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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von negativen Einkünften aus einer Beteiligung an der … (X-KG) im Wege des negativen Progressionsvorbehalts.
3Bei der X-KG handelt es sich um eine in A-Stadt ansässige, nach deutschem Recht gegründete Kommanditgesellschaft, die in der Immobilienbranche tätig ist. Alleiniger Geschäftsführer der X-KG ist eine zugleich als Kommanditist beteiligte natürliche Person. Der Kläger hält die Beteiligung an der X-KG in seinem Privatvermögen.
4Der Kläger wurde mit seiner Ehefrau für den Veranlagungszeitraum 2015 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für 2015 bat er darum, die Einkünfte aus der X-KG von Amts wegen einzutragen. Der Beklagte berücksichtigte diese Einkünfte mit Bescheid vom 20.9.2017 in Höhe von 1 € als Einkünfte aus Grundstücksgemeinschaften im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Den Einkommensteuerbescheid vom 20.9.2017 änderte der Beklagte am 21.9.2017 (Aufgabe zur Post) aus hier nicht streitgegenständlichen Gründen gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO).
5Im Streitjahr 2015 veräußerte die X-KG eine in Österreich belegene Immobilie und erzielte daraus einen Verlust. Der auf den Kläger entfallende Anteil wurde nach Mitteilung vom 27.9.2017 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen durch das Finanzamt A-Stadt i.H.v. -20.542,66 € als „sonstige Einkünfte, nach DBA steuerfreie Einkünfte, laufende Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen“ festgestellt. In der Mitteilung fand sich in den Erläuterungen der folgende Passus: „Die Einkünfte resultieren aus der Veräußerung einer in Österreich belegenen Immobilie. Die in § 32b Abs. 1 S. 2 EStG (Einkommensteuergesetz) geregelte Nichtanwendung des Progressionsvorbehalts für bestimmte dort abschließend geregelte Sachverhalte in EU-/EWR-Staaten kommt für Veräußerungstatbestände des § 23 EStG nicht in Betracht. Dies bedeutet, dass Gewinne aus Grundstücksveräußerungen, die nach dem jeweils anzuwendenden DBA im Inland steuerfrei sind, in jedem Fall dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b EStG unterliegen. BEI VERLUSTEN SIND § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG ZU BEACHTEN.“
6Der Beklagte erließ daraufhin mit Datum vom 21.11.2017 einen Bescheid über Feststellungen nach § 2a EStG zum 31.12.2015.
7Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 28.11.2017 Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass die Regelung des § 2a EStG nur noch für negative Einkünfte aus Drittstaaten gelte, zu denen Österreich nicht zähle. Es werde darum gebeten, die negativen Einkünfte aus der X-KG im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen.
8Mit Schreiben vom 5.12.2017 legte der Beklagte dar, dass grundsätzlich eine Berücksichtigung im Rahmen des § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG möglich sei. Bei Verlusten seien jedoch § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG zu beachten. Verluste seien nur berücksichtigungsfähig, soweit auch entsprechende Gewinne vorhanden seien. Da im Streitjahr entsprechende Gewinne nicht vorhanden gewesen seien, sei behelfsmäßig eine Feststellung zu treffen, damit die Verluste auch für die Zukunft gesichert seien. Dabei sei auch kein Wahlrecht gegeben, § 10d Abs. 4 EStG. Außerdem entfalte der Bescheid des Finanzamts A-Stadt insoweit Bindungswirkung.
9Mit Datum vom 15.1.2018 erließ der Beklagte daraufhin einen Bescheid über die gesonderte Feststellung für Zwecke des Progressionsvorbehalts nach § 23 Abs. 3 Satz 7 f. i.V.m. § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG für den Veranlagungszeitraum 2015. Darin stellte er nach einem DBA steuerfreie Einkünfte für Zwecke des Progressionsvorbehalts i.H.v. 20.542,66 € auf den 31.12.2015 fest. Ergänzend führte der Beklagte aus, dass dieser Bescheid an die Stelle des angefochtenen Bescheides vom 21.11.2017 trete. Der Einspruch sei nicht erledigt, das Verfahren werde fortgesetzt. Der Beklagte erläuterte im darauffolgenden Schreiben vom 30.1.2018, dass seiner Auffassung nach die Regelungen der § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG auch die Berücksichtigung des Verlustes im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts hinderten.
10Mit Schreiben vom 3.1.2018 und vom 28.2.2018 führte der Kläger aus, dass seiner Auffassung nach die negativen Einkünfte im Wege des negativen Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen seien. Die Regelungen in § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG beschränkten dem Wortlaut nach nur die Möglichkeit des Verlustausgleichs, die Anwendung des Progressionsvorbehalts werde dort dagegen nicht geregelt.
11Die Auffassung des Beklagten führe zudem dazu, dass derartige Verluste im Ergebnis steuerlich nicht berücksichtigt werden könnten. In der Regel habe ein Steuerpflichtiger nämlich nicht mehrere Grundstücke im Ausland, sodass in den Folgejahren keine entsprechenden Gewinne anfallen würden. Ein Veräußerungsverlust könne damit nicht ausgeglichen werden.
12Mit Einspruchsentscheidung vom 6.6.2018 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Als Steuerart und Streitgegenstand bezeichnete er dabei die „Gesonderte Feststellung verbleibender negativer Einkünfte nach § 2a Abs. 1 EStG für 2015 vom 21.11.2017 nunmehr in Gestalt der gesonderten Feststellung für Zwecke des Progressionsvorbehalts nach § 23 Abs. 3 Satz 7 f. i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG für 2015“.
13Der Kläger hat am 9.7.2018 Klage erhoben. Er wendet sich gegen die Anwendung der Vorschriften der § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts. Zur Begründung führt er aus, dass seiner Auffassung nach zwar ein gesetzlicher Vorrang der Vorschrift des § 23 EStG gegeben sei, dies jedoch nur, soweit es um die Ermittlung der betreffenden Einkünfte gehe. Das Verhältnis zu den Regelungen über den negativen Progressionsvorbehalt werde demgegenüber nicht geregelt.
14Wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, dass die Regelung des § 23 EStG vorrangig vor der unmittelbaren Anwendung des negativen Progressionsvorbehalts sei, so hätte er dies ausdrücklich bestimmen müssen. Der Gesetzgeber habe in § 32b Abs. 1 Satz 3 EStG ausdrücklich geregelt, dass die Vorschrift des § 15b EStG sinngemäß anzuwenden sei. Auch diese Vorschrift zeige, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit gesehen habe, diesen Vorrang der Regelungen zur eingeschränkten Abzugsfähigkeit von Verlusten ausdrücklich im Rahmen des § 32b Abs. 1 EStG festzuschreiben. Für die im Streitfall relevanten Vorschriften sei dies demgegenüber nicht geschehen.
15Nach Hinweis der vormaligen Berichterstatterin auf den Aufsatz von Lamprecht/Bischoff in der Zeitschrift für europäische und internationale Steuer- und Wirtschaftsberatung (IStR) 2018, 794 führt der Kläger zusätzlich aus, dass sich seiner Auffassung nach aus diesem Beitrag keine herrschende Meinung zu der streitgegenständlichen Rechtsfrage ergebe. Vielmehr gehe es in dem Aufsatz darum, das grundsätzliche Bedürfnis einer gesonderten Feststellung im Rahmen einer nicht eindeutigen Rechtslage klarzustellen. Die argumentative Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich die Verlustausgleichsbeschränkung der § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG zu dem negativen Progressionsvorbehalt in § 32b EStG verhalte, beschränke sich darauf, dass in diesen Fällen eine Anwendung des negativen Progressionsvorbehalts dem Zweck von Verlustausgleichsbeschränkungen widerspreche.
16In verfahrensrechtlicher Hinsicht vertritt der Kläger nunmehr die Auffassung, dass er in seinem Schreiben vom 28.11.2017 nicht nur einen Einspruch gegen den Bescheid über die Feststellung nach § 2a EStG eingelegt habe, sondern zusätzlich eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2015 dahingehend beantragt habe, dass die negativen Einkünfte aus der X-KG im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden. Über diesen Antrag sei seitens des Beklagten nie entschieden worden.
17Der Kläger beantragt,
18unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 6.6.2018
191. den Bescheid über die gesonderte Feststellung verbleibender negativer Einkünfte nach § 2a Abs. 1 EStG in Gestalt der gesonderten Feststellung für Zwecke des Progressionsvorbehalts nach § 23 Abs. 3 Satz 7 f. i. V. m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG für 2015 vom 15.1.2018 aufzuheben,
202. den Beklagten zu verpflichten, unter Änderung des Einkommen-steuerbescheides 2015 vom 21.9.2017 die Einkommensteuer 2015 unter Berücksichtigung des anteilig auf ihn entfallenden Verlustes i. H. von 20.542,66 € aus der X-KG im Wege des negativen Progressionsvorbehaltes neu festzusetzen.
21Der Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass zunächst nach nationalem Recht zu prüfen sei, ob überhaupt ein Besteuerungstatbestand vorliege. Im vorliegenden Fall, komme insoweit eine Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Betracht. Während in Abs. 3 Sätze 1 bis 4 geregelt werde, wie sich ein möglicher Gewinn oder Verlust ermittelte, werde in § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG bestimmt, dass Verluste nur bis zur Höhe des Gewinns, den ein Steuerpflichtiger im gleichen Jahr erzielt habe, ausgeglichen werden könnten. Gleiches müsse auch für Einkünfte, die zwar aufgrund eines Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) bei der Einkommensbesteuerung in Deutschland steuerfrei seien, jedoch nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 dem Progressionsvorbehalt unterliegen, gelten. Diese dürften insoweit nicht bessergestellt werden, als Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, die im Inland angefallen und auch der Besteuerung nach Maßgabe des § 23 Abs. 3 EStG unterworfen seien. Dass der Gesetzgeber in § 32b Abs. 1 Satz 3 ausdrücklich auf die Vorschrift des § 15b EStG Bezug genommen habe, könne ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis führen.
24Entscheidungsgründe
25Die Klage ist nur teilweise zulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.
26I. Zunächst ist der Klageantrag des Klägers gemäß § 76 Abs. 2, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger zwei verschiedene Rechtsbegehren verfolgt. Zum einen wendet er sich gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung verbleibender negativer Einkünfte nach § 2a Abs. 1 EStG in Gestalt der gesonderten Feststellung für Zwecke des Progressionsvorbehalts nach § 23 Abs. 3 Satz 7 f. i. V. m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG für 2015 vom 15.1.2018. Zusätzlich begehrt er, unter Änderung des an ihn gerichteten Einkommensteuerbescheides 2015 vom 21.9.2017 die Einkommensteuer für 2015 unter Anwendung des negativen Progressionsvorbehalts festzusetzen.
27Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind außerprozessuale und prozessuale Rechtsbehelfe in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auszulegen, wenn es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des wirklich Gewollten fehlt (vgl. BFH-Urteile vom 1.9.1998 VIII R 46/93, BFH/NV 1999, 596; vom 19.6.1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6; vom 30.8.1994 IX R 42/91, BFH/NV 1995, 481). Dies gilt grundsätzlich auch für Erklärungen rechtskundiger Personen (z.B. BFH-Urteil vom 30.8.1994 IX R 42/91, BFH/NV 1995, 481). Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Rechtsbehelf hat einlegen wollen, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft (BFH-Urteil vom 11.9.1986 IV R 11/83, BStBl II 1987, 5).
28Zwar hat der Kläger sich zunächst nur ausdrücklich gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung für Zwecke des Progressionsvorbehalts nach § 23 Abs. 3 Satz 7 f. in Verbindung mit § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG für 2015 vom 15.1.2018 und den Bescheid über die Feststellungen nach § 2a EStG zum Schluss des Veranlagungszeitraums 2015 vom 25.11.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.6.2018 gewandt und auch nur diesen als angefochtenen Verwaltungsakt in der Klageschrift bezeichnet. Dies hat er zudem in seinem Einspruchsschreiben vom 28.11.2017 in der Überschrift als auch in seinem Antrag zu 1. formuliert. Es ist aber aus der Formulierung des Antrags zu 2. und aus der Einspruchs- und Klagebegründung erkennbar, dass der Kläger zumindest auch die Festsetzung einer geringeren Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2015 begehrt.
29Diese Begehren dienen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Klägers. Dass diese Auslegung dem wahren Willen des Klägers entspricht, zeigen seine Schreiben an den Beklagten vom 28.11.2017, vom 3.1.2018 und vom 28.2.2018. Bereits im erstgenannten Schreiben hat der Kläger sachlich – losgelöst von der Feststellung gem. § 2a EStG – die Berücksichtigung des Verlustes aus der X-KG im Wege des negativen Progressionsvorbehalts begehrt. In den beiden folgenden Schreiben wird es noch deutlicher, wenn der Kläger von seiner „beantragten Anwendung des Progressionsvorbehalts“ spricht. Im Klageverfahren hat der Kläger dies wiederholt geäußert (z.B. im Schriftsatz vom 28.3.2022).
30Die Rechtsauffassung des Beklagten, dass der negative Progressionsvorbehalt nicht anzuwenden ist, manifestierte sich für den Kläger insbesondere in den erteilten Feststellungsbescheiden. Daher richtete er – formal der Bezeichnung nach – gegen diese Bescheide seinen Einspruch und auch seine Klage. Bereits der Einspruch des Klägers war aber (trotz der vermeintlich eindeutigen Bezeichnung des Bescheids über die Feststellung nach § 2a EStG zum Schluss des Veranlagungszeitraums 2015 vom 25.11.2017 als Verfahrens- und Anfechtungsgegenstand) der Auslegung zugänglich. Bei der Prüfung, ob die Bezeichnung eines Verwaltungsakts als Gegenstand eines Rechtsbehelfs eindeutig ist oder nicht, kann nämlich nicht allein auf die äußere Bezeichnung des Einspruchsgegenstands abgestellt werden (BFH-Urteil vom 31.10.2000 VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589). Auch im weiteren Verlauf des Verfahrens manifestierte sich der Rechtsstreit der Beteiligten zwar in materieller Hinsicht zu der Frage, ob die Einkommensteuer unter Anwendung des negativen Progressionsvorhalts festzusetzen ist, formal wurden diese Fragen aber in einem Einspruchsverfahren gegen die Feststellungsbescheide diskutiert, welches in der Einspruchsentscheidung vom 6.6.2018 seinen Abschluss fand.
31Der Senat hält im Ergebnis eine rechtschutzgewährende Auslegung sowohl der Einspruchs- als auch der Klageschrift aufgrund der schwer zu durchschauenden unterschiedlichen und wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen der Anwendung des Progressionsvorbehalts, dem Einkommensteuerbescheid und den genannten Feststellungsbescheiden für geboten.
32II. Die so verstandene Klage ist nur teilweise zulässig.
331. Soweit sich die Klage gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung verbleibender negativer Einkünfte nach § 2a Abs. 1 EStG in Gestalt der gesonderten Feststellung für Zwecke des Progressionsvorbehalts nach § 23 Abs. 3 Satz 7 f. i. V. m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG für 2015 vom 15.1.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.6.2018 richtet, ist der Kläger nämlich nicht klagebefugt.
34Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage gem. § 40 Abs. 2 FGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.
35Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Klage gegen einen Verlustfeststellungsbescheid, mit der ein niedrigerer Verlust geltend gemacht wird, als von der Finanzbehörde festgestellt, grundsätzlich unzulässig (z.B. BFH-Urteil vom 21.10.2014 I R 1/13, BFH/NV 2015, 690), weil dem Steuerpflichtigen durch die Feststellung eines zu hohen Verlusts kein Nachteil entsteht. Entsprechendes muss für den streitgegenständlichen Bescheid über die gesonderte Feststellung verbleibender negativer Einkünfte nach § 2a Abs. 1 EStG in Gestalt der gesonderten Feststellung für Zwecke des Progressionsvorbehalts nach § 23 Abs. 3 Satz 7 f. i. V. m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG für 2015 vom 15.1.2018 gelten. Dem Kläger erwächst aus diesem Bescheid kein Nachteil.
36Dass der Kläger zunächst geltend machte, es sei jedenfalls die Norm des § 2a EStG nicht einschlägig, ist wegen des zwischenzeitlich auf andere Vorschriften (§ 23 Abs. 3 Satz 7 f. i. V. m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) gestützten Bescheides unerheblich. Auch aus der Frage, ob eine Ermächtigungsgrundlage für diesen Bescheid gegeben ist, kann sich hier keine Rechtsverletzung des Klägers ergeben. Dass möglicherweise die Rechtsgrundlagen für diesen Bescheid ungeklärt sind, ändert nämlich nichts daran, dass der Kläger durch diesen angefochtenen Bescheid keine Nachteile erlitten hat oder noch erleiden könnte. Denn die Feststellung eines Verlustes – auch für Zwecke des Progressionsvorbehalts – kann sich auch in den folgenden Veranlagungszeiträumen nur positiv für den Kläger auswirken (zur Klagebefugnis bei Geltendmachung eines niedrigeren Verlustes wegen ungünstiger Folgen in späteren Veranlagungszeiträumen z.B. BFH-Urteil vom 15.3.2012 III R 96/07, BStBl II 2012, 719).
37Der Höhe nach waren die festgestellten negativen Einkünfte hier stets unstreitig, sodass die Begründung einer Beschwer wegen der Geltendmachung eines höheren Verlustes ausscheidet. Auch die Bindungswirkung für Steuerfestsetzungen der Folgejahre kann sich hier nicht nachteilig auswirken, vielmehr ermöglicht der erlassene Bescheid gerade eine rechtssichere Dokumentation des Verlustes und sichert die Möglichkeit der Verlustverrechnung für Zwecke des Progressionsvorbehalts in späteren Veranlagungszeiträumen. Der Bescheid hat auch keinen nachteiligen Einfluss auf die Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahrs, da die Entscheidung über die Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes im Einkommensteuerbescheid selbst und nicht im angefochtenen Bescheid getroffen wird.
382. Unabhängig davon wäre die Klage gegen diesen Bescheid aber auch unbegründet. Denn der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Progressionsvorbehalts nach § 23 Abs. 3 Satz 7 f. i.V.m. § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG für den Veranlagungszeitraum 2015 vom 15.1.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.6.2018 ist weder in verfahrensrechtlicher noch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtswidrig.
39a. Zunächst ist der angefochtene Verwaltungsakt verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.
40Der während des Einspruchsverfahrens bekanntgegebene Bescheid vom 15.1.2018 über die gesonderte Feststellung des Progressionsvorbehalts nach § 23 Abs. 3 Satz 7 f. i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG zum 31.12.2015 wurde an Stelle des Bescheids vom 21.11.2017 über die Feststellungen nach § 2a EStG zum 31.12.2015, gegen den der Kläger ursprünglich zulässig Einspruch eingelegt hatte, Gegenstand des Einspruchsverfahrens.
41Das folgt aus § 365 Abs. 3 Satz 1 AO. Diese Regelung bestimmt, dass der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Einspruchsverfahrens wird, wenn der angefochtene Verwaltungsakt geändert oder ersetzt wird. Entgegen teilweise in der Literatur vertretener Auffassung umfasst der Begriff der „Ersetzung“ nicht nur den Fall, in dem ein unwirksamer Verwaltungsakt durch einen wirksamen ersetzt wird (so auch BFH-Urteil vom 17.9.1992 V R 17/86, BFH/NV 1993, 279 zu § 68 FGO; a.A. Birkenfeld in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 259. Lieferung 8.2020, § 365 AO, Rn. 180). Entsprechend den für § 68 FGO geltenden Auslegungsgrundsätzen ist der Begriff des „Ersetzens“ weit auszulegen (BFH-Urteil vom 9.5.2012 I R 91/10, BFH/NV 2012, 2004).
42Nach der Rechtsprechung des BFH verlangt die Anwendung des § 365 AO nur, dass hinsichtlich des ursprünglichen und des neuen Verwaltungsakts Identität der Beteiligten und des Besteuerungsgegenstands besteht und der ursprüngliche Verwaltungsakt durch den Erlass des neuen seine Wirkung verliert (BFH-Urteile vom 9.9.1986 VIII R 198/84, BStBl II 1987, 28; vom 15.7.1987 X R 12/80, BFH/NV 1988, 128).
43Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Identität der Beteiligten und des Besteuerungsgegenstands sind gegeben.
44Der Kläger war sowohl Inhaltsadressat des Bescheids vom 21.11.2017 über die Feststellungen nach § 2a EStG zum Schluss des Veranlagungszeitraums 2015 als auch des ersetzenden Bescheides. Beide Bescheide betreffen dieselbe Steuerart (Einkommen-steuer) und den Feststellungszeitpunkt 31.12.2015. Wie im BFH-Urteil vom 17.4.1991 (II R 142/87, BStBl II 1991, 527) ausgeführt, reicht es aus, wenn ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem angefochtenen und dem neuen Verwaltungsakt besteht. In beiden Bescheiden geht es um die steuerliche Behandlung der negativen Einkünfte aus der X-KG i.H.v. 20.542,66 €, beiden Bescheiden liegt damit derselbe Lebenssachverhalt zugrunde. Ein sachlicher Zusammenhang ist gegeben. Der Bescheid vom 15.1.2018 zeigt lediglich eine andere rechtliche Beurteilung des identisch gebliebenen Sachverhalts, da auf die Einkünfte aus der X-KG und auf den Bescheid vom 21.11.2017 ausdrücklich Bezug genommen wird. Auch nach dem expliziten Willen der Behörde, sollte der Bescheid vom 15.1.2018 „an die Stelle des Bescheides vom 21.11.2017 treten“.
45Eine weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Ersetzen“ und ein breites Verständnis hinsichtlich der Identität des Besteuerungsgegenstands entsprechen auch dem Willen des Gesetzgebers. Die durch Art. 1 Nr. 48 Buchst. b des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 (vom 19.12.1985, BGBl I 1985, 2436, BStBl I 1985, 735) eingefügte Vorschrift des § 365 Abs. 3 Satz 1 AO soll nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 10/1636, 51 zu § 365 Abs. 3 AO) "verhindern, dass der Rechtsbehelfsführer ohne Einlegung eines erneuten Rechtsbehelfs aus dem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren hinausgedrängt wird, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt geändert oder durch einen neuen Verwaltungsakt ersetzt wird". Daraus ist die Vorstellung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass der Rechtsbehelfsführer keinen erneuten Einspruch einzulegen braucht, weil der ursprünglich eingelegte Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt wirkt.
46Diesem Zweck (der Förderung der Verfahrensökonomie) wird im vorliegenden Fall durch das zugrunde gelegte Verständnis von § 365 Abs. 3 Satz 1 AO Rechnung getragen. Zudem sind dem Kläger seine durch die zulässige Einspruchseinlegung erlangten verfahrensrechtlichen Rechtspositionen erhalten geblieben.
47Es ist zudem nicht so, dass der Kläger von dem ersetzenden Bescheid überrascht worden wäre und keine Gelegenheit mehr gehabt hätte, vor Bekanntgabe des inhaltlich ersetzenden Verwaltungsaktes Gegenansichten vorzubringen oder weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Der Beklagte legte nämlich bereits mit Schreiben vom 5.12.2017 seine geänderte Rechtsauffassung zur steuerlichen Behandlung der mitgeteilten Einkünfte aus der X-KG dar und stellte den Erlass eines geänderten Bescheides in Aussicht. Diesen erließ der Beklagte dann erst über einen Monat später am 15.1.2018, nachdem der Kläger nochmals Gelegenheit hatte, sich mit Schreiben vom 3.1.2018 zu der geänderten Rechtsauffassung zu äußern. Erst am 30.1.2018 erließ der Beklagte die Einspruchsentscheidung. Durch das weite Verständnis des § 365 Abs. 3 Satz 1 AO werden im Streitfall also keine Rechte des Klägers verkürzt. Im Gegenteil wäre er bei einem engeren Verständnis der Norm in einer verfahrensrechtlich schlechteren Position, da gegen den Bescheid vom 15.1.2018 (wohl wegen des Hinweises des Beklagten auf die Ersetzung) nicht erneut Einspruch eingelegt worden ist und der Kläger damit womöglich auf einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwiesen werden müsste.
48b. Zudem ist der Bescheid materiell-rechtlich rechtmäßig.
49Die nach § 179 Abs. 1 AO erforderliche Rechtsgrundlage für den Erlass eines Feststellungsbescheides über die gesonderte Feststellung eines Verlustes aus privaten Veräußerungsgeschäften für Zwecke des Progressionsvorbehalts liegt mit § 23 Abs. 3 Satz 8 2. HS EStG vor (so auch BFH-Urteil vom 25.11.2014 I R 84/13, BFH/NV 2015, 664 für die wortgleiche Formulierung in § 2a Abs. 1 Satz 5 2. HS EStG). Der Wortlaut der Vorschrift lässt diese Lesart zu. Zudem ergibt sich ein Bedürfnis für eine solche gesonderte Feststellung, um eine symmetrische Besteuerung von Gewinnen und Verlusten für Zwecke des Progressionsvorbehalts für Fälle wie den vorliegenden zu gewährleisten. So ist es möglich, die Auswirkungen auf den Progressionsvorbehalt rechtssicher zu dokumentieren und eine periodenübergreifende Verrechnung zu ermöglichen.
50Auch ansonsten ist der Feststellungsbescheid materiell-rechtlich rechtmäßig. Aus dem vorliegenden Sachverhalt wurden hinsichtlich des Besteuerungsrechts die zutreffenden Rechtsfolgen gezogen. Zudem ist die Höhe des dort festgestellten Verlustes unstreitig.
51III. Im Übrigen ist die Klage zulässig, weil sich die Einspruchsentscheidung vom 6.6.2018 dahingehend auslegen lässt, dass der Beklagte damit jedenfalls auch eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2015 unter Berücksichtigung des negativen Progressionsvorbehalts ablehnen wollte.
52Sie ist aber insoweit unbegründet. Die Einkommensteuer 2015 im Bescheid vom 21.9.2017 ist zu Recht ohne Anwendung des negativen Progressionsvorbehalts festgesetzt worden.
531. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die formelle Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides 2015 einer solchen Änderung nicht entgegenstand. Eine Änderung des Steuerbescheids war nämlich wegen der Mitteilung des Finanzamts A-Stadt gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO grundsätzlich möglich.
54Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid, dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Zweck des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist es, die Festsetzung der zutreffenden Steuer im Folgebescheid sicherzustellen, wobei der materiellen Richtigkeit des Folgebescheids der Vorrang vor der Bestandskraft eines bereits früher ergangenen Folgebescheids eingeräumt wird. Aus der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids für den Folgebescheid (§ 182 Abs. 1 AO) ergibt sich, dass dieser die Aufgabe hat, dem Folgebescheid in verbindlicher Weise bestimmte Besteuerungsgrundlagen zuzuführen. Die Bindungswirkung beinhaltet deshalb auch, dass das für den Erlass eines Folgebescheids zuständige Finanzamt verpflichtet ist, die Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen. Solange die im Grundlagenbescheid gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen vom Finanzamt im Folgebescheid nicht berücksichtigt sind, ist die dem Grundlagenbescheid zugedachte Aufgabe nicht erfüllt (BFH-Urteil vom 4.9.1996 XI R 50/96, BStBl II 1997, 261).
55Im Streitfall hat das Finanzamt A-Stadt durch die Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 27.9.2017 sonstige, nach einem DBA steuerfreie Einkünfte aus der X-KG i.H.v. ./. 20.542,66 € des Klägers ermittelt.
56Verbindlich ist ein Grundlagenbescheid gem. § 182 Abs. 1 AO, soweit er rechtswirksam ist und die darin getroffenen Feststellungen für den Folgebescheid bzw. die Folgebescheide von Bedeutung sind. Nach der Rechtsprechung des BFH steht es dem Vorliegen eines Grundlagenbescheides i.S. von § 171 Abs. 10 AO nicht entgegen, dass sich die verbindlichen Feststellungen z.B. auf einzelne Voraussetzungen einer steuerrechtlichen Vorschrift beschränken (BFH-Urteile vom 15.10.1996 IX R 47/92, BStBl II 1997, 176, vom 21.8.2001 IX R 20/99, BStBl II 2003, 910).
57Inwieweit (negative) Grundlagenentscheidungen mit Bindungswirkung ausgestattet sind und wie weit diese im konkreten Fall reicht, muss von Fall zu Fall durch Auslegung, unter Berücksichtigung aller aus Empfängersicht erkennbaren Umstände, ermittelt werden (v. Groll in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 255. Lieferung 10.2019 § 175 AO, Rn. 149).
58Im Streitfall ergibt die Auslegung der Mitteilung des Finanzamts A-Stadt, dass dieses zwar mit Bindungswirkung die Höhe der auf den Kläger entfallenden Einkünfte aus der X-KG festgestellt hat. Eine abschließende Aussage zur Anwendung oder Nichtanwendung des Progressionsvorbehalts und der Berücksichtigung bei der Steuerfestsetzung sollte durch diese Mitteilung jedoch nicht getroffen werden. Diese oblag vielmehr dem für die Einkommensteuerfestsetzung zuständigem Beklagten.
59Die Angaben zur Anwendung des Progressionsvorbehalts in der Mitteilung sind nämlich nicht abschließend. In der Zeile, in der die Einkünfte der Höhe nach beziffert sind, ist zwar vermerkt „Einkünfte […] die dem Progressionsvorbehalt unterliegen“. Unten im Bescheid ist aber aufgeführt, dass Gewinne in jedem Fall dem Progressionsvorbehalt unterliegen und in Fettdruck “BEI VERLUSTEN SIND § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG ZU BEACHTEN“.
60Ein objektiver Empfänger schließt aus der Wendung, dass die Vorschriften der § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 „zu beachten“ sein soll, dass die letztendliche Entscheidung über den Progressionsvorbehalt beim Empfänger, dem Wohnsitzfinanzamt, liegen muss. Die mit Bindungswirkung festgestellte negative Höhe der Einkünfte aus der X-KG eröffnete damit nur die Möglichkeit, auch weitere steuerliche Folgerungen auf der Ebene des Folgebescheids zu ziehen. Inwieweit diese sich quantitativ bei der Steuerfestsetzung auswirken, konnte und wollte das Finanzamt A-Stadt vom objektiven Empfängerhorizont aus betrachtet in seiner Mitteilung nicht regeln.
612. Die Entscheidung zum negativen Progressionsvorbehalt hat der Beklagte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung getroffen und den negativen Progressionsvorbehalt zu Recht nicht angewandt. Der Beklagte hat im Ergebnis zutreffend die negativen ausländischen Einkünfte aus der X-KG nicht in die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens und in die Ermittlung des Steuersatzes einbezogen.
62Die grundsätzlich nach dem Welteinkommensprinzip in Deutschland einkommenssteuerpflichtigen negativen Einkünfte sind nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 24.8.2000, BGBl II 2002, 734 (DBA Österreich) in Deutschland von der Besteuerung auszunehmen. Damit wurden die Einkünfte aus der X-KG zutreffend nicht bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens angesetzt. Es ist aber nach dem DBA Österreich ausdrücklich gestattet, diese Einkünfte bei der Bemessung des Steuersatzes einzubeziehen, wozu die nationale Regelung des § 32b EStG dient (a.). Die Vorschrift des § 32b Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 EStG wird insoweit aber durch § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG eingeschränkt (b.).
63a. Nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG ist auf das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden, wenn ein zeitweise oder während des gesamten Veranlagungszeitraumes unbeschränkt Steuerpflichtiger Einkünfte bezogen hat, die nach einem DBA steuerfrei sind (sog. Progressionsvorbehalt).
64Die streitgegenständlichen Verluste resultieren aus der Veräußerung einer Immobilie in Österreich durch die X-KG. Bei den erzielten Einkünften handelt es sich um solche aus privaten Veräußerungsgeschäften. Der Grundlagenbescheid entfaltet in dieser Hinsicht Bindungswirkung, § 182 Abs. 1 Satz 1 AO.
65Überdies findet die nationale Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG im Streitfall keine Anwendung, da ausschließlich ein nicht persönlich haftender Gesellschafter zur Geschäftsführung der X-KG befugt ist (so auch BFH-Urteil vom 11.10.2012 IV R 32/10, BStBl II 2013, 538). Damit verwirklicht die X-KG den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, dem Kläger als Gesellschafter sind die Einkünfte auf der Grundlage von § 39 Abs. 2 Nr. 2, § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte zuzurechnen (so auch BFH-Urteil vom 6.9.2016 IX R 27/15, BStBl II 2018, 335).
66Für diese Einkünfte aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens steht – im Streitfall unstreitig – das Besteuerungsrecht gemäß Art. 13 Abs. 1 DBA Österreich dem Belegenheitsstaat Österreich zu. Nach Art. 23 Abs. 1 DBA Österreich sind diese Einkünfte aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer auszunehmen (sog. Freistellungsmethode). Nach Buchst. a) dieser Regelung sind ausdrücklich die Einkünfte aus der Republik Österreich, die nach diesem Einkommen in der Republik Österreich besteuert werden dürfen, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen. Der Einkunftsbegriff bezieht sich auf einen Nettobetrag, so dass nicht nur Gewinne, sondern grundsätzlich auch Verluste von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind (sog. Symmetriethese, ständige Rspr. des BFH, vgl. BFH-Beschluss vom 11.3.2008 I R 116/04, BFH/NV 2008, 1161; BFH-Urteil vom 9.6.2010 I R 100/09, BStBl II 2010, 1065).
67Deutschland behält aber das Recht, die so ausgenommenen Einkünfte bei der Festsetzung des Steuersatzes für andere Einkünfte zu berücksichtigen.
68Dem Grunde nach ist daher der Anwendungsbereich für den (hier negativen) Progressionsvorbehalt gem. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG eröffnet. Die in der Vorschrift geregelten Ausnahmen (§ 32b Abs. 1 Satz 2 EStG) sind vorliegend nicht einschlägig.
69b. Die Ermittlung des Steuersatzes durch die Vorschrift des § 32b Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 EStG hat aber unter Berücksichtigung von § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG zu erfolgen.
70Der besondere Steuersatz bemisst sich nach demjenigen zu versteuernden Einkommen, das sich ergibt, wenn das tatsächlich zu versteuernde Einkommen um die nach dem DBA steuerfreien Einkünfte vermehrt oder vermindert wird (§ 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG). Der in § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG angeführte Begriff der „Einkünfte“ bezieht sich auf den Regelungsinhalt des § 2 Abs. 2 EStG.
71Zur Ermittlung des zutreffenden Steuersatzes ist demzufolge an die Einkünfteermittlung i.S.d. § 2 EStG unter Anwendung aller Normen des deutschen Einkommensteuerrechts anzuknüpfen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 15.5.2002 I B 73/01, BFH/NV 2002, 1295; zuletzt BFH-Urteil vom 16.9.2015, I R 61/13, HFR 2016, 215). Die so ermittelten Einkünfte sind dann in einem zweiten Schritt vom zu versteuernden Einkommen abzurechnen. Auch der Begriff des „zu versteuernden Einkommens“ in § 32b Abs. 1 Satz 1 EStG knüpft nach ständiger Rechtsprechung des BFH an die Vorschrift des § 2 EStG an (BFH-Beschluss vom 15.5.2002 I B 73/01, BFH/NV 2002, 1295). Zu den im ersten Schritt anzuwendenden Normen zählt damit auch die Verlustausgleichsbeschränkung in § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG.
72Die steuerfreien Einkünfte sind für die Zwecke des Progressionsvorbehalts mithin nach den Maßgaben des deutschen Einkommensteuerrechts zu ermitteln. Wären die freigestellten Einkünfte aus der X-KG nicht in Deutschland von der Besteuerung auszunehmen, so wären sie trotzdem nicht geeignet, die Steuerlast des Klägers zu verringern. Denn § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG wären bei ihrer Ermittlung anzuwenden, womit die Ausgleichsmöglichkeit von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften eingeschränkt ist (so auch BFH-Urteil vom 13.5.1993 IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100 zum vormaligen System der Schattenveranlagung im Hinblick auf § 2a EStG).
73Infolgedessen könnten die negativen Einkünfte aus der X-KG nur mit anderen nach einem DBA von der Besteuerung freigestellten positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden, die es im Streitjahr nicht gegeben hat.
74Es entspricht im Übrigen auch der Gesetzessystematik, die Norm des § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG, die sich als horizontale Verlustverrechnungsvorschrift auf die Ebene der Einkünfteermittlung bezieht, vor der Norm des § 32b Abs. 1 Satz 1 EStG, die sich auf die Steuerberechnung bezieht, anzuwenden.
75Dieses Ergebnis stimmt auch mit dem Sinn und Zweck der § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG überein.
76Diese Verlustverrechnungsbeschränkung verfolgt den Zweck, den Besonderheiten der Besteuerung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften zu begegnen, damit diese nicht im Vergleich zu Verlusten aus anderen Einkunftsarten ungerechtfertigte Vorteile haben. Die privaten Veräußerungsgeschäfte und ihre einkommensteuerrechtliche Erfassung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG weisen nämlich Eigenschaften auf, die es rechtfertigen, für daraus erzielte Verluste nicht die für Verluste aus anderen Einkunftsarten geltenden Regelungen für den Verlustabzug anzuwenden, sondern Sonderregelungen wie diejenigen in § 23 Abs. 3 Sätze 7 und 8 EStG vorzusehen.
77Eine solche Besonderheit ist die Tatsache, dass der Gesetzgeber die Gewinne und Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 EStG nicht uneingeschränkt der Einkommensbesteuerung unterwirft, sondern – anders als bei anderen Einkunftsarten – nur, soweit sie durch Veräußerungsgeschäfte innerhalb einer bestimmten Frist nach Erwerb der Veräußerungsgegenstände entstanden sind. Der Sinn und Zweck liegt mithin darin, die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Wahl des Zeitpunkts für Veräußerungen, gezieltes Ausnutzen von Verlusten und die Möglichkeit die Steuerfreiheit von Gewinnen durch eigenes Handeln zu beeinflussen, zu beschränken (s. insgesamt auch zur Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG: BFH-Urteil vom 18.10.2006 IX R 28/05, BStBl II 2007, 259; BFH-Beschluss vom 16.12.2003 IX R 46/02, BStBl II 2004, 284, unter Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht-Beschluss vom 5.2.2002 2 BvR 305, 348/93, BVerfGE 105, 17, 32, 38).
78Würde man den negativen Progressionsvorbehalt bei solchen Verlusten wie im Streitfall gleichwohl anwenden, würde sich die letztendliche Steuerlast regelmäßig – und so auch im Streitfall – trotz der eigentlich bestehenden Verlustverrechnungsbeschränkung reduzieren, weil ein niedrigerer Steuersatz angewendet werden würde. Der negative Progressionsvorbehalt würde eine ähnliche Wirkung erzielen, wie ein Verlustausgleich. Zwar würde sich die Wirkung nur auf den Steuersatz beschränken und nicht bereits auf der Ebene der Einkünfteermittlung ansetzen. Gleichwohl würde sich eine erhebliche steuerliche Entlastung ergeben, wenn der Verlust eine gewisse Höhe hat und auch im Übrigen ein zu versteuerndes Einkommen gegeben ist, welches zu einem über dem Eingangssteuersatz liegenden Steuersatz führt (so auch Lamprecht/Bischoff in IStR 2018, 794). Es ist auszuschließen, dass diese Wirkung, die sich nur bei ausländischen Verlusten ergeben würde, gesetzgeberisch gewollt ist. Ansonsten würden steuerfreie Verluste mit Auslandsbezug steuerlich besser gestellt als vergleichbare Verluste aus inländischen Veräußerungsgeschäften.
79Der Kläger führt zwar zutreffend an, dass die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG nicht in § 32b Abs. 1 Satz 3 EStG genannt ist, andere Verlustverrechnungsbeschränkungen (§ 2a und § 15b EStG) aber schon. Daraus lässt sich aber nicht im Umkehrschluss schließen, dass die Vorschrift im Rahmen des § 32b Abs. 1 EStG nicht gelten soll. Vielmehr rührt deren Nichtaufführung daher, dass eine Bezugnahme auf § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG wegen der durchzuführenden Einkünfteermittlung nach inländischen Vorschriften ohnehin überflüssig wäre. Konsequent nimmt die höchstrichterliche Rechtsprechung auch für andere Verlustausgleichsbeschränkungen, die dort nicht genannt werden (z.B. § 15 Abs. 4, § 15a EStG) an, dass diese die Anwendung des negativen Progressionsvorbehalts hindern (s. zu § 15a EStG z.B. BFH-Urteil vom 16.5.2002 IV R 58/00, BStBl II 2002, 748). Die im § 32b EStG genannten Verlustausgleichsbeschränkungen sind gesetzeshistorisch aus anderen Gründen entstanden, nämlich um z.B. den sogenannten „Goldfinger-Gestaltungen“ entgegenzuwirken, bei denen gerade die Einkünfteermittlung nach nationalen Vorschriften zu Verlusten führen würde (zu den gesetzgeberischen Aktivitäten ausführlich Schulte-Frohlinde in Betriebs-Berater 2013, 1623). So wurde beispielsweise der Verweis auf § 15b EStG durch das Gesetz zur Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz vom 18.12.2013, BGBl I 2013, 4318 in § 32b Abs. 1 Satz 3 EStG ergänzt.
80Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 32b EStG verdeutlicht ebenfalls, dass der negative Progressionsvorbehalt in diesen Fällen nicht zu gewähren ist. So stellte § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG in früheren Fassungen ausdrücklich nur auf positive ausländische Einkünfte ab. Seit der Neufassung der Vorschrift ist der Wortlaut insoweit zwar offener formuliert, mit der geänderten Formulierung wollte der Gesetzgeber aber an der bestehenden Rechtslage nichts ändern (vgl. BT-Drs. 13/901, 136). Die zwischenzeitlich in die Vorschrift des § 32b Abs. 1 Satz 3 EStG aufgenommenen Einschränkungen veranschaulichen nur zusätzlich die gesetzgeberische Intention, Verlustausgleichsbeschränkungen nicht über den Progressionsvorbehalt auszuhebeln.
81IV. Die Kostentenscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
82V. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründen vorliegt. Insbesondere ist die Rechtslage zur Ermittlung des Steuersatzes bei von der deutschen Besteuerung freigestellten ausländischen Einkünften durch langjährige Rechtsprechung des BFH geklärt und eine Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts damit nicht notwendig.