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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Streitig ist die steuerliche Behandlung von Witwengeldzahlungen an die Klägerin auf Grundlage eines Knappschaftszahnarztvertrages ihres verstorbenen Ehemannes.
3Die Klägerin wird für die Streitjahre 2018 bis 2020 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Ihr im ... verstorbener Ehemann, Q. F., hatte seit ... 1934 als Knappschaftsarzt der M. E. eine Zahnarztpraxis in R. geführt. Nach Beendigung jahrzehntelanger Verhandlungen zwischen den Knappschaftszahnärzten und der Knappschaft, u.a. über die Gewährung einer Pensionsberechtigung, wurden die Vertragsbeziehungen zwischen den Knappschaftszahnärzten und der Knappschaft einzelvertraglich neu geregelt. F. schloss hierzu am 13.12.1955 mit der M. E. einen (neuen) Knappschaftszahnarztvertrag über seine Zulassung als Knappschaftszahnarzt mit Praxis in E. In dem Vertrag wurde F. – erstmals – gestattet, neben der Knappschaftspraxis auch „andere Kassenpraxis und Privatpraxis auszuüben“ (§ 3 des Vertrages). Als Vergütung für Behandlungen der Knappschaftspatienten waren feste Pauschalen für Behandlungsscheine vorgesehen (§ 5). Aus § 9 des Vertrages ergaben sich zudem Ansprüche auf Ruhegehalt nach 10-jähriger Mindestbeschäftigung sowie auf Hinterbliebenenfürsorge (Witwengeld und Erziehungsbeihilfe) nach 5-jähriger Mindestbeschäftigung, wobei sich die Anzahl der Mindestbeschäftigungsjahre nach der Anzahl der behandelten Knappschaftsmitglieder bemaß. Die mit jedem weiteren Jahr ansteigenden Versorgungsansprüche waren nach dem Vertrag gedeckelt auf Höchstbeträge von 6.000 DM Ruhegehalt bei 22 1/2–jähriger Mindestbeschäftigung bzw. 3.600 DM Witwengeld bei einer 17 1/2–jährigen Mindestbeschäftigung. Das Knappschaftszahnärztliche Pensionsdienstalter des F. rechnete nach dem Vertrag „vom Tage der Zulassung als Knappschaftszahnarzt an, d. i. der 0.00 1934“. Die erworbenen Anwartschaften auf Versorgung nach § 9 sollten erlöschen im Falle der Kündigung durch F., sofern kein Fall der Dienstunfähigkeit vorlag, oder bei Kündigung durch die Knappschaft wegen eines in der Person des F. liegenden wichtigen Grundes (§ 11).
4Nach Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit im Jahr 1976 erhielt F. Ruhegehaltszahlungen von der M. entsprechend § 9 des Vertrages. Nach seinem Tod erhielt die Klägerin ... Witwengeld. Die Ruhegehaltszahlungen sowie das Witwengeld wurden steuerlich zunächst von der Finanzverwaltung entsprechend den Angaben in den Steuererklärungen als (teilweise steuerfreie) sonstige Einkünfte aus Rentenleistungen i.S.v. § 22 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfasst. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2018 kam der Beklagte zu der geänderten Auffassung, dass die Zahlungen nachträgliche Einnahmen der Klägerin aus freiberuflicher Tätigkeit ihres verstorbenen Ehemannes gemäß § 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 18 EStG darstellen würden. Entsprechend erging unter dem 22.05.2020 ein Einkommensteuerbescheid 2018, in dem das gezahlte Witwengeld von 26.354 Euro als Einnahmen bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit angesetzt wurde. Ebenfalls unter dem 22.05.2020 ergingen – unter Ansatz nachträglicher Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit – ein Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid für 2019 sowie ein Bescheid, mit dem Einkommensteuervorauszahlungen für 2020 und ab 2021 festgesetzt wurden. Die gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 sowie die Vorauszahlungsbescheide 2019 und 2020 eingelegten Einsprüche blieben erfolglos. Sie wurden mit Einspruchsentscheidung vom 24.06.2021 als unbegründet zurückgewiesen.
5Am 05.07.2021 hat die Klägerin Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 und die Vorauszahlungsbescheide für 2019 und 2020 erhoben.
6Nach Erlass des Einkommensteuerbescheides 2019 vom 30.09.2021, in dem Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i.H.v. 27.080 Euro angesetzt wurden, hat die Klägerin gegen diesen Bescheid am 25.10.2021 Sprungklage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 3 K 2387/21 E geführt worden ist. Mit Senatsbeschluss vom 12.11.2021 sind die Verfahren 3 K 1608/21 E und 3 K 2387/21 E zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden worden. Unter dem 30.09.2022 ist ein Einkommensteuerbescheid 2020 ergangen, in dem Witwengeldzahlungen i.H.v. 27.496 Euro ebenfalls als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit erfasst worden sind.
7Die Klägerin begehrt weiterhin die Berücksichtigung der Witwengeldzahlungen als teilweise steuerfreie Renteneinnahmen nach § 22 EStG. Zur Begründung führt sie unter Einbeziehung ihrer Ausführungen im Verwaltungsverfahren aus, dass die Zahlungen auf eine nichtselbständige Tätigkeit ihres verstorbenen Mannes für die Knappschaft zurückzuführen seien. Ihr verstorbener Ehemann habe bis zum Abschluss des Knappschaftsvertrages ... 1955, mithin 21 Jahre lang, in einem Angestelltenverhältnis zur Knappschaft gestanden. Diese Einordnung habe der damals gültigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) entsprochen. Auf dieser Grundlage seien sämtliche Knappschaftsärzte als Angestellte mit Lohnsteuerabzug behandelt worden. F. habe nur für die M. tätig werden dürfen. Ein Verstoß hätte zur sofortigen Kündigung geführt. In dem im Jahr 1955 geschlossenen Knappschaftszahnarztvertrag sei für den vorhergehenden Zeitraum des Angestelltenverhältnisses eine Rente zugesagt worden, die er bereits bei Abschluss des Vertrages mit seiner zuvor 21-jährigen Tätigkeit nahezu vollständig erdient gehabt hätte.
8Auf Grundlage des 1955 geschlossenen Vertrages habe F. fortan für die Knappschaft und andere gesetzliche Krankenversicherungen gearbeitet. Folgerichtig habe er nunmehr Einkünfte gemäß § 18 EStG erzielt. Da zu diesem Zeitpunkt aber das Rentenstammrecht schon in voller Höhe erdient gewesen sei, liege der Sachverhalt anders als bei Knappschaftsärzten, die infolge eines ab 1955 geschlossenen Vertrages in der Ausübung ihrer freiberuflichen Tätigkeit nicht mehr beschränkt worden seien und die später im Hinblick auf diese freiberufliche Tätigkeit versorgt worden seien.
9Mit der Rentenreform 1957 seien die Berufskammerangehörigen Pflichtmitglieder der berufsständischen Versorgungswerke geworden. Eine freiwillige Mitgliedschaft bei den gesetzlichen Rentenversicherungen sei damit für die Ärzte ausgeschlossen worden. Aufgrund des Alters von F. habe er im Rahmen einer Übergangsregelung Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung der Knappschaft werden können, so wie dies für alle Arbeiter und Angestellten der Knappschaft geregelt gewesen sei. Bis 1957 habe er das volle Rentenstammrecht erdient, welches von der M. E. entweder in die gesetzliche Rentenversicherung der Knappschaft oder in das berufsständische Versorgungswerk habe überführt werden müssen. Dieser Sachverhalt sei vergleichbar mit der Nachversicherung von Beamten bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nach deren Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis. Sowohl die Zahlungen der Knappschaft als gesetzliche Rentenversicherung wie auch Leistungen der berufsständischen Versorgungswerke würden beim Empfänger stets zu Renteneinkünften führen. Dementsprechend seien die Leistungen der Knappschaft zunächst bei F. und nach seinem Tod bei ihr, der Klägerin, zutreffend als Renteneinkünfte aus § 22 EStG versteuert worden.
10Diese Einordnung lasse sich auch aus einem Auszug des Protokolls über die 60. Sitzung des Kurausschusses des Vorstandes der M. vom 13.12.1951 ableiten. Aus diesem gehe zweifelsfrei hervor, dass die Knappschaft die Altersversorgung der Ärzte nicht habe mitfinanzieren wollen, sondern dass die Ärzte dafür mit 15 % der jeweiligen Honoraransprüche selbst hätten aufkommen müssen. Dieser Prozentsatz entspreche den damaligen Beiträgen zur Rentenversicherung und führe zur Begründung eines Rentenstammrechts. Soweit die freiberuflichen Verträge nach 1957 bei Ärzten zu einem Versorgungsanspruch geführt hätten, weil Honoraransprüche einbehalten worden seien, hätten diese Ansprüche bei Beendigung der freiberuflichen Tätigkeit in der Aufgabebilanz erfasst und versteuert werden müssen mit der Konsequenz, dass auch in den späteren Fällen Renteneinkünfte erzielt worden seien. Dieser Sachverhalt liege allerdings hier nicht vor, weil F. während der Entstehung des Rentenstammrechts Angestellter der Knappschaft gewesen sei.
11Die Klägerin beantragt,
12den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 22.05.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.06.2021 sowie die Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020 vom 30.09.2021 bzw. 30.09.2022 dahingehend zu ändern, dass die in den Bescheiden angesetzten Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 26.354 Euro (2018), 27.080 Euro (2019) bzw. 27.496 Euro (2020) als sonstige Einkünfte aus Leibrenten und anderen Leistungen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG erfasst werden.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er macht geltend, dass Alters- und Hinterbliebenenbezüge, die nach Abschluss einer aktiven selbständigen Tätigkeit von der Knappschaft geleistet worden seien, als betriebliche Versorgungsrenten in voller Höhe gemäß § 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 18 EStG als nachträgliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu versteuern seien. Die Zahlungen beruhten auf einer vertraglichen Vereinbarung des Knappschaftsarztes mit der Knappschaft. Diese steuerliche Einordnung ergebe sich auch aus den BFH-Urteilen vom 03.07.1959 Vl 320/57 U und vom 28.01.1977 III R 29/75.
16Die Zahlungen der Knappschaft würden keine Leistungen einer (gesetzlichen) Rentenversicherung darstellen; entsprechend würden auch keine Rentenbezugsmitteilungen übermittelt. Die Zahlungen würden sich auch von Rentenzahlungen der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft V. unterscheiden, die nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG besteuert würden. Letztere seien als Sozialversicherungsrenten nach dem SGB VI (früher: Reichsknappschaftsgesetz) in der Ansparphase beitragsfinanziert. Eine entsprechende Finanzierung durch Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung sei im Streitfall nicht dargelegt worden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass zur Finanzierung der Zahlungen auf bereits entstandene Honoraransprüche verzichtet worden sei. Aus dem Protokoll zur 60. Sitzung des Kurausschusses der Knappschaft gehe hervor, dass lediglich eine Forderung auf Erhöhung der Honoraransprüche zurückgezogen worden sei.
17Die eventuelle Möglichkeit, das Versorgungsverhältnis vor dem Hintergrund der Behandlung bis 1955 anders gestalten zu können, z.B. als freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung, ändere an der Einordnung des tatsächlichen Sachverhalts nichts.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Die Klage hat keinen Erfolg.
21A.
22I. Gegenstand des Klageverfahrens sind der Einkommensteuerbescheid 2018 vom 22.05.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.06.2021 sowie – gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) – die im Laufe des Klageverfahrens ergangenen Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020 vom 30.09.2021 bzw. 30.09.2022, die die zunächst angefochtenen Einkommensteuervorauszahlungsbescheide für 2019 und 2020 ersetzt haben (vgl. auch BFH, Beschluss vom 15.11.2005 XI B 33/04, BFH/NV 2006, 352). Die die Jahre 2021 ff. betreffenden Einkommensteuervorauszahlungen bzw. diese Festsetzungen ggfs. ersetzende Einkommensteuerbescheide sind entsprechend der unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten und in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigten Bezeichnung des Streitgegenstandes durch die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht Gegenstand des Klageverfahrens.
23II. Die nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides 2019 durch die Klägerin zudem gegen diesen Bescheid erhobene Sprungklage (Aktenzeichen 3 K 2387/21 E) hat der Senat durch Beschluss vom 12.11.2021 gemäß § 73 FGO mit dem hiesigen Klageverfahren verbunden und damit das Prozesshindernis der doppelten Rechtshängigkeit beseitigt (vgl. BFH, Beschluss vom 10.01.2020 XI B 69, 70/19, BFH/NV 2020, 891).
24B. Die Klage ist unbegründet.
25Die Einkommensteuerbescheide 2018 bis 2020 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Recht hat der Beklagte das an die Klägerin gezahlte Witwengeld als nachträgliche Einnahmen aus selbständiger Arbeit gemäß § 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und nicht als (zum Teil steuerfreie) Einnahmen bei den sonstigen Einkünften i.S.v. § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG beurteilt.
26Sonstige Einkünfte sind gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nummer 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören. Im Streitfall führt der subsidiäre Charakter dieser Norm dazu, dass die wiederkehrenden Zahlungen an die Klägerin in Form des Witwengeldes nicht den sonstigen Einkünften zuzurechnen sind. Sie gehören als nachträgliche Einnahmen i.S.v. § 24 Nr. 2 EStG zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Hiernach gehören zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit auch die Einkünfte aus einer ehemaligen freiberuflichen Tätigkeit, und zwar auch dann, wenn sie dem Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger zufließen. Bei dem an die Klägerin gezahlten Witwengeld handelt es sich um Einkünfte aus der ehemaligen freiberuflichen Tätigkeit ihres verstorbenen Ehemannes als Knappschaftszahnarzt (hierzu unter I.). Diese Einkünfte sind der Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes i.S.v. § 24 Nr. 2 EStG zugeflossen (hierzu unter II.).
27I. Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit i.S.v. § 24 Nr. 2 EStG liegen dann vor, wenn die Einkünfte in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer ehemaligen steuerbaren Tätigkeit stehen, insbesondere ein Entgelt für die im Rahmen einer steuerbaren Tätigkeit vom Rechtsvorgänger erbrachten Leistungen darstellen (BFH, Urteile vom 25.03.1976 IV R 174/73, BStBl II 1976, 487, und vom 24.01.1996 X R 14/94, BStBl II 1996, 287).
281. Im Streitfall steht der Anspruch auf Zahlung von Witwengeld im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit des verstorbenen Ehemannes der Klägerin als Knappschaftszahnarzt, so dass keine sonstigen Leistungen i.S.v. § 22 EStG vorliegen (im Ergebnis ebenso FG Münster, Urteil vom 27.09.1966 Ia 178/65, EFG 1967, 347; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.10.1985 1 K 158/85, EFG 1986, 233).
29a) Sowohl das F. gezahlte „Ruhegehalt“ als auch das Witwengeld stellten nach dem im Jahr 1955 geschlossenen Knappschaftszahnarztvertrag eine Versorgung als Ausfluss der vorherigen Tätigkeit des F. als Knappschaftszahnarzt der M. E. dar. So war die Entstehung der Versorgungsanwartschaft dem Grunde nach davon abhängig, dass F. – sofern er nicht vorzeitig dienstunfähig geworden oder verstorben wäre – bis zum Erreichen der Pensionsaltersgrenze als Knappschaftszahnarzt tätig war. Eine vorzeitige Kündigung hätte zu einem vollständigen Verlust des Anwartschaftsrechts geführt.
30b) Dieser wirtschaftliche Zusammenhang wird nicht deshalb aufgehoben, weil die Zahlungen – wie die Klägerin meint – mit Leistungen einer gesetzlichen Rentenversicherung i.S.v. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG vergleichbar wären. Es fehlt schon an einer Vergleichbarkeit der Rechts- und Leistungsbeziehungen.
31Bei Leistungen der Rentenversicherung handelt es sich nicht um Gegenleistungen für eine frühere steuerbare Tätigkeit, sondern um Gegenleistungen der Versicherung an den Versicherungsnehmer für die von diesem oder für diesen geleistete Prämien (vgl. BFH, Urteil vom 22.09.1976 IV R 112/71, BStBl II 1977, 29). Entsprechend sind auch teilweise beitragsfinanzierte Knappschaftsrenten als Renten i.S.v. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG zu beurteilen (vgl. BFH, Urteil vom 29.10.1965 VI 142/64 U, BStBl III 1966, 19).
32Im Streitfall war das an die Klägerin gezahlte Witwengeld ebenso wie das zuvor an F. gezahlte Ruhegeld nicht beitragsfinanziert. Der geschlossene Vertrag sah keinerlei Beitrags- oder Prämienzahlungen vor, auch nicht in Form eines Einbehalts von Honorarteilen zum Zwecke der Finanzierung der Versorgungsansprüche. Der Anspruch auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung war allein an das Erreichen der Mindestbeschäftigungsjahre bei Eintritt in den Ruhestand geknüpft.
33Sofern die Klägerin in der mündlichen Verhandlung pauschal und unsubstantiiert behauptet hat, ihr verstorbener Ehemann habe sicher – wie alle anderen bei der Knappschaft Beschäftigten auch – seit 1934 Beiträge für die spätere Versorgung im Ruhestand geleistet und insoweit bereits zuvor Pensionsanwartschaftsrechte erworben, fehlt es diesbezüglich an jeglichem Nachweis oder auch nur an Anknüpfungspunkten, die Anlass zu weiteren Ermittlungen geben könnten. Im Gegenteil ergibt sich aus dem Protokoll über die 60. Sitzung des Kurausschusses des Vorstandes der M. am 13.12.1951, dass den Knappschaftszahnärzten bis zu diesem Zeitpunkt – anders als Knappschaftsbezirks- und -fachärzten – keinerlei Pensionsberechtigungen zugestanden worden waren. Einer ursprünglich ins Auge gefassten Pensionsberechtigung hatte die Reichsknappschaft im Jahr 1924 ausweislich des Protokolls nicht zugestimmt. Dementsprechend kam der Ausschuss in der Sitzung am 13.12.1951 zu der Auffassung, dass „dem Wunsch der knappschaftlichen Zahnbehandler nach Gewährung einer Pensionsanwartschaft zu entsprechen sei, jedoch nicht auf Kosten der Knappschaft“. Erst in der Folgezeit wurden erstmalig Pensionsanwartschaftsrechte durch Abschluss individueller Knappschaftszahnarztverträge begründet. Angesichts dessen bedarf es seitens des Gerichts auch keiner Beurteilung, ob Beitragszahlungen, wären sie zwischen 1934 und 1955 und mithin vor Begründung der hier streitgegenständlichen Versorgungsanwartschaft durch den Vertrag aus dem Jahr 1955 geleistet worden, für die steuerliche Einordnung der Witwengeldzahlungen von Relevanz gewesen wären.
34Anders als die Klägerin meint, stellt auch die aus den Verhandlungen zwischen den Vertretern der Knappschaft und der Knappschaftszahnärzte und -dentisten resultierende Finanzierung der Versorgungsansprüche zulasten der Zahnärzte keine „mittelbare Beitragsleistung“ dar. Wie sich ebenfalls aus dem Protokoll der Ausschusssitzung vom 13.12.1951 ergibt, wurde die Finanzierung derart vereinbart, dass die Knappschaftszahnärzte auf eine eigentlich anstehende 15 %-ige Erhöhung der Honorare verzichteten. Mangels insoweit bereits entstandener Honoraransprüche der einzelnen Knappschaftszahnärzte wurden deren Vermögen nicht durch individuelle Leistungen an die Knappschaft gemindert. Aufgrund des kollektiven Verzichts auf eine künftige Erhöhung der Honorare entstanden für die einzelnen Zahnärzte insoweit von vornherein überhaupt keine weiteren individuellen Rechtsansprüche.
35Dass – was das Gericht weder zu beurteilen vermag noch beurteilen muss – die Anwartschaftsrechte der Klägerin ggfs. in die gesetzliche Rentenversicherung der Knappschaft oder in das berufsständische Versorgungswerk hätten überführt werden können, ist für die Beurteilung des Streitfalles nicht relevant, da es sich insofern um hypothetische, nicht verwirklichte, Sachverhaltsvarianten handelt.
362. Die als nachträgliche Einnahmen zu beurteilenden Witwengeldzahlungen sind den Einkünften aus früherer selbständiger Tätigkeit (§ 24 Nr. 2 i.V.m. § 18 EStG) des Ehemannes der Klägerin zuzuordnen.
37Der wirtschaftliche Zusammenhang der Witwengeldzahlungen zur früheren Zahnarzttätigkeit des F. begründet die Zuordnung der Einnahmen zu den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Zahlungen fanden ihre rechtliche Grundlage erst und erstmalig in dem Knappschaftszahnarztvertrag vom 28.06.1955, der – dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig – Grundlage einer fortan freiberuflichen Tätigkeit des F. für die Knappschaft war (vgl. zur Einordnung der Tätigkeit eines Knappschaftszahnarztes mit daneben freier Praxis als freiberuflich BFH, Urteile vom 03.07.1959 VI 320/57 U, BStBl III 1959, 344, und vom 19.10.1959 IV 197/58 U, BStBl III 1960, 88; in Abgrenzung zum Truppenvertragsarzt BFH, Urteil vom 13.12.1962 V 270/60 U, BStBl III 1963, 167). Die spätere Zahlung von Ruhegehalt bzw. Witwengeld war nach dem Vertrag an die Voraussetzung geknüpft, dass F. diese freiberufliche Tätigkeit nicht vor einer etwaigen Dienstunfähigkeit oder Erreichen des Pensionsalters im Jahr 1976 beenden würde.
38Ob die bis 1955 abgeleistete, rund 21-jährige Tätigkeit des F. für die Knappschaft demgegenüber – wie die Klägerin unter Bezugnahme auf das Urteil des RFH vom 26.08.1931, VI A 455/30, RStBl 1931, 912, meint – auf einem Angestelltenverhältnis beruhte und damit nichtselbständig i.S.v. § 19 EStG war, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn dieser Tätigkeitszeitraum zwischen 1934 und 1955 wurde lediglich in die Berechnung des Pensionsdienstalters einbezogen und bei der Berechnung der Höhe der späteren Versorgungszahlungen anhand der Mindestbeschäftigungsjahre angerechnet. Dieser Anrechnungsaspekt wird vorliegend jedoch überlagert durch den wirtschaftlichen Zusammenhang der Versorgungszahlungen mit der freiberuflichen Tätigkeit auf Grundlage des im Jahr 1955 geschlossenen Vertrages, da erst durch diese Tätigkeit die Versorgungsanwartschaft dem Grunde nach überhaupt begründet wurde. Aus der früheren Tätigkeit selbst ergab sich für den verstorbenen Ehemann der Klägerin hingegen keinerlei Anwartschaftsrecht auf Versorgungszahlungen nach Beendigung der Tätigkeit. Hätte F. seine Tätigkeit noch vor Abschluss des Vertrages im Jahr 1955 beendet, hätte er keinerlei Ansprüche auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung gehabt.
39II. Der Klägerin sind die Witwengeldzahlungen auch als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes i.S.v. § 24 Nr. 2 EStG zugeflossen.
40Der Begriff des Rechtsnachfolgers i.S. des § 24 Nr. 2 EStG umfasst entsprechend dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die Erträgnisse einer steuerpflichtigen Betätigung, z.B. eines Gewerbebetriebs, einkommensteuerrechtlich voll zu erfassen, sowohl den bürgerlich-rechtlichen Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger als auch denjenigen, dem z.B. aufgrund eines abgeschlossenen Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB) Einnahmen zufließen, die auf der früheren Betätigung beruhen (vgl. BFH, Urteil vom 25.03.1976 IV R 174/73, BStBl II 1976, 487).
41Vorliegend resultierte der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Witwengeld auf einem solchen zwischen ihrem Ehemann und der M. geschlossenen Vertrag zugunsten Dritter.
42III. Die offenbar jahrzehntelange steuerliche Berücksichtigung der Ruhegehalts- und Witwengeldzahlungen als sonstige Einkünfte durch die Finanzverwaltung steht der nunmehrigen – materiell-rechtlich zutreffenden – Erfassung als nachträgliche Einnahmen i.S.v. § 24 EStG nicht entgegen. Insbesondere kann sich die Klägerin aufgrund des Prinzips der Abschnittsbesteuerung nicht auf einen Vertrauensschutztatbestand berufen (vgl. BFH, Beschluss vom 02.08.2004 IX B 41/04, BFH/NV 2005, 68).
43C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.