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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten um Aussetzungszinsen.
4Die Kläger werden als Eheleute vom Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit dem hier in Bezug genommenen Bescheid vom 06.08.2006 änderte der Beklagte die bisherige Festsetzung der Einkommensteuer 2001 sowie von Nebenleistungen hierzu. Hiergegen wandten sich die Kläger mit einem Einspruch, zugleich beantragten sie im Hinblick auf die entstandenen Mehrbeträge Aussetzung der Vollziehung. Ob der daraufhin vom Beklagten unter dem 08.09.2008 verfügte Bescheid über eine Aussetzung der Vollziehung ab Fälligkeit den Klägern zugegangen ist, ist zwischen den Beteiligten streitig. Nach Erfolglosigkeit des gegen den Änderungsbescheid gerichteten Einspruchs kam es zu einem Klageverfahren, einem Revisionsverfahren und zu einem Verfahren im zweiten Rechtszug vor dem Finanzgericht Düsseldorf, in dem die Kläger ausweislich des unter dem Aktenzeichen 7 K 530/17 E ergangenen Urteils vom 31.01.2018 schlußendlich unterlagen. Eine gegen das Urteil gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger blieb erfolglos (Bundesfinanzhof –BFH- vom 18.09.2018, VIII B 36/18). Im Zuge des gerichtlichen Verfahrens erließ der Beklagte die aktenkundige Aussetzungsverfügung vom 24.09.2012, deren Zugang von den Klägern mit Nichtwissen bestritten wird. Mit Bescheid vom 13.02.2019 setzte der Beklagte Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 2001 mit einem Zinslauf vom 11.09.2008 bis zum 28.12.2018 fest.
5Hiergegen erhoben die Kläger Einspruch und trugen vor, der Zinslauf sei unzutreffend berechnet, eine Aussetzungsverfügung vom 08.09.2008 sei ihnen unbekannt, eine Aussetzung der Vollziehung sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Zudem habe der Beklagte den Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 2001 über längere Zeit unbearbeitet gelassen, für diese Zeit sei die Forderung von Aussetzungszinsen unbegründet. Die Höhe des in der Abgabenordnung (AO) geregelten Zinssatzes sei ohnehin verfassungswidrig. Im Hinbick auf das Einspruchsvorbringen der Kläger, die Aussetzungsverfügung vom 08.09.2008 sei ihnen unbekannt, hat der Beklagte unter dem 17.10.2019 die Bekanntgabe nachgeholt, die jeweilige Zustellung an die Kläger erfolgte am 21.10.2019.
6Mit dem am 28.10.2019 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz wenden sich die Kläger weiterhin gegen die Zinsfestsetzung. Der Beklagte habe keine Aussetzung der Vollziehung verfügt, der Versuch einer nachträglichen Aussetzung durch die am 21.10.2019 zugestellten Bescheide sei rechtlich abwegig. Die ursprüngliche Unrichtigkeit des Einkommensteuerbescheids 2001, die erst der Änderungsbescheid vom 06.08.2006 korrigiert habe, sei vom Beklagten zu vertreten. Entsprechendes gelte für die lange Bearbeitungszeit des Einspruchs gegen den Änderungsbescheid. Vor diesem Hintergrund sei die Festsetzung von Aussetzungszinsen unrechtmäßig. Schließlich habe der Beklagte für den streitgegenständlichen Verzinsungszeitraum „verschiedene Säumniszuschläge und Zinsen“ geltend gemacht und damit rechtswidrig Nebenleistungen doppelt berechnet. Nachdem der Beklagte im Zuge des Klageverfahrens den Einspruch gegen den streitgegenständlichen Bescheid über Aussetzungszinsen mit Verfügung vom 04.11.2019 beschieden hat, beantragen die Kläger sinngemäß,
7den Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.11.2019 aufzuheben.
8Der Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Er tritt der Klage mit den Gründen seiner hier in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung vom 04.11.2019 entgegen. Mit dieser Entscheidung hat er die Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer auf 2.194,25 EUR und zum Solidaritätszuschlag auf 117,25 EUR herabgesetzt. Im Übrigen trägt er vor, daß der Zugang der Aussetzungsverfügung vom 24.09.2012 von den Klägern selbst mit Schriftsatz vom 09.10.2012 (Bl. 57 GA) in dem Verfahren 7 V 3404/12 A (E) bestätigt worden sei.
11Durch Beschluß vom 15.05.2020 wurde das Verfahren dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 18.07.2023 wurde den Klägern am 27.06.2023 zugestellt, im Termin erschien für die Kläger niemand. Unter dem 25.07.2023 stellten die Kläger ein Ablehnungsgesuch gegen den Einzelrichter sowohl für das vorliegende als auch für 14 weitere beim 12. Senat anhängige Verfahren. Sie begründeten dies mit dem Umstand, daß der Einzelrichter als Berichterstatter in den Verfahren 12 K 989/19 AO, 12 K 2494/19 AO, 12 K 1419/20 AO und 12 K 216/21 AO im ebenfalls am Termintag, dem 18.07.2023, durchgeführten Erörterungsterminen dem Beklagten Gelegenheit gegeben habe, rechtswidrige Abrechnungsbescheide nachzubessern und den Klagen nicht stattgegeben, sondern die Sachen vertagt habe. Die in diesen Verfahren gezeigte Parteilichkeit begründe auch die Befangenheit des Richters in allen anderen Verfahren. Der 12. Senat hat das Ablehnungsgesuch mit dem hier in Bezug genommenen Beschluß vom 11.08.2023 –ohne Entscheidung über eine Befangenheit des Einzelrichters im vorliegenden Verfahren- als unbegründet zurückgewiesen.
12II.
13Das Ablehnungsgesuch vom 25.07.2023 ist offensichtlich unzulässig.
14Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 42 Abs. 2 Zivilprozeßordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommt es darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlaß hat, die Voreingenommenheit des abgelehnten Richters zu befürchten (vgl. Bundesfinanzhof --BFH-- vom 01.04.2003, VII S 7/03, BFH/NV 2003, 1331, und vom 10.03.2015, V B 108/14, BFH/NV 2015, 849). Grundsätzlich ist über das Ablehnungsgesuch nach vorheriger dienstlicher Äußerung des abgelehnten Richters ohne dessen Mitwirkung (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO) zu entscheiden. Ist in Ausnahmefällen das Ablehnungsgesuch wegen Rechtsmißbrauchs oder aus anderen Gründen offensichtlich unzulässig, so kann der Ablehnungsantrag in den Gründen der Hauptsacheentscheidung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters zurückgewiesen werden (vgl. BFH vom 04.03.2014 VII B 131/13, BFH/NV 2014, 1055). Die Selbstentscheidung des abgelehnten Richters ist vor dem Hintergrund der Garantie des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) allerdings nur dann und insoweit gerechtfertigt, wie die durch den gestellten Ablehnungsantrag erforderliche Entscheidung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters und damit keine Entscheidung in eigener Sache voraussetzt. Denn über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen (BFH vom 29.12.2015 IV B 68/14, juris, m. w. N.).
15Das vorliegende Ablehnungsgesuch vom 25.07.2023 beschränkt sich auf den Vorwurf, daß der Richter im Termin vom 18.07.2023 den Klagen in den Verfahren 12 K 989/19 AO, 12 K 2494/19 AO, 12 K 1419/20 AO und 12 K 216/21 AO nicht stattgegeben, sondern die Sachen vertagt habe. Unabhängig davon, daß im Hinblick auf die in diesen Sachen bestehende Senatszuständigkeit und den Umstand, daß es sich um Erörterungstermine handelte und schon deshalb keine abschließenden streitigen Entscheidungen über die Klagen ergehen konnten rügen die Kläger kein in der Person des Richters liegendes Verhalten. Vielmehr wiederholen sie im Kern die bereits nach der vor dem Senat am 30.03.2023 in den vorgenannten Sachen durchgeführten mündlichen Verhandlung in ihrem Schriftsatz vom 03.04.2023 –rügelos- vorgetragene Kritik, der Senat dürfe dem Beklagten keine Gelegenheit geben, die streitgegenständlichen Abrechnungsbescheide nachzubessern. Die offensichtliche Unzulässigkeit des damit auf unzutreffende Rechtsanwendung gestützten Ablehnungsgesuchs kann der betroffene Richter im vorliegenden Urteil selbst feststellen. Auf den Umstand, daß die Kläger durch ihren rügelosen Vortrag im Schriftsatz vom 03.04.2023 ein etwaiges Ablehnungsrecht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 43 ZPO verloren haben, kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an.
16Unabhängig vom Nichterscheinen der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2023 konnte die Sache mündlich verhandelt und entschieden werden, § 91 Abs. 2 FGO.
17Die Klage ist unbegründet; denn der Bescheid über Aussetzungszinsen in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.11.2019 ist rechtmäßig.
18Nach näherer Maßgabe des § 237 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) sind geschuldete Abgaben zu verzinsen, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen ihre Festsetzung endgültig keinen Erfolg gehabt hat und die Vollziehung ausgesetzt war. Vorliegend hat der Einspruch der Kläger gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 2001 vom 06.08.2006 ausweislich des in dem Verfahren 7 K 530/17 E ergangenen Urteils vom 31.01.2018 endgültig keinen Erfolg gehabt, der Beklagte hat die Aussetzung der Vollziehung durch die jeweils am 21.10.2019 zugestellten Bescheide verfügt. Ob zu diesem Zeitpunkt im Hinblick auf das Urteil vom 12.03.2014 noch die erforderlichen ernstlichen Zweifel i. S. d. § 361 Abs. 2 Satz 2 AO vorlagen ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich.
19Der maßgebliche Zinslauf begann am 11.09.2008. Zwar ist eine Aussetzung der Vollziehung als rechtsgestaltender Verwaltungsakt zu verstehen und entfaltet dementsprechend Wirkung nur für die Zukunft. Soweit der angefochtene Verwaltungsakt vor Gewährung der Aussetzung bereits vollzogen ist, bleiben die schon eingetretenen Rechtsfolgen bestehen. Vollzug eines Steuerbescheides in diesem Sinne ist jeder Gebrauch seiner Wirkungen, also auch der Anfall von Säumniszuschlägen nach Maßgabe des § 240 Abs.1 Satz 1 AO. Dementsprechend könnte eine –im Regelfall stets nachträglich verfügte- Aussetzung den Steuerpflichtigen nur von zukünftig entstehenden Säumniszuschlägen befreien. Diesen Rechtsnachteil für den Steuerpflichtigen vermeidet die vom Gericht geteilte Auffassung, wonach die nach § 361 Abs. 2 Satz 3 AO der Aussetzung gleichstehende Aufhebung der Vollziehung Wirkung für die Vergangenheit entfaltet (ausführlich dazu Bundesfinanzhof –BFH- vom 10.12-.1986, I B 121/86, BStBl 1987 II 389). Dementsprechend ist –im Ergebnis zu Gunsten der Kläger- davon auszugehen, daß einerseits die am 21.10.2019 zugestellten Verfügungen im Hinblick auf die entstandenen Säumniszuschläge die Vollziehung des geänderten Einkommensteuerbescheids rückgängig gemacht, andererseits den Zinslauf für Aussetzungszinsen jedoch in Gang gesetzt haben. Da die Kläger den Zugang der weiteren Aussetzungsverfügung vom 24.09.2012 selbst mit Schriftsatz vom 09.10.2012 in dem Verfahren 7 V 3404/12 A (E) bestätigt haben, hat der Beklagte in seiner angefochtenen Entscheidung zur Überzeugung des Gerichts auch das Ende des Zinslaufs in Übereinstimmung mit dieser Aussetzungsverfügung zutreffend auf den 19.04.2014 bestimmt.
20Die in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelte und vom Beklagten zugrunde gelegte Zinshöhe ist –soweit sie wie vorliegend bis zum 31.12.2018 entstandene Zinsen betrifft- nicht zu beanstanden, auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) vom 08.07.2021, 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 (BGBl 2021 I 4303) wird insoweit verwiesen.
21Ob und bejahendenfalls der Beklagte für den hier maßgeblichen Verzinsungszeitraum weitere steuerliche Nebenleistungen geltend macht ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und kann dementsprechend dahinstehen.
22Im Übrigen stellt das Gericht fest, daß es den schriftlichen Gründen der Einspruchsentscheidung vom 04.11.2019 folgt. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, § 105 Abs. 5 FGO.
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.