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Der Bescheid über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2016 vom 19.02.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.01.2022 wird dahin abgeändert, dass der Gewerbesteuermessbetrag auf ... EUR herabgesetzt wird.
Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2016 vom 19.02.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.01.2022 wird dahin abgeändert, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust auf ... EUR festgestellt wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Streitig ist die Hinzurechnung einer Gewinnausschüttung bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für das Jahr 2016.
3Die Klägerin ist eine GmbH, die am 15.12.2015 mit einem Stammkapital von ... EUR gegründet wurde. Ihr alleiniger Gesellschafter ist A, der ebenfalls alleiniger Gesellschafter der im Jahr 1996 unter der Firma B GmbH gegründeten B GmbH, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Z-Stadt unter HRB 00000, war. Die Klägerin ist zudem Komplementärin der C GmbH & Co. KG, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Z-Stadt unter HRA 0000 (C KG), deren alleiniger Kommanditist wiederum A ist.
4Mit notarieller Urkunde vom 18.04.2016 (UR-Nr. 000/2016) beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin, das Stammkapital auf ... EUR durch Ausgabe eines neuen Geschäftsanteils im Nennbetrag von ... EUR zu erhöhen. Die auf den neuen Geschäftsanteil zu leistende Stammeinlage war nicht in Geld zu erbringen, sondern im Wege des Anteilstauschs dadurch zu leisten, dass A als Übernehmer des neuen Geschäftsanteils die von ihm gehaltene Beteiligung an der B GmbH in die Klägerin einbringt. Die Abtretung des Geschäftsanteils erfolgte mit sofortiger Wirkung. Die Anteile an der B GmbH wurden zuvor im Sonder-Betriebsvermögen des Herrn A bei der C KG bilanziert. Die eingebrachte Beteiligung wurde von der Klägerin mit dem Buchwert angesetzt und als sog. qualifizierter Anteilstausch im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) behandelt.
5Im September 2016 führte die Klägerin als nunmehrige Alleingesellschafterin der B GmbH eine Gewinnausschüttung in Höhe von ... EUR durch.
6Nach Abgabe der Gewerbesteuererklärung 2016 am 21.12.2017 wies das beklagte Finanzamt (FA) mit Schreiben vom 24.09.2018 darauf hin, dass es beabsichtige, von der Erklärung insoweit abzuweichen, als 95 % der Dividende dem Gewinn nach § 8 Nr. 5 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hinzuzurechnen seien, da die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG nicht erfüllt seien, und gab der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Schreiben blieb unbeantwortet.
7Mit Gewerbesteuermessbescheid 2016 vom 19.02.2019 ließ das FA bei der Berechnung des Gewerbeertrags die Gewinnausschüttung nach § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG, gekürzt um 5 % nach § 8b Abs. 5 KStG, zunächst außer Ansatz, rechnete die Dividende aber sodann zu 95 % (... EUR) nach Maßgabe des § 8 Nr. 5 GewStG wieder hinzu. Zur Begründung führte es aus, dass die Beteiligung nicht schon zu Beginn des streitgegenständlichen Erhebungszeitraums mindestens 15 % betragen habe und damit die Voraussetzungen des § 8 Nr. 5 i.V.m. § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG nicht erfüllt seien.
8Mit Schreiben vom 12.03.2019 und vom 20.03.2019 legte die Klägerin Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid sowie gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes ein. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Vorbesitzzeiten der Rechtsvorgängerin beim übernehmenden Rechtsträger anzurechnen seien. Das entgegenstehende Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16.04.2014 (I R 44/13, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2015, 303) betreffe einen nicht direkt vergleichbaren Sachverhalt, da der übernehmende Rechtsträger zu Beginn des Erhebungszeitraums noch kein gewerbesteuerliches Rechtssubjekt gewesen sei. Die Entscheidung sei zudem zum Rechtsstand 2009 ergangen. Zwischenzeitlich sei die Härtefallregelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG eingeführt worden, nach welcher der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt gelte. § 8b KStG sei über § 7 Satz 1 GewStG auch für die Gewerbesteuer maßgeblich. Die Klägerin beantragte zudem mit Schreiben vom 11.11.2019 für den Fall, dass seitens des FA an der geäußerten Rechtsauffassung festgehalten werde, von der Hinzurechnung im Gewerbesteuermessbescheid wegen sachlicher Unbilligkeit im Rahmen eines Billigkeitserlasses abzusehen.
9Mit Einspruchsentscheidung vom 28.01.2022 lehnte das FA die Einsprüche als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, dass für die Gewährung des sog. gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG eine zeitpunkt- und nicht eine zeitraumbezogene Betrachtungsweise erforderlich sei. Dies ergebe sich aus dem zitierten BFH-Urteil. Der Umstand, dass die damalige Klägerin tatsächlich nicht zu Beginn des Erhebungszeitraums habe beteiligt sein können, da sie später errichtet worden sei, sei nicht entscheidungserheblich gewesen. So sei hier auch unerheblich, ob die Beteiligung vorher zu einem Sonder-Betriebsvermögen bei einer anderen Personengesellschaft gehört habe. Die Begünstigung von im Laufe des Jahres erworbenen Schachtelbeteiligungen, wie in § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG vorgesehen, kenne das GewStG nicht. Die Voraussetzungen einer Schachtelbeteiligung seien daher für die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer getrennt zu prüfen und könnten – wie hier – zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
10Ebenso lehnte das FA den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung ab, da nicht das FA, sondern die Gemeinde für eine abweichende Steuerfestsetzung zuständig sei.
11Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt ergänzend vor: Der BFH habe zwar entschieden, dass das stichtagsbezogene Erfordernis des § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG nicht durch § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG ersetzt werde, da es insoweit auf einem Zeitpunkt und nicht auf einen Zeitraum ankomme. § 23 Abs. 1 UmwStG verweise aber neben § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG zugleich auf § 12 Abs. 3 1. Halbsatz UmwStG, der einen Eintritt „in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft“ anordne. Die Klägerin trete durch die Verweisung auf § 12 Abs. 3 UmwStG „in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft“ und damit auch in die Rechtsstellung als Beteiligter mit mindestens 15 % am Grund- oder Stammkapital zu Beginn des Erhebungszeitraums 2016 ein. Für dieses Ergebnis bedürfe es auch nicht einer ausweitenden Auslegung des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG. Nach der Interpretation des Beklagten entfalte die Norm keine Sperrwirkung für die Regelung der §§ 12 Abs. 3 und § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG, da die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG Ihrem Wortlaut nach nur anzuwenden wäre, soweit es für die Besteuerung auf eine Dauer der Zugehörigkeit ankäme, die aber gerade für § 9 Nr. 2a GewStG nicht von Bedeutung sei. Die Frage einer Spezialität der Regelung stelle sich daher mangels deren Anwendbarkeit nicht. Auch aus der historischen Entwicklung der Vorschrift des § 4 Abs. 2 UmwStG werde deutlich, dass die dortige Rechtsnachfolgeanordnung keineswegs stets als Einschränkung des grundsätzlichen Eintritts in die steuerliche Rechtsstellung eines übertragenden Rechtsträgers zu verstehen gewesen sei.
12Zudem sei eine Gewerbesteuerbelastung im Umwandlungsfall weder mit den Grundgedanken des Umwandlungssteuerrechts noch mit der Systematik des Gewerbesteuerrechts vereinbar. Die durch die Hinzurechnung der Dividenden einer Mehrheitsbeteiligung entstehende Doppelbelastung sei mit dem Zweck des Gesetzes nicht zu rechtfertigen und laufe dessen Wertungen zuwider.
13In der mündlichen Verhandlung am 24.11.2022 hat die Klägerin erklärt, dass Sie an dem ursprünglich gestellten Hilfsantrag betreffend die abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen nicht mehr festhalte.
14Die Klägerin beantragt nunmehr,
151. den Bescheid über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2016 vom 19.02.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.01.2022 dahin abzuändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag auf ... EUR herabgesetzt wird;
162. den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2016 vom 19.02.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.01.2022 dahin abzuändern, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust auf ... EUR festgestellt wird.
17Der Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Er verweist insoweit auf die Einspruchsbegründung und den bisherigen Schriftverkehr.
20Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.
21Entscheidungsgründe
22I. Die Klage ist begründet. Der Gewerbesteuermessbescheid 2016 und der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte hat dem Gewerbeertrag der Klägerin die Gewinnausschüttung zu Unrecht hinzugerechnet.
231. Nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bleiben von einer Kapitalgesellschaft bezogene Gewinnanteile (Dividenden) im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft außer Betracht. Dies gilt nach § 7 GewStG grundsätzlich auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags. Nach § 8 Nr. 5 GewStG sind dem nach § 7 GewStG ermittelten Gewinn aus Gewerbebetrieb die nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile wieder hinzuzurechnen, soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG erfüllen; nach § 8b Abs. 5 KStG unberücksichtigt bleibende Betriebsausgaben sind dabei in Abzug zu bringen. Nach § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG erfolgt wiederum eine Kürzung der Gewinnanteile, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens 15 % des Grund- oder Stammkapitals beträgt und die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns nach § 7 GewStG angesetzt worden sind. Das Erfordernis des Ansatzes bei der Gewinnermittlung ist dabei in der hiesigen Konstellation verzichtbar. § 8 Nr. 5 GewStG ist insoweit als Sonderregelung aufzufassen, die abstrakt auf die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG abstellt (vgl. hierzu nur BFH-Beschluss vom 09.11.2011 I B 62/11, BFH/NV 2012, 449).
24Entscheidungserheblich ist hier somit allein, ob die Beteiligung „zu Beginn des Erhebungszeitraums“ gegeben war. Es gilt für Zwecke des § 9 Nr. 2a GewStG das Stichtagsprinzip; auf spätere Veränderungen kommt es regelmäßig nicht an (BFH-Urteil vom 16.04.2014 I R 44/13, BStBl II 2015, 303; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 9 Nr. 2a Rn. 5; Gosch in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 9 GewStG Rn. 174 m.w.N.).
25Die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG sind im Streitfall erfüllt. Zwar war die Klägerin hier unstreitig tatsächlich nicht zu Beginn des Erhebungszeitraums, mithin zum 01.01.2016, beteiligt. Es erfolgt jedoch eine Zurechnung der Vorbesitzzeit nach den Vorschriften des UmwStG. Im Falle eines – hier gegebenen – qualifizierten Anteilstausches im Sinne des § 21 UmwStG gelten nach § 23 Abs. 1 UmwStG die Regelungen des § 4 Abs. 2 Satz 3 und § 12 Abs. 3 1. Halbsatz UmwStG entsprechend.
26a) Die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG führt für sich genommen nicht zu einer Zurechnung der Vorbesitzzeit. Ihr kommt jedoch auch keine Sperrwirkung für von ihrer Regelungsanordnung nicht erfasste Fälle zu.
27aa) Nach dieser Vorschrift ist der Zeitraum der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen der übertragenden Körperschaft dem übernehmenden Rechtsträger anzurechnen, wenn die Dauer der Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen für die Besteuerung bedeutsam ist. Die Voraussetzung in § 9 Nr. 2a GewStG, dass die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums, mithin zu einem bestimmten Zeitpunkt, vorgelegen hat, ist nicht als „Dauer“ im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG zu verstehen.
28Maßgeblich für das Beteiligungserfordernis ist der Beginn des Erhebungszeitraums, mithin ein Zeitpunkt, und nicht, wie etwa in § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG vorgesehen, ein Zeitraum. Ein Zeitpunkterfordernis – wie das des § 9 Nr. 2a GewStG – wird mithin von der Regelung nicht erfasst (BFH-Urteil vom 16.04.2014 I R 44/13, BStBl II 2015, 303; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, § 9 Nr. 2a Rn. 5; Gosch in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 9 GewStG Rn. 175 m.w.N.).
29Eine andere in der Literatur teilweise vertretene Auslegung der Vorschrift dergestalt, dass von dem Begriff „Dauer“ immer auch ein Zeitpunkt erfasst sei, da ein Zeitpunkt definitorisch immer auch eine (sehr kurze) Zeitspanne umfasse (Mattern, DStR 2014, 2376, 2377) und somit ein „tatbestandliches Weniger“ sei (Seer/Krumm, FR 2010, 677, 681), überzeugt nicht und ist mit dem Wortlaut, der insoweit die Auslegungsgrenze darstellt (vgl. Looschelders in Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB, 4. Aufl. 2021, Anh. § 133 BGB Rn. 12), nicht zu vereinbaren. Bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch wird ersichtlich, dass ein Zeitpunkt etwas anderes ist als ein Zeitraum. Der bloße Umstand, dass ein Zeitraum naturgemäß aus (unendlich vielen) Zeitpunkten besteht, ändert nichts daran, dass allein ein Zeitraum eine genaue Zeitspanne umfasst und sich somit nur für diesen eine exakte „Dauer“ bestimmen lässt. Gerade auf diese Dauer stellt die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG allerdings ab.
30bb) Ist § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG seinem Wortlaut nach von vornherein nicht einschlägig, entfällt jedoch insoweit die Wirkkraft der Vorschrift (so auch BFH-Urteil vom 16.04.2014 I R 44/13, BStBl II 2015, 303). Eine darüber hinausgehende Wirkkraft der Vorschrift dergestalt, dass ihr eine Sperrwirkung für von ihrem Wortlaut nicht erfasste Konstellationen zukommt, wie es der BFH in seinem vorgenannten Urteil vertritt, lässt sich der Vorschrift nach Auffassung des Senats jedoch nicht entnehmen. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG trifft eine Regelung zu den Fällen, in denen die Dauer der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen für die Besteuerung bedeutsam ist. Keine Aussage trifft die Vorschrift zu den Konstellationen, in denen ein anderer Anknüpfungspunkt für die Besteuerung relevant ist, mithin wie hier für Zwecke des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2a GewStG ein bestimmter Zeitpunkt der Zugehörigkeit. Anders wäre dies etwa, wenn aus dem Wortlaut ersichtlich wäre, dass ausschließlich die Dauer der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes angerechnet werden und eine Anrechnung bei anderen relevanten Kriterien gerade nicht erfolgen soll. Dies lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift jedoch ebenso nicht entnehmen.
31cc) Ist die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG nicht einschlägig, sind somit die anderen Regelungen in den Blick zu nehmen. § 23 Abs. 1 UmwStG ordnet ebenso die entsprechende Geltung des § 12 Abs. 3 1. Halbsatz UmwStG an. Nach dieser Vorschrift tritt die übernehmende Körperschaft in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. Die als Generalklausel konzipierte Regelung (Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 12 Rn. 275) führt somit zu einem umfassenden Eintritt in die steuerliche Rechtsstellung. Der Eintritt in die Rechtsstellung umfasst alle Attribute, die von steuerlicher Bedeutung sind. Dies umfasst auch – die hier für das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg relevanten – Zeitpunkte, zu denen eine Schachtelbeteiligung bestand. Teil des Eintritts in die steuerliche Rechtsstellung des Einbringenden nach § 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 1. Halbsatz UmwStG kann damit auch die Anrechnung eines Besitzzeitpunktes sein.
32dd) Zu keinem anderen Ergebnis führt auch der Umstand, dass in § 23 Abs. 1 UmwStG sowohl die entsprechende Geltung des § 12 Abs. 3 1. Halbsatz UmwStG als auch des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG angeordnet wird. Der Senat schließt sich nicht der Auffassung des BFH an, nach der § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG als lex specialis zur grundsätzlichen Anordnung des Eintritts in die steuerliche Rechtsstellung nach § 12 Abs. 3 1. Halbsatz UmwStG anzusehen ist und der Vorschrift damit Vorrang gegenüber der Regelung des § 12 Abs. 3 1. Halbsatz UmwStG zukommt (BFH-Urteil vom 16.04.2014 I R 44/13, BStBl II 2015, 303, Rn. 11)
33Der Auffassung kann zunächst entgegen gehalten werden, dass in den Fällen, in denen der Anwendungsbereich der (speziellen) Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG von vornherein nicht eröffnet ist, die Vorschrift zumindest für diese Fälle auch nicht als lex specialis die Generalklausel ausschließen kann (so auch Lenz/Adrian, DB 2014, 2670, 2671). Überdies ergibt sich aber nach Auffassung des Senats aus der parallelen Verweisung in § 23 Abs. 1 UmwStG auf § 12 Abs. 3 1. Halbsatz UmwStG und § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG auch kein Vorrangverhältnis in der angeordneten entsprechenden Anwendung der Vorschriften. Ein solches Vorrangverhältnis setzte zunächst voraus, dass es divergierende Regelungsanordnungen gäbe, die potentiell in einem Konflikt zueinander stünden, den es dann wiederum durch das Vorrangverhältnis aufzulösen gölte. Solche divergierenden Regelungsanordnungen bestehen hier jedoch gerade nicht. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG spricht lediglich davon, dass der Zeitraum der „Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen der übertragenden Körperschaft dem übernehmenden Rechtsträger anzurechnen“ sei. Keine andere Aussage trifft im Ergebnis § 12 Abs. 3 1. Halbsatz UmwStG mit der (allgemeinen) Anordnung des Eintritts in die steuerliche Rechtsnachfolge. Die Regelungsanordnung der beiden Vorschriften ist damit gleichgerichtet, sie zielen beide auf den Eintritt in die steuerliche Rechtsstellung. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG stellt damit gerade keine Einschränkung der umfassenden Anordnung des § 12 Abs. 3 1. Halbsatz UmwStG dar, sondern spezifiziert – für einen definierten Anwendungsbereich – den allgemeinen Grundsatz (ähnlich auch Weiss/Brühl, Ubg 2018, 22, 26, „redundante, deklaratorische Wiederholung eines allgemeinen Grundsatzes“).
34Für diese Sichtweise spricht auch die historische Entwicklung der §§ 4 und 23 UmwStG. So war in § 4 Abs. 2 UmwStG 1995 ein abschließender Katalog von steuerlichen Attributen genannt, in die nach § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995 ein Eintritt der übernehmenden Personengesellschaft erfolgen sollte. Vor diesem Hintergrund stellte § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995 (mit inhaltlich identischem Wortlaut zur heutigen Vorschrift) eine Erweiterung und gerade keine Einschränkung der Anordnung in § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995 dar. Eingeführt wurde die Generalklausel des § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG durch das Gesetz zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999, Bundesgesetzblatt I 1999 S. 2601). Die bisher geregelten Einzelfälle wurden als Beispiele („insbesondere“) im Gesetz belassen, auch die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG blieb unverändert. Auch die Gesetzesbegründung zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 führt zu § 4 Abs. 2 UmwStG aus, dass eine abschließende Aufzählung der fortzuführenden Besteuerungsmerkmale nicht möglich sei (Bundestags-Drucksache 14/1655, S. 13). § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG ist damit nicht als einschränkende Spezialregelung, sondern als Unterfall der Generalklausel des § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ausgestaltet (so auch Lenz/Adrian, DB 2014, 2670, 2671).
35Nichts anderes ergibt sich auch aus der Entwicklung des Verweises in § 23 Abs. 1 UmwStG. Dieser war im UmwStG 1995 durch § 22 Abs. 1 UmwStG 1995 aufgenommen, der auf § 4 Abs. 2 Satz 3 und § 12 Abs. 3 UmwStG 1995 verwies. Auch in § 12 Abs. 3 UmwStG 1995 wurde zunächst in Satz 1 ein nur begrenzter Eintritt in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft angeordnet. Der weitere Verweis auf § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1995 stellte sich damit ebenfalls als Ergänzung und nicht als Einschränkung dieser Anordnung dar. Der Verweis wurde in dieser Form bei allen Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes seither bis heute beibehalten (Weiss/Brühl, Ubg 2018, 22, 27 m.w.N. zur Historie), so auch bei der Anordnung des umfassenden Eintritts in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft in § 12 Abs. 3 UmwStG durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999.
36Mangels eines Vorrangverhältnisses des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG kommt der Vorschrift mithin keine Sperrwirkung zu. Sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG nicht erfüllt, gilt damit über § 23 Abs. 1 UmwStG die Vorschrift des § 12 Abs. 3 1. Halbsatz UmwStG. Diese sieht den umfassenden Eintritt in die steuerliche Rechtsstellung vor, was die Anrechnung von Besitzzeitpunkten einschließt.
372. Damit sind nach § 9 Nr. 2a GewStG die Gewinnanteile nicht dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen. Mit dieser Maßgabe beträgt der Gewerbesteuermessbetrag ... EUR und der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31.12.2016 ... EUR.
38II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
39III. Die Revision war zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) zuzulassen.