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1. Der Gewerbesteuermessbescheid 2014 wird mit der Maßgabe geändert, dass der Gewerbeertrag vor Verlustabzug 65.047 Euro beträgt.
2. Der Gewerbesteuermessbetrag 2015 wird auf 0,00 Euro herabgesetzt. Der Gewerbeertrag vor Verlustabzug beträgt 58.613 Euro.
3. Der Gewerbesteuermessbetrag 2016 wird auf 0,00 Euro herabgesetzt. Der Gewerbeertrag vor Verlustabzug beträgt 68.174 Euro.
4. Der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31.12.2014 wird auf 11.467.592 Euro festgestellt.
5. Der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31.12.2015 wird auf 11.408.979 Euro festgestellt.
6. Der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31.12.2016 wird auf 11.340.805 Euro festgestellt.
7. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
8. Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
9. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
10. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Klägerin, eine Genossenschaft, wendet sich mit ihrer am 27.9.2019 erhobenen Klage gegen die Gewerbesteuermessbescheide für 2014 bis 2016 vom 19.2.2019 und gegen die gesonderten Feststellungen der vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31.12.2014 bis 31.12.2016 ebenfalls vom 19.2.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.9.2019.
3Streitig ist, ob die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages der Klägerin gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) vorzunehmen ist.
4Die Klägerin war in den Streitjahren ausschließlich mit der Vermietung von Grundstücken befasst. Sie hatte deshalb Anträge auf die Kürzung ihres Gewerbeertrages nach° § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gestellt. Die Klägerin vermietete neben Wohnungen auch gewerblich genutzte Flächen. Eine ihrer gewerblichen Mieter, die Kauffrau B, hatte seit dem 16.6.2012 von der Klägerin Räume gemietet (Objekt C), in denen sie ihr Gewerbe [...] betrieb. Mit dem Gewerbe erzielte die Mieterin Gewinne unter dem gewerbesteuerlichen Freibetrag (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG). Im Jahre 2014 trat sie an die Klägerin mit dem Wunsch heran, eine Wohnung für sich zu mieten. Sie wurde darauf verwiesen, dass die Klägerin nach ihrer Satzung Wohnungen „in erster Linie“ an Genossenschaftsmitglieder vermiete. Daraufhin erwarb sie am 22.12.2014 (Datum der Zustimmung zur Beitrittserklärung) eine Geschäftsanteil 1.000 Euro, woraufhin ihr beginnend am 1.1.2015 eine Wohnung auf dem Grundstück D überlassen wurde. Es handelte sich für die Klägerin um einen Einzelfall, in dem ein gewerblicher Mieter zugleich als Genosse an ihr beteiligt war.
5Die Klägerin hatte am 31.12.2016 [...] Mitglieder und in den Jahren davor ähnlich viele Mitglieder. Der Anteil der Mieterin B an der Genossenschaft, beruhend auf ihrer für 1.000 Euro erworbenen Mitgliedschaft, betrug 0,0168 % (31.12.2016).
6Nach einer Betriebsprüfung für die Streitjahre (Prüfungsbericht vom 10.12.2018, dort Tz. 2.7) wurden die angefochtenen Änderungsbescheide erlassen. Der Beklagte vertrat im Anschluss an die Betriebsprüfung, u.a. mit Verweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7.4.2005 IV R 34/03, Bundessteuerblatt (BStBl) II 2005, 576, die Auffassung, dass auch ein sog. Zwergenanteil wie im Fall der Mieterin B für die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG im Sinne von § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG schädlich sei. Insbesondere das gesetzliche Merkmal des „Dienens“ des Grundbesitzes für Zwecke des Gewerbebetriebes einer Genossin sei objektiv erfüllt worden.
7Die Klägerin wendet ein,
8dass der Genossenschaftsanteil der B allein mit der Wohnungsüberlassung in einem Zusammenhang gestanden habe. Eine Verweigerung der Mitgliedschaft wie anschließend auch der Vermietung zur Vermeidung etwaiger gewerbesteuerlicher Nachteile sei wegen des Diskriminierungsverbots nicht möglich gewesen (Hinweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG). Der Genossenschaftsanteil habe in keiner Weise dem Gewerbe gedient und sei deshalb auch nicht als Betriebsvermögen desselben behandelt worden. Als Genossin sei die Mieterin auch keine Mitunternehmerin gewesen. Außerdem sei ihre Beteiligung derartig geringfügig, dass jegliche Einflussnahme auf den Betrieb der Klägerin ausgeschlossen gewesen sei. Es habe sich um eine einflusslose „Mini-Beteiligung“ gehandelt. Überdies sei das Gewerbe ein Kleingewerbe gewesen, bei dem keine Gewerbesteuer angefallen sei, so dass der Sinn und Zweck der Einschränkung gem. °§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG nicht gegeben sei.
9Die Klägerin beantragt,
101. den Gewerbesteuermessbetrag 2014 auf 0,00 Euro festzusetzen,
112. den Gewerbesteuermessbetrag 2015 auf 0,00 Euro herabzusetzen,
123. den Gewerbesteuermessbetrag 2016 auf 0,00 Euro herabzusetzen,
134. den vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31.12.2014 auf 11.467.592 Euro festzusetzen,
145. den vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31.12.2015 auf 11.408.979 Euro festzusetzen,
156. den vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31.12.2016 auf 11.340.805 Euro festzusetzen,
167. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
178. die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären,
18hilfsweise, die Revision zuzulassen.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen,
21hilfsweise, die Revision zuzulassen.
22Im Klageverfahren hält der Beklagte an seiner Auffassung fest,
23dass die beantragte Kürzung (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG) ausgeschlossen sei. Die Zugehörigkeit des Genossenschaftsanteils zum Betriebsvermögen sei irrelevant, denn nicht der Genossenschaftsanteil habe dem Gewerbebetrieb zu dienen, sondern der durch den Gewerbebetrieb genutzte Grundbesitz.
24Auch eine teleologische Reduktion des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG komme nicht in Betracht. Diese sei allenfalls dann möglich, wenn der den Grundbesitz nutzende Gewerbebetrieb des Beteiligten von der Gewerbesteuer befreit sei. Der Beklagte verweist hierzu auf das BFH-Urteil vom 26.6.2007 IV R 9/05, BStBl II 2007, 893, Rz. 30 f. Der Betrieb [... der B] sei jedoch nicht i.S.v. § 3 GewStG von der Steuer befreit. Auf die tatsächliche Belastung eines nicht steuerbefreiten Betriebes mit Gewerbesteuer komme es nicht an.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
26Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht die Kürzung des Gewerbeertrages der Klägerin gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG abgelehnt.
271. Die Klägerin hat in den Streitjahren 2014 bis 2016 ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwaltet und genutzt oder daneben Wohnungsbauten betreut oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung, errichtet und veräußert (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG). Damit erfüllte sie die Voraussetzungen für eine antragsgemäße Kürzung ihrer Gewerbeerträge um die Teile, die auf die Verwaltung und die Nutzung ihres eigenen Grundbesitzes entfielen.
282. Der Grundbesitz der Klägerin diente allerdings zu einem Teil dem Gewerbebetrieb einer Genossin (§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG). Dies schließt grundsätzlich die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG aus. Seit ihrem Beitritt als Genossin Ende 2014 dienten, entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift, die für ihr Ladenlokal gemieteten Flächen auf dem Grundstück C wie bereits zuvor ihrem Gewerbebetrieb, jetzt aber objektiv (auch) in ihrer Eigenschaft als Genossin.
29Ihrem Wortlaut nach knüpft die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG [...] ihrem Wortlaut nach allein an den objektiv verwirklichten Tatbestand an. Auf die Entstehungsgeschichte dieses mit dem Beitritt als Genossin bewirkten Zusammenhanges kommt es nach dieser Norm ebensowenig an wie auf die subjektiven Aspekte seitens der Klägerin und/oder der Mieterin. Der Senat vermag insoweit nicht der Klägerin zu folgen, wonach die Erwägungen des BFH im Urteil vom 2.12.2004 III R 77/03, BStBl II 2005, 340, die dort im Zusammenhang mit der Beurteilung der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung angestellt wurden, von Bedeutung für die hier zu entscheidende gewerbesteuerliche Frage seien. Der BFH hatte als maßgebend angesehen, ob die Vermietung an die Betriebs-GmbH durch die betrieblichen Interessen veranlasst war oder die Erzielung möglichst hoher Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezweckt war.
30Ebenso ist ohne Bedeutung, ob der Genossenschaftsanteil als Betriebsvermögen des Gewerbes zu qualifizieren war. Ein „Dienen“ ist unabhängig davon vielmehr dann anzunehmen, wenn das Grundstück Betriebsvermögen des Gesellschafters wäre, wenn keine Gesellschaft „zwischengeschaltet“ wäre (vgl. BFH Urteile vom 17.1.2006 VIII R 60/02, BStBl II 2006, 434, und vom 26.10.1995 IV R 35/94, BStBl II 1996, 76). Dies trifft hier zu. Danach wäre die Kürzung des Gewerbeertrages in dem von der Klägerin begehrten Umfang nicht möglich.
313. Die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG bedarf jedoch im Falle der Klägerin einer Einschränkung, da ihre, Teile des Grundbesitzes nutzende Gesellschafterin B, zu weniger als 1 % an ihr beteiligt war, diese Beteiligung von geringer Bedeutung war und B selbst keiner Gewerbesteuerbelastung ausgesetzt war.
32a) Denn die Höhe der Beteiligung der Genossin war sowohl der relativen Größe wie auch der Bedeutung nach so gering, dass nicht einmal mehr von einem sog. Zwergenanteil gesprochen werden kann. Der Erwerb des Genossenschaftsanteils führte zu einer Beteiligung der Genossin von weit unter einem Prozent. Auch der Umfang des von ihr genutzten Grundbesitzes war sowohl der Größe wie der Bedeutung nach gemessen an dem gesamten Grundbesitz der Klägerin minimal. Zudem besteht keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin systematisch in gleicher Weise in anderen Fällen ähnlich verfahren ist. Vielmehr handelte es sich um den einzigen Fall, in dem eine Genossin -eher zufällig- zugleich gewerbliche Mieterin war. Ausgehend von dem Gesetzeszweck wäre in diesem Fall ein Ausschluss von der Begünstigung unverhältnismäßig und daher unangemessen.
33b) Eine Einschränkung der Reichweite der Norm schließt der Gesetzeswortlaut auch von vornherein nicht aus. In Satz 2 der Norm hat der Gesetzgeber ausdrücklich ein Ausschließlichkeitskriterium formuliert (vgl. BFH-Urteile vom 11.4.2019 III R 36/15, BStBl II 2019, 705, und vom 22.10.2020 IV R 4/19, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2021, 411). Demgegenüber fehlt ein solches Kriterium in Satz 5. Die Formulierung „ganz oder zum Teil“ lässt bezüglich völlig untergeordneter und bedeutungsloser Beteiligungen hier einen Spielraum für die Rechtsprechung, von der der Norm innewohnenden Typisierung jedenfalls in extremen Ausnahmefällen -wie im Falle der Klägerin- abzuweichen. Dieses restriktive Verständnis des Satzes 5 ist nach Auffassung des Senates möglich und im Einzelfall erforderlich.
34c) Die Rechtsprechung hat nicht selten die Notwendigkeit gesehen, die Reichweite von Normen einzuschränken, um völlig unverhältnismäßige Ergebnisse auszuschließen (z.B. BFH-Urteil vom 27.8.2014 VIII R 6/12, BStBl II 2015, 1002, zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG: 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse und maximal 24.500 Euro Nettoumsatzerlöse; dazu auch Bundesverfassungsgericht –BVerfG- Beschluss vom 15.1.2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, Rz. 130, 131: „restriktive Auslegung“).
35Auch in Bezug auf § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 5 GewStG hat der BFH wiederholt angedeutet, dass er Bagatellfälle für denkbar hält, in denen ggf. die einschneidende Folge des Satzes 5 der Norm nicht eintritt. Allerdings handelte es sich jeweils um Sachverhalte, in denen die hierzu heranzuziehenden Kriterien jeweils die Bagatellgrenze überschritten hatten. Der BFH hat in seinem Urteil vom 26.10.1995 IV R 35/94, BStBl II 1996, 76, formuliert, dass es „im Prinzip“ ohne Bedeutung sei, in welchem Umfang der Gesellschafter beteiligt sei. In der Entscheidung vom 7.4.2005 IV R 34/03, BStBl II 2005, 576, heißt es, dass die vom BFH in seinem Urteil vom 11.8.1999 XI R 12/98, BStBl II 2000, 229, zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG angestellten Erwägungen dafür sprechen könnten, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags ungeachtet des Wortlauts des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG dann zu gewähren, wenn der gewerbliche Nutzer des Grundstücks nur mit einem Anteil von ganz untergeordneter Bedeutung an der Grundstücksgesellschaft beteiligt ist. Der Streitfall gab indessen keine Veranlassung, die Frage, ob § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG im Fall einer Bagatellbeteiligung unanwendbar ist, abschließend zu entscheiden, denn es handelte sich um eine Beteiligung in Höhe von 5 %. Von einem Bagatellanteil könne, so der BFH, jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn die Grenze von 1 % nicht unterschritten sei. Der IV. Senat des BFH sah sich durch die Neufassung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in seiner Auffassung bestätigt. Mit dieser Neuregelung habe der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er von einer Bagatellbeteiligung erst bei einem Anteil ausgehe, der weniger als 1 % betrage. Mit Urteil vom 26.6.2007 IV R 9/05, BStBl II 2007, 893, zu einem Sachverhalt, in dem der Gesellschafter zu 10 % beteiligt war und der Anteil an den vermieteten Flächen der Gesellschaft 3,8 % betrug, hat der BFH wiederholt, dass es prinzipiell ohne Bedeutung sei, in welchem Umfang der Gesellschafter/Genosse an der Grundstücksgesellschaft beteiligt sei. Es könne dahinstehen, ob eine solche Grenze (Bagatellbeteiligung unter 1 %) --abgesehen von Abgrenzungsschwierigkeiten-- überhaupt sinnvoll sei, weil auch eine geringe Beteiligung große wirtschaftliche Bedeutung haben könne. Jedenfalls sei mit einer Beteiligung in Höhe von 10 % die Bagatellgrenze weit überschritten. Der BFH hatte dabei der Größe des vermieteten Grundstückteils keine Bedeutung beigemessen. In dieser Entscheidung hat der BFH seine Auffassung, dass die Annahme einer Geringfügigkeitsgrenze nur bei einer Beteiligung von weniger als 1 % in Betracht komme, durch die Bezugnahme auf ein Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) im Reichsteuerblatt (RStBl) 1940, 38 (Anteil von 2 % des Grundbesitzes und etwa 3,5 % der Mieten) und ein Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 24.2.2005 14 K 5604/01 G, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1148 (dort: 1,68 % der Gesamtfläche und 2,6 % der Gesamtmiete) unterstrichen.
36d) In dem vorgenannten Urteil vom 26.6.2007 hat der BFH überdies eine Einschränkung der Reichweite der Norm durch teleologischen Reduktion dahingehend angenommen, dass Satz 5 nicht anzuwenden ist, wenn der Gesellschafter, der den überlassenen Grundbesitz nutzt, Einkünfte erzielt, die nicht der Gewerbesteuer unterliegen. § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG habe den Sinn, zu verhindern, dass der ein eigenes Grundstück nutzende Einzelunternehmer schlechter gestellt wird als ein Gewerbetreibender, der ein Grundstück nutzt, das er einer zwischengeschalteten Gesellschaft überlassen hat. Eine solche Schlechterstellung trete aber nicht ein, wenn das nutzende Unternehmen nicht der Gewerbesteuer unterliege. Allerdings sei gegenüber einer teleologischen Reduktion besondere Zurückhaltung geboten. Sie könne nur in Betracht kommen, wenn die auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde. Der BFH könne indessen angesichts des vorstehend dargestellten Gesetzeszwecks keinen sachlichen Grund dafür erkennen, die durch die Überlassung eines Grundstücks an ein in vollem Umfang von der Gewerbesteuer befreites Unternehmen erzielten Erträge bei der Grundstücksgesellschaft der Gewerbesteuer zu unterwerfen. Wollte man anders entscheiden, würde die Gesellschaft, die dem gewerbesteuerbefreiten Unternehmen ihres Gesellschafters ein Grundstück zur Nutzung überlässt, steuerlich schlechter behandelt, als dies bei einer Grundstücksüberlassung durch den Gesellschafter oder bei der Nutzung des eigenen Grundstücks durch den gewerbesteuerbefreiten Einzelunternehmer der Fall wäre.
37Diese Überlegung zur teleologischen Reduktion für Fälle gewerbesteuerbefreiter Gesellschafter bzw. Genossen lässt sich auf tatsächlich wegen der Unterschreitung des gewerbesteuerlichen Freibetrages nicht gewerbesteuerbelastete Gesellschafter bzw. Genossen übertragen, jedenfalls wenn –wie im Streitfall- die Beteiligung der betroffenen Genossin unter der Bagatellgrenze von 1 % liegt.
38e) Für diese Norminterpretation spricht auch die Entscheidung des Großen Senates des BFH mit Beschluss vom 25.9.2018 GrS 2/16, BStBl II 2019, 262. Der BFH führte darin aus, dass der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des BVerfG (ständige Rechtsprechung, zuletzt BVerfG-Beschluss vom 29.3.2017 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106, BStBl II 2017, 1082) zwar bei der Auswahl des Steuergegenstands einen weitreichenden Gestaltungsspielraum habe, diesen sodann aber folgerichtig ausgestalten müsse. Die Rechtsprechung habe auch im Rahmen der Auslegung des Steuertatbestands dem erkennbar gewordenen steuerlichen Belastungsgrund Rechnung zu tragen und so den fraglichen Tatbestand unter Beachtung des Gebots der Folgerichtigkeit auszulegen. In diesem ursprünglichen Umfang erweise sich die erweiterte Kürzung (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG) nicht als begünstigende Subventionsnorm, sondern lediglich als Instrument der folgerichtigen Fortschreibung des gewerbesteuerrechtlichen Belastungsgrundes. Diese Auslegungsgrundsätze blieben indessen unbeachtet, verstünde man den Tatbestand der erweiterten Kürzung allein als beliebige Begünstigung, die von engen tatbestandlichen Erfordernissen abhängig gemacht werden könne. Im Lichte dessen versuche § 9 Nr. 1 GewStG typisierend die steuerliche Belastungs-/ Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der gewerbesteuerlichen Belastung.
39Diese Erwägungen gelten nach Auffassung des erkennenden Senats auch für die Auslegung des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG im Falle der Klägerin. Der steuerliche Belastungsgrund ist auf Seiten Klägerin angesichts der Bagatellbeteiligung der B einhergehend mit der Unterschreitung des gewerbesteuerlichen Freibetrages durch den Betrieb der B nicht mehr erkennbar.
404. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
415. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig (§ 139 Abs. 4 FGO).
426. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar (§ 151 FGO, §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung).
437. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).