer entsteht, mithin die Steuerzeichenverwendung der Steuerentstehung grundsätzlich vorgelagert ist.
30Dem Senat erscheint dieses Verständnis von § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG allerdings nicht zwingend. Stattdessen könnte das Tatbestandsmerkmal „wenn die Steuer noch nicht erhoben wurde“ dergestalt auszulegen sein, dass nur das Inbesitzhalten solcher Waren zur Steuerentstehung führt, die bereits zuvor einen Steuerentstehungstatbestand ausgelöst haben, gleichwohl aber noch nicht besteuert wurden. So könnte schon der Wortlaut dafür sprechen, einen rechtlichen Grund für die unterbliebene Steuerhebung in der Vergangenheit zu verlangen. Ebenfalls könnte dieses Verständnis im Einklang mit Art. 6 Abs. 3 Buchst. b der RL (EU) 2020/262, den der Gesetzgeber mit § 23f Abs. 1 Nr. 4 TabStG umsetzen wollte (vgl. BR-Drucks. 681/20, Z. 100), stehen. Nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. b und Abs. 2 der RL (EU) 2020/262 gilt als die Steuerentstehung auslösende Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr u.a. das Inbesitzhalten verbrauchsteuerpflichtiger Waren, wenn keine Verbrauchsteuer gemäß den geltenden Bestimmungen des Unionsrechts und des einzelstaatlichen Rechts erhoben wurde. Die Anknüpfung allein an den Besitz soll eine Versteuerung erleichtern, da nicht genau ermittelt werden muss, woher eine im Steuergebiet aufgefundene Ware stammt. Es handelt sich bei Art. 6 Abs. 3 Buchst. b der RL (EU) 2020/262 um einen Auffangtatbestand für Fälle, in denen eine verbrauchsteuerpflichtige Ware in unzulässiger Weise in das Steuergebiet gelangt oder im Steuergebiet – trotz Vorliegens eines Steuerentstehungstatbestands – steuerlich nicht erfasst worden ist (Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 4. Auflage 2023, E 84 f.). Demgemäß könnte auch in Art. 23f Abs. 1 Nr. 4 TabStG ein Auffangtatbestand nur für die Fälle zu erblicken sein, in denen zwar eine Steuer entstanden ist, sich aufgrund der unklaren Warenherkunft aber nicht feststellen lässt, nach welchen Vorschriften insbesondere die Steuerentstehung und der Steuerschuldner zu bestimmen sind.
31Legt man dieses Verständnis zugrunde, käme vorliegend eine Steuerentstehung für die streitgegenständlichen Altwaren nach § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt 2 TabStG nicht in Betracht. Substitute für Tabakwaren unterlagen vor dem 1. Juli 2022 noch keiner Besteuerung, da diese erst zum 1. Juli 2022 nach § 1 Abs. 2c i.V.m. Abs. 1 Satz 1 TabStG als Steuergegenstand eingeführt wurden. Auch nach dem 1. Juli 2022 gibt es keinen Umstand, der eine Steuerentstehung der sich schon im Steuergebiet im steuerrechtlich freien Verkehr befindenden Altwaren vorsieht. Einen Nachversteuerungstatbestand für die Altwaren hat der Gesetzgeber – wie auch die Generalzolldirektion in einem Informationsschreiben vom 14. Oktober 2021 (abrufbar unter www.zoll.de) einräumt – nicht geschaffen. Aus den Gesetzgebungsmaterialien zum 7. VStÄndG sowie zum TabStModG ist ebenfalls nicht ersichtlich, inwiefern der Gesetzgeber die sich bereits vor Inkrafttreten von § 1 Abs. 2c TabStG im Handel befindenden Altwaren nachversteuern wollte. Mangels einschlägiger Steuerentstehungsvorschrift hätten die in § 17 Abs. 2 TabStG genannten Bezugsberechtigten keine Veranlassung zur Verwendung von Steuerzeichen für Altwaren gehabt, sodass auch kein Verstoß gegen § 17 TabStG vorläge.
32bb) Es erscheint weiterhin ernstlich zweifelhaft, ob § 1b Satz 1 i.V.m. § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG das Inbesitzhalten sämtlicher unversteuerter Substitute für Tabakwaren unabhängig von ihrer Herkunft erfasst.
33Hierfür kann zwar der Sinn und Zweck der Norm als Auffangtatbestand zur Besteuerung von unversteuerten Tabakwaren unklarer Herkunft angeführt werden. Im Hinblick auf den Wortlaut, der auf § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 TabStG Bezug nimmt, und die systematische Stellung im 4. Abschnitt des TabStG könnten hingegen auch nur Waren dem Tatbestand unterfallen, die aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats in das Steuergebiet verbracht worden sind (vgl. hierzu Glockner, UVR 2023, 285 [286]). Eine Anwendung auf im Steuergebiet hergestellte oder in das Steuergebiet aus Drittländern eingeführte Waren wäre dann ausgeschlossen.
34cc) Keine Zweifel ergeben sich im Hinblick auf die Steuerentstehung nach § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG für das Inbesitzhalten der unversteuerten Rauchpaste. Die zuvor genannten Bedenken greifen insoweit nicht. Weshalb die Rauchpaste, die bereits vor dem 1. Juli 2022 als Rauchtabak gleichgestelltes Erzeugnis nach § 1 Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 TabStG der Tabaksteuer unterlag, vorliegend keine Steuerzeichen aufwies, ist der Aktenlage nicht zu entnehmen. Gleiches gilt für deren Warenherkunft. Der Antragsteller hat hierzu weder vorgetragen noch beinhalten die vorgelegten Rechnungen eine als „Flavor Bullet Paste à 100 g“ bezeichnete Ware. Insoweit dürfte die Rauchpaste bereits in der Vergangenheit einen Steuerentstehungstatbestand ausgelöst haben, sodass auch nach dem engeren Verständnis noch keine Steuer i.S.d. § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG erhoben worden sein dürfte.
35dd) Ernstliche Zweifel betreffen darüber hinaus jedoch die Frage, ob der Antragsteller die Waren in Besitz gehalten hat. Nur dann könnte er Steuerschuldner nach § 23f Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Var. 2 TabStG sein.
36(1) Gemäß § 23f Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Var. 2 TabStG ist in den Fällen des Abs. 1 Nr. 4 TabStG derjenige Steuerschuldner, der die Tabakwaren in Besitz hält. Nach der Rechtsprechung des BFH, die der Senat auf die nicht harmonisierten Steuern überträgt (vgl. Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 18. April 2018 – 4 K 123/16 VK, ZfZ Beilage 2018, Nr. 3, 40-41), geht es bei der Bestimmung des (verbrauchsteuerrechtlichen) Abgabenschuldners nach dem Unionsrecht, das keine Regelungen zur Feststellung des Besitzers enthält, darum, denjenigen in Anspruch nehmen zu können, in dessen unmittelbarer Obhut sich eine Ware befindet und der deshalb anhand objektiver Umstände relativ leicht ausgemacht und zur steuerrechtlichen Verantwortung gezogen werden kann. Für die Frage der Obhut kommt es maßgeblich darauf an, wer die Sachherrschaft über die betreffenden Gegenstände ausübt (vgl. BFH, Urteil vom 10. Oktober 2007 – VII R 49/06, BFHE 218, 469).
37(2) Gemessen hieran könnte der Antragsteller Besitzer der streitgegenständlichen Waren gewesen sein. Er hatte als Geschäftsführer Zugang zu allen Räumlichkeiten auf dem Firmengelände und übte über die dort gelagerten Waren die tatsächliche Sachherrschaft aus. Der Antragsteller dürfte auch einen generellen Besitzwillen an allen auf dem Firmengelände gelagerten Waren gehabt haben. Dieser schließt die im Transporter der P., der auf dem Firmengelände geparkt war, aufgefundenen streitgegenständlichen Waren mit ein. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Antragstellers, er sei davon ausgegangen, dass die Waren am 13. Februar 2023 bereits auf der Mülldeponie entsorgt worden seien. Nach der Rechtsprechung des BFH kommt eine Beschränkung des Besitzwillens eines LKW-Fahrers allein auf solche Gegenstände im LKW, von denen dieser konkret weiß, nicht in Betracht (vgl. BFH, Urteil vom 10. Oktober 2007 – VII R 49/06, BFHE 218, 469). Entsprechendes dürfte jedenfalls für auf einem Firmengelände befindliche Gegenstände, von deren Existenz der Geschäftsführer sogar Kenntnis hatte, gelten. Entgegen der Ansicht des Antragstellers dürfte der Besitz auch nicht im Rahmen einer Dereliktion i.S.d. § 959 BGB aufgegeben worden sein. Zum einen dürfte § 959 BGB als nationale zivilrechtliche Vorschrift für die Bestimmung des Besitzers im verbrauchsteuerrechtlichen Sinn nicht maßgeblich sein (vgl. BFH, Urteil vom 10. Oktober 2007 – VII R 49/06, BFHE 218, 469 zur Besitzdienerschaft nach § 855 BGB). Zum anderen dürften die Voraussetzungen des § 959 BGB hier nicht vorliegen. Denn die streitgegenständlichen Waren befanden sich nach der Entnahme aus dem Lager weiterhin auf dem Firmengelände in einem Fahrzeug der P. und damit im Herrschaftsbereich des Antragstellers. Eine Aufgabe der tatsächlichen Sachherrschaft ist damit gerade nicht erfolgt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5. August 2020 – 2 BvR 1985/19, 2 BvR 1986/19, NJW 2020, 2953). Aufgrund der tatsächlichen Zugriffsmöglichkeit des Antragstellers auf die streitgegenständlichen Waren kommt es auf die vom Antragsgegner angeführte Sachherrschaft kraft Weisungsbefugnis nicht mehr an (vgl. hierzu FG München, Beschluss vom 12. Juni 2012 – 14 V 592/12, Rn 28 f; BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 372/06, Rn. 25 f., juris). Dementsprechend dürfte entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht auf den Mitarbeiter F. als alleinigen Besitzer abzustellen sein. Das HZA dürfte diesen nur deshalb als letzten Gewahrsamsinhaber aufgeführt haben, weil er den Transporter zwecks Sicherstellung der Waren zum HZA gefahren hat (vgl. Bl. 3 der Verwaltungsakte).
38(2) Allerdings könnte vorliegend die P. jedenfalls als weitere Besitzerin anzusehen sein. Mangels näherer gesetzlicher Bestimmung des „Besitzers“ im unionsrechtlichen Sinne ist als Steuerschuldner derjenige bzw. dasjenige Steuerrechtssubjekt anzusehen, dem die Verwirklichung des gesetzlichen Steuerentstehungstatbestands zugerechnet werden muss (vgl. BFH, Urteil vom 18. Februar 1992 – VII R 22/90, BFHE 167, 251; BFH, Urteil vom 10. Oktober 2007 – VII R 49/06, BFHE 218, 469). Im Streitfall ist die P. Betreiberin des Groß- und Einzelhandels und hat als solche die streitgegenständlichen Waren erworben. Zudem kann die P. als inländische Gesellschaft, auf deren Betriebsgelände die Waren in einem auf sie zugelassenen Fahrzeug aufgefunden wurden, einfach ausgemacht und zur steuerrechtlichen Verantwortung gezogen werden. Dem dürfte die Rechtsnatur der P. als Personenhandelsgesellschaft nicht entgegenstehen. Wie sich aus § 4 Nr. 13 TabStG ergibt, soll das TabStG sowohl juristische als auch natürliche Personen und Personenvereinigungen erfassen. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hält eine Abgabenschuldnerschaft von juristischen Personen grundsätzlich für möglich (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2019, C-579/18, ECLI:EU:C:2019:875, Rn. 35). Ebenfalls kann hierfür Art. 3 Nr. 1 der RL (EU) Nr. 2020/262 angeführt werden, der u.a. ein Inbesitzhalten durch einen zugelassenen Lagerinhaber vorsieht, der sowohl eine natürliche als auch juristische Person sein kann.
39(3) Darüber hinaus könnte der Besitz vorliegend ausschließlich der P. und nicht dem Antragsteller zuzurechnen sein. Hierfür könnte schon der Wortlaut des § 23f Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 TabStG sprechen. Anders als Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL (EU) 2020/262 wird gerade nicht auch „jede andere am Inbesitzhalten beteiligte Person“ als möglicher Steuerschuldner genannt, sondern nur in Einzahl auf „denjenigen“ abgestellt, der die Ware in Besitz hält (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2019, C-579/18, ECLI:EU:C:2019:875, Rn. 34, 36). Es könnte zudem entsprechend den Grundsätzen des Organbesitzes der vom Antragsteller als Geschäftsführer der geschäftsführenden Gesellschafterin der P. ausgeübte Besitz der P. als eigener Besitz zuzurechnen sein (vgl. Herrler in Grüneberg, BGB, § 854 Rn.10, 12). Demnach könnte es nur einen Besitzer als Steuerschuldner geben. Vorranggig dürfte bei diesem Verständnis auf die P. abzustellen sein. Diese kann als inländische Gesellschaft von der Behörde leicht zur Verantwortung gezogen werden. Denn anders als in den Fällen der Verbringung von Waren zwischen Mitgliedstaaten, in denen der Fahrer des Transporters als erste Person von der Zollbehörde greifbar ist, handelt es sich bei der Steuerentstehung durch das Inbesitzhalten von Waren auf einem Firmengelände um einen statischen Vorgang. Zudem bietet eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen größere Erfolgsaussichten als in das Privatvermögen des Gesellschafter-Geschäftsführers, sodass diese Auslegung sowohl fiskalischen als auch den Interessen des Geschäftsführers dient. Der Antragsteller käme dann allenfalls unter den zusätzlichen Voraussetzungen eines Haftungstatbestands als Haftungsschuldner in Betracht, da er nach § 34 Abs. 1 AO als gesetzlicher Vertreter der zur Geschäftsführung der P. berufenen Komplementär-GmbH die steuerlichen Pflichten i.S.d. § 23g Abs. 3 Satz 1 TabStG zu erfüllen hat (§ 191 Abs. 1 i.V.m. § 69 oder §§ 71, 370, 374 AO). Hierfür spricht, dass – wie der Antragsteller zu Recht geltend macht – die Erwägungen, mit denen der Antragsgegner den Besitz des Antragstellers begründet, üblicherweise zur Begründung einer Haftungsschuld nach § 69 i.V.m. § 34 AO herangezogen werden und sonst die unterschiedlichen Regime von Haftung- und Steuerschuld vermengt würden.
40ee) Sofern der Antragsteller jedenfalls als weiterer Besitzer neben der P. betrachtet wird und damit ein Gesamtschuldverhältnis nach § 23f Abs. 3 Satz 2 i.Vm. § 15 Abs. 7 TabStG, besteht, ergeben sich ernstliche Zweifel an einer ordnungsgemäßen Ausübung des Auswahlermessens durch den Antragsgegner.
41Im Abgabenrecht als Teil des öffentlichen Rechts steht die Entscheidung, welcher von mehreren Gesamtschuldnern aus demselben Rechtsgrund in Anspruch genommen werden soll, nicht im freien Belieben, sondern im pflichtgemäßen Auswahlermessen der Behörde, für das die allgemeinen Grundsätze des § 5 AO gelten. Der einzelne Abgabenschuldner kann deshalb nur aufgrund einer Ermessensentscheidung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der wirtschaftlichen Bedeutung der jeweiligen Tatbestandsverwirklichung in Anspruch genommen werden. (BFH, Urteil vom 20. Juli 2004 – VII R 20/02, BFHE 207, 565). Die Ermessensentscheidung ist nach § 102 FGO gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar und muss spätestens in der Einspruchsentscheidung begründet werden. Hat die Behörde die das Einspruchsverfahren abschließende Verwaltungsentscheidung noch nicht getroffen, hat das Finanzgericht auch bei Ermessensverwaltungsakten die im Aussetzungsverfahren erforderliche Prognose des voraussichtlichen Ausgangs des Hauptsacheverfahrens vorzunehmen, in dem von der Behörde noch über den Einspruch zu entscheiden und damit Ermessen auszuüben ist (BFH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – VI B 89/05, BFH/NV 2006, 964, Rn. 16 m.w.N.).
42Vorliegend enthält der angefochtene Steuerbescheid keine Erwägungen zur Auswahl des Antragstellers als Steuerschuldner. Das Gericht kann auch nicht davon ausgehen, dass bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens noch eine ordnungsgemäße Ermessensauswahl erfolgt. Denn im weiteren Verfahren hat der Antragsgegner dargelegt, dass es einer besonderen Begründung der Ermessensausübung nicht bedürfe, da der Antragsteller Steuerhinterzieher und das Ermessen hierdurch vorgeprägt sei. Es ist allerdings zweifelhaft, ob eine Steuerhinterziehung des Antragstellers im Hauptsacheverfahren festzustellen sein wird. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass er die Waren vor dem 13. Februar 2023 entsorgen wollte. Daher dürfte der Antragsteller die Abgabe einer Steueranmeldung nicht (bedingt) vorsätzlich unterlassen haben, um dadurch Tabaksteuern zu verkürzen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Der Antragsgegner dürfte somit auch noch in der Einspruchsentscheidung eine in Wahrheit nicht bestehende Beschränkung seines Ermessensspielraums annehmen, worin ein justiziabler Ermessensfehler liegt (vgl. BFH, Urteil vom 20. Juli 2004 – VII R 20/02, BFHE 207, 565; Rauda in Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, § 102 FGO, Rn. 102).
43ff) Insgesamt streiten gewichtige Gründe für eine vom Antragsgegner abweichende Auslegung von § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 und § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Var. 2 TabStG, die zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Tabaksteuerbescheids führen würde. Eine abschließende Prüfung der aufgeworfenen Fragen bleibt einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Dort ist in der Folge ggf. auch aufzuklären, ob die streitgegenständlichen Waren vor dem 1. Juli 2022 erworben wurden und woher diese stammten. Zwar bestreitet der Antragsgegner, dass es sich vorliegend um Altwaren handelt. Für eine illegale Beschaffung durch den Antragsteller nach dem 1. Juli 2022 bestehen nach Aktenlage allerdings keine Anhaltspunkte, sodass insoweit die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Tabaksteuerbescheids nicht beseitigt werden können.
44gg) Soweit in der Literatur die grundsätzliche Anwendbarkeit von § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG auf Substitute für Tabakwaren nach § 1b Satz 1 TabStG in Frage gestellt wird (vgl. Glockner, UVR 2023, 285 [286 f.]), bedarf dies vorliegend keiner Entscheidung. Denn das ansonsten über § 1b Satz 2 TabStG sinngemäß anwendbare KaffeeStG enthält hierzu eine vergleichbare Regelung. Durch Art. 4 Nr. 2 des 8. VStÄndG wurde § 17 Abs. 2 Satz 2 KaffeeStG mit Wirkung zum 1. November 2022 (Art. 18 Abs. 3 des 8. VStÄndG) eingefügt. Der Gesetzgeber wollte hiermit ebenfalls Art. 6 Abs. 3 Buchst. b der RL (EU) 2020/262 umsetzen (vgl. BR-Drucks. 156/22, Z. 96 f.). Es sollte in beiden Gesetzen ein Auffangtatbestand für das Auffinden unversteuerter Waren, deren Herkunft und Reiseweg unklar ist, geschaffen werden (vgl. Middendorp in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 4. Auflage 2023, K 99h und L 29d). Auch nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KaffeeStG entsteht die Steuer in allen anderen Fällen mit dem Inbesitzhalten des Kaffees, wenn die Steuer im Steuergebiet noch nicht erhoben wurde. Die Steuerentstehung im Hinblick auf die Substitute für Tabakwaren richtet sich daher im Streitfall entweder nach § 1b Satz 1 i.V.m. § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG oder nach § 1b Satz 2 TabStG i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 2 KaffeeStG. Steuerschuldner ist in beiden Gesetzen derjenige, der die Ware in Besitz hält (§ 23f Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Var. 2 TabStG bzw. § 17 Abs. 2 Satz 4 Var. 2 KaffeeStG). Aufgrund des hierbei möglichen Austauschs der Rechtsgrundlagen als Begründung der Tabaksteuerfestsetzung ergeben sich diesbezüglich keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Tabaksteuerbescheids. Im Hinblick auf die insoweit inhaltsgleichen Regelungen bestünden jedoch auch bei Zugrundelegung des KaffeeStG die zuvor genannten ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Tabaksteuerbescheids.
45c) Kein Grund für die Aussetzung der Vollziehung ist dagegen in der ggf. beabsichtigten Entsorgung der Waren zu erblicken. An der grundsätzlichen Einstufung der Waren als Steuergegenstand i.S.d. TabStG ändert dies nichts. Es kann daher auch dahinstehen, ob es sich bei den Waren um Abfall i.S.d. KrWG handelt. Allenfalls käme die Nichtentstehung der Steuer nach § 23f Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TabStG in Betracht. Es ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Waren nicht mehr i.S.d. § 23f Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 3 Satz 2 TabStG zum Rauchen in E-Zigaretten hätten genutzt werden können.
463. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
474. Die Beschwerde wurde nach § 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die Auslegung von § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2 TabStG hat für die Besteuerung von Substituten für Tabakwaren ohne Steuerzeichen, insbesondere im Hinblick auf den Zeitpunkt der erstmaligen Überführung der Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr im Steuergebiet sowie den Warenursprung, grundsätzliche Bedeutung. Entsprechendes gilt für die Zurechnung des Besitzes zur Bestimmung des Steuerschuldners nach § 23f Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Var. 2 TabStG.