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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung mit dem Abgeltungssteuersatz des § 32 d des Einkommensteuergesetzes – EStG – zu besteuern sind.
3Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In den Streitjahren 2017 und 2018 erzielten sie u.a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
4Nach Abgabe der Einkommensteuerklärungen 2017 und 2018 setzte der Beklagte die Steuer jeweils auf ... € (2017) und ... € (2018) fest. Er unterwarf dabei die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dem Einkommensteuertarif des § 32 a EStG.
5Dagegen haben die Kläger Einspruch eingelegt mit dem Begehren, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wie Kapitaleinkünfte zu behandeln und den Abgeltungssteuersatz des § 32 d EStG anzuwenden.
6Der Beklagte wies den Einspruch zurück, weil die Steuerfestsetzung nach seiner Ansicht den gültigen gesetzlichen Bestimmungen entsprach.
7Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Zur Begründung führen sie aus, dass sie sich erneut – wie dem Senat aus dem Verfahren 11 K 416/18 E bekannt sei - gegen die Versteuerung der Mieteinkünfte wendeten, die mit dem normalen Steuersatz und damit höher versteuert würden, als Kapitaleinkünfte, die nach § 32 d EStG einem niedrigen Steuersatz unterlägen. Durch die unterschiedliche Besteuerung seien sie beschwert. Mit den angegriffenen Bescheiden seien ihre positiven Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung für das Jahr 2017 von zusammen ... € und für das Jahr 2018 von zusammen ... € mit dem normalen Steuersatz versteuert worden. Bei Anwendung des § 32 d EStG hätten sie für diese Mieteinnahmen bei einem Steuersatz von 25 % jedoch für 2017 nur ... € und für 2018 nur ... € auf den Differenzbetrag zur Einkommensteuer gezahlt.
8Die Kläger beantragen,
9die Einkommensteuerbescheide vom 15.04.2019 für das Jahr 2017 und vom 09.03.2020 für das Jahr 2018 insoweit aufzuheben, als die positiven Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ... € für das Jahr 2017 und in Höhe von ... € für das Jahr 2018 dem regulären Steuersatz unterworden worden sind und den Beklagten zu verpflichten, eine Neuberechnung nach dem Abgeltungssteuersatz des § 32 d EStG durchzuführen.
10Der Beklagte, der an seiner Ansicht festhält, beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Steuerakten des Beklagten Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
14Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung dem Abgeltungssteuersatz des § 32 d EStG zu unterwerfen.
15Ihr Begehren scheitert bereits an dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, wonach ausschließlich Einkünfte aus Kapitalvermögen dem gesonderten Steuertarif unterliegen.
16Eine wortlautübergreifende Anwendung dieser Norm kommt nicht in Betracht. Es fehlt schon an den Voraussetzungen einer analogen Anwendung. Die hierfür erforderliche planwidrige Lücke ist nicht gegeben. Der Gesetzgeber hat für die sechs anderen Einkunftsarten des § 2 Abs. 2 Satz 1 EStG eine abweichende Besteuerung bestimmt. Sie folgt aus §§ 2 Abs. 5, 32 a EStG, die die Anwendung der tariflichen Einkommensteuer vorsehen. Lediglich die Kapitalerträge sind nach §§ 2 Abs. 5 b, 32 d EStG hiervon ausgenommen. Eine anderweitige Wertung würde infolgedessen dem eindeutigen, im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen.
17Auch eine abweichende Steuerfestsetzung gemäß § 163 der Abgabenordnung – AO – wegen sachlicher Unbilligkeit ist ausgeschlossen. Denn die Besteuerung der klägerischen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung führt nicht – wie erforderlich – zu einem vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollten Ergebnis.
18Die unterschiedlichen Tarife für die Einkünfte aus Kapitalvermögen und die übrigen Einkunftsarten verletzen die Kläger auch ansonsten nicht in ihren Rechten. Insbesondere verstößt die streitbefangene Besteuerung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG –.
19Es ist bereits zweifelhaft, ob die Kläger durch die unterschiedlichen Tarife überhaupt benachteiligt werden. Eine „Gleichbehandlung“ der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit den Einkünften aus Kapitalvermögen erschöpft sich nicht in einer Anwendung des Abgeltungssteuersatzes von 25 % nach § 32 d EStG, denn diese Regelung wird ergänzt durch den Ausschluss des Werbungskostenabzugs und den stattdessen vorzunehmenden Abzug des maximalen Sparer-Pauschbetrages von 1.602 € für beide Ehegatten (§ 20 Abs. 9 EStG). Im Streitfall wären demnach entgegen der Berechnung der Kläger für 2017 nicht um Werbungskosten bereinigte Einkünfte von ... €, sondern Einkünfte von ... € (Einnahmen von ... abzgl. Pauschbetrag von 1.602 €) mit einer Steuer von 25 % = ... € und für 2018 nicht um Werbungskosten bereinigte Einkünfte von ... €, sondern Einkünfte von ... € (Einnahmen von ... € abzgl. Pauschbetrag von 1.602 €) mit einer Steuer von 25 % = ... € zu belegen gewesen. Tatsächlich betrug die insgesamt festgesetzte Einkommensteuer 2017 laut dem angefochtenen Bescheid vom 15.04.2019 aber insgesamt nur ... € und die festgesetzte Einkommensteuer 2018 laut dem angefochtenen Bescheid vom 09.03.2020 insgesamt nur ... €.
20Einer solchen Berechnung kann nicht entgegengehalten werden, dass es Werbungskosten im Bereich der Kapitaleinkünfte nicht gebe, so dass dort eine Bruttobesteuerung im Gegensatz zu den Vermietungseinkünften zu rechtfertigen sei. Zum einen kann auch ein Kapitalanleger seine Anlage fremdfinanzieren, die anfallenden Schuldzinsen jedoch nicht als Werbungskosten absetzen. Zum anderen verdeutlicht ein solcher Einwand, dass es sich hier offensichtlich nicht um Einkommenstatbestände handelt, die ohne weiteres miteinander zu vergleichen sind.
21Ungeachtet dessen ist die anderweitige Besteuerung der Kapitaleinkünfte aber auch verfassungsgemäß, da sie aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.
22Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Er muss wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich behandeln. Der Gleichheitssatz gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem die Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird, ohne dass sich ausreichende Gründe für die Differenzierung finden lassen.
23Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer engen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG liegt vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe unterschiedlich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen.
24Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleich hoher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen sein muss. Dabei muss eine gesetzliche Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne von Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung gesetzlicher Belastungsentscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht – BVerfG – in seiner bisherigen Rechtsprechung vor allem außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse anerkannt, nicht jedoch den rein fiskalischen Zweck der Einnahmeerhöhung (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 21.06.2006 – 2 BvL 2/99 – Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – BVerfGE – 116, 164 ff. und Beschluss vom 06.07.2010 – 2 BvL 13/09 – BVerfGE 126, 268 ff.).
25Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend widergibt. Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. Der Gesetzgeber darf sich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderreglungen Rechnung zu tragen (BVerfG, BVerfGE 126, 268 ff.).
26Der Gesetzgeber hat ab dem Veranlagungszeitraum 2009 mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 in Deutschland eine Abgeltungsteuer mit einem gesonderten, linearen Tarif von 25 % auf Kapitaleinkünfte eingeführt. Dem Einkommensteuerrecht lag bis dahin das Prinzip der gleichmäßigen und einheitlichen Erfassung aller Einkünfte zugrunde. Einkünfte aus Kapitalvermögen werden nunmehr nach anderen Regeln besteuert. Das bislang geltende Nettoprinzip ist für diese Einkunftsart aufgegeben worden, indem der Werbungskostenabzug versagt und der lediglich durch den Sparer-Pauschbetrag reduzierte Bruttobetrag der Besteuerung zugrunde gelegt wird.
27In der Gesetzesbegründung wird zum Hintergrund der Einführung der Abgeltungssteuer ausgeführt, der Gesetzgeber wolle – im Hinblick auf die guten Erfahrungen mit einer Abgeltungssteuer in anderen Ländern der Europäischen Union – mit der Reform den Transfer von Kapitalvermögen der privaten Haushalte ins Ausland eindämmen bzw. verhindern, um so das Steueraufkommen aus Kapitaleinkünften mittelfristig zu erhöhen. Dies sollte durch einen international attraktiven Steuersatz und unter Wahrung der Anonymität der Anleger erreicht werden. Damit wollte er eine moderne Besteuerung der privaten Kapitaleinkommen einführen. Zugleich sollten durch die Besteuerung an der Quelle die Steuerhinterziehung erheblich reduziert werden, Vollzugshindernisse beseitigt und mehr Steuergerechtigkeit erreicht werden. Schließlich sollte durch die abgeltende Wirkung des Kapitalertragsteuerabzugs die Besteuerung von Kapitaleinkünften erheblich vereinfacht, die Beteiligten entlastet werden und durch die Systemumstellung eine erhöhte Akzeptanz der Besteuerung erreicht werden (Bundestags-Drucksache 16/4841, 33 ff. 35; Bundestags-Drucksache 16/4714).
28Eine Aufnahme der Einkünfte in die Steuererklärung ist nicht mehr erforderlich, soweit der Steuerabzug an der Quelle vorgenommen wurde. In der Gesetzesbegründung ist ausgeführt, durch den Sparer-Pauschbetrag werde sowohl eine Typisierung hinsichtlich der Höhe der Werbungskosten in den unteren Einkommensgruppen vorgenommen, als auch berücksichtigt, dass mit einem relativ niedrigen Proportionalsteuersatz von 25 % die Werbungskosten in den oberen Einkommensgruppen mit abgegolten werden (Bundestags-Drucksache 16/4841, Seite 57).
29In Anbetracht dieser Maßstäbe und Umstände ist die anderweitige tarifliche Behandlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen gegenüber den sechs weiteren Einkunftsarten gerechtfertigt. Das BVerfG hat es bei der Einkunftsart „Kapitalvermögen“ für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten, die Geldwertabhängigkeit und damit die gesteigerte Inflationsanfälligkeit dieser Einkunftsart zu berücksichtigen. Dabei könne die Kapitalbildung als Quelle der Altersversorgung oder als sonstige existenzsichernde Versorgungsgrundlage gewürdigt werden. Es bliebe aber auch im Rahmen des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums, wenn der Gesetzgeber die ihrer Natur nach nicht einer bestimmten Person zugeordnete und geographisch nicht gebundene Erwerbsgrundlage „Finanzkapital“ dadurch erfasse, dass er die Kapitaleinkünfte an der Quelle besteuere und mit einer Definitivsteuer belaste, die in einem linearen Satz den absetzbaren Aufwand und den Progressionssatz in Durchschnittswerten typisiere (BVerfG, Urteil vom 27.06.1991 – 2 BvR 1493/89 – BVerfGE 84, 239 ff; so in anderem Zusammenhang auch der BFH in seinem Urteil vom 29.04.2014 – VIII R 9/13 – Bundessteuerblatt II 2014, 986).
30Diese verfassungsrechtliche zulässige Form der Besteuerung von Kapitalerträgen ist mit der Abgeltungssteuer umgesetzt worden. Sie soll durch den Abzug an der Quelle den einheitlichen, effizienten und gleichheitsgerechten Vollzug sicherstellen, die Möglichkeit der Steuerverkürzung einschränken und vor allem auch der Vereinfachung des Verfahrens durch Wegfall der Deklarationspflicht dienen. Sie ist – wie das Finanzgericht Nürnberg in seiner Entscheidung vom 07.03.2012 – 3 K 1045/11 – Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG 2012, 1054 zutreffend ausgeführt hat – ein wirksames Instrument, die Komplexität des Steuerrechts zu reduzieren und damit ein akzeptabler Kompromiss zwischen Vereinfachung auf der einen und materieller Einzelfallgerechtigkeit auf der anderen Seite.
31Aber selbst wenn die Würdigung ergäbe, dass die anderweitige Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und damit der Abgeltungssteuersatz wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig wären, so führte dies nicht dazu, dass die Kläger einen Anspruch auf Anwendung der verfassungswidrigen Regelung auf ihr Steuerschuldverhältnis hätten. Denn eine etwaige Verfassungswidrigkeit des § 32 d Abs. 1 EStG könnte die von den Klägern erstrebte Besteuerung ihrer Vermietungseinkünfte mit einem Steuersatz von 25 % nicht begründen (BFH, Beschluss vom 07.04.2020 – VIII B 171/19 – a. E.).
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.