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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
2Die Beteiligten streiten darüber, ob aufgrund der Abgabe von Präparaten an Hämatophiliepatienten (Bluter) zur Heimselbstbehandlung im Rahmen einer integrierten Versorgung die gesamte Tätigkeit einer Gemeinschaftspraxis als gewerblich zu behandeln ist.
3Bei der Klägerin handelt es sich um eine zum 01.01.2011 gegründete Partnerschaftsgesellschaft. An ihr sind zwei Fachärztinnen sowie ein weiterer Facharzt beteiligt. Zum Leistungsangebot der Gemeinschaftspraxis gehört insbesondere die komplette Diagnostik und Therapieempfehlung. Die Praxis unterhält in diesem Zusammenhang auch ein Speziallaboratorium für Blutgerinnung inklusive eigener Molekularbiologie sowie ein Notfalldepot für sämtliche Gerinnungsfaktorkonzentrate.
4Die Klägerin behandelt vornehmlich Kassenpatienten im Rahmen einer so genannten integrierten Versorgung nach § 140a ff. des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V). Bei der integrierten Versorgung werden zwischen Arzt und Krankenkasse Verträge abgeschlossen, nach denen die Krankenkasse dem Arzt für die Behandlung der Patienten Fallpauschalen zahlt, die sowohl die medizinische Betreuung als auch die Abgabe von Arzneien und Hilfsmitteln zum Inhalt haben. Die Klägerin hat mit einer Ersatzkasse am 27.10.2010 einen Vertrag zur integrierten Versorgung nach den §§ 140a ff. SGB V abgeschlossen. Gleichfalls wurde zum 29.10.2010 bzw. 10.11.2010 eine Vereinbarung über die Abgabe von Blutprodukten nach § 47 des Arzneimittelgesetzes (AMG) mit dem Verband der Ersatzkassen e.V. als Bevollmächtigter von sechs Ersatzkassen getroffen.
5Die Klägerin hat nach dem geschlossenen Behandlungsvertrag vom 27.10.2010 unter anderem im Rahmen der integrierten Versorgung die Behandlung der Patienten zu organisieren und zu koordinieren und zusätzlich auch Qualitätszirkel zu betreuen. Dabei muss sie dem Patienten für Zeiten außerhalb der regelmäßigen Praxisöffnungszeiten eine Notfalltelefonnummer zur Verfügung stellen und die Erreichbarkeit gewährleisten. Elementare Aufgabe der Klägerin ist nach dem Behandlungsvertrag die wirtschaftliche Versorgung der teilnehmenden Versicherten mit Konzentraten im Rahmen der ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung.
6Der übliche Behandlungsablauf stellt sich derart dar, dass neue Patienten zunächst ca. drei Mal in der Woche in der Praxis behandelt werden. Die ersten 50 bis 100 Injektionen werden dabei durch Ärzte in der Praxis durchgeführt. Die Patienten werden dann darauf geschult, sich die Injektionen zuhause selbst zu verabreichen. Bei Patienten bis zu 8 Jahren werden zunächst die Eltern geschult. Es dauert im Regelfall 6 bis 12 Monate, bis der Patient die Behandlung zuhause eigenständig durchführen kann. Die Schulung dauert so lange, da die verabreichten Mittel nicht außerhalb der Venen in den Körper gelangen dürfen, da andernfalls mit erheblichen negativen Folgewirkungen zu rechnen ist. Nach Abschluss der Schulung werden den Patienten im Regelfall Präparate für die nächsten drei Monate mitgegeben. Der verantwortliche Arzt hat die Dokumentation der Heimselbstbehandlung sicherzustellen und zu überprüfen und für jeden Teilnehmer einen individuellen schriftlichen Therapieplan aufzustellen. Die Patienten haben die Selbstmedikation zu dokumentieren und den Ärzten vorzulegen. Der Arzt hat die Dokumentation in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und unter anderem mit Blick auf Vollständigkeit und Auffälligkeiten auszuwerten. Nach spätestens einem Quartal wird ein neuer Untersuchungstermin angesetzt, bei dem u.a. überprüft wird, ob Anpassungen bei der Behandlung vorzunehmen sind.
7Darüber hinaus wurde in der Praxis der Klägerin eine Applikation eingeführt, die über die mobilen Telefone der Patienten funktioniert. Der behandelnde Arzt teilt dem Patienten für einen bestimmten Zeitraum eine bestimmte Menge an Konzentraten zu, die im EDV-System der Praxis mit Nummern der einzelnen Ampullen der Konzentrate registriert wird. Der Patient führt in diesen Fällen kein schriftliches Tagebuch mehr, sondern scannt den Barcode auf der Ampulle durch sein Mobiltelefon ein. Die Praxis erhält über die vollzogene Verabreichung eine Meldung. Bei Ausbleiben der Vollzugsmeldung wird von dem behandelnden Arzt der telefonische Kontakt mit dem Patienten aufgenommen, um mit dem Patienten über die Notwendigkeit der Verabreichung des Konzentrats und die Gründe bzw. zusätzlich notwendige Maßnahmen zu sprechen. Der behandelnde Arzt hat darüber hinaus auf die Daten über Blutungen und Gaben Zugriff. Das System zeigt Blutungen, Gaben und Vorrat beim Patienten an und ermöglicht so dem behandelnden Arzt die Übersicht über den Stand der Behandlung. Anders als bei der Überwachung durch Tagebücher aus Papier kann die Therapie an jedem Ort mit Internetzugang durch den Arzt verfolgt werden. Der Arzt ist in der Lage, auf bedenkliche Entwicklungen oder außergewöhnliche Ereignisse zu reagieren.
8Die Präparate werden von der Klägerin unter der Vereinbarung über die Abgabe von Blutprodukten nach § 47 AMG im Rahmen der Einzelabrechnung pro Patient abgerechnet. Darüber hinaus wird für die interdisziplinäre Koordinierung, Rufbereitschaft, Akutbehandlung, Lagerung der Konzentrate einschließlich Vorhalten eines ausreichenden Medikamentenvorrats sowie bedarfsgerechte und kostenbewusste Abgabe der Medikamente eine Verwaltungspauschale i.H.v. € pro Patient im Quartal von den Kassen gewährt.
9Ferner erhält die Klägerin für die Behandlung der Patienten aus dem Vertrag mit der Ersatzkasse eine Fallpauschale für die prophylaktische Arzneimitteltherapie i.H.v. € bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres pro Quartal und für ältere Patienten von € pro Quartal. Bei der Abrechnung von Privatpatienten erfolgt ein 5 %iger Aufschlag auf den Preis der Präparate als Verabreichungs- und Handlingspauschale.
10Im nicht mehr streitgegenständlichen Jahr 2012 wurde die Tätigkeit des Ein- und Verkaufs der Präparate nicht mehr von der Klägerin ausgeübt, sondern einer GmbH übertragen.
11Die Klägerin erklärte am 21.06.2013 für die Jahre 2009 bis 2011 (Streitjahre) Gewinne bzw. Verluste aus freiberuflicher Tätigkeit i.H.v. € für 2009, € für 2010 und € für 2011. Der Beklagte erließ am 18.07.2013 Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre, in denen er die von der Klägerin erzielten Einkünfte der Höhe nach erklärungsgemäß feststellte, jedoch in solche aus Gewerbebetrieb umqualifizierte, mit der Folge, dass gegenüber der Klägerin zudem Gewerbesteuermessbescheide für 2009 bis 2011 sowie gesonderte Feststellungen des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009 und 31.12.2010
12ergingen.
13Gegen die Bescheide über gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2009 bis 2011 richtete sich die Klägerin mit Einsprüchen vom 08.08.2013. Die Bescheide für 2009 und 2011 wurden im Nachgang aus hier nicht streitgegenständlichen Gründen mit Änderungsbescheiden vom 28.08.2013 bzw. vom 29.08.2014 geändert. Mit Einspruchsentscheidung vom 22.09.2015 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.
14Mit der am 23.10.2015 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Bescheide über gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2009 bis 2011 sowie gegen die zuletzt mit Bescheiden vom 16.11.2018 geänderten Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2009 bis 2011 und die gesonderten Feststellungen des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009 und 31.12.2010. Sie vertritt die Auffassung, dass es sich bei ihr um eine insgesamt freiberuflich tätige Personengesellschaft handele. Teilweise gewerbliche Tätigkeiten, die zu einer sogenannten Infektion führen würden, lägen nicht vor. Auch die Finanzverwaltung erkenne an, dass die Abgabe von Arzneimitteln im Rahmen der integrierten Versorgung nicht zu einer gewerblichen Infektion der Einkünfte führe, wenn sich die Abgabe von Medikamenten derart bedinge, dass die Durchführung der ärztlichen Heilbehandlung ansonsten nicht möglich sei. In diesem Fall sei die Abgabe der Medikamente als ein unselbständiger Teil der Heilbehandlung zu beurteilen.
15So liege der Fall auch hier. Denn die Abgabe der Faktoren sei Teil einer umfassenden einheitlichen ambulanten Behandlung der Patienten, die auf einem umfassenden Konzept beruhe, das letztlich auch der Gesetzgeber durch die Änderung des § 47 AMG eingeführt habe. Darin sei geregelt, dass pharmazeutische Unternehmen die Faktoren, deren Abgabe sonst den Apotheken vorbehalten sei, auch an entsprechend qualifizierte Ärzte abgeben dürften. Die Ersatzkasse sei aus Gründen der Kosteneinsparung beispielhaft für alle Ersatzkassen dementsprechend auch nicht bereit, den Vertriebsweg über Apotheken zu gestatten. § 47 AMG mache deutlich, dass der Gesetzgeber die laufende Abgabe dieser Präparate durch die Ärzte als Teil der integrierten Versorgung vorgesehen habe. Der Behandlungsvertrag zeige, dass die Klägerin auch privatrechtlich gegenüber den Kostenträgern verpflichtet sei, die umfassende, früher durch Krankenhäuser erbrachte Versorgung von geeigneten Patienten in ambulanter Weise durchzuführen. Das Vertragspaket zeige, dass die Abgabe der Medikamente ein integraler Teil der gesamten von den Ärzten zu erbringenden Leistung sei. Die Formulierung des Gesetzgebers in § 47 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AMG mache deutlich, dass sich die ärztliche Heilbehandlung und die Abgabe der Medikamente untrennbar bedingten. Der Gesetzgeber mache in der Gesetzesbegründung deutlich, dass er die Abgabe der Faktoren durch die spezialisierten Ärzte für eine einzigartige und unvergleichliche Behandlungskonstellation halte. Der Gesetzgeber habe ein neues Leitbild ärztlicher Tätigkeit im Rahmen der integrierten Versorgung geschaffen.
16Die Behandlung der Patienten durch die Klägerin ende entgegen der Auffassung des Beklagten gerade nicht an der Praxistür. Die Patienten müssten ausführlich geschult werden, die von den Patienten erstellten Dokumentationen müssten seitens des behandelnden Arztes ausgewertet werden und gegebenenfalls müsse eine Anpassung der Therapie erfolgen. Bereits dies zeige, dass der vorliegende Fall anders gelagert sei als derjenige, bei dem ein niedergelassener Arzt Medikamente nur mit der Einnahmeempfehlung entsprechend der Gebrauchsanweisung oder individuell dem Patienten mitgebe, ohne dass in irgendeiner Form eine Kontrolle erfolge. Im Streitfall erfolge sogar durch den Einsatz von mobilen Telefonen eine ständige Kontrolle durch den Arzt.
17Die Klägerin trägt ferner vor, die Konzentrate würden grundsätzlich zu Einstandspreisen weiter berechnet. Die Klägerin habe nach dem Vertrag mit den Ersatzkassen vom 29.10.2010 bzw. 10.11.2010 im Rahmen der zu leistenden Transparenz hinsichtlich der erbrachten Leistungen und Erlöse auch etwaige Preisnachlässe, Naturalrabatte und Rückvergütungen den Kassen gutzubringen.
18Auch der Bundesfinanzhof (BFH) stütze mit Urteilen zur Körperschaftsteuerbefreiung die Auffassung der Klägerin. Zuletzt mit Urteil vom 18.10.2017 (V R 46/16) habe das Gericht einen Fall entschieden, der sich mit der Abgabe von Präparaten zur Heimselbstbehandlung durch ein Universitätsklinikum befasse. Nach dieser Entscheidung sei die Abgabe von Medikamenten auch dann dem Zweckbetrieb Krankenhaus i.S.v. § 67 der Abgabenordnung (AO) zuzuordnen, wenn sich der Patient selbst das Medikament im Rahmen einer ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung verabreiche. Der V. Senat des BFH habe es für geboten gehalten, alle Einnahmen und Ausgaben, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des Krankenhauses zusammenhingen, aufgrund der weitgefassten Legaldefinition und auf Grundlage der Vorschrift des § 107 Abs. 1 SGB V dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzurechnen. Die Abgabe der Faktoren sei vom BFH zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses gezogen worden, weil eine typischerweise gegenüber dem Patienten erbrachte Leistung vorliege, zu der das Krankenhaus zur Sicherstellung seines Versorgungsauftrages von Gesetzes wegen befugt sei und der Sozialversicherungsträger als Kostenträger für seine Versicherten deshalb Leistungen bezahlen müsse. Werde als Therapieform die Heimselbstbehandlung gewählt, erfordere dies zwingend die Abgabe des entsprechenden Präparates. Denn neben der Therapieform sei auch die Präparatewahl der ambulanten Behandlung im Krankenhaus zugeordnet. Der vom BFH entschiedene Fall entspreche in vollem Umfang dem Streitfall. Es sei davon auszugehen, dass der BFH auch im Streitfall die Abgabe der Faktoren an Patienten im Rahmen der Heimselbstbehandlung als untrennbar mit der ärztlichen Tätigkeit verbunden qualifizieren würde. Wenn das Krankenhaus im Urteilsfall keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb durch die Abgabe der Präparate betreibe, so sei auch die Klägerin nicht gewerblich tätig.
19Der Beklagte hat die Feststellungsbescheide für die Jahre 2010 und 2011 am 13.11.2018 erneut in hier nicht streitrelevanten Punkten geändert.
20Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 1.2.2019 die Klage gegen die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2009 bis 2011 und die gesonderten Feststellungen des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009 und 31.12.2010 zurückgenommen.
21Die Klägerin beantragt,
22den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2009 vom 28.08.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.09.2015 und die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahr 2010 und 2011 vom 13.11.2018 dahingehend zu ändern, dass die festgestellten Einkünfte nicht als solche aus Gewerbebetrieb, sondern als freiberufliche Einkünfte qualifiziert werden;
23hilfsweise, die Revision zuzulassen.
24Der Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Er ist der Auffassung, dass der Ein- und Verkauf der Faktoren durchaus von der übrigen Tätigkeit der Gesellschaft separiert werden könne. Dies sei auch durch den tatsächlichen Verlauf der Dinge bereits bewiesen, da die Gesellschaft dieses Geschäftsfeld Mitte 2012 in eine GmbH ausgegliedert habe. Dies sei nicht zu beanstanden, allerdings auch nur deshalb, da es sich um eine trennbare Tätigkeit handele. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Medikamentenabgabe und heilberuflicher Tätigkeit sei dann anzunehmen, wenn die Heilbehandlung ohne die Arzneiabgabe nicht möglich sei. Dies sei z.B. beim Einsatz von künstlichen Hüftgelenk, Augenlinsen und sonstigen Implantaten der Fall, nicht aber im Streitfall.
27Sofern sich die Klägerin auf § 47 AMG stütze, sei nicht erkennbar, dass aufgrund des Umstandes, dass die Apothekenpflicht hier gelockert worden sei, eine unmittelbare Verbindung zwischen Faktorenabgabe und Heilbehandlung begründet werde. Dies zeige sich unter anderem daran, dass § 47 Abs. 1 Nr. 6 AMG auch Tierärzte zur Abgabe von Arzneien berechtige. Dennoch sei es unstrittig, dass der Verkauf von Arzneimitteln durch Tierärzte eine gewerbliche Betätigung darstelle. Eine Verpflichtung der Ärzte zu einem Direktbezug könne aus § 47 AMG nicht hergeleitet werden. Der Verordnungsweg über Apotheken sei nach wie vor möglich und werde auch tatsächlich praktiziert.
28Die ärztlich kontrollierte Selbstbehandlung sei in gleicher Form durchführbar, wenn die Patienten die Präparate zuvor in einer Apotheke erwerben würden. Es stünde außer Frage, dass eine Qualifikation der Faktorenabgabe als Teil einer heilberufliche Tätigkeit aus Sicht der Ärzte wünschenswert wäre und zahlreiche Vorteile für die betrieblichen Abläufe zur Folge hätte. Dazu bedürfe es aber einer konstitutiven steuergesetzlichen Regelung.
29Gehe man zutreffend von einer Trennbarkeit der Geschäftsfelder aus, so sei der Ein- und Verkauf von Wirtschaftsgütern eine typische originäre gewerbliche Tätigkeit, welche der freiberuflichen Tätigkeit wesensfremd sei.
30An einer Gewinnerzielungsabsicht könnten ebenfalls keine Zweifel bestehen. Die Einnahmen der Gesellschaft setzten sich in weiten Teilen aus Pauschalen zusammen. Nach dem Vertrag über die Abgabe von Blutprodukten nach § 47 AMG vom 29.10.2010 bzw. 10.11.2010 werde von den gesetzlichen Krankenkassen für die Patienten quartalsweise € Verwaltungskosten- bzw. Aufwandspauschale gezahlt. Die Grundlagen der Kalkulationen seien den Beteiligten nicht bekannt. Es sei davon auszugehen, dass hierin auch Aufwendungen Berücksichtigung fänden, die der Gesellschaft infolge der Ein- und Verkäufe entstünden. Gegenüber Privatpatienten werde eine Handlingspauschale i.H.v. 5 % als Aufschlag auf die Beschaffungspreise erhoben. Nicht zuletzt würden auch die tatsächlich erzielten Betriebsergebnisse der GmbH seit Übernahme der Faktorengeschäfte seit Mitte 2012 für die Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht sprechen. Seit 2012 habe die GmbH nämlich Gewinne erzielt.
31E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
32Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen (§ 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).
33Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Beklagte hat zu Recht die Einkünfte der Klägerin als insgesamt gewerblich qualifiziert.
34I. Die Abgabe der Präparate ist eine gewerbliche Tätigkeit und führt gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dazu, dass im Streitfall alle Einkünfte der Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb einheitlich und gesondert festzustellen sind.
351. Bei dem Ein- und Verkauf von Wirtschaftsgütern handelt es sich um eine originär gewerbliche Tätigkeit. Die Tätigkeit ist auch mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt worden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass von der Klägerin unstreitig ein 5 %iger Aufschlag auf den Preis der Präparate als Verabreichungs- und Handlingspauschale vorgenommen wurde. Auch von den gesetzlichen Krankenkassen ist zusätzlich zu der Zahlung der Direktbezugspreise ein Teil der an die Klägerin geleisteten Pauschalzahlungen dafür erbracht worden, dass seitens der Klägerin „eine bedarfsgerechte und kostenbewusste Abgabe der Präparate an die Patienten“ erfolgt, vgl. Anlage B Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Buchst. i) der Vereinbarung über die Abgabe von Blutprodukten nach § 47 AMG mit dem Verband der Ersatzkassen e.V. als Bevollmächtigter von sechs Ersatzkassen vom 29.10. bzw. 10.11.2010.
362. Die ärztliche Tätigkeit und die Abgabe der Präparate sind auch nicht als einheitlich freiberuflich zu beurteilen. Wenn die beiden Tätigkeiten untrennbar miteinander verflochten wären, wäre die gesamte Tätigkeit nach der Geprägerechtsprechung des BFH zwar als einheitlich gewerblich oder freiberuflich zu beurteilen (BFH, Urteil vom 20.12.2000 XI R 8/00, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2002, 478; Urteil vom 24.04.1997 IV R 60/95, BStBl. II 1997, 567; Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG Rn. 1073; Wacker in Schmidt, EStG, § 15 Rn. 1869). Indes sind die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten nach Auffassung des Senats leicht trennbar.
37a) Der Senat ist zwar mit der Klägerin der Auffassung, dass die Abgabe der Präparate durch die Ärzteschaft Effizienzvorteile mit sich bringt und offenkundig von den Krankenkassen aufgrund der insgesamt geringeren Kostenbelastung bevorzugt wird. Diese wirtschaftlichen Erwägungen führen aber nicht dazu, dass die Abgabe der Präparate als unselbständiger Teil der ärztlichen Heilbehandlung anzusehen wäre. Auch wenn die Patienten der Klägerin im Rahmen der Heimselbstbehandlung unstreitig einer engmaschigen Kontrolle unterliegen, ergibt sich daraus nicht die Notwendigkeit, den Patienten die für das jeweils kommende Quartal benötigten Präparate zu verkaufen. Der Verkauf kann ebenso gut durch einen Dritten erfolgen, ohne dass dies Einfluss auf die ärztliche Heilbehandlung nehmen würde. Die leichte organisatorische Trennbarkeit zeigt sich schon daran, dass die Klägerin selbst den Verkauf der Präparate mittlerweile in eine GmbH ausgegliedert hat.
38Entgegen der Auffassung der Klägerin endet die ärztliche Behandlung auch in anderen Fällen nicht an der Praxistür. Bei diversen schwerwiegenden Erkrankungen ist ebenfalls eine engmaschige Kontrolle der Patienten durch den Arzt und ggf. eine Neueinstellung der Medikation erforderlich, auch wenn der Patient beim Kauf der verschriebenen Medikamente auf die Apotheke angewiesen ist. Der Senat ist durch die Ausführungen der Klägerin im schriftlichen Vorverfahren und in der mündlichen Verhandlung in seinem Eindruck bestärkt worden, dass ein Verweis der Patienten auf die Apotheke nicht zuletzt deshalb nicht gewollt war, weil dies die aus wirtschaftlichen Erwägungen resultierenden Vorgaben der Krankenkassen nicht zuließen. Eine Notwendigkeit der Abgabe durch die behandelnden Ärzte für den Behandlungserfolg besteht hingegen gerade nicht.
39b) Aus der Ausnahme von der Apothekenpflicht in § 47 AMG kann nach Auffassung des Senats kein Rückschluss auf die steuerliche Behandlung erfolgen. Aufgrund des Umstandes, dass die Apothekenpflicht partiell aufgehoben und Ärzten der Verkauf von Medikamenten gestattet wird, kann nicht geschlossen werden, dass die Ärzte auch freiberuflich tätig werden, wenn sie diese Ausnahme in Anspruch nehmen. Nicht jede Tätigkeit, die dem Arzt erlaubt ist, kann als ärztliche Tätigkeit beurteilt werden. So zieht nach der Rechtsprechung des BFH die Abgabe von Medikamenten durch eine tierärztliche Praxisgemeinschaft ebenso die gewerbliche Infektion nach sich (BFH, Urteil vom 1.2.1979 IV R 113/76, BStBl. II 1979, 574) wie auch ein Arzt, der aus seiner sog. ärztlichen Hausapotheke gegen Entgelt Medikamente an Patienten abgibt, gewerblich tätig wird (BFH, Urteil vom 26.5.1977 V R 97/76, BStBl. II 1977, 879 zur Umsatzsteuer). Auch in diesen Fällen ergab sich die Berechtigung des Arztes zum Kauf und Verkauf der Medikamente aus § 47 AMG. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass derzeit ein Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung vom 22.01.2019 vorsieht, dass die Ausnahme in § 47 AMG künftig nicht mehr für plasmatische und gentechnologisch hergestellte Faktorzubereitungen gelten soll. Die Heilbehandlung setzt somit auch nach Auffassung des Bundesgesundheitsministeriums eine Abgabe durch den Arzt nicht zwingend voraus.
40c) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus dem Urteil des BFH vom 18.10.2017 (V R 46/16, BStBl. II 2018, 672). Der BFH hatte sich in diesem Urteil nur mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Abgabe der Präparate dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzuordnen war. Zum Zweckbetrieb Krankenhaus (vgl. § 67 AO) gehören aber alle Einnahmen und Ausgaben, Umsätze und Vermögensgegenstände, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhängen. Der Prüfungsmaßstab ist somit ein völlig anderer. So können sogar Nebenbetriebe wie Wäscherei und Krankenhausapotheke Teil des Zweckbetriebs Krankenhaus sein, wenn sie nicht auch Leistungen an Dritte erbringen (vgl. Gersch in Klein, AO, § 67 Rn. 9 m.w.N.). Die Klägerin verkennt im Übrigen die Systematik der steuerlichen Behandlung von gemeinnützigen Körperschaften. Diese sind grds. steuerbefreit, sofern nicht ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird, soweit dieser wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nicht wiederum ein Zweckbetrieb ist (vgl. §§ 64, 65 AO). Mitnichten hat der BFH somit entschieden, dass die Klägerin in dem Verfahren V R 46/16 keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhielt. Dieser erfüllte lediglich die Voraussetzungen des § 67 AO.
413. Das Vorliegen auch einer gewerblichen Tätigkeit, die nicht untrennbar mit der freiberuflichen Tätigkeit verbunden ist, führt nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG dazu, dass die von der Klägerin unternommene Tätigkeit in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt. Die vom BFH aufgestellte Bagatellgrenze für äußerst geringfügige gewerbliche Tätigkeiten (originär gewerbliche Nettoumsatzerlöse nicht höher als 3 % des Gesamtnettoumsatzes und nicht höher als 24.500 Euro; vgl. Wacker in Schmidt, EStG, § 15 Rn. 188 m.w.N.) ist im Streitfall unstreitig überschritten.
42Mit der vom Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2019 erhobenen Rüge der fehlenden Beweiserhebung kann die Klägerin nicht gehört werden. Eine Beweiserhebung war für die Entscheidung des Senats nicht erforderlich, da der unter Beweis gestellte Sachverhalt zwischen den Beteiligten unstreitig ist und die Entscheidung des Senats gerade auf dem vorgetragenen Sachverhalt begründet ist.
43II. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Frage, ob eine gewerbliche und eine freiberufliche Tätigkeit untrennbar miteinander verknüpft sind oder voneinander getrennt werden können, ist vom Finanzgericht als Tatsacheninstanz anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Die Würdigung der Einzelfallumstände ist auch nicht grundsätzlich bedeutsam i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
44III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, § 137 Abs. 2 FGO.