Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Ablehnungsbescheid des Beklagten in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.07.2019 wird teilweise aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern Abrechnungsbescheide zur Einkommensteuer 2010 bis 2014 zu erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e
2Die Kläger werden als Eheleute vom Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, über die Abrechnung der hieraus resultieren wechselseitigen Ansprüche besteht seit Jahren Streit zwischen den Beteiligten.
3Mit Schreiben vom 09.10.2018 erhoben die Kläger Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid über Einkommensteuer 2018 vom 11.09.2018. In diesem Schreiben beantragten sie auch Abrechnungsbescheide für die Steuerjahre 2010 bis 2017. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 04.01.2019 ab. Voraussetzung für die Erteilung eines Abrechnungsbescheids sei das Vorliegen von Streitigkeiten zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde. Hierzu bedürfe es konkreter Angaben über die Art der Meinungsverschiedenheiten, entsprechende Unterlagen seien vorzulegen. Hiergegen erhoben die Kläger unter dem 12.01.2019 Einspruch. Sie trugen vor, daß bei sämtlichen Festsetzungsbescheiden der betreffenden Jahre die in den Abrechngsverfügungen aufgeführten Positionen unrichtig seien. Grund seien zahllose und nicht nachvollziehbare „Zubuchungen, Abbuchungen und Umbuchungen“. Umbuchungsmitteilungen hierüber habe der Beklagte nicht versandt. Der Beklagte wies den Einspruch mit der hier in Bezug genommenen Entscheidung vom 29.07.2019 als unbegründet zurück.
4Mit dem am 22.08.2019 beim Gericht eingegangenen Klage verfolgen die Kläger ihr auf den Erlaß von Abrechnungsbescheiden gerichtetes Begehren weiter. Die Klage richtet sich ausweislich der Klageschrift auf den Erlaß von Abrechnungsbescheiden zur Einkommensteuer 2010 bis 2017 der Kläger, zudem begehrt der Kläger den Erlaß von Abrechnungsbescheiden zur Umsatzsteuer 2010 bis 2017. Im Zuge des Verfahrens hat der Beklagte Abrechnungsbescheide zur Einkommensteuer 2015 bis 2017 erteilt und die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt, die Kläger haben hierzu keine Stellung genommen. Durch Beschluß vom 18.07.2023 hat das Gericht das Verfahren der Kläger wegen Erteilung von Abrechnungsbescheiden zur Einkommensteuer 2015 bis 2017 und das Verfahren des Klägers wegen Erteilung von Abrechnungsbescheiden zur Umsatzsteuer 2010 bis 2017 zur gesonderten Entscheidung abgetrennt, das abgetrennt Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 12 K 1462/23 AO geführt, auf das dort ergangene Urteil vom heutigen Tage wird verwiesen. Im vorliegenden Verfahrens ergingen desweiteren eine Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 07.10.2020, mit der er über den Antrag des Kläger vom 25.02.2020 auf Erteilung von Abrechnungsbescheiden zur Umsatzsteuer 2014 bis 2019 entschieden hat sowie zwei Einspruchsentscheidungen des Beklagten jeweils vom 30.10.2020, mit denen er über die Anträge der Kläger vom 06.11.2019 und vom 12.12.2019 auf Erteilung von Abrechnungsbescheiden zur Einkommensteuer 2014 bis 2017 und auf Erteilung von Abrechnungsbescheiden zur Einkommensteuer 2018 und 2019 entschieden hat. Diese von den Klägern in ihrem Schriftsatz vom 05.11.2020 als Erweiterung der vorliegenden Klage bezeichneten Streitgegenstände hat das Gericht unter dem Aktenzeichen 12 K 2849/20 AO aufgenommen, auf das dort ergangene Urteil vom heutigen Tage wird verwiesen.
5Zu dem nach Abtrennung vorliegend verbliebenen Streitgegenständen tragen die Kläger vor, der Beklagte habe zwar Klartextauszüge des Erhebungskontos übersandt. Diese enthielten jedoch zahlreiche Positionen mit „Umbuchungen, Abbuchungen, Zubuchungen, Erstattung von Guthaben", unter anderem auch Verrechnungen zwischen Einkommensteuer und Umsatzsteuer. Diesen Auszügen mangele es wegen des fehlenden Erläuterungstextes an Transparenz und Nachvollziehbarkeit, sie seien kein Ersatz für nachvollziehbare und prüffähige Abrechnungsbescheide.
6Die Kläger beantragen sinngemäß,
7wie erkannt.
8Der Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Er trägt vor, daß den Klägern die Voraussetzungen für den Erlaß von Abfrechnungsbescheiden im Einspruchsverfahren umfangreich erläutert worden sei.
11Durch Beschluß vom 12.06.2023 wurde das Verfahren dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 18.07.2023 wurde den Klägern am 27.06.2023 zugestellt, im Termin erschien für den Kläger niemand. Unter dem 25.07.2023 stellten die Kläger ein Ablehnungsgesuch gegen den Einzelrichter sowohl für das vorliegende als auch für 14 weitere beim 12. Senat anhängige Verfahren. Sie begründeten dies mit dem Umstand, daß der Einzelrichter als Berichterstatter in den Verfahren 12 K 989/19 AO, 12 K 2494/19 AO, 12 K 1419/20 AO und 12 K 216/21 AO im ebenfalls am Termintag, dem 18.07.2023, durchgeführten Erörterungsterminen dem Beklagten Gelegenheit gegeben habe, rechtswidrige Ab-rechnungsbescheide nachzubessern und den Klagen nicht stattgegeben, sondern die Sachen vertagt habe. Die in diesen Verfahren gezeigte Parteilichkeit begründe auch die Befangenheit des Richters in allen anderen Verfahren. Der 12. Senat hat das Ab-lehnungsgesuch –ohne Entscheidung über eine Befangenheit des Einzelrichters- mit dem hier in Bezug genommenen Beschluß vom 11.08.2023 als unbegründet zurückgewiesen.
12Das Ablehnungsgesuch vom 25.07.2023 ist offensichtlich unzulässig.
13Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 42 Abs. 2 Zivilprozeß-ordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommt es darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlaß hat, die Voreingenommenheit des abgelehnten Richters zu befürchten (vgl. Bundesfinanzhof --BFH-- vom 01.04.2003, VII S 7/03, BFH/NV 2003, 1331, und vom 10.03.2015, V B 108/14, BFH/NV 2015, 849). Grundsätzlich ist über das Ablehnungsgesuch nach vorheriger dienstlicher Äußerung des abgelehnten Richters ohne dessen Mitwirkung (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO) zu entscheiden. Ist in Ausnahmefällen das Ablehnungsgesuch wegen Rechtsmißbrauchs oder aus anderen Gründen offensichtlich unzulässig, so kann der Ablehnungsantrag in den Gründen der Hauptsacheentscheidung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters zurückgewiesen werden (vgl. BFH vom 04.03.2014 VII B 131/13, BFH/NV 2014, 1055). Die Selbstentscheidung des abgelehnten Richters ist vor dem Hintergrund der Garantie des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) allerdings nur dann und insoweit gerechtfertigt, wie die durch den gestellten Ablehnungsantrag erforderliche Entscheidung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters und damit keine Entscheidung in eigener Sache voraussetzt. Denn über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen (BFH vom 29.12.2015 IV B 68/14, juris, m. w. N.).
14Das vorliegende Ablehnungsgesuch vom 25.07.2023 beschränkt sich auf den Vorwurf, daß der Richter im Termin vom 18.07.2023 den Klagen in den Verfahren 12 K 989/19 AO, 12 K 2494/19 AO, 12 K 1419/20 AO und 12 K 216/21 AO nicht stattgegeben, sondern die Sachen vertagt habe. Unabhängig davon, daß im Hinblick auf die in diesen Sachen bestehende Senatszuständigkeit und den Umstand, daß es sich um Erörte-rungstermine handelte und schon deshalb keine abschließenden streitigen Entscheidungen über die Klagen ergehen konnten rügen die Kläger kein in der Person des Richters liegendes Verhalten. Vielmehr wiederholen sie im Kern die bereits nach der vor dem Senat am 30.03.2023 in den vorgenannten Sachen durchgeführten mündlichen Verhandlung in ihrem Schriftsatz vom 03.04.2023 –rügelos- vorgetragene Kritik, der Senat dürfe dem Beklagten keine Gelegenheit geben, die streitgegenständlichen Ab-rechnungsbescheide nachzubessern. Die offensichtliche Unzulässigkeit des damit auf unzutreffende Rechtsanwendung gestützten Ablehnungsgesuchs kann der betroffene Richter im vorliegenden Urteil selbst feststellen. Auf den Umstand, daß die Kläger durch ihren rügelosen Vortrag im Schriftsatz vom 03.04.2023 ein etwaiges Ablehnungsrecht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 43 ZPO verloren haben, kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an.
15Unabhängig vom Nichterscheinen der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2023 konnte die Sache mündlich verhandelt und entschieden werden, § 91 Abs. 2 FGO.
16Die Klage ist begründet, die vom Beklagten verfügte Ablehnung der Erteilung von Abrechnungsbescheiden zur Einkommensteuer 2010 bis 2014 ist rechtswidrig, die Kläger haben einen Anspruch auf Erteilung dieser Bescheide.
17Nach § 218 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, durch Abrechnungsbescheid. Entschieden wird damit insbesondere darüber, ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung erloschen ist, d.h. ob wirksam gezahlt, aufgerechnet, verrechnet, erlassen, ob Verjährung eingetreten, die Schuld bereits vor der Begründung der Zahlungspflicht erloschen oder der Forderungsausgleich durch Vollstreckungsmaßnahmen erreicht worden ist. Zum Regelungsgegenstand von Abrechnungsbescheiden gehört die vorgenannten Erlöschenstatbeständen rechtslogisch vorrangige Frage, ob überhaupt und welche Zahlungsverpflichtungen (wirksam) begründet worden sind, ohne deren Ermittlung sich nicht sinnvoll prüfen lässt, ob z. B. bestimmte Zahlungsvorgänge Schulden getilgt haben und welchen Forderungen der Finanzbehörde sie zuzuordnen sind. Derartige Fragen stehen vorliegend umfangreich in Rede, ihre Beantwortung ist zwischen den Beteiligten auch streitig. Die den Klägern übersandten Klartextauszüge sind nicht geeignet, diesen Streit zu entscheiden. Zum einen ist der diesen Auszügen zu entnehmende Buchungstext oftmals nicht eindeutig. Zum anderen eröffenen sie den Klägern nicht die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.