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Der Haftungsbescheid vom 02.06.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2021 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand:
2Streitig ist, ob der Kläger zu Recht für Lohnsteuerschulden der B GmbH … in Haftung genommen wurde.
3Die B GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 20.12.2012 gegründet. …. Der Gesellschaftsvertrag enthält keine namentliche Benennung der Geschäftsführer, sondern beschreibt deren Rechtsstellung lediglich allgemein.
4Zum Geschäftsführer wurde der Kläger bestellt, und zwar zunächst neben weiteren Personen und ab Mitte 2017 als alleiniger Geschäftsführer. Gesellschafter waren ab Mai 2018 der Kläger und Herr E zu jeweils 50 %. Das Stammkapital betrug 50.000 €.
5Mit notariellem Vertrag vom 15.04.2019 …erwarb die C GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer Dr. A, den 50%-Punkte-Anteil des Herrn E sowie einen 5%-Punkte-Anteil vom Kläger. Die dingliche Übertragung der Geschäftsanteile erfolgte aufschiebend bedingt durch die vollständige Zahlung des jeweiligen - sofort fälligen - Kaufpreises. Die Veränderung des Gesellschafterbestands dergestalt, dass der Kläger zu 45 % und die C GmbH zu 55 % am Stammkapital beteiligt seien, wurde dem Handelsregister am 27.06.2019 angezeigt.
6In dem notariellen Übertragungsvertrag vom 15.04.2019 wird zum einen auf einen Gesellschafterbeschluss vom 15.04.2019 und zum anderen auf einen sog. „Letter of Intent“ Bezug genommen. In dem Gesellschafterbeschluss vom 15.04.2019, der von dem Kläger und Herrn E gefertigt wurde, heißt es u.a. wie folgt [Fettdruck nicht im Original]:
7„4. Herr Dr. A wird zum 01.05.2019 zum Geschäftsführer bestellt. Er ist einzelvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Er ist intern für den Bereich Finanzen und Administration der Gesellschaft zuständig. Ab dem 01.07.2019 übernimmt er den Vorsitz der Geschäftsführung.
85. Herr E wird zum 01.07.2019 zum Geschäftsführer bestellt. Er vertritt die Gesellschaft in Gemeinschaft mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen. … Herr E ist intern für den Bereich Vertrieb und Organisationsentwicklung zuständig.
9…
107. Herr G wird als Senior Berater nach Beendigung seines Amtes als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft zum 01. Juli 2019 tätig werden.“
11Der Letter of Intent trägt ebenfalls das Datum 15.04.2019 und wurde von dem Kläger, Herrn E und Herrn Dr. A in dessen Eigenschaft als Geschäftsführer der C GmbH unterschrieben. Es heißt dort u.a. wie folgt [Fettdruck nicht im Original]:
12„Weiterhin ist eine kurzfristige Bestellung von Dr. A als Geschäftsführer Finanzen & Administration der B GmbH geplant. …
13Nach Ablauf des Geschäftsführervertrags von G zum 30. Juni 2019 ist geplant, E als Geschäftsführer Vertrieb & Personal zu bestellen, alternativ ihm eine Leitungsfunktion mit Verantwortung für die Geschäfts- und Beratungsentwicklung der B GmbH in Deutschland zu übertragen. …
14Ab dem 01. Juli 2019 wird G weiterhin als festangestellter Senior Berater für die B GmbH tätig sein, um akquisitorisch und in der Beratung zu unterstützen, ebenso in der Weiterentwicklung der Beratungsrichtlinien und der Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Sein wertvoller Erfahrungsschatz und sein Netzwerk plant er so im Sinne der Unternehmensnachfolge auch über den 30. Juni 2019 hinaus einzubringen. …“
15Im Handelsregister war -- auch über den 30.06.2019 hinaus -- allein der Kläger als Geschäftsführer eingetragen. Am 18.11.2019 stellte die B GmbH einen Insolvenzantrag, woraufhin mit Beschluss vom 19.12.2019 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde. Durch Beschluss des Amtsgerichts Y-Stadt vom 23.03.2020 …wurde sodann das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B GmbH eröffnet.
16Die Lohnsteuer für die Monate Juni 2019 bis Dezember 2019 nebst steuerlicher Nebenleistungen sowie Säumniszuschläge zur Lohnsteuer / Solidaritätszuschlag für Mai 2019 wurden von der B GmbH nicht vollständig beglichen. Nach Anhörung des Klägers teilte dieser dem Beklagten mit, dass sein Geschäftsführervertrag mit der B GmbH zum 30.06.2019 geendet habe. Die notariellen Urkunden, mit denen Herr Dr. A sowie Herr E zum Geschäftsführer bestellt werden sollten, seien bereits vorbereitet gewesen, jedoch habe Herr Dr. A vorgegeben, keine Zeit für den Notarbesuch zu haben, weshalb seine - des Klägers - Löschung im Handelsregister aufgeschoben worden sei. Faktisch hätten die Herren A und E jedoch die Geschäftsführung übernommen. Er – der Kläger – sei in den Zahlungsverkehr überhaupt nicht mehr eingebunden gewesen.
17Mit Bescheid vom 02.06.2020 nahm der Beklagte den Kläger für Lohnsteuerrückstände i.H.v. 40.703,41 € in Haftung. Begründet wurde dies damit, dass der Kläger ausweislich des Handelsregisterauszugs im Haftungszeitraum als Geschäftsführer der GmbH bestellt gewesen sei.
18Der Kläger legte gegen den Haftungsbescheid Einspruch ein und wiederholte seinen Vortrag, dass seine Tätigkeit als Geschäftsführer zum 30.06.2019 geendet habe und ab dem 01.07.2019 die Herren Dr. A und E die Geschäftsführung übernommen hätten. Zur Buchhaltung oder zu Konten habe er seitdem keinerlei Zugang mehr gehabt.
19Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 08.02.2021 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte führte aus, dass nichts dafür ersichtlich sei, dass der Kläger – wie er behaupte – nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei. Entsprechende Nachweise habe der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung nicht vorgelegt. Daher sei weiter davon auszugehen, dass der Kläger entsprechend den Angaben im Handelsregister alleiniger Geschäftsführer der GmbH gewesen sei. Andere Personen kämen als Haftungsschuldner nicht in Betracht.
20Mit der Klageschrift reichte der Kläger Kopien des notariellen Vertrags vom 15.04.2019, des Gesellschafterbeschlusses vom 15.04.2019 und des „Letter of Intent“ vom 15.04.2019 ein. Hierzu führte er Folgendes aus:
21Durch den Übertragungsvertrag vom 15.04.2019 sei die C GmbH Mehrheitsgesellschafterin geworden. Seitdem habe Herr Dr. A die Entscheidungen in der GmbH getroffen. Einen eigenen Ermessensspielraum habe er– der Kläger – nicht mehr gehabt, sondern vielmehr sei er vom Mehrheitsgesellschafter angewiesen worden, bestimmte Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Zum 30.06.2019 habe sein Geschäftsführervertrag dann geendet. Spätestens ab diesem Zeitpunkt habe er keine Möglichkeit mehr gehabt, die Geschäftsführerfunktion auszuüben. Er habe keinerlei Zugangsrechte zu geschäftlichen Vorgängen gehabt. Auch habe Herr Dr. A einen neuen Steuerberater beauftragt, zu dem er – der Kläger – keinen Kontakt gehabt habe. Entgegen der Eintragung im Handelsregister sei ab dem 01.07.2019 mithin nicht mehr er Geschäftsführer gewesen, sondern die faktische Geschäftsführung sei durch Herrn Dr. A ausgeübt worden. Dies könnten die Angestellten H und Q als Zeuginnen bestätigen.
22Dass der Wechsel der Geschäftsführung im Handelsregister nicht eingetragen worden sei, liege darin, dass Herr Dr. A den Notartermin aus „zeitlichen Gründen“ mehrfach verschoben habe. Gleichwohl habe er die vollständige Geschäftsführung im operativen Geschäft übernommen. Insbesondere sei der Zahlungsverkehr einschließlich der Lohn- und Gehaltszahlungen allein durch Herrn Dr. A abgewickelt worden. Auch dies könnten die Zeuginnen bestätigen.
23Der Kläger beantragt,
24den Haftungsbescheid vom 02.06.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2021 aufzuheben.
25Der Beklagte beantragt
26die Klage abzuweisen.
27Mit Schriftsatz vom 24.03.2021 teilte der Beklagte zunächst mit, dass dem Klagebegehren entsprochen werden könne, soweit der Haftungsbescheid die Lohnsteuer Juni bis Dezember 2019 betreffe. Hiervon nahm er mit Schriftsatz vom 19.04.2021 wieder Abstand. Grund für den Meinungswechsel war das Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 11.03.2020. Der Beklagte leitet aus dem vorgenannten Gutachten ab, dass der Kläger während des gesamten Haftungszeitraums Geschäftsführer gewesen sei. Denn laut Punkt II.6 des Gutachtens (Bl. 95 der Gerichtsakte) sei der Gesellschafterbeschluss vom 15.04.2019 nicht umgesetzt worden. Auch werde der Kläger in Punkt I.2 als Geschäftsführer bezeichnet. Dieser habe zudem die Vollständigkeitserklärung vom 09.03.2020 unterzeichnet. Folglich habe er auch nach dem 30.06.2019 noch Handlungen als Geschäftsführer ausgeführt.
28Der Beklagte weist zudem darauf hin, dass er am 28.02.2022 eine Haftungsinanspruchnahme betreffende Anhörungsschreiben an die Herren E und Dr. A versendet habe. Als Reaktion hiervon hätten beide Herren mitgeteilt, dass sie nicht Geschäftsführer gewesen seien.
29Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H und E. Die Zeugin Q hat sich schriftlich zur Sache geäußert. Bezüglich der Einzelheiten der Aussagen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und das Schreiben der Zeugin Q vom 13.10.2022 nebst Anlagen Bezug genommen. Der ebenfalls als Zeuge geladene Dr. A ist zur mündlichen Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen; gegen ihn wurde Ordnungsgeld verhängt.
30Entscheidungsgründe:
31A. Die Klage ist zulässig und begründet.
32Der Haftungsbescheid vom 02.06.2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger war ab dem 01.07.2019 nicht mehr gesetzlicher Vertreter der B GmbH (hierzu unter I Nr. 2). Zudem ist die Ermessensentscheidung fehlerhaft, weshalb der Bescheid zu Gänze aufzuheben war (hierzu unter II).
33Nach § 191 Abs. 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners ist zweigliedrig (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. u.a. Urteil vom 20.09.2016 – X R 36/15, BFH/NV 2017, 593 m.w.N.). Das Finanzamt hat zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es zur Haftung heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme erfüllt sind. Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung – vgl. § 5 AO – des Finanzamts an, ob und ggf. wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 Satz 1 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch bzw. Ermessensüberschreitung) überprüfbar (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 11.03.2004, VII R 52/02, BStBl. II 2004, 579 unter II 1a m.w.N.).
34I. Nach § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO haften die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Die Haftungsvorschrift umfasst demnach als selbständige Möglichkeiten der Tatbestandsverwirklichung die Nichtfestsetzung, die nicht rechtzeitige Festsetzung, die Nichterfüllung und die nicht rechtzeitige Erfüllung der Steueransprüche.
35Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Haftung des Klägers nach § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO liegen nur vor, soweit der Haftungsbescheid die bis zum 30.06.2019 entstandenen Säumniszuschläge zur Lohnsteuer und zum Solidaritätszuschlag für Mai 2019 betrifft. Denn der Kläger war ab dem 01.07.2019 nicht mehr gesetzlicher Vertreter der B GmbH, weshalb er für die übrigen im Haftungsbescheid benannten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen, die allesamt erst nach dem 01.07.2019 anzumelden waren oder entstanden sind, nicht mehr haftet.
361) Eine GmbH wird gesetzlich durch ihren bzw. ihre Geschäftsführer vertreten (§ 35 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG). Geschäftsführer ist, wer zum Geschäftsführer bestellt wurde. Die Bestellung erfolgt gemäß § 6 Abs. 3 GmbHG entweder im Gesellschaftsvertrag oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts des GmbHG (d.h. der §§ 35 -52 GmbHG). Nach § 46 Nr. 5 GmbHG gehört die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern zum Aufgabenkreis der Gesellschafter, welche die Entscheidung durch Gesellschafterbeschluss treffen (§§ 47 Abs. 1, 48 GmbHG). Der Beschluss ist grundsätzlich formlos möglich; lediglich dann, wenn die Namen der Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag genannt werden und deshalb eine Satzungsänderung erforderlich ist, bedarf der die Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern betreffende Beschluss der notariellen Beurkundung (§ 53 Abs. 3 GmbHG).
37Mit der Abberufung als Geschäftsführer ist die Geschäftsführertätigkeit beendet (§ 46 Nr.5 i.V.m. §§ 35, 38 GmbHG). Dies gilt unbeschadet des Zeitpunkts, in dem die Beendigung im Handelsregister eingetragen wird. Zwar bestimmt § 39 Abs. 1 GmbHG, dass jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist. Die Eintragung hat jedoch nur deklaratorische Wirkung (BFH, Urteil vom 26.02.1985 – VII R 110/79, BFH/NV 1985, 20), d.h. der Beginn und das Ende der gesellschaftsrechtlichen Organstellung - und damit auch die Entstehung und das Erlöschen der steuerrechtlichen Pflichtenstellung bei GmbH-Geschäftsführern - hängen allein von dem Inhalt und der Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses ab. Der öffentliche Glaube des Handelsregisters gemäß § 15 HGB hat keinen Einfluss auf die Haftung nach § 69 AO (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21.04.2008 – 4 CS 07.2718, juris).
382) Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze endete die Geschäftsführerstellung des Klägers mit Ablauf des 30.06.2019. Zwar gibt es - soweit ersichtlich - keinen schriftlichen Gesellschafterbeschluss, in dem die Abberufung ausdrücklich ausgesprochen wurde. Nr. 7 des Gesellschafterbeschlusses vom 15.04.2019 ist jedoch in diesem Sinne auszulegen.
39a) Für Gesellschafterbeschlüsse besteht kein allgemeines Bestimmtheitsgebot, erst recht kein Ausdrücklichkeitsgebot, so dass auch konkludente Beschlussfassungen möglich sind (OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.10.2016 - 8 U 122/15, GmbHR 2017, 295). Zudem sind Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich der Auslegung fähig, wobei die Auslegungskriterien der §§ 133, 157 BGB heranzuziehen sind (BFH, Beschluss vom 01.06.2022 – I R 31/19, juris; BGH, Beschluss vom 06.03.2007 - I B 37/06, juris). Solange durch Auslegung geholfen werden kann, ist auch ein unklarer Beschluss grundsätzlich wirksam (vgl. Karsten Schmidt/Bochmann in Scholz, GmbHG, § 45 Rn. 24).
40b) Im Streitfall war zu beachten, dass der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag des Klägers bis zum 30.06.2019 befristet war. Zwar betrifft ein Anstellungsvertrag nur das arbeitsrechtliche Verhältnis des Geschäftsführers und berührt nicht automatisch auch dessen gesellschaftsrechtliche Organstellung; auch Personen, die bei der GmbH nicht angestellt sind, können gesellschaftsrechtlich deren gesetzlicher Vertreter sein. Deshalb ist einem angestellten Geschäftsführer, der sein Amt nach dem Willen der Gesellschafterversammlung nicht länger ausüben soll, grundsätzlich nicht nur arbeitsvertraglich zu kündigen, sondern er ist zusätzlich auch abzuberufen. Allerdings gehört die rechtliche Differenzierung zwischen Anstellungsvertrag und Organstellung nicht zum rechtlichen Allgemeinwissen, weshalb die ausdrückliche Abberufung jedenfalls in den Fällen, in denen der Anstellungsvertrag befristet ist, eher selten sein dürfte. Fehlt sie, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, ob nach dem Willen aller Beteiligten mit der Kündigung bzw. dem „Auslaufen“ des Anstellungsvertrags die geschäftsführende Tätigkeit insgesamt beendet sein sollte.
41c) Im Streitfall besteht keinerlei Zweifel daran, dass es am 15.04.2019 der Wille aller aktuellen und künftigen Gesellschafter (Kläger, E, C GmbH) war, dass der zum damaligen Zeitpunkt bereits 74 Jahre alte Kläger sein Amt als Geschäftsführer mit Ablauf des Anstellungsvertrags zum 30.06.2019 vollständig niederlegen würde. In dem Letter of Intent vom 15.04.2019, der von dem Kläger, Herrn E und Herrn Dr. A unterschrieben wurde, wurde ausdrücklich festgehalten, dass der Geschäftsführervertrag des Klägers zum 30.06.2019 ausläuft und der Kläger danach (nur) noch als sog. Senior Berater für die GmbH tätig sein werde, um sein Wissen „im Sinne der Unternehmensnachfolge auch über den 30.06.2019 hinaus einzubringen“. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass eine weitere Mitwirkung des Klägers an der Geschäftsführung nicht beabsichtigt war. Denn zum einen wäre die Vereinbarung zur „Unternehmensnachfolge“ überflüssig gewesen, wenn der Kläger gesellschaftsrechtlich auch über den 30.06.2019 hinaus hätte Geschäftsführer bleiben sollen, da er sein Wissen dann schon in dieser Funktion weiter in die B GmbH eingebracht hätte. Und zum anderen enthält die Beschreibung des Arbeitsbereichs des Klägers als Senior Berater ausschließlich Unterstützungsleistungen, wie die Mithilfe bei der Akquise und der Beratung und die Einarbeitung neuer Mitarbeiter.
42d) In diesem Lichte kann Nr. 7 des Gesellschafterbeschlusses vom 15.04.2019 nur dahingehend verstanden werden, dass der Kläger mit Ablauf des 30.06.2019 gesellschaftsrechtlich als Geschäftsführer abberufen wurde. Zwar heißt es dort wörtlich lediglich, dass der Kläger „als Senior Berater nach Beendigung seines Amtes als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft zum 01. Juli 2019 tätig werden“ wird, d.h. die Abberufung wurde nicht ausdrücklich formuliert. Dies ist jedoch darauf zurückzuführen, dass den Beteiligten – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat – gar nicht bewusst war, dass zwischen der arbeitsrechtlichen und der gesellschaftsrechtlichen Geschäftsführerstellung zu differenzieren ist. Da die Gesellschafterversammlung (d.h. der Kläger und Herr E als einzige Gesellschafter der GmbH) bei der Beschlussfassung am 15.04.2019 davon ausging, dass der Kläger die geschäftsführende Tätigkeit mit Beendigung des Anstellungsvertrags vollständig niederlegen wird, ist Nr. 7 des Gesellschafterbeschlusses vom 15.04.2019 als eine auf den 30.06.2019 terminierte Abberufung i.S.d. § 46 Nr. 5 i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 48 GmbHG auszulegen.
43e) Der Beschluss war wirksam. Insbesondere bedurfte es keiner notariellen Beurkundung, da der Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführerstellung nur allgemein (d.h. ohne namentliche Benennung) beschreibt und Veränderungen in der Person des Geschäftsführers infolgedessen nicht zu einer Veränderung der Satzung führten. Auch wurde der Beschluss dem abberufenen Geschäftsführer bekannt gegeben; denn schließlich hat der Kläger an der Beschlussfassung selbst mitgewirkt. Der Beschluss war damit sofort wirksam. In Kraft trat er wegen der enthaltenen Terminierung allerdings erst mit Ablauf des 30.06.2019, und zwar ohne dass es weiterer Handlungen oder Voraussetzungen bedurfte.
44Ob Herr E (als Altgesellschafter) bzw. Herr Dr. A (als Geschäftsführer der Neugesellschafterin) rechtsirrtümlich davon ausgegangen sind, dass der Kläger bis zu seiner Löschung im Handelsregister offiziell Geschäftsführer bleiben würde, ist unerheblich. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob Herr E / Herr Dr. A an den im Letter of Intent dargestellten Plänen später nicht länger festhalten wollten. Denn die bereits mit Beschluss vom 15.04.2019 wirksam beschlossene Abberufung des Klägers mit Wirkung zum 30.06.2019 hätte nur noch durch einen neuen Gesellschafterbeschluss verhindert werden können. Ein solcher Beschluss ist nach Aktenlage jedoch nicht ergangen.
45f) Dass der Kläger auch nach dem 30.06.2019 noch vereinzelt Schriftstücke als Geschäftsführer unterzeichnet hat, ist für den Ausgang des Klageverfahrens unerheblich. Soweit der Kläger noch „als Geschäftsführer“ gezeichnet hat, geschah dies als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Eine Veranlassung, die Nr. 7 des Gesellschaftsbeschlusses vom 15.04.2019 anders als unter II 2 d dargelegt auszulegen, sieht das Gericht nicht. Zwar kann der Umstand, ob die Geschäfte weiter geführt wurden, grundsätzlich ein Indiz dafür sein, ob - und falls ja auf welchen Zeitpunkt - eine wirksame Abberufung erfolgt ist. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist jedoch zu berücksichtigten, dass das Weiterhandeln seine Ursache auch schlichtweg darin haben kann, dass der abberufene (Allein)Geschäftsführer irrtümlich davon ausgegangen ist, wegen seiner noch nicht erfolgten Handelsregisterlöschung noch zu bestimmten Handlungen verpflichtet gewesen zu sein (vgl. VG München, Beschluss vom 07.05.2007 – M 10 S 06.4824, juris).
46So verhält es sich auch hier. Der Kläger hat nachweislich den Insolvenzantrag vom 18.11.2019 und die Vollständigkeitserklärung vom 09.03.2020 „als Geschäftsführer“ unterzeichnet. Er hat in der mündlichen Verhandlung jedoch ausführlich und in sich schlüssig dargelegt, dass er den Insolvenzantrag nur unterschrieben habe, weil ihm der Rechtsanwalt Dr. J im Auftrag von Dr. A gesagt habe, dass er die Unterschrift leisten müsse, weil er noch im Handelsregister als Geschäftsführer eingetragen sei. Das Gericht erachtet diesen Vortrag als glaubhaft. Herr Dr. J ist auch im hiesigen Klageverfahren als Bevollmächtigter des Dr. A aufgetreten (s. Schriftsatz des Dr. J vom 17.11.2022, Bl. 355 der Gerichtsakte, und Schreiben vom 25.02.2022, Bl. 96 der Gerichtsakte).
47Dafür, dass der Kläger nach dem 30.06.2019 noch weitere geschäftsführende Tätigkeiten ausgeübt hat, ist nach Aktenlage nichts ersichtlich. Entsprechende Nachweise liegen nicht vor. Selbst wenn der Kläger noch vereinzelt Schriftstücke unterzeichnet haben sollte, hat er dies nach der Überzeugung des Gerichts nur deshalb getan, weil er irrtümlich davon ausgegangen ist, hierzu wegen seiner noch bestehenden Handelsregistereintragung verpflichtet gewesen zu sein.
48Das Gericht ist bei Gesamtwürdigung aller Umstände vielmehr davon überzeugt, dass die Geschäftsleitung spätestens seit dem 01.07.2019 von Herrn Dr. A ausgeübt wurde (hierzu ausführlicher unter II Nr. 4), während sich der Kläger aus der GmbH zurückgezogen hat. Nach seinem Vortrag hat sich seine Tätigkeit nach dem 30.06.2019 darauf beschränkt, zwei bereits begonnene Mandate zu Ende zu führen. Die geplante Stelle als angestellter Senior Berater habe er wegen zwischenzeitlicher Diskrepanzen mit Herrn Dr. A - wie z.B. dem Umstand, dass er gegen seinen Willen schon ab Mai 2019 keine Akquise mehr habe machen dürfen - gar nicht erst angetreten.
49Für die Richtigkeit dieses Vortrags spricht u.a. die Aussage der im X-Stadt Büro als Assistentin angestellten Zeugin Q, wonach ihr die Herren E / Dr. A schon am 13./14.05.2019 während eines Besuchs in X-Stadt gesagt hätten, dass zukünftig Herr E alle Informationsgespräche zur Auftragsgewinnung führen solle. Die Zeugin brachte deutlich zum Ausdruck, dass sie über diese Regelung mehr als verwundert gewesen sei, weil der Kläger für Gespräche mit älteren Klienten ihres Erachtens deutlich besser geeignet gewesen sei. Herrn E sei es letztlich nicht gelungen, neue Aufträge zu gewinnen, weshalb die B GmbH zahlungsunfähig geworden sei. Zudem beweisen die von der Zeugin Q vorgelegten Unterlagen, dass der Kläger in die Vorgänge zu den Zahlungsschwierigkeiten der GmbH nicht einbezogen worden ist. Denn in den von ihr vorgelegten diesbezüglichen E-Mails wurde der Kläger – anders als Herr E und Dr. A – weder als Empfänger noch in cc aufgeführt.
50Die Aussage der Zeugin H spricht ebenfalls für die Richtigkeit des Vortrags des Klägers. Die am Standort W-Stadt beschäftigte Zeugin, die als Sekretärin tätig und u.a. für den Zahlungsverkehr zuständig war, hat bestätigt, dass Herr Dr. A sich Anfang Mai am W-Stadt Standort ein Büro eingerichtet habe und schon seit diesem Tag die Entscheidungen habe treffen wollen. Der Kläger sei zwar noch da gewesen, sei jedoch immer weniger eingebunden worden und habe nach dem Umzug des Büros nach Y-Stadt im September 2019 gar nicht mehr mitgewirkt. Seitdem habe sie Anweisungen nur noch von Herrn Dr. A bekommen.
51Soweit der Zeuge E mehrfach behauptet hat, dass die Geschäfte auch in dem Zeitraum vom 01.07.2019 bis zur Insolvenzeröffnung durch den Kläger (und zwar angeblich sogar ausschließlich durch den Kläger) geführt worden seien, glaubt ihm das Gericht nicht. Es handelte sich hierbei um sehr vage und rein pauschale Behauptungen, die – obwohl der Zeuge nach § 79 Abs. 1 Nr. 4 FGO aufgefordert worden war, die Beweisfrage betreffende Unterlagen zum Termin mitzubringen – durch keinerlei Unterlagen oder nachprüfbare Einzelheiten untermauert worden sind. Das Gericht kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Aussage des Zeugen E maßgeblich davon geprägt ist, dass er und der mit ihm befreundete Dr. A ebenfalls als potentielle Haftungsschuldner in Betracht kommen. Denn es ist auffällig, dass sich der Zeuge E an sämtliche Details, die für ihn oder Dr. A nachteilig sein könnten, angeblich nicht zu erinnern vermochte oder er diesbezügliche Fragen ausweichend beantwortete. So will der Zeuge E - was äußerst unwahrscheinlich erscheint - angeblich keine Kenntnis darüber haben, ob Dr. A geschäftsführende Handlungen ausgeführt hat, obwohl der Zeuge selbst in der B GmbH tätig war und mit Dr. A jeden Tag zusammengearbeitet hat. Dagegen, dass der Zeuge seine Aussage an der Wahrheit orientiert, spricht auch, dass er behauptet hat, dass sich an seiner eigenen Tätigkeit im Jahr 2019 nichts geändert habe und er insbesondere nicht den Aufgabenbereich „Informationsgespräche“ von dem Kläger übernommen habe. Letztere Aussage wird durch die Zeugin Q widerlegt, welche - wie bereits dargestellt - ausführlich und in sich schlüssig geschildert hat, dass sämtliche Informationsgespräche zu ihrer Verwunderung ab Mitte Mai 2019 nicht mehr durch den Kläger, sondern nur noch durch Herrn E durchgeführt werden durften. Die Aussage der Zeugin Q, die – anders als der Zeuge E – keinerlei erkennbares Interesse am Ausgang des Klageverfahrens hat, ist als deutlich glaubhafter einzustufen. Das Gleiche gilt für die Aussage der ebenfalls als glaubwürdig einzustufenden Zeugin H.
52II. Ob der Kläger bezogen auf die Steuerforderungen für den Monat Mai 2019 die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme erfüllt, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn die Haftungsvoraussetzungen vorliegen, ist der Haftungsbescheid wegen fehlerhafter Ermessensausübung zu Gänze aufzuheben. Denn in der Einspruchsentscheidung heißt es ausdrücklich, dass andere Personen als Haftungsschuldner nicht in Betracht kommen würden. Diese Ausübung des Auswahlermessens hält der gerichtlichen Überprüfung nicht stand, da Herr Dr. A und Herr E ebenfalls als Haftungsschuldner in Betracht kommen.
531) Der Gesellschafterbeschluss vom 15.04.2019 enthielt nicht nur die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer, sondern zugleich auch die Bestellung zweier neuer Geschäftsführer. Herr Dr. A wurde in Nr. 4 des Beschlusses mit Wirkung zum 01.05.2019 zum Geschäftsführer bestellt und Herr E in Nr. 5 des Beschlusses mit Wirkung zum 01.07.2019. Wie sich aus den unmissverständlichen Wortlauten der Nr. 4 und Nr. 5 ergibt, handelte sich hierbei nicht um bloße Absichtserklärungen, sondern um endgültige Beschlüsse, deren Inkrafttreten lediglich auf den 01.05.2019 bzw. 01.07.2019 terminiert war. Besondere Formerfordernisse für die Bestellung neuer Geschäftsführer gibt es ebenso wenig wie bei der Abberufung: insbesondere war aus den unter I Nr. 1, Nr. 2 e dargelegten Gründen weder eine notarielle Beurkundung erforderlich noch kommt es auf die Eintragung im Handelsregister an.
542) Vielmehr bedurfte es für das Wirksamwerden der Bestellung lediglich der Bekanntgabe des Beschlusses an den vorgesehenen Geschäftsführer und der - auch konkludent möglichen - Annahme des Amtes durch diesen. Im Streitfall wurden die Bestellungen noch am gleichen Tag (d.h. am 15.04.2019) durch die Herren Dr. A und E angenommen. In Bezug auf Herrn E ergibt sich sein Einverständnis mit der Bestellung als Geschäftsführer schon daraus, dass er an dem Gesellschafterbeschluss vom 15.04.2019 mitgewirkt hat; zudem hat der Zeuge E bestätigt, dass er an diesem Tag die Absicht gehabt habe, ab dem 01.07.2019 Geschäftsführer zu werden. Die Annahme des Amtes durch Dr. A ergibt sich konkludent aus dem Anteilsübertragungsvertrag vom 15.04.2019, dem der Gesellschafterbeschluss als Anlage 2 beilag, sowie aus dem Letter of Intent vom gleichen Tag. In dem Letter of Intent, der offensichtlich als erstes der drei Schriftstücke gefertigt wurde und auch von Dr. A unterschrieben wurde, heißt es ausdrücklich, dass dessen kurzfristige Bestellung als Geschäftsführer geplant sei. Die beabsichtigte Bestellung wurde zeitlich nachfolgend durch den Gesellschafterbeschluss sofort umgesetzt, welcher sodann – ebenso wie der Letter of Intent – dem Anteilsübertragungsvertrag beigefügt wurde und damit nachweislich auch Dr. A bekannt war. Dass Dr. A den Anteilsübertragungsvertrag in Kenntnis des Gesellschafterbeschlusses vom 15.04.2019 unterschrieben hat, kann im Lichte des Letter of Intent nur dahingehend verstanden werden, dass er mit seiner Bestellung als Geschäftsführer einverstanden war. Offensichtlich war dies sogar sein eigener ausdrücklicher Wunsch.
553) Die Neubestellungen waren mithin bereits am 15.04.2019 wirksam beschlossen und traten damit zu den im Gesellschafterbeschluss benannten Terminen in Kraft, ohne dass es weiterer Voraussetzungen oder Erklärungen bedurfte. Insbesondere ist es für das Inkrafttreten der Bestellung ohne Bedeutung, ob Herr E und/oder Dr. A ihre das Geschäftsführeramt betreffenden Meinungen in dem Zeitraum zwischen der Annahme des Amtes (d.h. dem 15.04.2019) und dem vorgesehenen Termin (01.05.2019 bzw. 01.07.2019) wieder geändert haben. Von Bedeutung wäre eine derartige Meinungsänderung nur, wenn Nr. 4 / Nr. 5 des Gesellschafterbeschluss vom 15.04.2019 durch einen weiteren Gesellschafterbeschluss negiert worden wären oder wenn zumindest eine wirksame einseitige Kündigung erfolgt wäre. Für beides ist nichts ersichtlich. Rein innere Vorbehalte des designierten Geschäftsführers, der seiner Bestellung bereits zugestimmt hat, reichen nicht aus.
564) Ungeachtet dessen hat zumindest Herr Dr. A sein Amt als Geschäftsführer nach Aktenlage zum 01.05.2019 auch tatsächlich angetreten. Die Zeugin H hat bestätigt, dass sich Dr. A schon Anfang Mai 2019 ein eigenes Büro eingerichtet habe und seitdem alle die B GmbH betreffenden Entscheidungen selbst habe treffen wollen. Hierzu gehörte - wie die Zeugin Q bestätigt hat - u.a. die Entscheidung, dass die Informationsgespräche nicht mehr durch den Kläger, sondern durch Herrn E durchgeführt werden sollten. Zudem hat Dr. A – wie die Zeuginnen Q und H übereinstimmend dargelegt haben – schon im Mai 2019 angeordnet, dass ihm ein wöchentlicher Management Report zuschickt werde. Auch hat Dr. A schon im Mai 2019 bei dem Besuch am X-Stadt Standort – wie die Zeugin Q glaubhaft geschildert hat – einem dortigen Mitarbeiter gekündigt und Mietvertragsverhandlungen mit einem Untermieter geführt. Wie sich aus den von der Zeugin Q vorgelegt E-Mails ergibt, war es zudem Dr. A, der die Entscheidung darüber traf, welche Verbindlichkeiten bezahlt werden sollten. Auch hat er allein die Entscheidung getroffen, den Steuerberater zu wechseln und den Standort der B GmbH von W-Stadt nach Y-Stadt zu verlegen. Der Mietvertrag für die neuen Geschäftsräume wurde – was der Zeuge E bestätigt hat – allein durch Dr. A unterschrieben. Frau H hat zudem bestätigt, dass sie spätestens nach dem Umzug allein noch von Dr. A Anweisungen erhalten habe. Damit steht nach Aktenlage außer Frage, dass Dr. A als Geschäftsführer agiert hat.
575) Inwiefern Herr E sein Amt als Geschäftsführer zum 01.07.2019 ebenfalls tatsächlich angetreten hat, ist für den Ausgang des Klageverfahrens ohne Bedeutung und bedarf deshalb keiner Entscheidung. Bekannt ist lediglich, dass Herr E nach Nr. 5 des Gesellschafterbeschlusses ausdrücklich als Geschäftsführer für den Bereich Vertrieb und Organisationsentwicklung zuständig sein sollte und es nach Aktenlage durchaus möglich erscheint, dass er diese Aufgabenbereiche auch tatsächlich übernommen hat. Auch war ein Teil der von der Zeugin Q vorgelegten E-Mails, in denen es um offene Gehaltsforderungen der Mitarbeiter und um andere Zahlungsschwierigkeiten ging, ausdrücklich an Herrn E gerichtet bzw. stammten von diesem, was ebenfalls auf eine geschäftsführende Stellung hindeuten könnte. Denkbar ist es jedoch auch, dass Herr E – in Unkenntnis seiner Geschäftsführerstellung – sich lediglich als leitenden Angestellten betrachtet hat und als solcher gehandelt hat. Hierfür könnte sprechen, dass die Zeugin H ausgesagt hat, dass sie sich gar nicht sicher sei, ob Herr E überhaupt berechtigt gewesen wäre, ihr (Zahlungs)Anweisungen zu geben. Wie sich ein etwaiger Irrtum des Herrn E über seine Geschäftsführerstellung auf seine Haftung für Steuerschulden der GmbH auswirkt – insbesondere im Rangverhältnis zur Haftung des Geschäftsführers Dr. A – ist nicht im vorliegenden Verfahren zu klären.
58B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.