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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Feststellungsbescheides für das Zuckerwirtschaftsjahr 1999/00.
3Der Prüfungsdienst des Hauptzollamts A-Stadt führte bei der Klägerin eine Marktordnungsprüfung für die Zuckerwirtschaftsjahre 1997/98 bis 2000/01 durch. Der Prüfungsbericht vom 9.5.2006 kommt zu dem Ergebnis, dass für die Klägerin im Wirtschaftsjahr 1999/00 eine zusätzliche Erzeugungsmenge von x Dezitonnen Weißzuckerwert (dt WW) festzustellen sei. Unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Erzeugungsmenge stellte der Beklagte mit geändertem Feststellungsbescheid vom 28.12.2006 den im Wirtschaftsjahr 1999/00 erzeugten C-Zucker auf x dt WW (davon x dt WW übertragen auf das Wirtschaftsjahr 2000/01) fest.
4Hiergegen legte die Klägerin unter dem 5.1.2007 Einspruch ein und machte u.a. geltend: Der Bescheid sei zu Unrecht auf § 12 des Marktordnungsgesetzes (MOG) i.V.m. den Regelungen der Abgabenordnung (AO) gestützt worden, da § 12 MOG keine Regelung für Mengenfeststellungen beinhalte. Es handele sich um einen Begründungsfehler, der zur Rechtswidrigkeit des Bescheides führe. Zudem sei Verjährung nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18.12.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (VO Nr. 2988/95) eingetreten.
5Mit Bescheid vom 29.10.2018 änderte der Beklagte den Bescheid vom 28.12.2006 und stellte nunmehr eine reduzierte C-Zucker-Erzeugungsmenge von x dt WW (davon weiterhin x dt WW übertragen auf das Wirtschaftsjahr 2000/01) fest. Zur Begründung berief er sich u.a. auf die Feststellungen des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf im Urteil vom 17.3.2013 (4 K 1605/10 VZr, n.v.), das das Wirtschaftsjahr 1997/98 betraf.
6Mit Schreiben vom 5.3.2019 ergänzte die Klägerin ihren bisherigen Vortrag und machte u.a. geltend:
7Erstens fehle eine nationalrechtliche Grundlage für den Änderungsbescheid vom 29.10.2018. § 8 Abs. 1 Nr. 1 der Zuckerproduktionsabgabenverordnung (Zuck-ProdAbgV) erfasse nicht die nachträgliche Feststellung zusätzlicher Mengen. Die hierauf entfallenden Abgaben seien vielmehr nach § 9 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZuckProdAbgV ohne vorherigen Grundlagenbescheid festzusetzen. Daher seien sowohl der Bescheid vom 28.12.2006 als auch der Bescheid vom 29.10.2018 rechtswidrig.
8Zweitens seien die Rechtsgrundlagen beider in Rede stehender Bescheide weggefallen. Die Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 des Rates vom 19.6.2001 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (VO Nr. 1260/2001) sei durch Art. 45 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 des Rates vom 20.2.2006 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (VO Nr. 318/2006) aufgehoben worden. Die geschaffenen Übergangsregelungen beträfen nicht das im Streit stehende Wirtschaftsjahr. Auch enthalte die neue Zuckermarktordnung keine entsprechenden Vorschriften, die als Rechtsgrundlage des angefochtenen Feststellungsbescheides fungieren könnten.
9Drittens sei Verjährung eingetreten. Entgegen der im Urteil des erkennenden Senats vom 17.4.2013 (Az. 4 K 1605/10 VZr, n.v.) vertretenen Auffassung sei die Verjährungsregelung des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 anwendbar. Dafür spreche schon § 1 Abs. 1 Satz 2 AO, der einen Vorbehalt des Unionsrechts festlege. Damit werde zugleich auf die Anwendung längerer Fristen nach Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 verzichtet. Zudem könne die nationale Verjährungsfrist nach § 171 AO – wie auch im vorliegenden Fall – vor der unionsrechtlichen Verjährungsfrist beginnen; die nationale Frist sei daher nicht per se „länger“ i.S.d. Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95. Weiter würde eine Anwendung der §§ 169 ff. AO den Grundsätzen der Rechtssicherheit, der Vorhersehbarkeit und der Effektivität zuwiderlaufen, insbesondere bei Heranziehung der verschiedenen Ablaufhemmungen. Auch dürfe die zwingende Mitteilungsfrist des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2670/81 der Kommission vom 14.9.1981 mit Durchführungsvorschriften für die Erzeugung außerhalb von Quoten im Zuckersektor (VO Nr. 2670/81) nicht unterlaufen werden. Die Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 habe spätestens am 3.1.2011 – vier Jahre nach Zustellung des Bescheides vom 28.12.2006 – geendet. Etwaige spätere Unterbrechungshandlungen hätten jedenfalls mit Ablauf der doppelten Verjährungsfrist, also am 3.1.2015, ihre Wirkung verloren.
10Selbst wenn man mit dem Senatsurteil vom 17.4.2013 (nur) nationale Verjährungsregelungen für anwendbar halte, wären diese abgelaufen. Denn insbesondere die extensiven Ablaufhemmungen nach § 171 Abs. 3a, Abs. 4, Abs. 5 und Abs. 10 AO seien nicht „entsprechend“ anwendbar i.S.d. § 12 MOG. Sie verstießen gegen die Grundsätze der Effektivität, der Rechtssicherheit und der Vorhersehbarkeit.
11Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 8.6.2020 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an: Dem Urteil des FG Düsseldorf vom 17.4.2013 (4 K 1605/10 VZr, n.v.) sei zu entnehmen, dass sich die Feststellung der Zuckererzeugung nach § 12 Abs. 1 MOG und den Vorschriften der AO, hier insbesondere des § 181 Abs. 1 Satz 1 sowie § 164 Abs. 2 Satz 1 AO richte. Es sei zunächst der Grundlagenbescheid und anschließend der Folgebescheid des Zuckerwirtschaftsjahres zu ändern gewesen, dem die festgestellten zusätzlichen Mengen zuzurechnen seien. Eine von der Klägerin begehrte zusammenfassende Änderung in einem Bescheid sei nicht zulässig. Weiter habe er, der Beklagte, die im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften angewendet. Maßgeblich sei die C-Zuckererzeugung für das Wirtschaftsjahr 1999/00. Die nach dem hier betroffenen Wirtschaftsjahr in Kraft getretenen Rechtsverordnungen wie die von der Klägerin angeführte VO Nr. 318/2006 seien nicht anwendbar. Diese gelte erst ab dem Wirtschaftsjahr 2006/07. Von einem Wegfall der für das Wirtschaftsjahr 1999/00 geltenden Rechtsgrundlagen könne nicht die Rede sein. Hinsichtlich der Feststellungsfrist greife die vierjährige Frist nach § 181 Abs. 1 AO i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO. Der Fristablauf sei nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt gewesen. Hinsichtlich der Änderung mit Bescheid vom 29.10.2018 sei auf § 12 MOG i.V.m. § 171 Abs. 3a AO abzustellen.
12Hiergegen hat die Klägerin am 1.7.2020 Klage erhoben, mit der sie ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Sie macht ergänzend u.a. geltend:
13Erstens seien die Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Rates vom 30.6.1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (VO Nr. 1785/81), die Verordnung (EWG) Nr. 1443/82 der Kommission vom 8.6.1982 mit Durchführungsbestimmungen zur Anwendung der Quotenregelung im Zuckersektor (VO Nr. 1443/82) und die Verordnung (EWG) Nr. 65/82 der Kommission vom 13.1.1982 mit Durchführungsbestimmungen zur Übertragung von Zucker auf das folgende Wirtschaftsjahr bei Erlass des Bescheides vom 28.12.2006 und erst Recht des Bescheides vom 29.10.2018 nicht mehr in Kraft gewesen. Maßgebender Zeitpunkt für die jeweiligen Anwendungsregelungen sei die Festsetzung eines Anspruchs durch Verwaltungsakt. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) habe in der Rechtssache McBride (Urteil v. 14.6.2016 – C-361/14 P) entschieden, dass jede Maßnahme, die Rechtswirkungen erzeugen solle, ihre Verbindlichkeit einer Bestimmung des Unionsrechts entnehme, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Rechtsaktes in Kraft sei. Im maßgeblichen Zeitpunkt seien zwar die verfahrensrechtlichen Regelungen, insbesondere § 12 MOG und die Regelungen der AO, in Kraft gewesen, nicht aber die materiell-rechtlichen Regelungen, auf die sich der Beklagte stütze. Daraus, dass die VO Nr. 318/2006 nach ihrem Art. 46 erst ab dem Wirtschaftsjahr 2006/07 gelte, lasse sich nicht herleiten, dass die aufgehobenen Verordnungen teilweise weiter gölten.
14Zweitens sei eine gesonderte Feststellung für die zusätzlichen Erzeugungsmengen nicht durchzuführen. § 9 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZuckProdAbgV verlange eine Festsetzung durch einen einheitlichen Bescheid. Die zusätzlichen Erzeugungsmengen seien unselbständige Besteuerungsgrundlagen dieses Abgabenbescheides. Auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZuckProdAbgV nehme die Regelung keinen Bezug. Dieser sei keine taugliche Rechtsgrundlage für die Feststellung, da er nicht nachträglich ermittelte Unterschiede in der endgültigen Zuckererzeugung betreffe. Dies entspreche auch der neuen ZuckProdAbgV vom 9.11.2006. Ein einstufiges Verfahren entspreche zudem dem Zweck des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 sowie den Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Effektivität des Gemeinschaftsrechts. Diese Frage habe der Senat in seinem Urteil vom 17.4.2013 (4 K 1605/10 VZr, n.v.) nicht entschieden.
15Drittens sei Feststellungsverjährung eingetreten. Maßgeblich sei die besondere Mitteilungsfrist des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81, die – wie im Parallelverfahren 4 K 1852/20 MOG dargelegt worden sei – überschritten worden sei. Soweit der Beklagte auf die nationalen Regeln abstellen wolle, sei zu beachten, dass die Ablaufhemmungen nach § 171 Abs. 4, Abs. 5 AO nicht mit der zwingenden Mitteilungsfrist des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 zu vereinbaren seien. Zudem liege eine Unterbrechung i.S.d. § 171 Abs. 4 Satz 2 AO vor. Entgegen der Auffassung des Beklagten greife lediglich die einjährige Verjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Dabei gehe es nicht darum, ob die C-Zuckerabgabe eine Verbrauchsteuer sei, sondern um eine „entsprechende“ Anwendung nach § 12 MOG. Für diese seien der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz und die Regelung der Mitteilungsfrist nach Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 zu berücksichtigen. Im Übrigen sei insoweit auf den Vortrag im Verfahren 4 K 1852/20 MOG zu verweisen.
16Viertens sei der Abgabenbescheid maßgeblich für den hier im Streit stehenden Grundlagenbescheid. Werde ersterer aufgehoben, so verliere letzterer seine wirtschaftliche Bedeutung und Wirksamkeit. Die zusätzliche Erzeugungsmenge von x dt WW werde nicht bestritten. Aus einer Rechtswidrigkeit des Folgebescheides ergebe sich daher automatisch die Rechtswidrigkeit des Grundlagenbescheides.
17Die Klägerin beantragt,
18den Feststellungsbescheid vom 29.10.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.6.2020 aufzuheben.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Er wiederholt seine in der Einspruchsentscheidung dargelegten Gründe und führt ergänzend u.a. aus:
22Hinsichtlich der Rechtsgrundlagen des Feststellungsbescheides sei auf den Zeitpunkt der Zuckerproduktion abzustellen, nicht auf den Erlass des Bescheides. Dies entspreche etwa auch dem System der Zollnacherhebung bei der Wareneinfuhr. Hier würden beispielsweise auch bei Korrekturbescheiden diejenigen Zollsätze angewandt, die gültig gewesen seien, als der Sachverhalt sich zugetragen habe. Andernfalls könne beispielsweise die Zollerhebung so lange verzögert werden, bis sich ein Zollsatz ändere. Das den C-Zucker bzw. Überschusszucker betreffende Abgabensystem stelle darauf ab, wann der Zucker körperlich vorhanden sei. Dies sei für die hier in Rede stehende zusätzliche Menge bereits 1999/00 der Fall gewesen. Die Klägerin habe bereits in diesem Wirtschaftsjahr über die die Quote übersteigende Zuckermenge verfügen können. Es müsse daher auch die seinerzeit gültige Quotenregelung angewandt werden, andernfalls würde der gewünschte Steuerungsmechanismus unterlaufen. Hätten die Hersteller sich darauf verlassen können, dass verschwiegene Zuckermengen erst der Rechtslage in dem Zeitpunkt unterworfen würden, in dem sie aufgedeckt würden, hätte eine tatsächliche Quotierung nicht erreicht werden können. Zudem verbiete die EuGH-Rechtsprechung es gerade, Verordnungen wie diejenigen, mit denen die ursprünglichen Rechtsgrundlagen der Bescheide aufgehoben worden seien, auf Sachverhalte anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten der Aufhebungsverordnungen verwirklicht worden seien.
23Weiter sei zu Recht ein gesonderter Feststellungsbescheid für die zusätzliche Erzeugungsmenge ergangen. Dies ergebe sich insbesondere aus § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZuckProd-AbgV. Die dort vorgesehene Feststellung sei, wenn zusätzliche Erzeugungsmengen aufgedeckt würden, nach nationalem Verfahrensrecht zu ändern. Nichts anderes könne sich aus der VO Nr. 318/2006 ergeben, da diese für das Wirtschaftsjahr 1999/00 nicht anwendbar sei. Der erkennende Senat habe im Urteil vom 17.4.2013 (4 K 1605/10 VZr, n.v.) festgestellt, dass die für Feststellungsbescheide geltenden Vorschriften der Abgabenordnung in einem dem hiesigen gleichgelagerten Fall anwendbar seien. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe dies auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hin bestätigt. Die gesonderte Feststellung wahre durch ihre eigenständige Anfechtbarkeit gerade die Rechte der Klägerin.
24Es sei keine Verjährung eingetreten. Die Mitteilungsfrist des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 betreffe den Abgabenbescheid, nicht aber den Feststellungsbescheid. Zudem liege eine zulässige Überschreitung der Mitteilungsfrist vor. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO sei anwendbar und widerspreche weder dem Äquivalenz- noch dem Effektivitätsgrundsatz. Alleine durch die erfolgte Wiederaufnahme der Marktordnungsprüfung am 16.1.2003 sei der Ablauf der Feststellungsfrist gehemmt worden. Zudem habe die Staatsanwaltschaft S das strafrechtliche Ermittlungsverfahren am 10.10.2002 auf das Zuckerwirtschaftsjahr 1999/00 ausgedehnt, so dass auch eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 AO eingreife. Bezüglich des Änderungsbescheides vom 29.10.2018 sei auf § 171 Abs. 3a AO abzustellen. Die Festsetzungsfrist für Verbrauchsteuern sei nach ständiger Rechtsprechung für die C-Zuckerabgabe nicht maßgeblich. Diese sei ihrem Wesen und ihrer Funktion nach mit einer Verbrauchsteuer nicht vergleichbar.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
26Entscheidungsgründe:
27Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
281. Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es den Bescheiden vom 28.12.2006 und vom 29.10.2018 nicht an einer gemeinschafts- bzw. unionsrechtlichen Grundlage. Rechtsgrundlage ist vielmehr Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 1443/82.
29Die Bescheide sind entgegen der Auffassung des Beklagten allerdings nicht mehr auf die VO Nr. 1785/81, dort insbesondere Art. 27 und 28, zu stützen. Denn diese Verordnung wurde durch Art. 55 der Verordnung (EG) Nr. 2038/1999 des Rates vom 13.9.1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker aufgehoben, wobei dort weiter geregelt wird, dass Bezugnahmen auf die aufgehobene Verordnung als Bezugnahme auf diese Verordnung gelten und nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang III Teil A zu lesen sind. Dass der Beklagte in den Bescheiden vom 28.12.2006 und vom 29.10.2018 die aufgehobene Verordnung als Rechtsgrundlage angibt, ist indes unschädlich. Die unzutreffende Angabe der Rechtsgrundlage stellt allenfalls einen nach § 127 AO unbeachtlichen Formfehler dar und verletzt die Klägerin jedenfalls nicht i.S.d. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO in ihren Rechten.
30Entgegen der Auffassung der Klägerin bildete die VO Nr. 1443/82 auch beim Erlass der Bescheide in den Jahren 2006 und 2018 noch eine wirksame Rechtsgrundlage. Die Verordnung wurde zwar durch Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 314/2002 der Kommission vom 20.2.2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Quotenregelung im Zuckersektor (VO Nr. 314/2002) aufgehoben. Letztere stellt allerdings eine Durchführungsverordnung zu der VO Nr. 1260/2001 dar, die nach ihrem Art. 51 UAbs. 2 erst ab dem Zuckerwirtschaftsjahr 2001/02 Anwendung findet. Dies spricht dafür, dass die VO Nr. 314/2002 ebenfalls erst ab dem Zuckerwirtschaftsjahr 2001/02 Anwendung findet. Diese Anwendungsregelungen stellen hinsichtlich des anwendbaren materiellen Rechts ausdrücklich auf das betroffene Zuckerwirtschaftsjahr ab und nicht auf den Zeitpunkt, in dem der jeweilige Verwaltungsakt ergeht. Der Beklagte macht insoweit zu Recht geltend, dass auch kaum anzunehmen sein dürfte, der Verordnungsgeber habe die jeweils anzuwendende materielle Rechtsfassung davon abhängig machen wollen, wann ein (erstmaliger oder Änderungs-)Bescheid ergeht. Noch weniger wird man annehmen können, der Verordnungsgeber habe die jeweils vorhergehende Verordnung mit sofortiger Wirkung aufheben wollen, auch wenn die jeweils neue Verordnung erst ab einem bestimmten Zuckerwirtschaftsjahr anwendbar ist. Denn damit wäre für vorhergehende Wirtschaftsjahre, für die das Feststellungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, eine Regelungslücke entstanden, in der gar keine Verordnung mehr anwendbar wäre. Eine derartige Auslegung liefe dem erkennbaren Regelungszweck zuwider. Dementsprechend hat auch der EuGH sowohl die Grundverordnung Nr. 1785/81 als auch die VO Nr. 2670/81 ausdrücklich auf das Wirtschaftsjahr 1997/98 angewandt, obwohl die entsprechenden Bescheide erst im Dezember 2006 bzw. im April 2010 ergingen (Urteil v. 15.11.2012 – C-131/11, Pfeifer & Langen, Rn. 24).
31Nichts anderes ergibt sich aus der von der Klägerin angeführten EuGH-Entscheidung vom 14.6.2016 (C-361/14 P, Rn. 41 ff.). Denn im dortigen Sachverhalt trat die Verordnung, mit der die streitgegenständliche Regelung aufgehoben wurde, ohne Weiteres zu einem bestimmten Zeitpunkt in Kraft. Eine Regelung wie die hier maßgebliche, die auf Zeitabschnitte bezogen ist und nach der die aufhebende Verordnung nur bestimmte Fälle (nämlich nachfolgende Wirtschaftsjahre) betrifft, lag dort gerade nicht vor.
322. Auch der Einwand, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die in den Bescheiden vom 28.12.2006 und vom 29.10.2018 getroffene Feststellung über zusätzliche Erzeugungsmengen, greift nicht durch.
33Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde mit den Bescheiden nicht bloß (in Ergänzung zum bzw. zu den bisherigen Feststellungsbescheiden) eine zusätzliche Erzeugungsmenge von x dt WW festgestellt. Vielmehr handelt es sich um Änderungsbescheide, die die gesamte Erzeugungsmenge neu feststellen. Der jeweilige Entscheidungssatz ist insoweit eindeutig. Hieran ändert es nichts, dass sich die Begründung des Bescheides jeweils nur auf die zusätzliche Erzeugungsmenge bezieht, die Anlass für die Änderung der Feststellung bietet. Diese Auffassung liegt auch dem Senatsurteil vom 17.4.2013 (4 K 1605/10, n.v.) betreffend das Wirtschaftsjahr 1997/98 sowie der nachfolgenden BFH-Entscheidung vom 25.11.2014 (VII B 88/13) zugrunde. Auch dort wird die Erfassung nachträglich festgestellter, zusätzlicher Erzeugungsmengen als Änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheides verstanden. Dies steht im Übrigen im Einklang mit dem EuGH-Urteil vom 15.11.2012 (C-131/11, Pfeifer & Langen, Rn. 38 ff.), nach dem zusätzliche Erzeugungsmengen entgegen dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1443/82 dem Wirtschaftsjahr zuzuordnen sind, in dem sie erzeugt wurden. Zwar betraf diese Entscheidung ausschließlich die materielle Rechtslage; gleichwohl spricht die so verstandene materielle Rechtslage dagegen, zusätzliche Erzeugungsmengen verfahrensrechtlich getrennt vom ursprünglichen Feststellungsbescheid zu behandeln.
34Aus diesem Grunde geht der Beklagte zurecht davon aus, dass § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG, § 179 Abs. 1 AO i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 ZuckProdAbgV die nationale Rechtsgrundlage für eine Feststellung im Sinne der angefochtenen Bescheide bilden. Die zusätzlich festgestellten Erzeugungsmengen waren durch Änderung der ursprünglichen Feststellungsbescheide gesondert festzustellen. Daher bedurfte es keiner ausdrücklichen Ermächtigung, gerade zusätzliche Erzeugungsmengen separat festzustellen. Entgegen der Auffassung der Klägerin hätte der Beklagte auf die zusätzlichen Mengen auch nicht ohne vorherige Feststellung Abgaben festsetzen dürfen. Denn hierdurch hätte er die Bindungswirkung (vgl. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO) der ursprünglichen Feststellungsbescheide, in denen die zusätzlichen Mengen gerade noch nicht enthalten waren, missachtet. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin weder aus der Fristenregelung des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 noch aus der EuGH-Entscheidung vom 17.10.2019 (C-423/18, Südzucker).
35Auch wurden die Bescheide jeweils zutreffend auf nationale Korrekturvorschriften gestützt. Die Feststellung erfolgte bis zum Ergehen des Bescheides vom 28.12.2006 unstreitig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 164 Abs. 1 AO. Dieser ist auch nicht nach § 164 Abs. 4 AO entfallen, da die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen war (siehe hierzu sogleich). Es kann daher offenbleiben, ob der Beklagte den Bescheid vom 28.12.2006 zudem auch auf § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützen durfte. Dafür spricht aber, dass aufgrund der Erkenntnisse der Marktordnungsprüfung die festgestellte Erzeugungsmenge erhöht wurde und die Erhöhung – nach teilweiser Reduktion mit Bescheid vom 29.10.2018 – nunmehr unstreitig ist. Der Änderungsbescheid vom 29.10.2018 ist auf § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) AO zu stützen, da dem Einspruchsbegehren durch die Reduktion der Erzeugungsmenge teilweise entsprochen wurde.
363. Verjährung ist nicht eingetreten.
37Es gilt die reguläre, vierjährige Feststellungsfrist (a)), deren Ablauf jedenfalls durch § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 171 Abs. 4 AO gehemmt wurde (b)). Abweichende Fristen ergeben sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 (c)).
38a) Der Senat hat bereits im Urteil vom 17.4.2013 (4 K 1605/10 VZr, n.v., S. 10 f.) betreffend das Wirtschaftsjahr 1997/98 entschieden, dass sich die Feststellungsverjährung für Feststellungsbescheide über die Zuckererzeugung nach den Regelungen der Abgabenordnung richtet. Die Feststellungsfrist von vier Jahren (§§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 181 Abs. 1 Satz 1 AO) beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres der Entstehung der Abgabe. Die C-Zuckerabgabe ist keine Verbrauchsteuer und keine Einfuhr- oder Ausfuhrabgabe (Gericht der Europäischen Union, Urteil v. 7.12.2004 – T-240/02, Rn. 38; BFH, Urteil v. 16.1.1990 – VII R 102/87, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs 160, 87, Rn. 10). Nach Art. 1 Abs. 1 UAbs. 2 und Art. 2 Abs. 1 UAbs. 1 VO Nr. 2670/81 entstand die Abgabe für das Wirtschaftsjahr 1999/00 am 1.4.2001. Die Feststellungsfrist begann mithin mit Ablauf des 31.12.2001 und endete regulär mit Ablauf des 31.12.2005. Die nachfolgende BFH-Entscheidung vom 25.11.2014 (VII B 88/13) hat sich den diesbezüglichen Ausführungen des Senats angeschlossen.
39An den Ausführungen ist auch nach der von der Klägerin eingeforderten Überprüfung festzuhalten. Insbesondere ergibt sich aus der Fristenregelung des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 nichts anderes. Diese Regelung betrifft nicht das Feststellungsverfahren, das sich vielmehr nach den oben genannten Normen richtet. Allein aufgrund des von der Klägerin geltend gemachten engen Zusammenhangs des Grundlagenbescheids zu den dortigen Mitteilungsfristen ist die Regelung nicht über ihren Wortlaut hinaus als besondere Verjährungsregel für die hier angefochtenen Bescheide zu verstehen. Auch aus den von der Klägerin im Einspruchsverfahren angeführten Grundsätzen der Effektivität, der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstoßen auch durch Ablaufhemmungen verlängerte Verjährungsfristen nicht per se gegen gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Grundsätze. Es ist nicht erkennbar, dass die Anwendung der nationalen Regelungen die Rechtspositionen der Klägerin unverhältnismäßig beeinträchtigen. Im Übrigen ist die Frist des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81 – wie der Senat im Parallelverfahren 4 K 1852/20 MOG entschieden hat – auch nicht unzulässig überschritten worden.
40b) Für den Bescheid vom 28.12.2006 greift die Ablaufhemmung des § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 171 Abs. 4 AO. Dabei kann offenbleiben, ob, wie die Klägerin geltend macht, die am 4.11.1999 begonnene Marktordnungsprüfung unmittelbar nach Beginn im Sinne des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO unterbrochen wurde. Jedenfalls wurde die Prüfung unstreitig ab dem 16.1.2003 – also vor Ablauf der regulären Feststellungsfrist – (wieder oder erstmalig) aufgenommen. Eine etwaige Wiederaufnahme würde ihrerseits als neue Prüfung gelten, wodurch jedenfalls die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO ausgelöst wird (BFH, Urteil v. 13.2.2003 – IV R 31/01, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2003, 552, Rn. 17 ff.). Eine erneute Prüfungsanordnung ist insoweit nicht erforderlich (BFH, Urteil v. 13.2.2003 – IV R 31/01, BStBl. II 2003, 552, Rn. 19 ff.). Dass die Prüfung nach der (Wieder-)Aufnahme am 16.1.2003 i.S.d. § 171 Abs. 4 Satz 2 AO unterbrochen worden wäre, ist nicht ersichtlich. Die diesbezügliche Behauptung der Klägerin im Parallelverfahren 4 K 1852/20 MOG ist unsubstantiiert. Insbesondere hat der Senat bereits im Urteil vom 17.4.2013 (4 K 1605/10 VZr, n.v., S. 10) festgestellt, dass der Vermerk der Oberfinanzdirektion O vom 25.6.2004, den die Klägerin insoweit anführt, sich nur auf die Wiederaufnahme von Prüfungshandlungen in der 25. Kalenderwoche im Werk 1 bezieht. Soweit die Klägerin geltend macht, § 171 Abs. 4 AO stehe – ebenso wie andere Ablaufhemmungen – in Widerspruch zur Regelung des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 2670/81, ist dem aus den unter a) genannten Gründen nicht zu folgen.
41An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand, dass die Klägerin während des Feststellungsverfahrens Berichtigungsanzeigen i.S.d. § 153 Abs. 1 AO abgegeben hat, nichts. Entgegen ihrem Vortrag im Parallelverfahren 4 K 1852/20 MOG begründet eine Berichtigung nach § 153 Abs. 1 AO keine Verkürzung der Verjährungsfrist. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des Parallelverfahrens verwiesen.
42Für den Bescheid vom 29.10.2018 greift sodann die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a AO ein, da der Bescheid vom 28.12.2006 mit dem Einspruch angefochten wurde.
43c) Nichts anderes ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95. Wie der Senat bereits im Verfahren 4 K 1605/10 VZr (Urteil v. 17.4.2013, n.v., S. 11) entschieden hat, verkürzt Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 die im einzelstaatlichen Recht bestehenden Verjährungsfristen nicht, sondern soll lediglich die Anwendung aus Sicht der Union unangemessen kurzer Verjährungsfristen des einzelstaatlichen Rechts ausschließen. Daher lässt Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 2988/95 die Anwendung längerer, einzelstaatlicher Verjährungsvorschriften ausdrücklich zu (BFH, Urteil v. 7.7.2009 – VII R 24/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs 2009, 1920, Rn. 29 ff.; EuGH, Urteile v. 5.5.2011 – C-201/10 und C-202/10, Rn. 24 ff. sowie v. 29.3.2012 –C-564/10, Rn. 37, 40). Dies gilt auch für etwaige einzelstaatlich geregelte Unterbrechungstatbestände (vgl. EuGH, Urteil v. 29.3.2012 –C-564/10, Rn. 40; Bundesverwaltungsgericht, Teilurteil v. 21.10.2010 – 3 C 4.10, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2011, 949). Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Klagebegründung fest. Insbesondere lässt sich § 1 Abs. 1 Satz 2 AO nicht entnehmen, dass hiermit auf die Anwendung längerer Verjährungsvorschriften verzichtet würde. Aus der pauschalen Bezugnahme der Klägerin auf die gemeinschafts- bzw. unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit, der Vorhersehbarkeit und der Effektivität ergibt sich nichts anderes.
444. Soweit die Klägerin schließlich geltend macht, die im Parallelverfahren 4 K 1852/20 MOG behauptete Rechtswidrigkeit des Abgabenbescheids begründe zugleich die Rechtswidrigkeit des hier angegriffenen Feststellungsbescheides, ist dem nicht zu folgen. Zum einen ist der Abgabenbescheid nicht rechtswidrig, wie der Senat im Parallelverfahren entschieden hat. Zum anderen ist nicht erkennbar, warum die Rechtswidrigkeit oder Aufhebung eines Folgebescheids Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Grundlagenbescheides nehmen sollte.
455. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Kosten waren entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht nach § 137 Satz 2 FGO dem Beklagten aufzuerlegen. Der Beklagte war aus oben genannten Gründen weder verpflichtet, das Einspruchsverfahren auszusetzen bzw. zum Ruhen zu bringen, noch befugt, die in Rede stehenden Abgaben ohne vorherigen Erlass eines Feststellungsbescheides festzusetzen. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO vorlag.