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Der Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 03.02.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.05.2017 wird dahingehend geändert, dass anstelle einer als Sonderausgaben abzugsfähigen Kirchensteuer i.H.v. 2.429 € ein Sonderausgabenabzug für Kirchensteuer i.H.v. 5.497 € berücksichtigt wird.
Die Ermittlung des für 2015 festzusetzenden Einkommensteuerbetrages wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern zu 25 v. H. und dem Beklagten zu 75 v. H. auferlegt.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Streitig ist die Höhe der nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben abzugsfähigen Kirchensteuer.
3Die Kläger wurden für das Streitjahr 2015 als Eheleute zusammen zur Einkommen-steuer veranlagt. Der Kläger ist römisch-katholisch, die Klägerin ist evangelisch. Die Klägerin hatte der A-GmbH, deren alleiniger Anteilseigner der Kläger ist, Darlehen gewährt, für deren Gewährung die Klägerin jährlich Darlehenszinsen erhielt. Die Beklagte unterwarf die Darlehenszinsen der tariflichen Einkommensteuer. Die Einkommensteuer für 2009 und 2010 wurde mit Bescheiden vom 24.03.2011 (2009) und vom 23.07.2012 (2010) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Die Kläger beantragten, die Bescheide dahingehend zu ändern, dass die Darlehenszinsen der Abgeltungsteuer unterworfen werden. Gegen die Ablehnung ihres Antrags legten sie Einspruch ein. Auch für 2011, 2012 und 2013 wendete der Beklagte die tarifliche Einkommensteuer auf die von der Klägerin erzielten Darlehenszinsen an (Einkommensteuerbescheide für 2011 vom 15.04.2013, für 2012 vom 26.05.2014 und für 2013 vom 17.04.2015). Hiergegen legten die Kläger ebenfalls Einsprüche ein.
4Die Einsprüche ruhten bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Rechtssachen VIII R 31/11 und VIII R 9/13. Nach der Bekanntgabe der höchstrichterlichen Entscheidungen, die zugunsten der Kläger ausfielen, änderte der Beklagte die Einkommensteuerbescheide für 2009 bis 2013 im Streitjahr 2015 antragsgemäß und unterwarf die Zinseinnahmen i.H.v. 18.052 € (2009), 14.779 € (2010), 16.459 € (2011), 15.627 € (2012) und 13.393 € (2013) der Abgeltungsteuer (Änderungsbescheide vom 09.06.2015, vom 07.05.2015 für 2013 und vom 27.08.2015 für 2012). Die Einkommensteuerfestsetzung für 2013 wurde erneut aus anderen Gründen mit Bescheid vom 18.06.2015 geändert. Der Sonderausgabenabzug der Kirchensteuer für 2013 i.H.v. 11.228 € blieb jeweils unverändert.
5Im Einzelnen wurden gemäß den Bescheiden aus dem Jahr 2015 die folgenden Kirchensteuerbeträge nachgezahlt („+“) bzw. erstattet („-“):
6Jahr |
€ |
Klägerin/Kläger |
Bescheid vom |
€ |
|||
2009 |
- 308,52 |
(= +32,67/ -341,19) |
09.06.2015 |
2010 |
- 498,24 |
(= -249,12/ -249,12) |
09.06.2015 |
2011 |
+ 125,37 |
(= +81,18/ + 44,19) |
09.06.2015 |
2012 |
- 186,66 |
(= +58,68/ -245,34) |
27.08.2012 |
2013 |
+ 220,36 |
(= -369,48/ +972,25 |
17.04.2015 |
+53,24/ -206,15 |
07.05.2015 |
||
-114,75/ -114,75) |
18.06.2015 |
||
Summe |
- 647,69 € |
Mit Bescheid vom 03.02.2017 wurde die Einkommensteuerveranlagung für 2015 durchgeführt. Dabei wurde „gezahlte Kirchensteuer“ i.H.v. 2.429 € als Sonderausgabe gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG berücksichtigt. In den Erläuterungen zum Bescheid wurde ausgeführt, dass die gezahlte und erstattete Kirchensteuer entsprechend der dem Finanzamt vorliegenden Daten berücksichtigt worden sei. Die auf die Kapitalerträge entfallende Kirchensteuer könne nicht berücksichtigt werden, da sie bereits bei der Berechnung des Steuersatzes auf die Kapitalerträge Berücksichtigung finde. Der Beklagte berechnete den Abzugsbetrag wie folgt:
8Lohn-Kirchensteuer (KiSt) 2015 Ehemann |
2.558,28 € |
KiSt-Vorauszahlungen 2015 Ehemann |
3.585,94 € |
(in 2015 gezahlt: 3.625 €) abzüglich |
|
39,06 € (KiSt auf Abgeltungsteuersatz) |
---------------- |
Zwischensumme |
6.144,22 € |
abzüglich des Differenzbetrags zwischen der KiSt
10auf die tarifliche ESt des vorletzten Bescheides und der
11auf die tarifliche ESt des letzten Änderungsbescheides
12für die Jahre 2009, 2011 und 2012
13(682,38 €; 561,96 €; 530,46 €),
14für 2013 abzüglich eines Betrages i.H.v. 1.442,03 €
15(= die auf die tarifliche ESt entfallende KiSt (5.325,21 €)
16- Lohn-KiSt (2.451,24 €) - Vorauszahlungen (4.316 €))
17und abzüglich des Erstattungsbetrags für 2010 (498,24 €)
18Zwischensumme: |
- 3.715,07 € |
----------------- |
|
Summe |
2.429,15 € |
Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein, mit welchem sie geltend machten, die vom Beklagten durchgeführte Ermittlung stelle nicht auf die im Veranlagungszeitraum gezahlte Kirchensteuer ab, wie es § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG vorsehe. Die Berücksichtigung von 6.144,22 € sei zutreffend. Dagegen könnten die Kirchensteuerminderungen i.H.v. 3.715,07 € für die Jahre 2009 bis 2013 nicht nachvollzogen werden. Für 2009 und 2010 dürfe grundsätzlich keine Minderung der Kirchensteuer erfolgen, da es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Die Neuregelung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG durch das Jahressteuergesetz 2010 sei gemäß § 52 Abs. 24a S. 1 EStG erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2011 anzuwenden. Für die Jahre 2011 bis 2013 dürften nur die tatsächlich gezahlten und erstatteten Beträge saldiert werden. Im Einzelnen seien für das Streitjahr ein Kirchensteuerbetrag i.H.v. 5.985 € als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu berücksichtigen.
20Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 15.05.2017 als unbegründet zurück. Er war der Ansicht, die Kürzung der abzugsfähigen Kirchensteuer ergebe sich aus der Neuregelung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG, die ab dem Veranlagungszeitraum 2011, also im Jahr 2015, anzuwenden sei. Danach könne gezahlte Kirchensteuer nicht als Sonderausgaben berücksichtigt werden, soweit die Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer oder als Zuschlag auf die nach dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG ermittelte Einkommensteuer gezahlt worden sei. Diese Vorschrift diene der Vermeidung einer Doppelbegünstigung nach Einführung der Abgeltungsteuer. Da die erhobene Kirchensteuer bereits bei der Ermittlung der Höhe der Abgeltungsteuer berücksichtigt werde, könne sie nicht ein zweites Mal im Wege des Sonderausgabenabzugs berücksichtigt werden. Die Ermittlung des Finanzamts, die in der Anlage zur Einspruchsentscheidung dargestellt sei, entspreche diesen Rechtsgrundsätzen.
21Für 2009 greife die Abzugsbeschränkung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG ein, da laut Bescheid vom 09.06.2015 nunmehr ein Teilbetrag von 682,38 € der Abgeltung-steuer unterliege. Dieser Betrag ergebe sich durch Vergleich der Kirchensteuer auf die tarifliche Einkommensteuer von 14.459,94 € zur entsprechenden Kirchensteuer laut Bescheid vom 24.03.2011 von 15.142,32 €. Die Rechtsanwendung könne sich nicht nach den tatsächlich gezahlten und erstatteten Beträgen nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG im Jahr 2015 richten, da es für die Abzugsbeschränkung nach dem 2. Halbsatz dieser Vorschrift hierauf nicht ankomme. Die Verhältnisse hätten sich erst durch den Bescheid vom 09.06.2015 geändert, so dass für das Jahr 2015 die Abzugsbeschränkung zu prüfen und vorzunehmen sei. Die Kläger böten hierzu keine nachvollziehbare Begründung an, wie, wann und überhaupt nach ihrer Ansicht die Abzugsbeschränkung vorzunehmen sei.
22Die geänderte Fassung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG sei dabei auch für die auf die Jahre 2009 und 2010 entfallende Kirchensteuer anzuwenden, da es hier um den Kirchensteuerabzug für das Jahr 2015 gehe. Es gebe keinen sachlichen Grund, auf den Veranlagungszeitraum 2009 abzustellen, zumal ein Wechsel der Besteuerungsmethode erst im Jahr 2015 stattgefunden habe. Die Ausführungen für 2009 gälten sinngemäß auch für die Veranlagungszeiträume 2011 und 2012. Für 2010 beruhe die Rechtsanwendung ausschließlich auf § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG; es sei keine Abgeltungsteuer festgesetzt worden.
23Für den Veranlagungszeitraum 2013 seien drei Bescheide im Jahr 2015 ergangen. Der letzte Bescheid datiere auf den 18.06.2015, wobei die Kirchensteuer auf die tarifliche Einkommensteuer 5.325,21 € betrage. Nach Abzug der Lohnkirchensteuer (2.451,24 €) und der Vorauszahlungen (4.316 €) ergebe sich ein Minderungsbetrag der Kirchensteuer i.H.v. 1.442,03 €, der auf die Kirchensteuer zur Abgeltungsteuer entfalle. Dies sei folgerichtig, da sich die Kirchensteuer auf die Abgeltungsteuer insgesamt auf 1.662,39 € belaufe. Es bleibe die tatsächliche Nachzahlung von 220,03 € (1.662,39 € -1.442,03 €) unberücksichtigt, da der Minderungsbetrag rechnerisch zutreffend nur 1.442,03 € betrage.
24Hiergegen richtet sich die Klage, mit welcher die Kläger zunächst einen Sonderausgabenabzug i.H.v. 6.517,49 € geltend gemacht haben (Anlage K 18). Sie sind der Ansicht, dass gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG die gezahlte Kirchensteuer als Sonderausgabe abzugsfähig sei. Hierbei sei der Grundsatz des Abflussprinzips gemäß § 11 Abs. 2 EStG maßgeblich. Dies entspreche auch der Verwaltungsauffassung. Angefallene Erstattungen seien mit Zahlungen zu verrechnen. Entsprechend der gesetzlichen Rechtsanwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG setze der Abzug von Kirchensteuer als Sonderausgabenabzug voraus, dass die Zahlungen in dem betreffenden Veranlagungsjahr (hier 2015) tatsächlich geleistet worden seien und dass der Steuerpflichtige hierdurch endgültig wirtschaftlich belastet sei. Fehle eine der beiden Voraussetzungen, so komme ein Sonderausgabenabzug nicht in Betracht.
25Der Abzug von Kirchensteuer als Sonderausgaben werde lediglich durch § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG eingeschränkt. Dies erfolge entsprechend dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung jedoch nur, soweit die Kirchensteuerzahlungen im Veranlagungsjahr 2015 als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer oder als Zuschlag auf die nach dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG ermittelte Einkommensteuer gezahlt worden sei.
26Im Jahr 2015 lägen Kirchensteuerzahlungen, welche nicht dem gesonderten Steuertarif unterlegen hätten, in Höhe von insgesamt 6.517,49 € vor, welche als Sonderausgaben zu berücksichtigen seien. Die Auffassung des Finanzamts, dass die in § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG normierte Einschränkung nicht nach der tatsächlichen Zahlung und wirtschaftlichen Belastung zu erfolgen habe, sei rechtsfehlerhaft. Eine Abkehr von dem Grundsatz des Abflussprinzips gemäß § 11 Abs. 2 EStG sei auch dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 16.11.2016 15 K 1640/16 E (Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2017, 2012) nicht zu entnehmen.
27Darüber hinaus sei die Ermittlung durch das Finanzamt nicht aus dem Gesetzeswortlaut und der Systematik herzuleiten. Dem Gesetzeswortlaut sei vielmehr zu entnehmen, dass der Sonderausgabenabzug nur “… soweit die Kirchensteuer als Zuschlag … gezahlt wurde“ beschränkt werde. Die von der Finanzverwaltung durchgeführte Ermittlung gehe überdies in der Höhe darüber hinaus und lasse unberücksichtigt, dass die dem gesonderten Steuertarif zu unterwerfenden Kapitalerträge bereits in den Kalenderjahren 2009 bis 2013 zugeflossen seien, und weiche von dem Grundsatz des § 11 Abs. 2 EStG ab.
28Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 28.05.2019 die Klage eingeschränkt und beantragen nunmehr,
29den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 03.02.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.05.2017 dahingehend zu ändern, dass anstelle einer als Sonderausgaben abzugsfähigen Kirchensteuer i.H.v. 2.429 € ein Sonderausgabenabzug für Kirchensteuer i.H.v. 5.497 € berücksichtigt wird;
30die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
31Der Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen,
33hilfsweise,
34die Revision zuzulassen.
35Er ist der Auffassung, dass es für den Sonderausgabenabzug der Kirchensteuer nicht mehr ausschließlich darauf ankomme, wann der Zeitpunkt der Vereinnahmung und Verausgabung der Kirchensteuerbeträge gewesen sei. Vielmehr müsse eine Einschränkung des Kirchensteuerabzugs vorgenommen werden, wenn – wie hier – neben tariflicher Kirchensteuer auch Kirchensteuer auf Abgeltungsteuer nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG anfalle. Bei entsprechender Auslegung des Gesetzes habe erst im Jahr 2015 festgestanden, dass Kirchensteuer auf Abgeltungsteuer angefallen und gezahlt worden sei. Vorher sei tarifliche Kirchensteuer geschuldet und gezahlt worden. Daher sei es folgerichtig, den Kirchensteuerabzug im Jahr 2015 für die Jahre 2009, 2011 und 2012 zu beschränken, da der Beklagte die Abgeltungsteuer in den Änderungsbescheiden des Jahres 2015 erstmalig festgesetzt habe. Für 2013 sei ebenfalls eine einschränkende Berechnung des Kirchensteuerabzugs vorzunehmen.
36Auch bei einem sog. Wechselfall mit Änderung der Besteuerungsart von der tariflichen Steuer zur Abgeltungsteuer könne eine Einschränkung des Kirchensteuerabzugs erfolgen. Dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers. Es könne nicht darauf ankommen, ob eine Abgeltungsteuer im ersten Bescheid vorliege oder erst eine Umqualifizierung nach einem Rechtsbehelfsverfahren in einem weiteren Bescheid stattfinde. Für 2013 liege kein Wechselfall vor, da in allen drei Bescheiden aus 2015 Abgeltungsteuer auf Kirchensteuer geschuldet werde, sodass von einem Normalfall für § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG auszugehen sei.
37Der Senat hat mit Beschluss vom 24.05.2019 die mündliche Verhandlung wiedereröffnet. Die Beteiligten haben daraufhin mit Schreiben vom 28.05.2019 und 31.05.2019 auf eine (erneute) mündliche Verhandlung verzichtet.
38Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
39E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
40I. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-) und nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung in der Besetzung mit den Richtern, die an der mündlichen Verhandlung beteiligt waren (BFH-Beschluss vom 15.07.2005 I B 19/05, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2006, 68).
41II. Die Klage ist begründet.
42Der Einkommensteuerbescheid für 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger dadurch in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
43Der Beklagte hat zu Unrecht lediglich den Sonderausgabenabzug von Kirchensteuer i.H.v. 2.429 € zugelassen. Im Streitfall ist Kirchensteuer i.H.v. 5.497 € als Sonderausgaben abzuziehen.
44Nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 und 2 EStG gehört zu den Sonderausgaben die gezahlte Kirchensteuer; dies gilt nicht, soweit die Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer oder als Zuschlag auf die nach dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG ermittelte Einkommensteuer gezahlt wurde.
45Diese Vorschrift erlaubt nicht die vom Beklagten vorgenommene Kürzung.
46Die Kirchensteuer ist für das Jahr als Sonderausgaben zu berücksichtigen, in dem sie von dem Steuerpflichtigen tatsächlich entrichtet worden ist (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG). Dies ist ausdrücklich in § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG geregelt. Der Abzug von Kirchensteuer als Sonderausgaben setzt danach voraus, dass die Zahlungen in dem betreffenden Veranlagungszeitraum tatsächlich geleistet wurden und dass der Steuerpflichtige hierdurch endgültig wirtschaftlich belastet ist (BFH-Urteil vom 25.01.1963 VI 69/61 U, Bundes-steuerblatt -BStBl- III 1963, 141; Beschlüsse vom 23.03.2006 XI B 115/05, BFH/NV 2006, 1815; vom 08.10.2007 XI B 112/06, BFH/NV 2008, 43; Krüger in Schmidt, Kommentar zum EStG, 38. Aufl., § 10 Rz. 3). Kirchensteuererstattungen als Minderung gleichartiger Aufwendungen sind grundsätzlich im Erstattungsjahr zu berücksichtigen (Krüger in Schmidt, § 10 EStG Rz. 7).
47Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind - unstreitig - zunächst die im Jahr 2015 gezahlten Kirchensteuerbeträge i.H.v. 6.144,22 € (Kirchensteuer-Vorauszahlungen und Lohnkirchensteuer) steuermindernd zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Senats sind darüber hinaus noch die im Jahr 2015 für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2013 tatsächlich gezahlten und erstatteten Beträge anzusetzen, die sich unmittelbar aus den im Jahr 2015 erlassenen Änderungsbescheiden ergeben (2009: - 308,52 €; 2010:- 498,24 €; 2011: + 125,37 €; 2012: - 186,66 €; 2013: + 220,36 €). Diese belaufen sich auf - 647,69 €, sodass insgesamt für 2009 bis 2013 ein Sonderausgabenabzug i.H.v. aufgerundet 5.497 € (= 6.144,22 € - 647,69 €) vorzunehmen ist. Für 2010 ergibt sich die Minderung des Sonderausgabenabzugs bereits aus den allgemeinen Grundsätzen. Insofern entfällt die komplette Kirchensteuer auf die tarifliche Einkommensteuer.
48Eine weitere Kürzung des Sonderausgabenabzugs für 2015 scheidet aus. Entgegen der Ansicht des Beklagten enthält § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG im Streitfall keine Rechtsgrundlage, um den Sonderausgabenabzug der im Streitjahr gezahlten Kirchensteuer um die Kirchensteuerbeträge, welche rechnerisch den nach dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Kapitalerträgen der Jahre 2009 bis 2013 zuzuordnen sind, unabhängig von ihrer tatsächlichen Zahlung zu kürzen.
49Zwar dienen die in § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG geregelten Einschränkungen zum Sonderausgabenabzug gezahlter Kirchensteuer der Vermeidung einer Doppelbegünstigung nach Einführung des besonderen Steuertarifs gemäß § 32d EStG (vgl. Bundesrats-Drucksache 220/07, 86; Bundestags-Drucksache 16/4841, 54; 17/2823, 38). In den beiden dort geregelten Fällen wird die erhobene Kirchensteuer bereits bei der Ermittlung der Höhe der Kapitalertragsteuer bzw. Einkommensteuer berücksichtigt (FG Düsseldorf, Urteil vom 16.11.2016 15 K 1640/16 E, EFG 2017, 212; Arps-Aubert, Deutsches Steuerrecht 2011, 1548).
50Die vom Beklagten für die Jahre 2009, 2011 bis 2013 vorgenommene Kürzung widerspricht jedoch dem Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG, der für beide Halb-sätze auf die Zahlung der Kirchensteuer abstellt. Die vom Beklagten berechneten und zu Lasten der Kläger für 2015 berücksichtigten Beträge (3.216,83 € = 3.715,07 € - 498,24 €) sind nicht im Jahr 2015 in dieser Höhe als Zuschlag auf die nach dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG ermittelte Einkommensteuer gezahlt worden.
51Dem Gesetz kann nicht entnommen werden, dass – unabhängig von der tatsächlichen Zahlung der Kirchensteuer - der nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG zu kürzende Betrag als Differenzbetrag zwischen der Kirchensteuer auf die tarifliche Einkommensteuer des letzten Änderungsbescheides und der Kirchensteuer auf die tarifliche Einkommensteuer des vorherigen Bescheides zu berechnen ist und der so für 2009, 2011 und 2012 rechnerisch ermittelte Betrag die im Jahr der Änderung der Besteuerungsmethode tatsächlich gezahlte Kirchensteuer mindern kann.
52Das Gesetz sieht auch nicht die für das Jahr 2013 vom Beklagten durchgeführte Korrektur vor. Insofern hat der Beklagte zur Berechnung des nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG zu kürzenden Betrages auf die auf die tarifliche Einkommensteuer entfallende Kirchensteuer für 2013 (5.325,21 €) abgestellt, hiervon die Lohn-Kirchensteuer und die Vorauszahlungen für 2013 (insgesamt 6.767,24 €) abgezogen und den sich so ergebenden Differenzbetrag (- 1.442,03 €) – unabhängig von der tatsächlichen Zahlung dieses Betrages - von der in 2015 gezahlten Kirchensteuer abgezogen. Der Sonderausgabenabzug im Veranlagungsjahr 2013 gezahlter und nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG abgezogener Kirchensteuer (11.228 €) blieb dagegen unverändert. Insofern ist schon nicht nachvollziehbar, warum im Veranlagungsjahr 2015 nicht vornehmlich der Sonderausgabenabzug von in 2013 gezahlter Kirchensteuer für das Jahr 2013 gekürzt worden ist. Unabhängig von der Änderung betreffend die Darlehenszinsen der Klägerin entfiel im Rahmen der erstmaligen Steuerfestsetzung für 2013 bereits Kirchensteuer i.H.v. 1.367,73 € auf Kapitalerträge des Klägers, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuert wurden (Bescheid vom 17.04.2015); diese Kirchensteuer war jedenfalls auch im Jahr 2013 gezahlt worden. Die Änderung betreffend die Darlehenszinsen mit Bescheid vom 07.05.2015 führte zu einer Erhöhung dieser Kirchensteuer auf 1.662,39 €, allerdings nur zu einer Nachzahlung von Kirchensteuer für die Klägerin i.H.v. 53,24 € bei gleichzeitiger Kirchensteuererstattung an den Kläger i.H.v. 206,15 €.
53Mangels gesetzlicher Regelung scheidet damit die vom Beklagten durchgeführte Kürzung des Sonderausgabenabzugs der für 2015 gezahlten Kirchensteuer auf 2.429 € aus.
54§ 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG kann nicht gegen seinen Wortlaut ausgelegt werden. Eine Auslegung eines Gesetzes gegen seinen Wortlaut ist nur ausnahmsweise möglich, wenn die wortgetreue Auslegung offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers widerspricht und erkennbar zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt (BFH-Urteil vom 01.08.1974 IV R 120/70, BStBl II 1975, 12; vom 28.01.2015 VIII R 13/13, BStBl II 2015, 393). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Es kann hier schon nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber das Kriterium der tatsächlichen Zahlung hat aufgeben wollen.
55Es ist auch nicht möglich, durch richterliche Rechtsfortbildung die - vermeintliche - Gesetzeslücke zu schließen. Dies würde für den Streitfall eine unzulässige Steuerverschärfung bedeuten (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung -AO- und FGO, § 4 AO Rz. 360 m.w.N.). Allein der Umstand, dass der Gesetzgeber bei der Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG sog. Wechselfälle, also Fälle des Wechsels von der tariflichen Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen zur Abgeltungsteuer, nicht im Blick gehabt zu haben scheint, rechtfertigt eine Lückenfüllung zu Lasten der Steuerpflichtigen nicht.
56Schließlich ist im Streitfall der Sonderausgabenabzug auch um keinen geringeren Kirchensteuerbetrag zu kürzen. Die für die Jahre 2009, 2010 und 2012 erfolgten Erstattungen sind zu Lasten der Kläger berücksichtigt worden. Hinsichtlich der Kirchensteuer für die Jahre 2011 und 2013, für die Nachzahlungen erfolgten und eine Kürzung des Sonderausgabenabzugs möglich wäre, ist nicht ersichtlich, welcher Korrekturbetrag und welche Korrekturmethode vom Gesetz gedeckt wären. Auch insofern ist keine Lückenausfüllung durch das Gericht zu Lasten der Kläger möglich. So kommt für 2013 der von der Klägerin nachzuzahlende Betrag (53,24 €) oder ein Betrag von 294,66 € (Differenzbetrag zwischen der Kirchensteuer i.H.v. 1.367,73 € auf Kapitalerträge des Klägers, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuert wurden, und der letztlich auch auf die Darlehenszinsen festgesetzten Kirchensteuer i.H.v. 1.662,39 €) oder der sich für 2013 insgesamt nach den Änderungen ergebende Kirchensteuer-Nachzahlungsbetrag i.H.v. 220,36 € als Kürzungsbetrag für den Sonderausgabenabzug des Jahres 2015 in Betracht, ggf. erst nach einer Kürzung des Sonderausgabenabzugs für 2013. Für 2011 ist unklar, ob eine Kürzung i.H.v. 81,18 € (der von der Klägerin zu zahlende Betrag) oder i.H.v. 125,37 € (Nachzahlungsbetrag) vorzunehmen wäre. Aus dem Gesetz kann nicht abgeleitet werden, in welcher Höhe und in welchem Jahr der Gesetzgeber den Abzug von Kirchensteuer in Fällen der späteren Besteuerung nach dem besonderen Steuertarif gemäß § 32d EStG hat kürzen wollen.
57III. Die Übertragung der Ermittlung des festzusetzenden Einkommensteuerbetrages für 2015 stützt sich auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
58Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären.
59Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
60Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.