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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
2Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines nachträglichen Antrags auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes –EStG-.
3Die Kläger waren zunächst mit Bescheid vom 18.03.2014 erklärungsgemäß veranlagt worden (zu versteuerndes Einkommen 21.010 EUR; festgesetzte Einkommensteuer 1.771 EUR); einen Antrag auf Günstigerprüfung hatten die Kläger (bei erklärten Kapitalerträgen von 9.292 EUR) damals nicht gestellt. Mit geänderten Bescheiden zur Einkommensteuer 2012 vom 22.05.2015 und vom 23.05.2014 hatte der Beklagte die Steuer wiederum auf 1.771 EUR festgesetzt (Einkünfte aus Gewerbebetrieb ./. 7.388 EUR). Die Bescheide vom 18.03.2014 und 22.05.2014 wurden bestandskräftig. Die Berücksichtigung des erstmals im Einspruchsverfahren gegen den Änderungsbescheid vom 23.05.2014 gestellten Antrags auf Günstigerprüfung lehnte der Beklagte ab; das Finanzgericht –FG- Düsseldorf wies die hiergegen erhobene Klage mit (rechtskräftig gewordenem) Urteil vom 10.11.2016 (Az. 14 K 3146/14) ab.
4Nach geänderter Mitteilung über eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen erließ der Beklagte am 26.09.2018 einen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung –AO- gestützten Änderungsbescheid (Einkünfte aus Gewerbebetrieb ./. 16.398 EUR); die bisher festgesetzte Steuer von 1.771 EUR blieb weiterhin unverändert.
5Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und beantragten erneut die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Das FG Köln habe in einem entsprechenden Fall mit Urteil vom 30.03.2017 (Az. 15 K 2258/14, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG- 2017, 1592) eine Änderungsmöglichkeit gesehen; bis zum Abschluss des insoweit anhängigen Revisionsverfahrens beim Bundesfinanzhof –BFH- VIII R 6/17 möge daher das Einspruchsverfahren ruhen. Der Beklagte wandte ein, die Urteilsgründe seien nicht entsprechend anwendbar, weil dort die Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine niedrigere Steuer bewirkt habe, was hier indes nicht der Fall sei. Ebenfalls anders als im vorliegenden Fall habe dort ein Antrag auf Günstigerprüfung erstmals einen Sinn gemacht; hier indes hätte der Kläger den Antrag bereits bei Abgabe der Steuererklärung stellen können. Stattdessen seien die Gründe des o. a. rechtskräftigen Urteils des FG Düsseldorf vom 10.11.2016 (Az. 14 K 3146/14) einschlägig.
6Nach zurückweisender Einspruchsentscheidung vom 07.01.2019 verfolgen die Kläger ihr Begehren mit der Klage weiter. Der Sachverhalt lt. zitiertem Urteil des FG Köln vom 30.03.2017 sei sehr wohl vergleichbar, weil auch dort die gewerblichen Einkünfte gemindert worden seien; um das Thema der Steuererstattung gehe es auf der ersten Stufe gar nicht. Und ebenso wie dort habe auch hier ein Antrag auf Günstigerprüfung erstmals Sinn gemacht; er habe den Antrag bei Abgabe der Steuererklärung aus taktischen Gründen noch zurückgehalten, weil er die weiteren Mitteilungen aus seinen gewerblichen Fondsbeteiligungen habe abwarten wollen. Zudem sei hier der zweite Bescheid zur ESt 2012 (Änderungsbescheid) unzutreffend, weil dort gewerbliche Einkünfte aus einem der Fonds nicht erfasst seien. Das habe er erstmals nach Erlass des Urteils des 14. Senats aus der ihm sodann übersandten Berechnung erfahren; hierzu könne er bei Bedarf ergänzend vortragen. Das hiesige Verfahren möge daher im Hinblick auf die Revision BFH VIII R 6/17 gegen das obige Urteil des FG Köln ruhen.
7Die Kläger beantragen,
8den Beklagten unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2012 vom 26.09.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.01.2019 zu verpflichten, eine Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG vorzunehmen,
9hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, das Verfahren bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens BFH VIII R 6/17 ruhen zu lassen.
10Der Beklagt beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Steuerakten verwiesen.
13Die Klage ist unbegründet.
14Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO-; der Beklagte hat zu Recht eine nachträgliche Günstigerprüfung abgelehnt und das Verfahren auch nicht zum Ruhen gebracht.
15Der Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG kann zwar grundsätzlich jederzeit – also auch nach der Unanfechtbarkeit der Einkommensteuerfestsetzung bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung - gestellt werden, da das Gesetz keine zeitliche Befristung enthält (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH- vom 12.05.2015 VIII R 14/13, Bundessteuerblatt –BStBl– II 2015, 806). Nach der überzeugenden Rechtsprechung des BFH stellt jedoch § 32d Abs. 6 EStG selbst als vom Gesetzgeber gedachte Billigkeitsregelung für Steuerpflichtige, deren Steuersatz noch niedriger als 25 % ist, keine Rechtsgrundlage für eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung dar (BFH-Urteil vom 28.01.2015 VIII R 13/13, BStBl II 2015, 393). Das bedeutet, dass die Antragstellung für sich genommen keine verfahrensrechtliche Grundlage für eine Änderung von Bescheiden ist (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.2015 VIII R 14/13, BStBl II 2015, 806).
16Die Änderung eines Einkommensteuerbescheides ist deshalb nur dann möglich, soweit dieser aus Gründen, die außerhalb des Antrages auf Günstigerprüfung liegen müssen, verfahrensrechtlich geändert werden kann. Es besteht eine Beschränkung für den Antrag auf Günstigerprüfung im Falle einer Bestandskraft der Steuerfestsetzung. Andernfalls würden die Vorschriften der Abgabenordnung über die Korrektur bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide unterlaufen.
17Da der Einkommensteuerbescheid 2012 vom 23.05.2014 formell bestandkräftig war, ist aufgrund des gegen den Änderungsbescheid vom 26.09.2018 eingelegten Einspruchs eine Günstigerprüfung nur im Rahmen des § 351 Abs. 1 AO möglich. Danach können Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt. Die genannte Vorschrift begrenzt die Anfechtbarkeit und damit auch die durch den Einspruch bewirkte Änderbarkeit eines Änderungsbescheides im Umfang der Änderung und stellt klar, dass es im Übrigen bei der zuvor eingetretenen Bestandskraft bleibt (vgl. BFH-Urteil vom 09.12.2015 X R 56/13, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2016, 618).
18Im Falle der Anfechtung eines Änderungsbescheides folgt aus § 351 Abs. 1 AO, dass die Antragsausübung nur noch möglich ist, soweit die dadurch zu erzielende Steueränderung den durch die partielle Durchbrechung der Bestandskraft gesetzten Rahmen nicht verlässt. Da vorliegend die im Bescheid vom 23.05.2014 festgesetzte Steuer von 1.771 EUR durch den Änderungsbescheid vom 26.09.2018 nicht verändert worden ist, besteht im Streitfall kein Änderungsrahmen (ebenso bereits Urteil des FG Düsseldorf vom 10.11.2016, 14 K 3146/14 E betr. ESt 2012 der Kläger).
19Als Änderungsvorschrift kommt hier § 173 AO ebenso wenig in Betracht. Der Antrag auf Günstigerprüfung ist als Verfahrenshandlung keine (neue) Tatsache. Der zugrunde liegende Sachverhalt – Erzielung von Kapitaleinkünften – ist zwar eine Tatsache, indes nicht nachträglich bekannt geworden i. S. von § 173 AO, weil diese Einkünfte bereits mit der Steuererklärung angegeben waren.
20Der Antrag auf Günstigerprüfung ist auch kein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, sodass diese Vorschrift als Änderungsnorm ebenfalls ausscheidet. Da die Voraussetzungen für eine Ausübung des Wahlrechts nach § 32d Abs. 6 EStG bereits vor Eintritt der Bestandskraft vorlagen, besteht kein Bedürfnis, den erst nach Eintritt der Bestandskraft gestellten Antrag zurückwirken zu lassen (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.2015 VIII R 14/13, BStBl II 2015, 806).
21Zwar hat das FG Köln mit o. a. Urteil vom 30.03.2017 (15 K 2258/14, EFG 2017, 1592 mit Anm. Neu) ausnahmsweise einen Antrag auf Günstigerprüfung als rückwirkendes Ereignis anerkannt und eine Änderungsmöglichkeit nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO für den Fall bejaht, dass der ursprüngliche Steuerbescheid durch Herabsetzung der Einkünfte geändert worden sei und damit der Antrag auf Günstigerprüfung erstmals in seinen Voraussetzungen gegeben und zumutbar gewesen sei.
22Ob diese Entscheidung des FG Köln mit den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung in Einklang steht (Revision VIII R 6/17 noch anhängig), kann vorliegend dahinstehen. Denn der dortige Sachverhalt ist nicht mit den hier vorliegenden Umständen vergleichbar. Das FG Köln hat den Antrag auf Günstigerprüfung nur deshalb ausnahmsweise als rückwirkendes Ereignis gewertet, weil erst die deutliche Herabsetzung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und damit auch der Steuer im angefochtenen Änderungsbescheid einen derartigen Antrag sinnvoll erscheinen ließ. Hier indes hat der Änderungsbescheid weder zu einer Änderung des Steuerbetrages geführt noch begründete er Umstände, die erstmals die Voraussetzungen einer Günstigerprüfung eröffneten oder sinnvoll erscheinen ließen. Bereits mit Abgabe der Steuererklärung hätten die Kläger einen derartigen Antrag sinnvoll stellen können, ihn indes allein aus „taktischen“ Gründen – in Erwartung der noch mitzuteilenden höheren Beteiligungseinkünfte - zurückgehalten.
23Demgemäß hat der Beklagte ein Ruhen des Einspruchsverfahrens gemäß § 363 Abs. 1 oder Abs. 2 der Abgabenordnung –AO- zutreffend abgelehnt; insbesondere sind keine Ermessensfehler des Beklagten i. S. von § 102 Satz 1 FGO ersichtlich. Ebenso wenig liegen – mangels vergleichbaren Sachverhalts - die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens durch das Gericht nach § 74 FGO vor noch kommt ein Ruhen des Klageverfahrens nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 251 Abs. 2 ZPO in Betracht (weder Zustimmung des Beklagten noch Zweckmäßigkeit).
24Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
25Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Das vorliegende Urteil stützt sich auf die BFH-Rechtsprechung. Das Revisionsverfahren VIII R 6/17 führt nicht zur Revisionszulassung im vorliegenden Fall, der in entscheidungserheblicher Hinsicht einen abweichenden Sachverhalt aufweist.