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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines C-Zuckerabgabenbescheides.
3Mit Bescheid vom 28.12.2006 setzte der Beklagte für das Wirtschaftsjahr 1999/00 C-Zuckerabgabe i.H.v. … € gegen die Klägerin fest. Dabei wurde der Feststellungsbescheid über die Erzeugungsmenge vom selben Tage berücksichtigt, der Gegenstand des Parallelverfahrens 4 K 1601/20 MOG ist.
4Gegen den Abgabenbescheid legte die Klägerin unter dem 5.1.2007 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie unter anderem an: Der Bescheid leide an einem Begründungsmangel, da die jeweiligen nationalen Durchführungsbestimmungen nicht angeführt worden seien. Zudem sei die Frist des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2670/81 der Kommission vom 14.9.1981 mit Durchführungsvorschriften für die Erzeugung außerhalb von Quoten im Zuckersektor (VO Nr. 2670/81) verletzt worden. Der Beklagte habe aufgrund der Prüfungen der vorausgegangenen Zuckerwirtschaftsjahre, der eingereichten Berichtigungsanzeigen und der endgültigen Prüfungsergebnisse für das fragliche Wirtschaftsjahr, die weitaus früher vorgelegen hätten, alle erforderlichen Informationen für eine frühere Festsetzung gehabt. Zudem habe der Beklagte nachzuweisen, dass sie, die Klägerin, eine etwaige Unkenntnis des Beklagten zu vertreten habe.
5Nachdem unter dem 29.10.2018 ein geänderter Feststellungsbescheid ergangen war, reduzierte der Beklagte die C-Zuckerabgabe mit auf § 12 des Marktorganisationsgesetzes (MOG) i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestütztem Änderungsbescheid vom selben Tage auf … €.
6Mit Schreiben vom 5.3.2019 begründete die Klägerin ihren Einspruch weiter und machte insbesondere vier Rügen geltend:
7Erstens sei der Änderungsbescheid zu Unrecht auf § 12 MOG i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützt worden. Sie habe bereits im Verfahren gegen den Feststellungsbescheid ausgeführt, dass es vorliegend keines Grundlagenbescheides bedurft hätte. Die erzeugte Mehrmenge an Zucker sei Teil des Abgabenbescheides. Eine Änderung dieses Bescheides habe seine Grundlage in § 132 AO.
8Zweitens fehle es dem Abgabenbescheid an einer gültigen unionsrechtlichen Rechtsgrundlage. Die zuletzt gültige Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 des Rates vom 19.6.2001 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (VO Nr. 1260/2001) sei durch Art. 45 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 des Rates vom 20.2.2006 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (VO Nr. 318/2006) aufgehoben worden. Letztere Verordnung gelte ab dem 1.7.2006. Die materiellrechtliche Grundlage einer Abgabenerhebung sei also weit vor dem Erlass des Abgabenbescheides vom 28.12.2006 aufgehoben worden. Gleiches gelte für die gesamte VO Nr. 2670/81. Diese sei durch Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 967/2006 der Kommission vom 29.6.2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 318/2006 des Rates hinsichtlich der Nichtquotenerzeugung im Zuckersektor (VO Nr. 967/2006) aufgehoben worden. Es existierten auch keine vorliegend anwendbaren Übergangsregelungen. Nationale Vollzugsakte seien daher nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (– EuGH –, Hinweis auf Urteil vom 14.6.2016 – C 361/14 P, McBride) unwirksam. Die Neuregelungen der Zuckermarktordnung enthielten keine entsprechenden Rechtsgrundlagen, auf die die fraglichen Bescheide gestützt werden könnten.
9Drittens sei, wenn man von einer Fortgeltung der VO Nr. 2670/81 ausgehe, die Frist des dortigen Art. 3 Abs. 2 überschritten. Selbst wenn man annehme, dass die im EuGH-Urteil vom 10.1.2002 (C-101/99, British Sugar) entwickelten Voraussetzungen für eine Fristüberschreitung vorlägen, seien die Fristen im vorliegenden Fall jedenfalls in sachlich nicht gerechtfertigtem Umfang überschritten worden. Die Prüfung des Zuckerwirtschaftsjahres habe früher angeordnet werden müssen. Insbesondere sei eine sukzessive Prüfung der einzelnen Wirtschaftsjahre mit anschließender jährlicher Festsetzung erforderlich gewesen. Wenn das Finanzgericht (FG) Düsseldorf in seiner das Zuckerwirtschaftsjahr 1997/98 betreffenden Entscheidung eine vollständige Kenntnis des Beklagten erst mit Zugang des Prüfungsberichts annehme, statt auf die Kenntnis des Prüfungsdienstes abzustellen, sei dies mit Inhalt, Sinn und Zweck der Mitteilungsfrist des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 nicht zu vereinbaren. Auch könne man bei einer zulässigen Überschreitung der Mitteilungsfrist nicht ohne Weiteres auf die nationale Festsetzungsfrist abstellen. Dies widerspreche insbesondere dem Grundsatz der Effektivität des Gemeinschaftsrechts.
10Viertens sei der Abgabenanspruch verjährt. Entgegen der Auffassung des FG Düsseldorf sei Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18.12.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (VO Nr. 2988/95) anwendbar. Soweit man demgegenüber die nationalen Vorschriften der Festsetzungsverjährung für anwendbar halte, werde auf die Ausführungen im Rechtsbehelf gegen den Feststellungsbescheid Bezug genommen, die hier entsprechend gölten.
11Im Nachgang zum EuGH-Urteil vom 17.10.2019 (C-423/18, Südzucker) ergänzte die Klägerin ihren Vortrag wie folgt: Nach dem genannten Urteil sei es bei einer zulässigen Überschreitung der Mitteilungsfrist des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 Sache der nationalen Gerichte, diese Aspekte des Verfahrens zu regeln. Wendete man hier die vierjährige Festsetzungsfrist einschließlich der Hemmungsregelung des § 171 Abs. 10 AO an, läge ein Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz vor. Maßgeblich sei die einjährige Frist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO.
12Mit Einspruchsentscheidung vom 15.7.2020 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte u.a. an: Der zuletzt ergangene Änderungsbescheid sei zu Recht auf § 12 MOG i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützt worden. Die gesonderte Feststellung sei in Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1443/82 der Kommission vom 8.6.1982 mit Durchführungsbestimmungen zur Anwendung der Quotenregelung im Zuckersektor (VO Nr. 1443/82), Art. 3 VO Nr. 2670/81 sowie § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 der Zuckerproduktionsabgabenverordnung (ZuckProdAbgV) bestimmt. Die unionsrechtlichen Grundlagen seien ebenfalls zutreffend angewandt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH würden materiell-rechtliche Vorschriften im Allgemeinen so ausgelegt, dass sie nicht für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte gölten. Dies gebiete der Grundsatz der Rechtssicherheit. Aus der von der Klägerin angeführten Rechtssache McBride ergebe sich nichts anderes. Maßgeblich sei nicht der Zeitpunkt der Übersendung des Prüfungsberichtes, sondern der Zeitpunkt der Erzeugung, soweit die jeweiligen Mengen nicht in ein folgendes Wirtschaftsjahr übertragen worden seien. Weiter sei der angefochtene Bescheid auch rechtzeitig bekannt gegeben worden. Die Frist des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 sei zulässigerweise überschritten worden. Die Klägerin habe ihn, den Beklagten, aktiv und zumindest grob fahrlässig hinsichtlich der verschiedenen Einzelheiten der Zuckererzeugung im Wirtschaftsjahr 1999/00 in Unkenntnis gelassen. Es werde auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und des Subventionsbetruges verwiesen. Festsetzungsverjährung sei aufgrund der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO nicht eingetreten. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO sei nicht anzuwenden, da die C-Zuckerabgabe keine Verbrauchsteuer sei.
13Die Klägerin hat am 27.7.2020 Klage erhoben, mit der sie ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend macht sie u.a. geltend:
14Erstens fehle es den Abgabenbescheiden entgegen der Begründung der Einspruchsentscheidung an einer hinreichenden Rechtsgrundlage. Wie im Parallelverfahren geltend gemacht worden sei, hätten hinsichtlich der festgestellten zusätzlichen Erzeugungsmengen keine Feststellungsbescheide ergehen dürfen. Grundlage des Änderungsbescheides habe daher § 12 MOG i.V.m. § 132 AO, nicht aber § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sein müssen. Die vom Beklagten herangezogenen unionsrechtlichen und nationalen Rechtsgrundlagen seien in den Bescheiden teilweise gar nicht, teilweise nur in der Bescheidbegründung erwähnt. Die Bescheide seien daher schon aufgrund von Begründungsmängeln aufzuheben.
15Zweitens bleibe es dabei, dass die unionsrechtlichen Rechtsgrundlagen im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide bereits aufgehoben gewesen seien. Nach der EuGH-Rechtsprechung dürften Rechtsakte nur auf Rechtsgrundlagen gestützt werden, die im Zeitpunkt des Erlasses des jeweiligen Rechtsaktes formell gültig seien. Auch in den Schlussanträgen in der Rechtssache Zuckerfabrik Jülich AG vom 27.10.2011 (C-113/10 u.a.) habe die Generalanwältin die Auffassung vertreten, dass eine Bestimmung, die aufgehoben worden sei, diese Voraussetzung nicht erfülle. Für die Auffassung des Beklagten, der auf den Zeitpunkt der Zuckererzeugung abstellen wolle, fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Daher finde auf den angefochtenen Bescheid weder die alte noch die neue Zuckermarktordnung Anwendung.
16Drittens sei die Mitteilungsfrist des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 verletzt. Sie, die Klägerin, habe den Beklagten durch mehrere Berichtigungsanzeigen in die Lage versetzt, fristgerecht zumindest Vorbehaltsfestsetzungen zu erlassen. Der EuGH habe in der Rechtssache Südzucker die nationalen Gerichte ausdrücklich aufgefordert, die Verfahrensaspekte bei Überschreitungen der Mitteilungsfrist im Einzelfall zu regeln. Aufgrund der abschließenden Berichtigungsanzeige vom 29.8.2002 sei bereits gemeinschaftsrechtlich von einer zulässigen Fristüberschreitung bis maximal zum 1.5.2003 auszugehen. Die Berichtigungsanzeigen beträfen eine zusätzliche Erzeugungsmenge von x Dezitonnen Weißzuckerwert (dt WW), während mit dem letzten Bescheid vom 29.10.2018 nur noch x dt WW angesetzt worden seien. Wollte man hingegen für die Frage der Fristüberschreitung die nationalen Verjährungsregeln entsprechend heranziehen, so sei § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO maßgeblich. Die einjährige Verjährungsfrist sei auch mit den Grundsätzen der Effektivität und der Äquivalenz vereinbar, wie es der EuGH in der Rechtssache Südzucker eingefordert habe. Diese Frist habe am 31.12.2003 geendet. Dabei gehe es nicht um die Frage, ob die C-Zuckerabgabe eine Verbrauchsteuer sei. Vielmehr sei entscheidend, dass bei einer entsprechenden Anwendung der Regeln der Abgabenordnung über § 12 MOG der einjährigen Verjährungsfrist der Vorrang gegenüber der vierjährigen Frist für allgemeine Steuern zu geben sei. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck der kurzen Mitteilungsfrist in Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO greife nicht ein. Ein Grundlagenbescheid habe, wie dargestellt, bereits nicht ergehen dürfen. Zudem verstoße die Anwendung einer Ablaufhemmung gegen den Effektivitätsgrundsatz. Dies gelte auch für die Ablaufhemmungen nach § 171 Abs. 4 und Abs. 5 AO. Aus diesem Grunde sei selbst dann Verjährung eingetreten, wenn man die vierjährige Frist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO entsprechend heranziehe. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Festsetzungsfrist aufgrund ihrer Berichtigungsanzeigen durch § 171 Abs. 9 AO verkürzt worden sei.
17Viertens sei Festsetzungsverjährung eingetreten. Selbst wenn man nicht von einer Verletzung der Mitteilungsfrist des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 ausgehe, ergebe sich aus den vorherigen Ausführungen, dass nach § 12 MOG i.V.m. den §§ 169 ff. AO Verjährung eingetreten sei. Die Außenprüfung sei nach dem 16.1.2003 i.S.d. § 171 Abs. 4 Satz 2 AO unterbrochen und erst am 25.6.2004 wieder aufgenommen worden. Schließlich gelte nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7.7.2009 (VII R 24/06) aufgrund des gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Verjährungshöchstfrist von zehn Jahren. Diese habe, wenn man von einem Fristbeginn am 1.1.2002 ausgehe, am 31.12.2012 geendet. Der Bescheid vom 29.10.2018 sei daher verfristet.
18Die Klägerin beantragt,
19den Abgabenbescheid vom 29.10.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.7.2020 aufzuheben.
20Der Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Er wiederholt sein Vorbringen aus der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend u.a. aus: Ein Grundlagenbescheid sei, wie im Verfahren 4 K 1601/20 MOG ausgeführt worden sei, zu Recht ergangen. Die Feststellung der Gesamtzuckererzeugung nach Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 1443/82 wäre andernfalls unzutreffend verblieben. Es werde insoweit und wegen der Anwendung von § 175 AO auch auf den BFH-Beschluss vom 25.11.2014 (VII B 89/13, n.v.) verwiesen.
23Der Abgabenbescheid stütze sich auch auf gültige unionsrechtliche Grundlagen. Aus den von der Klägerin zitierten Urteilen und Schlussanträgen ergebe sich nichts anderes. Der Grundsatz der Rechtssicherheit und die erforderliche Gleichbehandlung mit anderen Erzeugern geböten die Anwendung des für das jeweils betroffene Zuckerwirtschaftsjahr gültigen materiellen Rechts.
24Soweit sich die Klägerin hinsichtlich der Mitteilungsfrist nach Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 auf ihre Berichtigungsanzeigen berufe, handele es sich um Angaben von saldierten Buchungen nicht belegter Inventurergebnisse. Es sei der Erfahrung nach möglich gewesen, dass die Berichtigungsanzeigen unvollständig gewesen seien. Selbst die Klägerin habe in den Berichtigungsanzeigen auf ihrer Auffassung nach unzutreffende Feststellungen der Zuckermenge hingewiesen. Die Prüfung habe gezeigt, dass die Sachverhalte, in denen eine zusätzliche Erzeugung vorgelegen habe, weitaus umfangreicher gewesen seien als von der Klägerin in den Anzeigen des Jahres 2002 angegeben. Die letztlich nicht mehr bestrittene Menge habe nur aufgrund der durchgeführten Marktordnungsprüfung festgestellt werden können.
25Hinsichtlich der Festsetzungsverjährung komme es nicht darauf an, ob die C-Zuckerabgabe einer Verbrauchsteuer in irgendeinem Sinne nahekomme. Die Länge der regulären, vierjährigen Festsetzungsfrist sei unionsrechtlich nicht zu beanstanden. § 171 Abs. 9 AO diene nicht dem Zweck, die Festsetzungsfrist zu verkürzen, und verdränge die anderen Ablaufhemmungen nicht. Die am 16.1.2003 begonnene Außenprüfung sei nicht i.S.d. § 171 Abs. 4 Satz 2 AO unterbrochen worden. Mit der Bekanntgabe der Erweiterung des Ermittlungszeitraumes durch die Staatsanwaltschaft S vom 10.10.2002 sei auch die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO eingetreten. Die Ausführungen zu einer absoluten Verjährung seien haltlos. Der Lauf der Festsetzungsfrist einschließlich etwaiger Ablaufhemmungen sei für die Klägerin vorhersehbar gewesen. Die Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens habe sie selber zu verantworten, da sie nach Ausnutzung aller Rechtswege im Musterverfahren zum Wirtschaftsjahr 1997/98 nunmehr die Rechtsbehelfsverfahren zum Wirtschaftsjahr 1999/00 als Musterverfahren bestimme. Ein Abgabenanspruch sei jedenfalls nicht verwirkt, da der Klägerin mit dem Untätigkeitseinspruch und der Untätigkeitsklage hinreichende Rechtsbehelfe gegen eine Verfahrensverzögerung zur Verfügung gestanden hätten.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe:
28Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
291. Rechtsgrundlage für die Änderung des Abgabenbescheides ist § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Soweit die Klägerin geltend macht, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sei bereits deshalb nicht anzuwenden, weil für die zusätzliche Erzeugungsmenge kein Feststellungsbescheid habe ergehen dürfen, greift dieser Einwand nicht durch. Der Senat hat im Parallelverfahren 4 K 1601/20 MOG entschieden, dass der wirksame Feststellungsbescheid über die erzeugte Zuckermenge auch auf die Anfechtungsklage der Klägerin hin nicht aufzuheben ist. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
30Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte habe im angefochtenen Bescheid die einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht bzw. nur in der Bescheidbegründung und dort nicht vollständig genannt, greift auch dieser Einwand nicht durch. Selbst wenn die Nennung unvollständig wäre, stellte dies allenfalls einen nach § 127 AO unbeachtlichen Formfehler dar und begründete jedenfalls keine Rechtsverletzung i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
312. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestanden beim Erlass der Bescheide vom 28.12.2006 und vom 29.10.2018 auch hinreichende unionsrechtliche Rechtsgrundlagen, namentlich Art. 31 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2038/1999 des Rates vom 13.9.1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (VO Nr. 2038/1999) i.V.m. Art. 3 VO Nr. 2670/81. Die Aufhebung der VO Nr. 2038/1999 durch Art. 49 UAbs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 des Rates vom 19.6.2001 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (VO Nr. 1260/2001) betrifft nach deren Art. 51 noch nicht das hier in Rede stehende Wirtschaftsjahr 1999/00. Die Frage, wann der jeweilige Verwaltungsakt ergeht, ist für die Anwendung des materiellen Rechts nicht maßgeblich; insoweit wird auf die Entscheidungsgründe im Verfahren 4 K 1601/20 MOG verwiesen.
32Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass die VO Nr. 2670/81 durch Art. 22 UAbs. 1 VO Nr. 967/2006 mit Wirkung ab dem 1.7.2006 – und nicht ab einem bestimmten Zuckerwirtschaftsjahr – aufgehoben wurde. Eine weitere Anwendung der VO Nr. 2670/81 ordnet Art. 22 UAbs. 2 VO Nr. 976/2006 ausdrücklich nur für das Wirtschaftsjahr 2005/06 an. Hieraus ist gleichwohl nicht zu folgern, dass VO Nr. 2670/81 keine taugliche Rechtsgrundlage für die im Streit stehenden Bescheide war. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind materiell-rechtliche Normen grundsätzlich nicht auf vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte anwendbar, wenn nicht aus ihrem Wortlaut, ihrem Zweck oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (vgl. etwa EuGH, Urteil v. 9.3.2006 – C-293/04, Beemsterboer Coldstore Services, Rn. 20 f., m.w.N.). Letzteres ist für die (Aufhebungs-)VO Nr. 967/2006 nicht zu erkennen. Würde man der Auffassung der Klägerin folgen, nach der VO Nr. 2670/81 ab dem 1.7.2016 auf alle Sachverhalte nicht mehr anzuwenden ist, so wären mit Ausnahme der von Art. 22 UAbs. 2 VO Nr. 967/2006 erfassten Fälle ab diesem Zeitpunkt für zuvor entstandene Sachverhalte keine vergleichbaren Durchführungsbestimmungen für die entsprechende Hauptverordnung mehr anwendbar. Dies entspräche erkennbar nicht dem Willen des Verordnungsgebers. Es muss daher bei dem Grundsatz bleiben, dass die materiell-rechtlichen Normen der VO Nr. 2670/81 – wie hier Art. 3 – auf vor dem 1.7.2016 entstandene Sachverhalte anwendbar sind. Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH und der nationalen Gerichte. Für die hier maßgebliche VO Nr. 2670/81 hat der EuGH bereits entschieden, dass diese für das Wirtschaftsjahr 1997/98 Anwendung findet, obwohl die Bescheide im dortigen Sachverhalt nach dem 1.7.2006 ergangen waren (Urteil v. 15.11.2012 – C-131/11, ..., Rn. 24). Auch in den Jahren 2015 bis 2020 haben der EuGH (Urteil v. 11.6.2015 – C-51/14) und nachfolgend das Oberverwaltungsgericht NRW (Urteil v. 25.1.2019 – 16 A 177/10, juris) sowie das Bundesverwaltungsgericht (Urteil v. 9.12.2020 – 8 C 15/19, juris) die VO Nr. 2670/81 für das Wirtschaftsjahr 1990/91 der hiesigen Klägerin angewandt. Gleiches gilt für den BFH im Beschluss vom 25.11.2014 (VII B 89/13, n.v.). Weiter spricht der BFH im Urteil vom 20.9.2016 (VII R 8/15, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2017, 335) im Hinblick auf die VO Nr. 2670/81 für das Zuckerwirtschaftsjahr 2000/01 ausdrücklich von der „im Streitjahr geltenden Verordnung“ (Rn. 9).
333. Der angefochtene Bescheid ist auch nicht wegen einer Verletzung der Mitteilungsfrist in Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 rechtswidrig.
34Insoweit besteht zunächst Einigkeit zwischen den Beteiligten, dass die Mitteilungsfrist unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung (Urteil v. 10.1.2002 – C-101/99, British Sugar, Rn. 58, Rn. 63; Urteil v. 17.10.2019 – C-423/18, Südzucker, Rn. 37, Rn. 48) überschritten werden durfte, weil dem Beklagten keine Einzelheiten über die Zuckererzeugung der Klägerin bekannt waren, ohne dass ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele, und diese Unkenntnis von der Klägerin zu vertreten war, weil sie nicht in gutem Glauben handelte und nicht alle einschlägigen Vorschriften eingehalten hat. Insbesondere hat die Klägerin in der Klagebegründung eingeräumt, die Frist habe ausnahmsweise überschritten werden dürfen. Dem ist insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen des Beklagten zum Ablauf des Festsetzungsverfahrens (Bl. 113 ff.) zu folgen.
35In der Rechtssache Südzucker hat der EuGH jedoch ausgeführt, es sei „Sache des nationalen Gerichts, in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände zu prüfen, ob die Frist, innerhalb deren eine Berichtigung des Überschussbetrags nach Ablauf der in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 967/2006 festgelegten Frist mitgeteilt werden kann, mit den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität sowie dem Grundsatz der Rechtssicherheit im Einklang steht“ (Urteil v. 17.10.2019 – C-423/18, Rn. 56). Die Voraussetzungen für eine derartige Berichtigungsmitteilung „dürfen nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Mitteilungen, die auf Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, und sie dürfen nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung eingeräumten Rechte praktisch unmöglich machen“ (EuGH, Urteil v. 17.10.2019 – C-423/18, Südzucker, Rn. 51).
36Auch unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Mitteilung an die Klägerin indes fristgerecht erfolgt.
37Was zunächst den Grundsatz der Äquivalenz angeht, so findet für ähnliche Mitteilungen nach innerstaatlichen Bestimmungen lediglich die Festsetzungsfrist der §§ 169 ff. AO Anwendung. Diese findet indes über die Verweisung in § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG auch im vorliegenden Fall Anwendung und ist – siehe hierzu unten 4. – nicht überschritten. Eine Verletzung des Äquivalenzgrundsatzes liegt daher nicht vor.
38Auch der Effektivitätsgrundsatz ist nicht verletzt. Abzustellen ist auf den Bescheid vom 28.12.2006, mit dem die Feststellungen des Prüfungsberichts umgesetzt wurden. Auch die zitierte EuGH-Entscheidung betrifft ausdrücklich Berichtigungen nach Prüfungen i.S.d. Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 952/2006 der Kommission vom 29.6.2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 318/2006 des Rates hinsichtlich der Binnenmarktordnung und Quotenregelung für Zucker (Urteil v. 17.10.2019 – C-423/18, Südzucker, Rn. 32 ff.). Der spätere Bescheid vom 29.10.2018, der zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden ist, hat hingegen (aufgrund der Berücksichtigung der vom Senat im Urteil vom 17.3.2013, 4 K 1605/10 Z, n.v., für das Wirtschaftsjahr 1997/98 aufgestellten Grundsätze) zu einer erheblichen Abgabenreduktion von … € auf … € geführt. Eine Verletzung des Effektivitätsgrundsatzes zum Nachteil der Klägerin durch diesen Bescheid scheidet daher von vornherein aus. Der Bescheid vom 28.12.2006 wahrt, obwohl das betroffene Zuckerwirtschaftsjahr am 30.6.2000 endete, den Effektivitätsgrundsatz. Es ist nicht erkennbar, dass eine Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung eingeräumten Rechte im Sinne der zitierten EuGH-Rechtsprechung praktisch unmöglich gemacht würde. Der Klägerin steht, wie das vorliegende Verfahren zeigt, effektiver Rechtsschutz gegen die Abgabenerhebung zur Verfügung. Sie hat auch nicht substantiiert dargelegt, welche durch die Unionsrechtsordnung eingeräumten Rechte infolge der ihrer Auffassung nach verspäteten Abgabenmitteilung nicht ausgeübt werden konnten. Dabei sind auch die – wenn auch nicht zur hiesigen Rechtslage ergangenen – Ausführungen des EuGH (Urteil v. 17.10.2019 – C-423/18, Südzucker, Rn. 52) zu berücksichtigen, nach denen sowohl mit dem auf eine erzeugte Menge Überschusszucker erhobenen Betrag als auch mit den Kontrollen und nachträglichen Berichtigungen das wirksame Funktionieren der Quotenregelung für den Zuckermarkt gewährleistet und insbesondere eine Begünstigung bestimmter Erzeuger verhindert werden solle. Erklärtes Ziel der Kontrollen, die nach der ersten Mitteilung des erhobenen Betrags durchgeführt werden, sei es nämlich, zu überprüfen, ob die zugeteilte Produktionsquote eingehalten worden sei, sowie zuvor unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Entscheidungen der zuständigen nationalen Behörde nachträglich zu berichtigen und gegebenenfalls Sanktionen gegen die Hersteller zu verhängen.
39Entgegen der Auffassung der Klägerin führt die zulässige Überschreitung der Frist in Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 auch nicht dazu, dass eine lediglich bis zum 1.5.2003 verlängerte Mitteilungsfrist eingreift. Nach der EuGH-Rechtsprechung ist es, wie dargestellt, Sache der nationalen Gerichte, aufgrund einer Prüfung im Einzelfall festzustellen, ob eine Mitteilung verfristet ist oder nicht. Von einer unionsrechtlich begründeten, starren Frist ist der EuGH gerade nicht ausgegangen; sie ist mit der geforderten, einzelfallbezogenen Prüfung vielmehr unvereinbar. Weiter ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht auf die Festsetzungsfrist für Verbrauchsteuern zurückzugreifen. Die C-Zuckerabgabe ist keine Verbrauchsteuer und keine Einfuhr- oder Ausfuhrabgabe (Gericht der Europäischen Union, Urteil v. 7.12.2004 – T-240/02, Rn. 38; BFH, Urteil v. 16.1.1990 – VII R 102/87, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs 160, 87, Rn. 10; FG Düsseldorf, Urteil v. 17.4.2013, 4 K 1606/10 VZr, n.v., S. 9). Es wäre deshalb systemwidrig, der demnach nicht anwendbaren Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nunmehr über den Umweg des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes zur Geltung zu verhelfen. Dass der Effektivitätsgrundsatz eine Anwendung dieser Frist erforderte, obwohl gerade keine Verbrauchsteuer betroffen ist, ist aus den vorgenannten Gründen nicht ersichtlich.
40Soweit die Klägerin hilfsweise eine entsprechende Anwendung der vierjährigen Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO für erforderlich hält, erübrigen sich Ausführungen hierzu, da die Festsetzungsfrist über § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG unmittelbar anwendbar und vorliegend gewahrt ist (siehe hierzu unter 4.).
41Schließlich ergibt sich eine Verletzung der Mitteilungsfrist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht daraus, dass der Beklagte Kenntnis von den zusätzlichen Produktionsmengen gehabt hätte. Es ist nach den oben genannten Maßstäben bereits nicht erkennbar, dass der Beklagte, wie die Klägerin meint, verpflichtet gewesen wäre, die Abgaben zu einem früheren Zeitpunkt (ggf. unter Nachprüfungsvorbehalt) festzusetzen. Darüber hinaus kann aber auch nicht die Rede davon sein, dass der Beklagte positive Kenntnis von den zu berücksichtigenden Produktionsmengen gehabt hätte. Die Klägerin weist selber darauf hin (Bl. 64), dass die in den von ihr angeführten Berichtigungserklärungen vom 26.4.2002, vom 10.6.2002 und vom 29.8.2002 mitgeteilte zusätzliche Erzeugungsmenge von x dt WW deutlich von der nunmehr der Abgabenberechnung zugrunde gelegten und in materieller Hinsicht unstreitigen Menge von x dt WW abweicht. Bereits aus diesem Grund war der Beklagte nicht in der Lage, anhand der Berichtigungserklärungen eine annähernd zutreffende Festsetzung vorzunehmen. Unbeschadet dessen ist dem Beklagten aber auch nicht vorzuwerfen, dass er die (überhöhten) Angaben der Berichtigungserklärungen nicht ohne Weiteres in Festsetzungen übernommen hat: Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Erklärungen, soweit in ihnen nicht ohnehin nur geschätzte Werte angegeben sind, letztlich bloße Ergebnismitteilungen aufgrund behaupteter Sachverhalte beinhalten und zudem nicht alle Produktionswerke der Klägerin betreffen. Die Erklärungen mussten den Beklagten zwar zu weiterer Prüfung veranlassen, vermittelten ihm aber keine hinreichend sichere Kenntnis von den tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen. Die von der Klägerin für notwendig gehaltene unmittelbare Umsetzung in Abgabenbescheide wäre einer Abgabenfestsetzung „auf Zuruf“ gleichgekommen. Hinzu kommt, dass insbesondere in der ausführlicheren Berichtigungserklärung vom 29.8.2002 mehrfach auf von der Auffassung des Beklagten abweichende Rechtsansichten hingewiesen wird, die wiederum Einfluss auf die mitzuteilenden Sachverhalte (pauschaler Ansatz von Aufarbeitungszucker, Behandlung von sogenanntem Restsirup bzw. Restablauf) nehmen. Auch dies sowie der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft S noch am 31.7.2002 mitgeteilt hatte, das Verfahren u.a. auf das Wirtschaftsjahr 1999/00 zu erweitern, weil der Verdacht bestehe, dass in diesem Jahr Mehrausbeuten verschleiert worden seien, durfte dem Beklagten hinreichenden Anlass geben, den Berichtigungserklärungen nicht ohne Weiteres zu folgen.
424. Es ist schließlich auch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.
43Der Senat hat bereits im Urteil vom 17.4.2013 (4 K 1606/10 VZr, n.v., S. 9) entschieden, dass die vierjährige Festsetzungsfrist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO maßgeblich ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist, wie dargestellt, nicht auf die kürzere Verjährungsfrist für Verbrauchsteuern abzustellen. Die Frist begann gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres der Entstehung der Abgabe. Nach Art. 1 Abs. 1 UAbs. 2 und Art. 2 Abs. 1 UAbs. 1 VO Nr. 2670/81 entstand die Abgabe für das Wirtschaftsjahr 1999/00 am 1.4.2001. Die Frist begann daher mit Ablauf des Jahres 2001 und endete regulär mit Ablauf des Jahres 2005.
44Es greift aber die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO ein. Die jeweiligen Feststellungsbescheide über die Erzeugungsmenge des Wirtschaftsjahres sind Grundlagenbescheide der C-Zuckerabgabenbescheide. Die Festsetzungsfrist endete daher nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides. Daher sind sowohl der Abgabenbescheid vom 28.12.2006 als auch der Abgabenbescheid vom 29.10.2018 aufgrund der jeweiligen Feststellungsbescheide vom selben Tage fristgerecht ergangen, § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO. Wie dargelegt, folgt der Senat nicht der Auffassung der Klägerin, nach der die Anwendung von Ablaufhemmungen im Hinblick auf den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz per se ausscheiden müsse.
45Daneben greift für den Bescheid vom 28.12.2006 die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO ein. Da die Marktordnungsprüfung ab dem 16.1.2003 – also vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist – (wieder) aufgenommen wurde, trat auch ohne erneute Prüfungsanordnung die Ablaufhemmung ein. Insoweit wird auf die Ausführungen in der Parallelentscheidung 4 K 1601/20 MOG verwiesen.
46Für den Bescheid vom 29.10.2018 greift die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a AO, da der Bescheid vom 28.12.2006 mit dem Einspruch angefochten wurde.
47Nichts anderes ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95. Auch insoweit wird auf die Ausführungen in der Parallelentscheidung 4 K 1601/20 MOG verwiesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin begründen auch die eingereichten Berichtigungsanzeigen nach § 153 AO keinen früheren Ablauf der Festsetzungsfrist. § 171 Abs. 9 AO ist schon nach seinem Wortlaut („… so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres“) und der amtlichen Überschrift der Vorschrift („Ablaufhemmung“) nicht geeignet, die Festsetzungsfrist zu verkürzen (BFH, Urteil v. 17.11.2015 – VIII R 68/13, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2016, 571, Rn. 19 ff.; Rüsken in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 171 Rn. 93, m.w.N.). Er berührt andere Ablaufhemmungen, die einen späteren Ablauf begründen, daher nicht (BFH, Urteil v. 8.7.2009 – VIII R 5/07, BStBl. II 2010, 583, Rn. 31).
48Auch greift vorliegend keine absolute, rechtsvernichtende Verjährung. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem BFH-Urteil vom 7.7.2009 (VII R 24/06, BFH/NV 2009, 1920). Es ist unzutreffend, wenn die Klägerin behauptet, der BFH habe „durch Richterrecht die nach nationalem Recht bestehende Verjährungsfrist auf eine Höchstfrist von zehn Jahren festgelegt“ (Bl. 81). Die entsprechende Passage (Rn. 50 f.) des Urteils lautet wie folgt: „Ob in Ausübung einer solchen richterlichen Notkompetenz die Frist des § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) a.F. zu verkürzen (ist) oder zumindest bei entsprechender Anwendung jener Vorschrift eine kürzere Frist (…) um der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens willen festgelegt werden müsste, braucht der Senat nicht abschließend zu prüfen und zu entscheiden. (…) Da Unregelmäßigkeiten bei Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattungen oftmals (…) erst nach längeren prüfungsfreien Intervallen durchgeführt werden, wäre nach Auffassung des erkennenden Senats eine absolute Frist von vier Jahren unangemessen kurz und am ehesten an eine Frist von zehn Jahren zu denken (…). Dass eine solche Frist auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar wäre, ist zweifelsfrei.“ Dieses obiter dictum gibt keinen Anlass, für den vorliegenden Fall eine absolute Verjährungsfrist zu definieren. Der BFH hatte über die dreißigjährige Frist des § 195 BGB a.F. zu entscheiden. Im Unterschied zum dortigen Fall ist vorliegend die Frage der abgabenrechtlichen Verjährung sowohl gemeinschaftsrechtlich als auch auf nationaler Ebene detailliert geregelt; die analoge Anwendung einer anderen Fristenregelung oder die richterrechtliche Schaffung neuer Verjährungsregeln zum Schutz der Abgabenschuldner ist bereits aus diesem Grunde nicht erforderlich. Hinzu kommt, dass die vorliegende, bloß vierjährige Frist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO, wie dargelegt, maßgeblich durch die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a AO bis in das Jahr 2018 verlängert wird, die wiederum von der Einlegung und Aufrechterhaltung des Einspruchs durch die Klägerin abhängt. Einer schnelleren Entscheidung über den Einspruch stand dabei ursprünglich entgegen, dass die Beteiligten übereinstimmend zunächst die Senats- und die nachfolgenden BFH-Entscheidungen in den Verfahren 4 K 1605/10 VZr und 4 K 1606/10 VZr abwarten wollten, die erst mit BFH-Beschlüssen vom 25.11.2014 rechtskräftig abgeschlossen wurden. Wenn die Klägerin ein weiteres Zuwarten im Nachgang zu diesen Entscheidungen für unangemessen gehalten haben sollte, so hätte es ihr offen gestanden, durch Erhebung einer Untätigkeitsklage eine Entscheidung herbeizuführen. Es besteht angesichts dieses Verfahrensablaufs jedoch kein Anlass, von einer absoluten Verjährungsfrist auszugehen. Unbeschadet dessen beträfe diese auch allenfalls den Bescheid vom 29.10.2018, der die Abgaben im Vergleich zum – zweifelsfrei innerhalb einer solchen Verjährungsfrist ergangenen – Bescheid vom 28.12.2006 deutlich reduziert hat. Der angeblich verfristete Bescheid vom 29.10.2018 kann daher die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen. Aus den genannten Gründen besteht entgegen dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch kein Anlass, die zehnjährige Frist des § 199 Abs. 4 BGB analog auf den Streitfall anzuwenden.
495. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO vorlag.