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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
2I.
3Streitig ist die Erhebung von Einfuhrabgaben für die Einfuhr eines Pkw durch eine im Zollgebiet ansässige Person.
4Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Er verbrachte im Oktober 2017 seinen Pkw mit amtlichen türkischen Kennzeichen aus der Türkei über Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland, ohne den Pkw zu einer Einfuhrzollstelle zu befördern und zu gestellen. Die Einfuhr des Pkw wurde im Rahmen einer Polizeikontrolle am 26.02.2018 in Deutschland festgestellt. Im März 2018 überführte er den Pkw wieder in die Türkei und verkaufte ihn dort.
5Der Beklagte, das Hauptzollamt (HZA), setzte 1.589 EUR Einfuhrzoll und 3.321,01 EUR Einfuhrumsatzsteuer gegen den Kläger fest. Es vertrat die Auffassung, der Kläger habe den Pkw vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union eingeführt. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage.
6Der Kläger trägt zur Begründung vor, es liege keine abgabenpflichtige Einfuhr vor, weil er den Pkw für einen kurzen Zeitraum ausschließlich als Transportmittel für rein private Fahrten genutzt habe. Er habe den Pkw konkludent in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung überführt.
7Der Pkw sei nicht in Deutschland in den Wirtschaftskreislauf eingegangen, sondern im März 2018 wieder in die Türkei überführt worden. Die schlichte Nutzung des Pkw in Deutschland reiche dazu nicht aus.
8Der Kläger beantragt,
9den Einfuhrabgabenbescheid vom 09.10.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung von 21.01.2019 aufzuheben.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Das HZA ist der Auffassung, die Einfuhrzollschuld sei gem. Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK) entstanden und es sei gem. Art. 87 Abs. 4 UZK für die Festsetzung der Einfuhrabgaben zuständig gewesen. Gem. § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) seien diese Vorschriften entsprechend auf die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer (Mehrwertsteuer) anzuwenden. Durch die längerfristige Nutzung des Pkw sei dieser in den Wirtschaftskreislauf eingegangen.
13Der Senat hat mit Beschluss vom 11.12.2019 das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 UAbs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung der Frage ersucht, ob Art. 71 Abs. 1 UAbs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuerrichtlinie) dahin auszulegen, dass die Vorschrift des Art. 87 Abs. 4 UZK auf die Entstehung der Mehrwertsteuer (Einfuhrumsatzsteuer) entsprechend anzuwenden ist. Der EuGH hat darüber mit Urteil vom 03.03.2021 (C-7/20, ECLI:EU:C:2021:161) entschieden.
14II.
151. Der Senat entscheidet gem. § 90a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, da der Sachverhalt geklärt ist und der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen entschieden hat.
162. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einfuhrabgabenbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
17a) Das HZA hat zu Recht Einfuhrzoll festgesetzt.
18aa) Der Kläger hat seine zollrechtlichen Verpflichtungen bei der Einfuhr des Pkw in das Zollgebiet der Union, namentlich die Verpflichtung zur Beförderung der Waren zur Zollstelle (Art. 135 Abs. 1 UZK) und Gestellung (Art. 139 Abs. 1 UZK), nicht erfüllt. Infolgedessen ist gem. Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a UZK eine Einfuhrzollschuld entstanden. Der Kläger ist gem. Art. 79 Abs. 3 Buchstabe a UZK Zollschuldner.
19Eine konkludente Anmeldung des Pkw zur vorübergehenden Verwendung durch Passieren der Zollstelle gem. Art. 141 Abs. 1 Buchstabe b der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28.07.2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (UZK-DelVO), aufgrund derer der Pkw gem. Art. 218 Buchstabe a der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24.11.2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK-DVO) als verbracht und gestellt gelten würde, ist nicht erfolgt. Denn gem. Art. 219 UZK-DVO gilt die Erklärung (Zollanmeldung) als nicht abgegeben, wenn die verbrachte Ware nicht die Voraussetzungen der Art. 138, 139 und 140 UZK-DelVO erfüllt. Gem. Art. 139 Abs. 1 i.V.m. Art. 136 Abs. 1 Buchstabe a UZK-DelVO können Zollanmeldungen zur vorübergehenden Verwendung (unter anderem) für Beförderungsmittel gem. Art. 208-212 UZK-DelVO abgegeben werden. Gem. Art. 250 Abs. 2 Buchstabe d UZK i.V.m. Art. 212 Abs. 3 Buchstabe a UZK-DelVO wird die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben im Falle der vorübergehenden Verwendung von Beförderungsmitteln aber nur gewährt, wenn die Beförderungsmittel außerhalb des Zollgebiets der Union auf den Namen einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person zugelassen sind. Der Antragsteller ist demgegenüber im Zollgebiet der Union ansässig, da er seinen Wohnsitz in Deutschland hat (vgl. Art. 5 Nr. 31 Buchstabe a UZK). Die Voraussetzungen, unter denen eine im Zollgebiet der Union ansässige Person die vollständige Steuerbefreiung in Anspruch nehmen kann (Art. 214-216 UZK-DelVO), liegen nicht vor.
20bb) Die Zollschuld gilt gem. Art. 87 Abs. 4 UZK als in Deutschland entstanden. Nach dieser Vorschrift gilt die Zollschuld als in dem Mitgliedstaat entstanden, in dem ihre Entstehung festgestellt wurde, wenn sie die Zollbehörden feststellen, dass eine Zollschuld nach Art. 79 oder 82 UZK in einem anderen Mitgliedstaat entstanden ist und der dieser Schuld entsprechende Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrag weniger als 10.000 EUR beträgt. Im Streitfall ist die Zollschuld an sich mit der vorschriftswidrigen Einfuhr des Pkw in Bulgarien entstanden (Art. 87 Abs. 1 UAbs. 2 UZK). Der Einfuhrabgabenbetrag beträgt allerdings weniger als 10.000 EUR. Somit gilt die Zollschuld als in Deutschland entstanden, da die Entstehung der Zollschuld in Deutschland festgestellt wurde.
21cc) Die Zollschuld ist nicht gem. Art. 124 Abs. 1 Buchstabe k UZK durch das Verbringen des Pkw aus dem Zollgebiet in die Türkei erloschen. Nach dieser Vorschrift erlischt eine Zollschuld, die nach Art. 79 UZK entstanden ist, wenn den Zollbehörden nachgewiesen wird, dass die Waren nicht verwendet oder verbraucht, sondern aus dem Zollgebiet der Union verbracht worden sind. Im Streitfall ist der Pkw im Zollgebiet verwendet – genutzt – worden (vgl. dazu Finanzgericht Hamburg Urteil vom 24.09.2019 4 K 3/17 bei juris; Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil vom 22.10.2019 11 K 2256/17, ZfZ 2020, 139). Der Umfang dieser Nutzung bzw. Verwendung ist im Streitfall auch nicht als nur ganz geringfügig anzusehen, da der Pkw im Oktober 2017 eingeführt und erst wieder im März 2018 ausgeführt wurde. Die Nutzung des Pkw ist dabei nicht mit dem die Zollschuldentstehung auslösenden Verhalten – der Einfuhr – identisch (siehe zur Problematik: Witte, Zollkodex der Union, 7. A. 2018, Art. 124 UZK Rn. 116).
22b) Auch die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer ist zu Recht erfolgt. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG unterliegt die Einfuhr von Gegenständen im Inland der Einfuhrumsatzsteuer. Gem. § 21 Abs. 2 UStG gelten für die Einfuhrumsatzsteuer die Vorschriften für Zölle sinngemäß. Die Umsatzsteuerschuld ist folglich entsprechend Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a UZK entstanden und der Kläger ist gem. Art. 79 Abs. 3 Buchstabe a UZK Steuerschuldner.
23Die Einfuhrumsatzsteuer gilt schließlich in entsprechender Anwendung des Art. 87 Abs. 4 UZK als in Deutschland entstanden. Zwar erfolgt nach Art. 60 der Mehrwertsteuerrichtlinie die Einfuhr von Gegenständen in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet sich der Gegenstand zu dem Zeitpunkt befindet, in dem er in die Union verbracht wird. Der Pkw ist im Streitfall unstreitig nicht in Deutschland in die Union verbracht worden. Unterliegen die eingeführten Gegenstände aber – wie im Streitfall der Pkw – Zöllen, treten der Mehrwertsteuertatbestand und der Mehrwertsteueranspruch nach Art. 71 Abs. 1 UAbs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie zu dem Zeitpunkt ein, zu dem Tatbestand und Anspruch für diese Abgaben entstehen. Diese Vorschrift ist dahin auszulegen, dass die Einfuhrumsatzsteuer für zollpflichtige Gegenstände in dem Mitgliedstaat entsteht, in dem ein Verstoß gegen eine Verpflichtung aus unionsrechtlichen Zollvorschriften festgestellt wurde, sofern die fraglichen Waren in dem Mitgliedstaat in den Wirtschaftskreislauf der Union eingetreten sind, in dem diese Feststellung getroffen wurde, auch wenn sie körperlich in einem anderen Mitgliedstaat in das Zollgebiet der Union gelangt sind (EuGH-Urteil vom 03.03.2021, C-7/20, ECLI:EU:C:2021:161, Rn. 37).
24Der Pkw ist in Deutschland in den Wirtschaftskreislauf der Union eingetreten, denn er wurde von dem Kläger dort genutzt (vgl. EuGH-Urteil vom 03.03.2021, C-7/20, Rn. 35). Die Nutzung des Pkw ist dabei, wie bereits ausgeführt, nicht als nur ganz geringfügig anzusehen.
253. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.