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Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
Der Erbschaftsteuerbescheid vom 20. September 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2019 wird aufgehoben, soweit hinsichtlich des Vorerwerbs des Klägers bezüglich des Anteils an der Eigentumswohnung in der ...Straße in Z-Stadt die Belastung mit dem Nießbrauch nicht mit 67.277 € erwerbsmindernd berücksichtigt worden ist und hinsichtlich des Erwerbs des Klägers durch Erbanfall eine Ausgleichsverpflichtung der Erblasserin gegenüber dem Zeugen Dr. B nicht mit 8.605,82 € als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt worden ist.
Die Festsetzung des Verspätungszuschlags mit dem Bescheid vom 20. September 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2019 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt 72 % und der Beklagte trägt 28 % der Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Erblasserin A und ihr Ehemann, der Zeuge Dr. B, übertrugen als Miteigentümer zu ½ mit notarieller Urkunde vom 22. Juni 2016 jeweils einen ¼-Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung und zwei Tiefgaragenstellplätzen in der ...Straße 01, Z-Stadt (Bl. 2336 des Grundbuchs von Z-Stadt, Amtsgericht Z-Stadt), auf den Kläger. Die Erblasserin und der Zeuge Dr. B behielten sich als Gesamtberechtigte, „der Überlebende ungeschmälert“, einen lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch vor. Der Nießbraucher sollte alle Lasten tragen. Der Nießbrauch an dem ½-Miteigentumsanteil des Klägers wurde in das Grundbuch eingetragen.
3Die Erblasserin verstarb am 16. Juli 2016. Sie wurde von ihrem Ehemann, dem Zeugen Dr. B, zu ½ und von ihren beiden Kindern, dem Kläger und seiner Schwester, zu je ¼ beerbt. Zum Nachlass gehörten neben Guthaben auf Bankkonten Beteiligungen an folgenden geschlossenen Fonds: ... (Fond 01), ... (Fond 02), ... (Fond 03) und ... (Fond 04). Daneben war die Erblasserin zu ½ Miteigentümerin des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks Straße 02 in Y-Stadt, das sie gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnte. Ferner war sie zu einem Anteil von ½ Miteigentümerin einer in Y-Stadt belegenen Eigentumswohnung (Straße 03) sowie zu einem Anteil von ¼ Miteigentümerin der Eigentumswohnung in der ...Straße 01 in Z-Stadt.
4Das beklagte Finanzamt forderte den Kläger mit Schreiben vom 5. Juli 2017 zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung mit Fristsetzung bis zum 7. August 2017 auf. Da der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkam, schätzte das beklagte Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen und setzte mit Bescheid vom 10. Oktober 2017 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung 34.400 € Erbschaftsteuer sowie einen Verspätungszuschlag von 1.740 € fest.
5Dagegen legte der Kläger Einspruch ein. Er reichte am 10. November 2017 eine Erbschaftsteuererklärung ein.
6Das beklagte Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer mit Bescheid vom 20. September 2018 auf 30.767 € und den Verspätungszuschlag auf 1.530 € neu fest. Es teilte dem Kläger mit Schreiben vom 21. November 2018 mit, der Verspätungszuschlag bewege sich mit etwa 4 % der festgesetzten Steuer im unteren Bereich des Ermessensspielraums. Eine weitergehende Herabsetzung komme nicht in Betracht. Den Schwierigkeiten bei der Erstellung der Steuererklärung sei bereits durch die Einräumung entsprechender Fristen Rechnung getragen worden. Dass der Kläger einzelne Fragen nicht habe beantworten können, rechtfertige die Nichtabgabe der Erklärung nicht.
7Das beklagte Finanzamt setzte mit Einspruchsentscheidung vom 8. März 2019 die Erbschaftsteuer auf 36.800 € und den Verspätungszuschlag auf 1.530 € fest. Es schätzte die Werte der Fondsbeteiligungen auf Grund von Internetrecherchen sowie unter Ansatz von im Todesjahr von der Erblasserin erzielter Einkünfte wie folgt: Fond 01 100.000 €, Fond 02 20.000 €, Fond 03 37.429 € und Fond 04 41.271 €.
8Der Kläger hat Klage erhoben, mit der er beantragt hat, den Erbschaftsteuerbescheid vom 20. September 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2019 sowie die Festsetzung des Verspätungszuschlags aufzuheben. Er hat vorgetragen: Die ergangenen Steuerbescheide seien verfassungswidrig, weil keine gesetzliche Grundlage für die Festsetzung der Erbschaftsteuer mehr bestanden habe. Die Schätzung der Werte für die Fondsbeteiligungen sei willkürlich. Die Werte hätten einheitlich und gesondert festgestellt werden müssen.
9An der seinen Vorerwerb betreffenden Eigentumswohnung ...Straße 01 habe in Höhe von ¼ ein Nießbrauch zugunsten der Erblasserin bestanden, der auf seinen Vater übergegangen sei. Der Jahreswert dieses Nießbrauchs sei mit 7.381 € anzusetzen. Bei Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) ergebe sich ein Kapitalwert des Nießbrauchs von 67.277 €. Der Vervielfältiger von 9,115 folge aus einem Zinssatz von 5,5 %, der schon im Jahr 2016 realitätsfern gewesen sei und deshalb verfassungswidrig sei. Die Anwendung eines realitätsnahen Zinssatzes von 1 % führe zu einem Vervielfältiger von 11,755 und damit zu einem Kapitalwert des Nießbrauchs von 86.765 €.
10Er begehre zudem die Steuerermäßigung des § 13d des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) grundsätzlich für alle Vorerwerbe und den in den Nachlass fallenden Grundbesitz mit Ausnahme des in X-Stadt belegenen Grundstücks. Es habe sich um Grundbesitz gehandelt, der zu Wohnzwecken genutzt werde. Eine Besonderheit gelte für das Grundstück Straße 02, bei dem es sich um das Hausgrundstück handele, das von der Erblasserin und seinem Vater zu Wohnzwecken genutzt worden sei. Nach dem Tod der Erblasserin habe sein Vater das Hausgrundstück etwa zwei Jahre lang genutzt. Nach dem Auszug seines Vaters habe das Haus zunächst einige Zeit leer gestanden und sei dann vermietet worden. Derzeit beabsichtige seine Schwester, in das Haus einzuziehen. Die Eigentumswohnung in der ...Straße 01 in Z-Stadt sei ihm mittlerweile im Rahmen der Erbauseinandersetzung vollständig übertragen worden, so dass die teilweise Steuerbefreiung nur ihm zustehe.
11Bei zahlreichen Konten handele es sich um Kautionskonten von Mietern. Die entsprechenden Guthaben könnten nicht der Erblasserin zugerechnet werden. So habe es sich bei den bei der Bank Y-Stadt geführten Konten – bis auf das Konto DE00…000001 – um Mietkautionskonten gehandelt. Bei dem Konto DE00…000002 handele es sich um ein Konto, auf dem sein Vater Mietkautionen für Appartements in der Straße 04 in W-Stadt hinterlegt habe. Die Appartements gehörten seiner Schwester und ihm, seien jedoch von seinem Vater als Testamentsvollstrecker über den Nachlass seines Großvaters verwaltet worden.
12Erwerbsmindernd sei noch eine Darlehensverbindlichkeit von 17.211,64 € in Höhe von ½ zu berücksichtigen. Die Erblasserin und der Zeuge Dr. B seien zu je ½ Miteigentümer eines Mehrfamilienhauses in der Straße 05 in V-Stadt gewesen. Sein Vater habe das Darlehen für Instandsetzungsarbeiten an dem Dach und der Fassade des Hauses aufgenommen. Die Erblasserin sei im Innenverhältnis jedoch zum Ausgleich verpflichtet gewesen. Die Erblasserin und sein Vater hätten das Hausgrundstück Ende des Jahres 2014 verkauft. Der Verkaufserlös sei für eine Sondertilgung für ein Darlehen verwendet worden, das für die Finanzierung der Wohnung in der ...Straße 01 aufgenommen worden sei. Diese Wohnung habe zu ½ ebenfalls seinen Eltern gehört. Die Erblasserin habe auch noch nach der Veräußerung des Hausgrundstücks in der Straße 05 Tilgungsleistungen erbracht. Aus den von ihm übersandten Auszügen für das bei der Bank Y-Stadt geführte Girokonto Nr. 000001, bei dem es sich um ein Gemeinschaftskonto gehandelt habe, ergebe sich, dass auch die Erblasserin die Hälfte der Tilgungsleistungen erbracht habe. Nach dem Tod der Erblasserin habe der Zeuge Dr. B die Darlehensrückzahlungsverbindlichkeit übernommen. Zum Ausgleich habe er im Rahmen der Erbauseinandersetzung andere Vermögensgegenstände, wie insbesondere einen höheren Anteil an den Fonds-Beteiligungen erhalten.
13Die Festsetzung des Verspätungszuschlags sei rechtswidrig. Er habe in der Steuererklärung keine Werte erklären müssen, weil die Werte entweder gesondert festzustellen gewesen seien oder vom beklagten Finanzamt anderweitig in Erfahrung hätten gebracht werden können. Der Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung sei nicht ursächlich für die spätere Festsetzung der Erbschaftsteuer gewesen. Durch die leicht verspätete Abgabe der Steuererklärung sei kein Schaden entstanden. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum sich das beklagte Finanzamt an der Obergrenze des Ermessensspielraums orientiere. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags könne nicht dem Ziel dienen, ihn zur fristgerechten Abgabe der Erbschaftssteuererklärung anzuhalten, weil er voraussichtlich keine weitere Erbschaftsteuererklärung abzugeben habe.
14Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2021 haben die Beteiligten eine tatsächliche Verständigung dahingehend getroffen, dass die Fondsanteile Fond 01 mit 10.140 €, Fond 02 mit 25.740 €, Fond 04 mit 36.646 € und Fond 03 mit 7.119 € angesetzt werden. Ferner sicherte das beklagte Finanzamt zu, die Fondsbeteiligung Fond 02 in Höhe von 10 % hinsichtlich des Wertes zu vermindern. Das beklagte Finanzamt sicherte zudem zu, dass die teilweise Steuerbefreiung nach § 13c ErbStG bzw. § 13d ErbStG hinsichtlich des Vorerwerbs des Klägers sowie hinsichtlich der Eigentumswohnungen in Y-Stadt, Straße 03 sowie in Z-Stadt, ...Straße 01 berücksichtigt wird. Darüber hinaus sicherte das beklagte Finanzamt zu, die Steuerfestsetzung dergestalt zu ändern, dass die bei der Bank Y-Stadt geführten Konten mit den Endziffern DE00…000003, DE00…000004 sowie DE00…000005 nicht mehr als Erwerbsgegenstand nach der Erblasserin angesetzt werden.
15Die Beteiligten haben sodann den Rechtsstreit hinsichtlich der Streitpunkte, über die sie eine Einigung erzielt haben, übereinstimmend insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
16Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 2022 hat der Vertreter des beklagten Finanzamts zugesagt, den angefochtenen Steuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung dergestalt zu ändern, dass das bei der Bank Y-Stadt geführte Konto mit den Endziffern DE00…000002 nicht mehr zu ½ als Erwerbsgegenstand nach der Erblasserin angesetzt wird. Die Beteiligten haben daraufhin auch insoweit den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
17Der Kläger beantragt,
181. den Erbschaftsteuerbescheid vom 20. September 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2019 aufzuheben,
soweit hinsichtlich des Vorerwerbs die Belastung mit einem Nießbrauch nicht mit 86.765 € berücksichtigt worden ist,
21soweit eine Ausgleichsverpflichtung von ½ wegen einer Darlehensrückzahlungsverbindlichkeit von 17.211,64 € nicht erwerbsmindernd berücksichtigt worden ist;
222. die Festsetzung des Verspätungszuschlags mit dem Bescheid vom 20. September 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2019 aufzuheben.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Zu der Begründung trägt es vor: Die Belastung des Vorerwerbs des Klägers mit einem Nießbrauch an der Wohnung ...Straße 01 zugunsten seines Vaters könne gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG nur mit 67.277 € berücksichtigt werden. Ein Ausgleichsanspruch des Zeugen Dr. B wegen der Aufnahme eines Darlehens für das Hausgrundstück Straße 05 in V-Stadt könne nicht erwerbsmindernd berücksichtigt werden, weil die Erblasserin ein derartiger Anspruch nicht wirtschaftlich belastet habe.
27Der Senat hat Beweis durch die Vernehmung des Zeugen Dr. B erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23. Februar 2022 Bezug genommen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
29Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einzustellen, soweit der Rechtsstreit auf Grund der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11. Juni 2019 6 A 2.17, NVwZ 2019, 1211).
30Die Klage ist überwiegend begründet. Der Erbschaftsteuerbescheid vom 20. September 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit hinsichtlich des Vorerwerbs des Klägers bezüglich des Anteils an der Eigentumswohnung in der ...Straße 01 in Z-Stadt die Belastung mit dem Nießbrauch nicht mit 67.277 € erwerbsmindernd berücksichtigt worden ist und hinsichtlich seines Erwerbs durch Erbanfall eine Ausgleichsverpflichtung der Erblasserin gegenüber dem Zeugen Dr. B nicht mit 8.605,82 € als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt worden ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
31Der Erwerb des Klägers von Todes wegen unterliegt nach den §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 4. November 2016 (BGBl I, 2464) der Erbschaftsteuer.
32Der gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG hinzuzurechnende Wert des Vorerwerbs des Klägers hinsichtlich des Anteils an der Eigentumswohnung in der ...Straße 01 in Z-Stadt ist unstreitig um den anteiligen Wert des der Erblasserin eingeräumten und mit ihrem Tode auf den Zeugen Dr. B übergegangenen Nießbrauchs zu vermindern (vgl. Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 28. Mai 2019 II R 4/16, BFHE 265, 408). Die Erblasserin und der Zeuge Dr. B haben sich unter 3.1 der notariellen Urkunde vom 22. Juni 2016 als Gesamtberechtigte (§ 428 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB –), „der Überlebende ungeschmälert“, einen lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch vorbehalten. Da der Nießbrauch dem Überlebenden der Gesamtberechtigten danach „ungeschmälert“ zustehen sollte, ist der Nießbrauch, soweit er auf den von der Erblasserin von ihr übertragenen ¼-Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung und den zwei Tiefgaragenstellplätzen entfällt, abweichend von § 1061 Satz 1 BGB nicht mit ihrem Tode erloschen. Vielmehr steht der Nießbrauch insoweit als Gegenleistung für die Zuwendung der Erblasserin dem Zeugen Dr. B auf Lebenszeit zu.
33Der Jahreswert des Nießbrauchs von 7.381 € ist zwischen den Beteiligten unstreitig (Bl. 183, 192 GA). Bei Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG ergibt sich ein Kapitalwert des Nießbrauchs von 67.277 €. Um diesen Betrag ist der Wert des Vorerwerbs des Klägers zu vermindern.
34Der Kläger kann nicht den Abzug eines höheren Betrags beanspruchen. Anders als er unsubstantiiert geltend macht, ist der Zinssatz von 5,5 % des § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG, der zu einem Vervielfältiger von 9,115 führt, nicht verfassungswidrig. Insbesondere verstieß der gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG anzuwendende Zinssatz von 5,5 % im Jahr 2016 nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
35Eine gesetzliche Zinssatztypisierung, die sich von realitätsgerechten Verzinsungen am Markt evident entfernt hat, kann zwar den gleichheitsrechtlichen Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr genügen (vgl. Bundesverfassungsgericht – BVerfG –, Urteil vom 8. Juli 2021 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, HFR 2021, 922 Randnr. 199 f.). Der in § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG zur Kapitalwertermittlung einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung vorgesehene Zinssatz weist hinsichtlich seines Charakters jedoch Besonderheiten gegenüber dem gesetzlichen Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) auf. Der in § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG für die Abgrenzung von Zins- und Tilgungsanteilen festgelegte Zinsfuß von 5,5 % fungiert als sog. „Normalzinssatz" für die Barwertermittlung (Kapitalwertermittlung) lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen zu den jeweiligen Bewertungsstichtagen. Er soll als mittlerer, aus Vergangenheitswerten abgeleiteter Wert die üblichen Schwankungen des Zinsniveaus berücksichtigen, um zu verhindern, dass sich die dem Kapitalmarkt immanenten Zinsschwankungen auf die Bewertung einer Forderung, die längere Zeitspannen umfasst, in einem nicht vertretbaren Ausmaß auswirken (BFH, Urteil vom 14. Juli 2020 VIII R 3/17, BFHE 269, 192 – zu § 13 BewG). Dies dient der Praktikabilität des Bewertungsverfahrens als Massenverfahren und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, weil die exakte Ermittlung des jeweils maßgeblichen üblichen Zinssatzes Schwierigkeiten bereitet (BFH, Urteil vom 14. Juli 2020 VIII R 3/17, BFHE 269, 192 - zu § 13 BewG). Daher bestehen im Ergebnis keine Zweifel daran, das der Zinssatz von 5,5 % des § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG verfassungsgemäß ist (BFH, Urteil vom 14. Juli 2020 VIII R 3/17, BFHE 269, 192 – zu § 13 BewG).
36Unbeschadet dessen ist jedenfalls für den hier in Rede stehenden Besteuerungszeitpunkt noch von einer Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG auszugehen, selbst wenn der Zinssatz von 5,5 % verfassungswidrig sein sollte. Das BVerfG hat zu der Bestimmung des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO mittlerweile entschieden, dass diese Regelung für Verzinsungszeiträume vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2018 weiterhin anzuwenden ist (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 2021 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, HFR 2021, 922 Randnr. 249). Dies kann nach Überzeugung des Senats auf § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG übertragen werden. Eine etwaige Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes von 5,5 % des § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG könnte sich daher allenfalls auf Besteuerungszeitpunkte nach dem 31. Dezember 2018 auswirken. Im Streitfall ist die Steuer allerdings am 16. Juli 2016 entstanden (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), so dass dieser Zeitpunkt auch für die Wertermittlung maßgebend ist (§ 11 ErbStG).
37Der Kläger kann auch den Abzug eines Ausgleichsanspruchs des Zeugen Dr. B in Höhe von ½ wegen einer Darlehensrückzahlungsverbindlichkeit von 17.211,64 € beanspruchen. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind als Nachlassverbindlichkeiten unter anderem die vom Erblasser herrührenden Schulden abzugsfähig, soweit sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb, Anteil an einem Gewerbebetrieb, Betrieb der Land- und Forstwirtschaft oder Anteil an einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits bei der Bewertung der wirtschaftlichen Einheit berücksichtigt worden sind. Der Abzug der vom Erblasser herrührenden persönlichen Verbindlichkeiten, die gemäß § 1967 BGB auf den Erben übergegangen sind, als Nachlassverbindlichkeiten setzt voraus, dass die Verbindlichkeiten rechtlich bestanden und den Erblasser im Zeitpunkt seines Todes (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 11 ErbStG) wirtschaftlich belasteten (BFH, Urteile vom 2. März 2011 II R 5/09, BFH/NV 2011, 1147 Randnr. 83; vom 4. Juli 2012 II R 15/11, BFHE 238, 233 Randnr. 17).
38Wie sich aus dem Vortrag des Klägers sowie aus den mit Schriftsatz vom 2. November 2020 übersandten Belegen der Bank Y-Stadt betreffend das Darlehenskonto Nr. 0000000006 ergibt, hat der Zeuge Dr. B dieses Darlehen für Instandsetzungsarbeiten an dem Dach des Hauses Straße 05 in V-Stadt aufgenommen. Schuldner des Rückzahlungsanspruchs (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) war mithin der Zeuge Dr. B und nicht die Erblasserin. Da die Erblasserin Miteigentümerin zu ½ des Hausgrundstücks Straße 05 war, war sie im Innenverhältnis dem Zeugen Dr. B gegenüber gemäß § 748 BGB zum Ausgleich verpflichtet. Trägt ein Ehegatte, der in Bruchteilsgemeinschaft gemeinsam mit dem anderen Ehegatten Miteigentümer eines Hausgrundstücks ist, Kosten der Erhaltung im Einverständnis mit dem Ehegatten, für die er eine Darlehensverbindlichkeit eingegangen ist, entspricht es im Zweifel dem Willen der Beteiligten, dass der Teilhaber, der die Aufwendungen zugunsten der Gemeinschaft macht, gegen den anderen Teilhaber einen anteiligen Ausgleichsanspruch gemäß § 748 BGB hat (Bundesgerichtshof – BGH –, Urteil vom 9. Oktober 1991 XII ZR 2/90, NJW 1992, 114; Brandenburgisches Oberlandesgericht – OLG –, Beschluss vom 28. August 2000 9 W 18/00, NJW-RR 2001, 1297). Dieser Ausgleichsanspruch besteht auch noch nach der Aufhebung der Gemeinschaft fort (vgl. Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Auflage, § 748 BGB Randnr. 4).
39Ein Ausgleichsanspruch gemäß § 748 BGB besteht während einer intakten Ehe zwar regelmäßig nicht, sondern grundsätzlich erst nach der Trennung der Ehegatten (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1991 XII ZR 2/90, NJW 1992, 114; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 28. August 2000 9 W 18/00, NJW-RR 2001, 1297). § 748 BGB ist jedoch dispositiv und somit abweichenden Regelungen der Teilhaber zugänglich (vgl. K. Schmidt in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, § 748 Randnr. 5; Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Auflage, § 748 BGB Randnr. 4). Wie der Kläger mit Schriftsatz vom 15. Februar 2022 vorgetragen hat, ist das Darlehen von dem Zeugen Dr. B nach der Veräußerung des Hausgrundstücks Straße 05 nicht nur weitergeführt, sondern noch zu Lebzeiten der Erblasserin von dieser zur Hälfte mit getilgt worden. Dies ergibt sich aus den vom Kläger mit Schriftsatz vom 15. Februar 2022 übersandten Auszügen für das bei der Bank Y-Stadt geführte Konto Nr. 000001, bei dem es sich um ein Gemeinschaftskonto der Erblasserin und des Zeugen Dr. B gehandelt hat. Bei einem solchen Oder-Konto sind die Ehegatten grundsätzlich Gesamtgläubiger (§ 428 BGB) mit der Folge, dass sie nach § 430 BGB im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen berechtigt sind, soweit nicht ein anderes bestimmt ist (BFH, Urteil vom 23. November 2011 II R 33/10, BFHE 237, 179). Die Erblasserin und der Zeuge Dr. B sind daher zumindest konkludent davon ausgegangen, dass eine Ausgleichsverpflichtung der Erblasserin in Höhe von ½ schon zu ihren Lebzeiten bestand.
40Die Erblasserin war im Ergebnis auch wirtschaftlich belastet mit einem derartigen Ausgleichsanspruch des Zeugen Dr. B. Der Kläger hat zwar ursprünglich nur vorgetragen, dass die Erblasserin und sein Vater das Hausgrundstück Straße 05 in V-Stadt Ende des Jahres 2014 verkauft hätten; der Verkaufserlös sei für eine Sondertilgung für ein Darlehen verwendet worden, das für die Finanzierung der Wohnung in der ...Straße 01 aufgenommen worden sei. Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2022 hat der Kläger indes vorgetragen, dass die Erblasserin noch nach der Veräußerung des Hausgrundstücks in der Straße 05 Tilgungsleistungen erbracht habe. Nach dem Tod der Erblasserin habe der Zeuge Dr. B die Darlehensrückzahlungsverbindlichkeit übernommen. Zum Ausgleich habe er im Rahmen der Erbauseinandersetzung andere Vermögensgegenstände, wie insbesondere einen höheren Anteil an den Fonds-Beteiligungen erhalten. Der Zeuge Dr. B konnte letzteres im Rahmen seiner Vernehmung durch den Senat zwar nicht mehr bestätigen. Gleichwohl ändert dies nichts daran, dass die Erblasserin ausweislich der vom Kläger mit Schriftsatz vom 15. Februar 2022 übersandten Auszüge für das bei der Bank Y-Stadt geführte Konto Nr. 000001 noch zu Lebzeiten bis zu ihrem Tod die Tilgungsraten zu ½ für das von dem Zeugen Dr. B aufgenommene Darlehen gezahlt hat. Sie war daher am Bewertungsstichtag (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 11 ErbStG) mit der Ausgleichsverpflichtung gegenüber dem Zeugen Dr. B wirtschaftlich belastet.
41Die Festsetzung des Verspätungszuschlags mit dem Steuerbescheid vom 20. September 2018, der gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO Gegenstand des Einspruchs- und damit auch des Klageverfahrens geworden ist, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das beklagte Finanzamt hat den Verspätungszuschlag zu Unrecht gegen ihn festgesetzt.
42Im Streitfall ist gemäß Art. 97 § 8 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung noch § 152 AO in der Fassung des Art. 11 Nr. 16 des Gesetzes vom 26. Juni 2013 (BGBl I, 1809) anzuwenden, weil die Steuererklärung auf Grund der Aufforderung durch das beklagte Finanzamt vom 5. Juli 2017 (§ 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) vor dem 1. Januar 2019 einzureichen war.
43Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO kann die Finanzbehörde gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgerecht nachkommt, einen Verspätungszuschlag festsetzen, es sei denn, die Versäumnis erscheint entschuldbar. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO erfüllt, hat die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob sie einen Verspätungszuschlag festsetzt (sog. Entschließungsermessen) und wie hoch sie ihn unter Beachtung der gesetzlichen Grenzen des § 152 Abs. 2 AO festsetzt (sog. Auswahlermessen) (BFH, Urteil vom 11. Juni 1997 X R 14/95, BFHE 183, 21). Die Ermessensentscheidung ist nach § 102 Satz 1 FGO vom Gericht daraufhin zu überprüfen, ob der Verwaltungsakt deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Wegen der Befugnis und Verpflichtung des Gerichts zur Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen lassen, muss die Ermessensentscheidung spätestens in der Einspruchsentscheidung begründet werden, anderenfalls sie im Regelfall fehlerhaft ist (BFH, Urteil vom 20. Juli 2004 VII R 20/02, BFHE 207, 565).
44Im Streitfall kann dahinstehen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags erfüllt sind. Das Gericht muss auch nicht entscheiden, ob das beklagte Finanzamt die Ausübung seines Entschließungsermessens hinreichend dargelegt hat. Die Entscheidung des beklagten Finanzamts ist jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil es von seinem Auswahlermessen nicht fehlerfrei Gebrauch gemacht hat.
45Bei der Bemessung der Höhe eines Verspätungszuschlags sind alle in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO bezeichneten Ermessenskriterien zu berücksichtigen und grundsätzlich auch in der schriftlichen Begründung der Ermessensentscheidung zu behandeln (BFH, Beschluss vom 10. August 2000 IV B 130/99, BFH/NV 2001, 146; Beschluss vom 30. November 2001 IV B 30/01, BFH/NV 2002, 475). Das hat das beklagte Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung nicht beachtet. Der Begründung der Einspruchsentscheidung und der darin in Bezug genommenen Schreiben vom 19. April und 21. November 2018 sind allenfalls Ausführungen zum Zweck des Verspätungszuschlags und zum vom beklagten Finanzamt angenommenen Verschulden des Klägers zu entnehmen. Ausführungen zur Dauer der Fristüberschreitung sind unsubstantiiert („mit erheblicher Verspätung“). Ausführungen zur Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruchs und konkrete Ausführungen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers fehlen zudem völlig.
46Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 136 Abs. 1 Satz 1, 137 Satz 1, 138 Abs. 2 FGO. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Kläger zunächst einen uneingeschränkten Klageantrag gestellt hat (§ 40 des Gerichtskostengesetzes). Ferner hat er die für die Bewertung des der Erblasserin eingeräumten Nießbrauchs erforderlichen Tatsachen, die vollständige Übertragung der Eigentumswohnung ...Straße 01 auf ihn, die zu einem Begünstigungstransfer gemäß § 13d Abs. 2 Satz 2 ErbStG führt, die Herkunft der Guthaben auf den bei der Bank Y-Stadt geführten Konten DE00…000002, DE00…000003, DE00…000004 und DE00…000005 sowie die Tatsachen bezüglich des von dem Zeugen Dr. B aufgenommenen Darlehens und des sich hieraus ergebenden Ausgleichsanspruchs erst im Klageverfahren vorgetragen (§ 137 Satz 1 FGO).
47Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.