Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Steueränderungsbescheid des Beklagten vom 07.02.2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2017 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin betrieb an ihrem Standort in X-Stadt … Kohlemahlanlagen zur Herstellung von Kohlestaub durch Mahlen und Trocknen von Rohkohle.
3Diese Anlagen arbeiteten entsprechend ihrer Betriebsgenehmigung wie folgt: Zum fünf bis zehn Minuten dauernden Anfahren der Anlage wurde der mit Erdgas betriebene Prozessgaserzeuger gestartet und auf Temperatur gebracht, während die eigentliche Kohlemühle und die Filteranlage noch abgekoppelt waren. Die Rauchgase entwichen über den Anfahrkamin, da sie für den Einsatz in der Kohlemühle noch zu heiß waren. In die Mühle und Filteranlage wurde gleichzeitig Stickstoff eingeleitet, so dass der Sauerstoffgehalt in diesen Anlagen unter 2% lag.
4In den folgenden zehn bis 30 Minuten wurden zunächst der Anfahrkamin geschlossen, die Klappen zur Mühle geöffnet und der Hauptventilator und die Filterreinigung eingeschaltet. Mit dem Rauchgas wurde die Anlage auf eine Temperatur von mehr als 80°C gebracht, so dass die zuvor in Bunkern gelagerte Rohkohle eingegeben werden konnte. Zugleich wurde weiter Stickstoff eingedüst, um den Anstieg des Sauerstoffgehalts, der bis zu 10% erreichen konnte, zu minimieren.
5Für die Anfahrvorgänge bis dahin wurden durchschnittlich zwischen 0,09 und 0,13% des insgesamt eingesetzten Erdgases verbraucht.
6Hatte die Anlage eine Temperatur von mehr als 80°C erreicht, wurden die Mühle und kurz danach die Rohkohlezuteilung zugeschaltet. Durch die heißen Rauchgase wurde Wasser aus der zerkleinerten Rohkohle verdampft und zusammen mit der Staubkohle zum Filter transportiert. Im Filter wurde das Prozessgas (Rauchgas und Wasserdampf) von der Kohle getrennt. Die dort abgeschiedene Staubkohle wurde über Förderschnecken und Zellradschleusen aus dem Filter ausgetragen und pneumatisch zu den Staubbunkern gefördert.
7Ein Teilstrom des Prozessgases wurde sodann dem Prozessgaserzeuger wieder zugeführt und kühlte die Rauchgase auf höchstens 450 °C herunter. Dadurch entstand ein inertes Prozessgas, das eine explosionsfähige Atmosphäre verhinderte und die Zufuhr von Stickstoff unnötig machte. Das nicht dem Prozessgaserzeuger zugeführte Prozessgas wurde in die Atmosphäre geleitet.
8Nach Angaben der Klägerin wurden im durchschnittlich 73 bis 80% des Brüdens (hier mit Wasserdampf gesättigtes Rauchgas-Luftgemisch, das beim Trocknen von Feststoffen entsteht) mehrfach verwendet, während 20 bis 27% in die Atmosphäre geleitet wurden.
9Kam es zu einem übermäßigen Temperatur- und Sauerstoffanstieg, wurde in die Anlage hinter dem Prozessgaserzeuger Wasser eingedüst.
10Auf fristgerechten Antrag der Klägerin gewährte der Beklagte ihr eine Vergütung für das 2012 eingesetzte Erdgas nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d des Energiesteuergesetzes (EnergieStG).
11Auf Anordnung des Beklagten begann das Hauptzollamt …am 13. Juni 2013 mit einer Außenprüfung bei der Klägerin, die u.a. die Energiesteuerentlastung der Klägerin nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG im Jahr 2012 zum Gegenstand hatte. Im Prüfungsbericht vom 24. Juni 2013, AB-Nr. 290020130169 – D 3108, kam der Prüfungsbeamte zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen dieser Entlastung gegeben seien.
12Der Beklagte folgte dieser Beurteilung nicht, sondern forderte mit Steueränderungsbescheid vom 07. Februar 2014 die für das Jahr 2012 gewährte Entlastung in Höhe von … € zurück, wobei er der Klägerin zugleich für den gleichen Zeitraum Entlastungen nach den §§ 54 und 55 EnergieStG in Höhe von zusammen … € bewilligte, so dass die von der Klägerin zu leistende Rückzahlung noch … € betrug. Dazu führte er aus, das verbrannte Erdgas sei nur zur Erzeugung von Wärme und nicht gleichzeitig zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken verwendet worden. Das Rauchgas sei überwiegend als Trocken- und Transportmedium dem Prozess zugeführt worden und habe erst durch den bei der Trocknung der Kohle entstehenden Wasserdampf die erforderliche Inertisierung bewirken können.
13Die chemische Zusammensetzung des Rauchgases sei nicht definiert worden, zumal es auch nicht unmittelbar, sondern erst nach einer Abkühlung von über 1.000°C auf ca. 450°C in die Kohlemühle eingeführt worden sei.
14Zur Begründung des dagegen eingelegten Einspruchs trug die Klägerin vor, bei der Herstellung von Rauchgas sei ein Vorrang der Wärmeerzeugung gerade nicht gegeben. Vielmehr werde das Rauchgas erst noch heruntergekühlt, um dann als Schutzgas verwendet zu werden. Die Transportwirkung sei zu vernachlässigen, weil das heiße Rauchgas nicht in die Mahlanlage transportiert, sondern von dieser angesogen werde. Maßgebend sei dann die Wirkung als Schutzgas, um Explosionen vorzubeugen. Daran ändere sich auch nichts, wenn eine definierte chemische Zusammensetzung (eine stöchiometrische Berechnung) nicht vorliege. Im Übrigen werde auf das EuGH-Urteil vom 02. Oktober 2014, C-426/12, das ihre Rechtsauffassung bestätige, hingewiesen.
15Es sei nicht erforderlich, dass Bestandteile des Rauchgases als Verbrennungsprodukt des Energieerzeugnisses stofflich in das Endprodukt gelangten. Für die Steuerentlastung genüge es, wenn sie nicht allein dem Verheizen, sondern auch noch einem anderen Zweck diene.
16Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13. September 2017 als unbegründet zurück.
17Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor: Der Sachverhalt entspreche – bis auf den Vergütungszeitraum – dem des rechtskräftigen Urteils vom 25. Juli 2018, 4 K 1968/17 VE, gegen das der Beklagte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt habe, die erfolglos geblieben sei.
18Nach dem Konstruktionsprinzip der Kohlemahlanlagen, die sich auch in ihrer gewerberechtlichen Zulassung widerspiegelten, sei der Hauptzweck der Prozessgaserzeugung die Inertisierung, ohne die die Anlage über kurz oder lang explodieren würde. Dies schließe die vom Beklagten behauptete nachträgliche Nutzung der inerten Eigenschaften des Prozessgases aus. Die Nutzung der Wärme sei demgegenüber nur der zweite, nachrangige Zweck.
19Das Senatsurteil vom 11. Juli 2018, 4 K 1945/17 VE betreffe einen anders gelagerten Fall.
20Ihr Produktionsprozess beinhalte die Vermahlung zu Staubkohle und nicht die Trocknung der Kohle. Für die schadlose und genehmigungskonforme Vermahlung der Kohle müsse das Rauchgas und der Brüden, der durch Zugabe von Wasser oder in Verbindung mit dem in der Kohle enthaltenen Wasseranteil entstehe, hergestellt werden. Insoweit komme es nicht auf das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15. Juli 2015, 1 K 1322/13, an.
21Auch das während der Anfahrphase eingesetzte Erdgas diene der Inertisierung. Der Anfahrzustand sei kein repräsentativer Betriebszustand, der zwar zum Anlagenbetrieb gehöre, aber für die Beurteilung des Zwecks der Erdgasverbrennung nicht bestimmend sei. Insoweit sei es auch unschädlich, dass sich die Inertisierung nicht allein durch das trockene Rauchgas, sondern auch durch den Wasseranteil aus der Kohle ergebe.
22Die Zugabe von Stickstoff in der kurzen Anfahrphase – und ganz selten in anderen Fällen – diene nur dem 100%tigen Explosionsschutz, der auf jeden Fall sichergestellt werden müsse.
23In ihrem Betrieb werde Erdgas gerade nicht zur Erzeugung von Wasserdampf verbrannt, sondern zur Erzeugung von Rauchgas.
24Die Klägerin beantragt,
25den Steueränderungsbescheid des Beklagten vom 07. Februar 2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. September 2017 aufzuheben.
26Der Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen,
28hilfsweise die Revision zuzulassen.
29Zur Begründung führt er aus: Im Rahmen des zu beurteilenden Prozesses stelle die Nutzung der mit der Verbrennung des Erdgases erzeugten Wärme zur Trocknung der Kohle einen steuerpflichtigen Verbrauch als Heizstoff dar, und zwar auch unabhängig vom Zweck des Heizens.
30Als weiterer Produktionsprozess komme nur die Herstellung der Staubkohle, nicht die Herstellung eines Inertgases in Betracht, denn die Herstellung der Staubkohle sei mit der Vermahlung und Trocknung abgeschlossen.
31Mit der Verbrennung des Erdgases sei nur ein Rauchgas erzeugt worden, dessen inerte Eigenschaften im Herstellungsprozess der Staubkohle genutzt würden. Dabei handele es sich um ein unweigerlich anfallendes Restprodukt der Erdgasverbrennung. Die Ausnutzung seiner inerten Eigenschaften begründe keinen neben dem Verheizen stehenden weiteren Verwendungszweck (BFH Beschluss v. 31. Januar 2019, VII B 147/18). Insoweit werde auch auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 11. Juli 2018, 4 K 1945/17 VE hingewiesen. Das FG Berlin-Brandenburg sei in seinem Urteil vom 15. Juli 2015, 1 K 1322/13, davon ausgegangen, dass sich die Verwendung allein in der Nutzung der erzeugten Wärme erschöpfe und die weitere Nutzung des Prozessdampfs unerheblich sei.
32Das Rauchgas sei nicht für den Abschluss des Produktionsprozesses der Staubkohle erforderlich gewesen.
33Anders als noch im Senatsurteil vom 25. Juli 2018, 4 K 1968/17 VE, und im folgenden BFH-Beschluss vom 31. Januar 2019, VII B 147/18 angenommen, sei nach nunmehriger Darstellung der Anlage erst durch Zuführung des Brüden in den Prozessdampferzeuger ein hinreichend inertes Gas entstanden. Erst danach sei die Zufuhr von Stickstoff beendet worden.
34Reiche der natürliche Wassergehalt der Kohle nicht und komme es deshalb zu einem Sauerstoffanstieg, werde Wasser in die Brennkammer eingedüst, notfalls sogar Stickstoff. Daraus sei zu schließen, dass die Verbrennungsgase für sich allein nicht hinreichend inert und damit auch keine Substanz seien, die für die Herstellung des Kohlestaubs notwendig sei.
35Soweit im Senatsurteil vom 25. Juli 2018, 4 K 1968/17 VE mit den klar definierten Parametern für das Rauchgas, seine Erhitzung auf über 1.000 °C, sein abschließendes Abkühlen auf 450 °C und die Zusammensetzung des erforderlichen Inertgases beschrieben worden sei, stelle dies keinen zweiten Verwendungszweck dar. Die Abkühlung eines Rauchgases sei seiner thermischen Verwendung immanent.
36Auch stelle die Ausnutzung der inerten Eigenschaften der Rauchgase und des entstandenen Wasserdampfes keinen zweiten Verwendungszweck dar (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2019, VII B 147/18).
37Vielmehr könne ein Energieerzeugnis, das im Rahmen eines Herstellungsprozesses verbrannt werde, nur dann einen zweiten Verwendungszweck haben, wenn dieser Herstellungsprozess nicht ohne Einsatz eines Stoffes durchgeführt werden könne, von dem feststehe, dass er nur durch die Verbrennung des betreffenden Energieerzeugnisse erzeugt werden könne (EuGH Urteil vom 02. Oktober 2014 C-426/12, Beschluss vom 17. Dezember 2015 C-529/14). Dies sei dahin zu verstehen, dass das Rauchgas nur durch Verbrennen des Erdgases erzeugt werden könne, es mithin einen unerlässlich Einsatzstoff für die Herstellung der Staubkohle darstelle. Könne aber das Rauchgas substituiert werden, wie im Streitfall durch den Einsatz von Stickstoff, sei ein zweiter Verwendungszweck nicht gegeben (BFH Beschluss vom 31. Januar 2019, VII B 147/18). Vom Einsatz des Stickstoffs habe die Klägerin nur aus Kostengründen abgesehen.
38Entscheidungsgründe:
39Die Klage ist begründet.
40Der Klägerin steht der Vergütungsanspruch hinsichtlich der Energiesteuer in Höhe von … € zu. Der Steueränderungsbescheid des Beklagten vom 07. Februar 2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. September 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
41Der Beklagte war mit seinem Steueränderungsbescheid vom 07. Februar 2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. September 2017 nicht berechtigt, nach § 164 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) die Vergütungsanmeldung der Klägerin (s. §§ 167 Abs. 1 Satz 1, 168 AO in Verbindung mit § 155 Abs. 4 AO a. F.), die nach Zustimmung des Beklagten durch Auszahlung der Vergütung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand (s. § 168 S. 2 AO), zu ändern.
42Unter Anrechnung der der Klägerin nach den §§ 54 und 55 EnergieStG für das Jahr 2012 gezahlten Entlastungen ist sie noch um weitere … € Energiesteuer zu entlasten.
43Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG wird auf Antrag eine Steuerentlastung für Energieerzeugnisse gewährt, die nachweislich nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 und 10, Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 4a EnergieStG versteuert worden sind und gleichzeitig zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken als Heiz- oder Kraftstoff verwendet werden. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG beruht auf Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b Anstrich 1 und 2 der Richtlinie 2003/96/EG (RL 2003/96) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. EU Nr. L 283/1). Danach gilt die RL 2003/96 nicht für Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b Anstrich 1 oder 2 RL 2003/96. Nur unter diesen Voraussetzungen sind die Mitgliedstaaten befugt, Energieerzeugnisse nicht zu besteuern (EuGH Beschluss vom 17. Dezember 2015 C-529/14, ECLI:EU:C:2015:836 Rz. 30). Daher ist § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b Anstrich 1 und 2 RL 2003/96 und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH auszulegen.
44Die Verwendung eines Energieerzeugnisses fällt danach nur dann nicht in den Anwendungsbereich der RL 2003/96, wenn dieses Erzeugnis in seiner Funktion als Energiequelle selbst anders als als Heiz- oder Kraftstoff verwendet wird. Ein Energieerzeugnis, das im Rahmen eines Herstellungsprozesses verbrannt wird, kann zweierlei Verwendungszweck haben, wenn dieser Prozess nicht ohne Einsatz einer Substanz durchgeführt werden kann, von der feststeht, dass sie nur durch die Verbrennung des betreffenden Energieerzeugnisses erzeugt werden kann (EuGH Urteil vom 2. Oktober 2014 C-426/12, ECLI:EU:C:2014:2247 Rzn. 23 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2015 C-529/14, Rz. 24). Kennzeichnend für das Vorliegen eines Energieerzeugnisses mit zweierlei Verwendungszweck ist mithin, dass das Energieerzeugnis nicht nur als Heiz- oder Kraftstoff, sondern auch zur Herstellung eines Stoffes verwendet wird, die für die Herstellung eines Produktes innerhalb desselben Produktionsprozesses benötigt wird (EuGH Urteil vom 2. Oktober 2014 C-426/12, Rz. 25 ff.; Beschluss vom 17. Dezember 2015 C-529/14, Rzn. 24 f.).
45Insoweit kommt es auch nicht auf die Rang- oder Reihenfolge der Verwendungszwecke an (BFH Urteil v. 13. Januar 2015 VII R 35/12, Rz. 21, BFHE 248, 287 im Anschluss an das EuGH-Urteil v. 02. Oktober 2014, C-426/12)
46Ist hingegen das bei der Verbrennung entstehende Gas nicht das zur Durchführung des Produktionsprozesses erforderliche Erzeugnis, sondern ein Rückstand dieses Prozesses, der nur verwertet wird, liegt ein doppelter Verwendungszweck nicht vor (EuGH Urteil vom 02. Oktober 2014 C-426/12, Rz. 26.; Beschluss vom 17. Dezember 2015 C-529/14, Rz. 25).
47Nach diesen der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b Anstrich 1 und 2 RL 2003/96 folgenden Maßstäben ist mit dem Anfahren der Anlagen ein doppelter Verwendungszweck gegeben. Das Erdgas wird im Streitfall nicht nur zum Verheizen, sondern auch zur Erzeugung eines Prozessgases verwendet, wobei dieses Gas zwei Wirkungen hat: Es stellt die nichtexplosionsfähige Atmosphäre in den Kohlemahlanlagen her, wobei es durch seine Restwärme auch die gewollte Entstehung von Wasserdampf bewirkt. Zudem entfernt es damit gleichzeitig noch die Feuchtigkeit aus der gemahlenen Kohle. Folglich wird das Erdgas zur Erzeugung des für die Kohlemahlanlagen erforderlichen inerten Prozessgases benötigt und nicht nur als Heizstoff, wobei das Prozessgas durch seine Wärme die Trocknung des Kohlestaubs bewirkt.
48Auf Grund der klar definierten Parameter für das Prozessgas, die Erhitzung über 1.000°C und sein anschließendes Abkühlen auf höchstens 450°C im Zusammenhang mit dem Betrieb der Kohlemahlanlagen ist auch seine Zusammensetzung eindeutig beschrieben.
49Die Zugabe des im Vergleich zum Prozessgas kühlen Brüdens in den Prozessgaserzeuger stellt keine Verwertung eines Rückstands dar, sondern ist für die Herstellung des inerten Prozessgases zwingend erforderlich. Ohne diese Zugabe würde das noch zu heiße Rauchgas den geforderten Explosionsschutz nicht leisten können.
50Während des Anfahrens der Anlage bis zur Zuführung des Brüdens in den Prozessgaserzeuger besteht das für den Betrieb der Anlage erforderliche inerte Gas aus dem Rauchgas vermischt mit Stickstoff und dem beim Trocknen der Kohle entstehenden Wasserdampf. Auch insoweit sorgt das Rauchgas mit für die erforderliche inerte Gasmischung zur Sicherung der Mahlanlage und bewirkt die Trocknung der Kohle.
51Sobald das aus Rauchgas, Wasserdampf und zunächst noch vorhandenem Stickstoff bestehende Gemisch (der Brüden) nach Passieren der Filter abgeschieden und dem Prozessgaserzeuger wieder zugeführt wurde, erzeugte die Anlage zeitgleich mit der Staubkohle das für ihren Betrieb erforderliche Inertgas.
52Anders als der Beklagte meint, dient die Verbrennung des Erdgases nicht in erster Linie der Trocknung des Kohlestaubs, sondern der Herstellung des Inertgases, denn das Rauchgas muss zur Verwendung in den Kohlemahlanlagen von ursprünglich 1.000 °C auf höchstens 450 °C abgekühlt werden, um seine Funktion als inertes Gas auszufüllen, was durch Zuführung des Brüdens geschieht. Andernfalls wäre die Explosionsgefahr nicht ausgeschlossen, wie auch die Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben.
53Anders als der Beklagte meint, ergibt sich aus den den o.a. EuGH-Entscheidungen zu Grunde liegenden Sachverhalten nicht, dass über die genannten Maßstäbe hinaus weitere, einengende Anforderungen an die Annahme eines doppelten Verwendungszwecks zu stellen sind. Für eine derartige Auslegung bietet die in beiden Entscheidungen getroffene Auslegung keinen Raum (s. BFH Urteil v. 10. November 2015, VII R 40/14, Rz. 11, BFH/NV 2016, 410). Das gilt auch, soweit vertreten wird, dass ein doppelter Verwendungszweck bei der Verbrennung eines Energieerzeugnisses dann ausscheide, wenn der neben dem Verheizen stehende weitere Zweck durch Einsatz eines anderen Stoffs erreicht werden könne.
54Im Urteil vom 02. Oktober 2014, C-426/12, Rzn. 24 bis 28 werden für die in Betracht kommenden Verwendungszwecke die anzuwendenden Maßstäbe vorgegeben, ohne dass darauf abgestellt wird, dass an Stelle des durch die Verbrennung erzeugten Gases auch ein anderer Stoff treten kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem EuGH-Beschluss v. 17. Dezember 2015, C-529/14.
55Soweit der Beklagte im Hinblick auf den BFH-Beschluss vom 31. Januar 2019 VII B 148/18 unter Rz. 14 das Vorliegen eines doppelten Verwendungszwecks verneint, weil die erforderliche Inertisierung auch durch Eindüsen von Stickstoff erreicht werden könne, ergibt sich für den Streitfall kein anderes Ergebnis. Der ausschließliche Einsatz von Stickstoff zur Inertisierung ist der Klägerin auf Grund der erteilten Betriebsgenehmigung versagt und für die von ihr betriebenen Kohlemahlanlagen auch nicht technisch vorgesehen. Darauf, dass Kohlemahlanlagen auch anders, nämlich mit einer alleinigen Inertisierung durch Einsatz von Stickstoff hätten konstruiert werden können, kommt es nicht an. Eine Auslegung dahingehend, dass eine etwaige theoretische Substituierbarkeit bei einer anderen Anlage einem doppelten Verwendungszweck in der zu beurteilenden Anlage entgegensteht, ist dem BFH Beschluss vom 31. Januar 2019, VII B 147/18 nicht zu entnehmen.
56In seinen beiden Entscheidungen geht der EuGH nicht auf eine den doppelten Verwendungszweck ausschließende Substituierbarkeit ein, sondern verlangt ausschließlich, dass der maßgebende Stoff eindeutig auf das eingesetzte Energieerzeugnis zurückzuführen ist (EuGH Urteil v. 02. Oktober 2014, C-426/12, Rzn.24 f., 28; s. Falkenberg in EnergieStG – eKommentar § 51 EnergieStG Rz. 42).
57Zudem ist die Notwendigkeit einer Nichtsubstituierbarkeit auch nicht mit Art. 2 Abs. 4 Buchst. b RL 2003/96 zu vereinbaren. Die Wendung „für andere Zwecke als als Heiz- oder Kraftstoff“ findet sich sowohl im ersten als auch im zweiten Gedankenstrich der Vorschrift, sodass sie in beiden Bestimmungen gleich auszulegen ist (EuGH v. 02. Oktober 2014, C-426/12, Rz. 23). Da nun die Verwendung zu anderen Zwecken als als Heiz- oder Kraftstoff i.S.v. Art. 2 Abs. 4 Buchst. b erster Gedankenstrich RL 2003/96 offensichtlich nicht durch eine mögliche Austauschbarkeit des Energieerzeugnisses ausgeschlossen ist, kann ein solcher Ausschluss auch nicht für den zweiten Verwendungszweck (anderer Zweck i.S.v. Art. 2 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich RL 2003/96) gelten. Diese auf die Energiesteuerrichtlinie bezogene Feststellung ist auch für die Auslegung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG heranzuziehen. Denn der nationale Gesetzgeber darf zwar dem Begriff “zweierlei Verwendungszweck“ eine engere Bedeutung als in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich RL 2003/96/EG beimessen, doch wollte der deutsche Gesetzgeber hier den von der Richtlinie gesetzten Rahmen möglichst ausschöpfen (Falkenberg in EnergieStG – eKommentar § 51 EnergieStG Rz. 42).
58Dass die Klägerin für den Fall zu trockener zu mahlender Kohle die Eindüsung von Wasserdampf nach dem Prozessgaserzeuger vorsieht, stellt eine notwendige Sicherung gegen die Explosionsgefahr dar, rechtfertigt aber nicht die Ablehnung des doppelten Verwendungszwecks, da das Rauchgas wie dargestellt mit für die Herstellung des inerten Gases verwendet wird.
59Der Streitfall unterscheidet sich von dem des Senatsurteils vom 11. Juli 2018 4 K 1945/17 VE, weil dort mit den eingesetzten Brennstoffen nur eine Trocknung der herzustellenden Waren betrieben, nicht aber zusätzlich ein aus weiteren Gründen erforderliches Prozessgas hergestellt wurde.
60Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15. Juli 2015, 1 K 1322/13, DStR 2016, 12, denn in dem diesem Urteil zu Grunde liegenden Sachverhalt erfolgte der Einsatz versteuerten Brennstoffs gemeinsam mit dem zu verbrennenden Abfallprodukt, wobei die so erzeugte Wärme zur Erzeugung von Wasserdampf für den weiteren Betrieb der dortigen Klägerin verwendet wurde. Diese Verwendung sah das FG nicht als doppelten Verwendungszweck, sondern als bloßes Verheizen an.
61Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da eine Parallelentscheidung zum Streitfall Gegenstand des BFH-Beschlusses vom 31. Januar 2019 VII B 148/18 war, in dem der BFH die Zulassung der Revision abgelehnt hatte.
62Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.