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1. Der Streitwertbeschluss vom 26. Juni 2019 wird dahin gehend berichtigt, dass Datum der Beschlussfassung der 8. Juli 2019 ist.
2. Die Anhörungsrüge des Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Der auf den 26. Juni 2019 datierte Streitwertbeschluss wird dahin geändert, dass der Streitwert auf 250.567 Euro festgesetzt wird.
4. Die Kosten dieses Verfahrens trägt der Beklagte. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen.
Gründe
2I.
3Strittig ist die vom Gericht im Verfahren 10 K 2219/14 AO vorgenommene Streitwertfestsetzung.
4Der Beklagte hatte die Einkommensteuer für die Streitjahre (1995 bis 2000) zuletzt durch Änderungsbescheide vom 19. Juli 2010 abweichend von den zuvor ergangenen Einkommensteuerfestsetzungen für diese Jahre vom 19. Juli 2006 neu festgesetzt. Zinsfestsetzungen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) wurden – entgegen § 233a Abs. 4 AO – mit den Steuerbescheiden vom 19. Juli 2010 nicht verbunden. Sie erfolgten erst durch gesonderte Zinsbescheide für die Streitjahre vom 10. Februar 2012. Die nach erfolglosem Einspruch gegen die Zinsbescheide erhobene Klage hatte hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1997 und 1999 Erfolg. Das Gericht hob die Zinsbescheide für diese Jahre durch Urteil vom 7. Juni 2017 10 K 2219/14 AO (Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 1059) wegen vor Bekanntgabe der Bescheide bereits eingetretener Festsetzungsverjährung auf. Soweit die Klage die Zinsfestsetzungen für 1998 und 2000 betraf, wies das Gericht sie als unzulässig bzw. unbegründet ab. Die hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1997 und 1999 vom Finanzgericht zugelassene Revision wies der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 16. Januar 2019 X R 30/17 (Bundessteuerblatt – BStBl – II 2019, 362) als unbegründet zurück.
5Die Kläger beantragten daraufhin mit Schriftsatz vom 6. Mai 2019 die Festsetzung der ihnen zu erstattenden Aufwendungen. Dabei gingen sie von einem Streitwert von 228.683,50 Euro aus. Dabei handelt es sich um die Summe der vom Beklagten für die Jahre 1995 bis 1997 und 1999 festgesetzten Nachforderungszinsen. Der Beklagte nahm dazu mit Schriftsatz vom 25. Juni 2019 Stellung. Darin wandte er sich gegen die Annahme der Kläger, dass der Streitwert ausgehend von den in den angefochtenen Zinsbescheiden festgesetzten Zinsen zu ermitteln sei. Da die Zinsfestsetzungen vom 10. Februar 2012 die Zinsfestsetzungen vom 19. Juli 2006 ersetzt hätten, so der Beklagte, hätten diese, nachdem jene aufgehoben worden seien, ihre Wirksamkeit wiedererlangt. Der Streitwert betrage daher, wie in dem dem Schriftsatz beigefügten Schreiben an die Kläger vom 18. Juni 2019 anhand einer Gegenüberstellung der aufgehobenen und der ihnen vorausgegangenen Zinsfestsetzungen ermittelt, lediglich 34.821,50 Euro.
6Das Gericht setzte mit Datum vom 26. Juni 2019 unter Absehen von einer Begründung den Streitwert auf 230.938,50 Euro fest. Dieser Betrag entspricht der Gesamtsumme der im Verfahren 10 K 2219/14 AO strittigen Zinsen für die Streitjahre. Der Beschluss wurde den Beteiligten am 9. Juli 2019 übersandt.
7Der Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Juli 2019 gegen den Beschluss Beschwerde gemäß § 68 des Gerichtskostengesetzes (GKG), hilfsweise Anhörungsrüge gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhoben und eine Änderung des Streitwertbeschlusses beantragt. Zur Begründung hat er angeführt, es sei nicht erkennbar, ob und inwieweit sein Schriftsatz vom 25. Juni 2019 bei der gerichtlichen Beschlussfassung berücksichtigt worden sei.
8Der Beklagte beantragt,
9den Beschluss vom 26. Juni 2019 dahin zu ändern, dass der Streitwert auf 5000 Euro festgesetzt wird.
10Die Kläger beantragen,
11die Anhörungsrüge zurückzuweisen.
12Sie halten die Anhörungsrüge für unzulässig und die Beschwerde für unbegründet. Die Kläger bestreiten im Übrigen, dass die Einkommensteuerbescheide vom 19. Juli 2006 mit handschriftlichen Zinsfestsetzungen, wie sie dem Schriftsatz vom 11. Juli 2019 beigefügt waren, zugegangen und damit ordnungsgemäß bekannt gegeben, d. h. wirksam geworden sind. Unabhängig davon seien die unter diesem Datum vorgenommenen Zinsfestsetzungen deshalb nicht mehr existent, weil die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre vom 19. Juli 2006 durch die Änderungsbescheide vom 19. Juli 2010 aufgehoben worden seien. Damit existierten die für die Zinsfestsetzungen maßgeblichen Bescheide nicht mehr, sodass es an einem für ein Wiederaufleben früherer Zinsfestsetzungen geeigneten Anknüpfungspunkt fehle. Eine Zinsfestsetzung aus dem Jahr 2006 könne zudem nach 13 Jahren nicht wieder aufleben, nur weil die auf der Grundlage der Steueränderungsbescheide vom 19. Juli 2010 erlassenen Zinsbescheide vom 10. Februar 2012 aufgrund von Festsetzungsverjährung aufgehoben worden seien.
13Der Beklagte hat dazu mit Schriftsätzen vom 30. Juli und 8. August 2019, auf die verwiesen wird, erwidert.
14II.
151. Der Streitwertbeschluss ist nach § 107 Abs. 1 i. V. m. § 113 Abs. 1 FGO dahin zu ändern, dass Datum des Beschlusses der 8. Juli 2019 und nicht der 26. Juni 2019 ist.
16Das im Beschluss ausgewiesene Datum wurde von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bei der Vorbereitung des Beschlusses für das Gericht eingesetzt. Unterschrieben wurde der Beschluss tatsächlich aber erst am 8. Juli 2019. Dabei wurde übersehen, dass das im Beschlussentwurf eingesetzte Datum unzutreffend war. Bei dieser Unrichtigkeit handelt es sich um eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit i. S. von § 107 Abs. 1 FGO.
172. Die Anhörungsrüge ist – ihre Statthaftigkeit und Zulässigkeit unterstellt – jedenfalls unbegründet. Dabei richten sich das Verfahren, die Zulässigkeit und die Begründetheit der Anhörungsrüge entgegen der vom Beklagten herangezogenen Vorschrift nicht nach § 133a FGO, sondern nach § 69a GKG, weil die Festsetzung des Streitwertes nach § 63 Abs. 2 Satz 2 GKG und nicht nach den Vorschriften der FGO erfolgte. Beide Regelungen sind allerdings weitgehend vergleichbar.
18a) Nach § 69a Abs. 1 GKG ist auf die Rüge eines durch die Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob diese Voraussetzungen im Streitfall tatsächlich gegeben sind, weil die Rüge jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben kann (unten c).
19Allerdings ist gegen die Festsetzung des Streitwertes durch das Finanzgericht kein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegeben. Dies ergibt sich aus § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG. Danach findet eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht statt (ebenso BFH-Beschluss vom 7. Oktober 2010 IX B 132/10, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2011, 61).
20Es lässt sich allerdings kaum annehmen, dass das Gericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
21Das Gesetz verlangt nicht, dass die Beteiligten vor einer gerichtlichen Streitwertfestsetzung angehört werden (ebenso Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 139 FGO Rz. 354). Selbst wenn eine solche Anhörung aber aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) – vor allem wegen der Bindungswirkung des Beschlusses für das Kostenfestsetzungsverfahren und den Kostenansatz – geboten sein sollte (so Schwarz in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 139 FGO Rz. 354; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Vor § 135 Tz. 128), hätte das Gericht diesen Anspruch des Beklagten nicht i. S. von § 69a Abs. 1 Nr. 2 GKG „in entscheidungserheblicher Weise“ verletzt. Dies wäre nur der Fall, wenn bei Kenntnisnahme des Schriftsatzes vom 25. Juni 2019, der weder von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle noch vom Gericht berücksichtigt wurde, eine für den Beteiligten günstige Entscheidung als möglich in Betracht zu ziehen wäre (vgl. zu diesem Merkmal im Rahmen der inhaltsgleichen Regelung in § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO Gräber/ Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 131a Rz. 14). Eine für den Beklagten günstige Entscheidung wäre aber aus den nachfolgend unter c) dargelegten Gründen auch bei vorheriger Kenntnisnahme dieses Schriftsatzes nicht zu erwarten gewesen. Die unterbliebene Kenntnisnahme war daher nicht kausal für die gerichtliche Entscheidung.
22b) Die Rüge entspricht – ihre Statthaftigkeit unterstellt – den Anforderungen des § 69a Abs. 2 GKG und ist damit jedenfalls im Übrigen zulässig.
23c) Die Rüge ist indes unbegründet. Das Gericht hat den Streitwert nicht zu Lasten des Beklagten zu hoch festgesetzt.
24Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, soweit – wie hier – nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 Euro anzusetzen (§ 52 Abs. 2 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers – wie im Streitfall – eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG).
25Die Kläger haben beantragt, die Bescheide über Zinsen zur Einkommensteuer nach § 233a AO für die Jahre 1995 bis 2000 vom 10. Februar 2012 ersatzlos aufzuheben. Beantragt ein Kläger die ersatzlose Aufhebung eines Steuerverwaltungsaktes, so bemisst sich der Streitwert nach der Höhe des festgesetzten Betrags (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. September 1986 II E 2/86, BFH/NV 1987, 802, und vom 5. Juli 2005 II E 1/05, BFH/NV 2005, 1852). Dies ist hier die Gesamtsumme der festgesetzten Zinsen, d. h. ein Betrag in Höhe von 230.938,50 Euro.
26Allerdings geht das finanzielle Interesse eines Klägers, der die Aufhebung eines Steuerbescheides begehrt, durch den eine frühere Steuerfestsetzung geändert wurde, nur so weit, wie die Änderung reicht (BFH-Beschluss vom 13. Dezember 1989 I R 217-218/85, BFH/NV 1991, 471; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, § 139 FGO Rz. 221), weil die frühere Festsetzung nach der Aufhebung des Änderungsbescheides wieder auflebt (BFH-Beschluss vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BStBl II 1973, 231; Müller-Franken in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 124 AO Rz. 239 f.). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der ursprüngliche Bescheid als Folge der Aufhebung des Änderungsbescheides wieder auflebt (zutreffend Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 139 FGO Rz. 278 a. E.). Dies ist indes nicht nur bei Steuerbescheiden, sondern auch bei einem nach § 233a Abs. 5 Satz 1 AO ergangenen Zinsbescheid der Fall.
27Nach § 233a Abs. 5 Satz 1 AO ist, wenn eine Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt wird, eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer. Dem sich hiernach ergebenden Zinsbetrag sind bisher festzusetzende Zinsen hinzuzurechnen; bei einem Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen entfallen darauf festgesetzte Zinsen (§ 233a Abs. 5 Satz 2 und 3 AO). Diese Vorschrift ist lex specialis zu den §§ 172 ff. AO (BFH-Beschluss vom 30. August 2010 VIII B 66/10, BFH/NV 2011, 1825; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 233a AO Rz. 66; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 233a AO Tz. 57; Wagner, Finanz-Rundschau 1989, 390, 392). Sie regelt abschließend die Folgen einer Änderung der Steuerfestsetzung für die Zinsfestsetzung. Wird eine Steuerfestsetzung mehrfach geändert, ist nach jeder Änderung die Zinsfestsetzung erneut zu ändern. Ein nach § 233a Abs. 5 AO ermittelter Nachzahlungszinsbetrag wird zu bisher festgesetzten Nachzahlungszinsen addiert. Der geänderte Zinsbescheid weist nur den Gesamtzinsbetrag aus (vgl. Wagner, Finanz-Rundschau 1989, 390, 392; BFH-Beschluss vom 11. Februar 2009 X B 134/08, nicht veröffentlicht – n. v. –, juris). Krabbe (Vollverzinsung im Steuerrecht, 2. Aufl., 92) hat darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber statt einer Änderung der Zinsfestsetzung auch hätte vorsehen können, dass bei einer Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung der bisherige Zinsbescheid bestehen bleibt und lediglich ein neuer Zinsbescheid an seine Seite tritt, um die Folgerungen aus der neuen Lage zu ziehen und je nach Sachlage weitere Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen festzusetzen. Dies hätte jedoch dazu geführt, dass mehrere Zinsbescheide einem Steuerjahr zuzuordnen gewesen wären. Dem Gesetzgeber habe es deshalb – so Krabbe – übersichtlicher und klarer erschienen, in dem jeweils letzten Zinsbescheid die gesamte Zinsrechtslage nach § 233a AO für ein Steuerjahr zum Ausdruck zu bringen.
28Dies bedeutet, dass ein nach § 233a Abs. 5 Satz 1 AO ergangener Zinsbescheid den Zinsbetrag nicht nur insoweit festsetzt, als er sich abweichend von einer früheren Zinsfestsetzung durch die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Regelungen in § 233a Abs. 5 Satz 2 und 3 AO ergibt, sondern hinsichtlich des gesamten im Bescheid festgesetzten Zinsbetrags, d. h. auch soweit er auf früheren Festsetzungen beruht, eine neue und abschließende Regelung i. S. von § 118 Satz 1 AO trifft. Verfahrensrechtlich bedeutet dies, dass sich aufgrund der Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung, wie § 233a Abs. 5 Satz 1 AO sie zum Anlass für eine neue Zinsberechnung und -festsetzung nimmt, die bisherige Festsetzung auf andere Weise i. S. von § 124 Abs. 2 AO erledigt und damit unwirksam wird (so auch Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 233a AO Rz. 69). Das Unwirksamwerden i. S. von § 124 Abs. 2 AO bedeutet jedoch nicht, dass die frühere Zinsfestsetzung nicht wiederauflebt, wenn die spätere Zinsfestsetzung aufgehoben wird. Der Große Senat des BFH hat mit Beschluss vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72 (BStBl II 1973, 231) für Steuerbescheide entschieden, dass ein Änderungsbescheid den ursprünglichen Bescheid in seinen Regelungsinhalt mit aufnimmt. Solange der Änderungsbescheid Bestand hat, entfaltet der ursprüngliche Bescheid danach keine Wirkung. Der ursprüngliche Bescheid ist in dem Umfang, in dem er in den Änderungsbescheid aufgenommen ist, suspendiert und bleibt dies für die Dauer der Wirksamkeit des Änderungsbescheides. Der ursprüngliche Bescheid tritt jedoch wieder in Kraft, wenn der Änderungsbescheid aufgehoben wird (ebenso BFH-Beschluss vom 9. Dezember 2004 VII R 16/03, BStBl II 2006, 346). Dies gilt nach Auffassung des Gerichts auch für Zinsbescheide.
29Nach § 239 Abs. 1 AO sind die für die Steuern geltenden Vorschriften auf die Zinsen entsprechend anzuwenden, mithin auch § 155 Abs. 1 Satz 1 AO. § 233a Abs. 5 Satz 1 AO verlangt bei einer Änderung der Steuerfestsetzung, „eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern“. Aus dieser Regelung kann ebenso wenig wie bei einer Steuerfestsetzung abgeleitet werden, dass bei einer Aufhebung der Änderungsfestsetzung dadurch die frühere, nur suspendierte Festsetzung nicht wieder auflebt, es vielmehr einer erneuten Festsetzung in Höhe der früheren Festsetzung bedürfte. Für die Aufhebung von Steuerverwaltungsakten gilt insoweit etwas anderes als für die Rücknahme oder den Widerruf von Verwaltungsakten. In einem solchen Fall – etwa einer Prüfungsanordnung nach § 196 AO – lebt der zurückgenommene oder widerrufene Verwaltungsakt bei Aufhebung des späteren Verwaltungsaktes nicht wieder auf (BFH-Urteil vom 22. Mai 1979 VIII R 218/78, BStBl II 1979, 741; vgl. auch BFH-Urteil vom 22. Mai 2012 VII R 47/11, BStBl II 2013, 3 zum Wiederaufleben einer Vorauszahlungsfestsetzung nach Aufhebung der Jahressteuerfestsetzung).
30Der Streitwert war danach nach der Summe der Unterschiedsbeträge zwischen den durch die Bescheide vom 10. Februar 2012 festgesetzten Zinsen und die Bescheide vom 19. Juli 2006 festgesetzten Zinsen zu berechnen, wobei angesichts der vom Beklagten mit dem Schriftsatz vom 30. Juli 2019 vorgelegten Unterlagen – insbesondere dem (teilweise) auch die Zinsfestsetzungen umfassenden Einspruchsschreiben – davon auszugehen ist, dass diese wirksam geworden sind. Dabei sind Unterschiedsbeträge, die – wie für die Jahre 1997 und 1998 – ein negatives Vorzeichen aufweisen, nicht mit Unterschiedsbeträgen, die ein positives Vorzeichen aufweisen, zu saldieren. Dies hätte im Streitfall im Hinblick auf den Unterschiedsbetrag für 1998 von (./.) 168.281,25 Euro einen insgesamt negativen Streitwert zur Folge. Ein Streitwert kann aber nicht negativ sein. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Höhe der Geldleistung i. S. von § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG stets positiv ist, und zwar auch dann, wenn der Kläger eine Steuererhöhung anstrebt (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juli 2017 X S 15/17, BFH/NV 2017, 1460) bzw. – wie hier – die Aufhebung einer Zinsfestsetzung, die dazu führt, dass ein früherer, höhere Nachzahlungszinsen (1997) bzw. Nachzahlungs- statt Erstattungszinsen festsetzender Zinsbescheid (1998) wieder auflebt.
31Die Unterschiedsbeträge zwischen den früheren, 2006 getroffenen, und den späteren, 2012 getroffenen Zinsfestsetzungen belaufen sich im Einzelnen auf folgende Beträge:
321995: null Euro, 1996: null Euro, 1997: 16.987,75 Euro, 1998: 168.281,25 Euro, 1999: 51.809,25 Euro, 2000: 13.488,75 Euro. Dies ergibt einen Gesamtbetrag und damit einen Streitwert von 250.567 Euro. Der Streitwert war bislang jedoch auf lediglich 230.938,50 Euro festgesetzt. Die Anhörungsrüge kann daher keinen Erfolg haben.
33Der Streitwert war auch nicht nach der Auffangbestimmung des § 52 Abs. 2 GKG festzusetzen, weil angesichts des in der mündlichen Verhandlung gestellten Aufhebungsantrags genügend Anhaltspunkte für eine Streitwertfestsetzung, und zwar nach § 52 Abs. 3 GKG, vorlagen. Dieser Streitwert ist auch unabhängig davon anzusetzen, ob das Begehren bis zur Antragstellung auf einen niedrigeren Betrag gerichtet war, weil stets der höchste Streitwert für das gesamte Verfahren maßgebend ist, unabhängig davon, ob er sich zu Beginn oder im Verlaufe des Verfahrens ergibt.
34Lediglich vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass die obigen Ausführungen allein Bedeutung für die Ermittlung und Festsetzung des Streitwertes haben. Ob und ggf. in welchem Umfang infolge der Aufhebung der für die Jahre 1995 bis 1997 und 1999 getroffenen Zinsfestsetzungen Erstattungsansprüche der Kläger bestehen, hatte das Gericht nicht zu prüfen.
353. Die Streitwertfestsetzung war nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG entsprechend den Ausführungen oben unter I. 2. c) dahin zu ändern, dass der Streitwert auf 250.567 Euro festgesetzt wird.
36Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG kann die Festsetzung des Streitwertes von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, von Amts wegen geändert werden. Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat (§ 63 Abs. 3 Satz 2 GKG). Diese Voraussetzungen liegen vor, weil das Gericht aufgrund der Anhörungsrüge die Unrichtigkeit der Streitwertfestsetzung erkannt hat und auch die Kläger im Schriftsatz vom 25. Juli 2019 darauf hingewiesen haben, die Streitwertfestsetzung in ihrem Sinne zu korrigieren. Das Gericht hat insoweit kein Ermessen; § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG regelt mit der Verwendung des Begriffs „kann“ nur die Zuständigkeit. Ein Hinweis auf die Zulässigkeit einer höheren Streitwertfestsetzung nach dieser Vorschrift war nicht zu erteilen, weil eine § 367 Abs. 2 Satz 2 AO vergleichbare Regelung für die Streitwertfestsetzung nicht besteht. Der Beklagte konnte die Festsetzung eines höheren Streitwerts deshalb auch nicht durch die Rücknahme der Anhörungsrüge verhindern.
37Diese Festsetzung hat allerdings nur für das erstinstanzliche Verfahren und nicht auch für das Revisionsverfahren Bedeutung. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der nach Instanzen getrennten Wertfestsetzung (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Juli 1986 I ZR 102/84, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1987, 181; Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 49. Aufl., § 63 GKG Rn. 22; inzident ebenso BFH-Beschluss vom 22. Januar 2015 IV S 17/14, n. v., juris). Dem Beklagten dürfte jedoch darin beizupflichten sein, dass der Streitwert des Revisionsverfahrens nach den oben dargelegten Grundsätzen lediglich 68.797 Euro beträgt. Diesen festzusetzen, sofern dafür ein anerkennenswertes Interesse besteht, ist indes Sache des BFH.
384. Die Kostenentscheidung ergeht im Hinblick auf § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1700 des Kostenverzeichnisses. Diese Kosten sind – ungeachtet der Kostenbefreiung des Beklagten nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG – nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu erheben, weil davon auszugehen ist, dass das Gericht bei Kenntnisnahme des Schriftsatzes des Beklagten vom 25. Juni 2019 den Streitwertbeschluss wie im Beschluss im vorliegenden Verfahren erfolgt begründet hätte und die Anhörungsrüge dadurch vermieden worden wäre. Im Übrigen werden Kosten nicht erstattet (§ 69a Abs. 6 GKG).