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Das Verfahren wird ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union wird nach Art. 267 des AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist die Erstattung der Produktionsabgaben im Zuckersektor, für die nach der Verordnung (EU) Nr. 1360/2013 des Rates vom 2. Dezember 2013 zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2001/2002, 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006, des Koeffizienten für die Berechnung der Ergänzungsabgabe für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 und 2004/2005 und der Beträge, die die Zuckerhersteller den Zuckerrübenverkäufern für die Differenz zwischen dem Höchstbetrag der Abgaben und dem Betrag dieser für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004 und 2005/2006 zu erhebenden Abgaben zu zahlen haben, andere Berechnungen als zuvor vorzunehmen sind, unter Berücksichtigung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität nach nationalem Recht und insbesondere unter Anwendung der dort geregelten Verjährung vorzunehmen?
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe:
1 Die Klägerin erzeugte Isoglucose.
32 Mit Bescheid vom 23.10.2002 setzte der Beklagte der damals noch anders firmierenden Klägerin gegenüber für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 die endgültige Produktionsabgabe für erzeugte Isoglucose auf € und die Ergänzungsabgabe auf € fest.
4Mit Bescheid vom 20.10.2003 setzte der Beklagte der Klägerin gegenüber für das Wirtschaftsjahr 2002/2003 die endgültige Produktionsabgabe für erzeugte Isoglucose auf € fest.
5Mit Bescheid vom 30.03.2004 setzte der Beklagte der Klägerin gegenüber die Abschlagszahlungen auf die Produktionsabgabe für im Wirtschaftsjahr 2003/2004 erzeugte Isoglucose auf € fest.
6Mit Bescheid vom 18.10.2005 setzte der Beklagte der Klägerin gegenüber für das Wirtschaftsjahr 2004/2005 die endgültige Produktionsabgabe für erzeugte Isoglucose auf € und die Ergänzungsabgabe auf € fest.
7Die Bescheide, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen, wurden nicht angefochten.
83 Am 20.12.2013 trat die Verordnung (EU) Nr. 1360/2013 des Rates vom 02.12.2013 zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2001/2002, 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006, des Koeffizienten für die Berechnung der Ergänzungsabgabe für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 und 2004/2005 und der Beträge, die die Zuckerhersteller den Zuckerrübenverkäufern für die Differenz zwischen dem Höchstbetrag der Abgaben und dem Betrag dieser für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004 und 2005/2006 zu erhebenden Abgaben zu zahlen haben – VO 1360/2013 – (ABl. EU Nr. L 343/2 vom 19.12.2013), in Kraft.
94 Am 01.05.2014 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Neufestsetzung und Rückerstattung der entsprechenden Beträge für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 bis 2005/2006. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18.04.2016 ab, da die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der bestandskräftig gewordenen Bescheide nur innerhalb der Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) möglich sei. Diese Frist sei jedoch für die Zuckerwirtschaftsjahre bis 2004/2005 abgelaufen gewesen.
105 Nach erfolglosem Einspruchsverfahren trug die Klägerin zur Begründung ihrer Klage vor, ihr Erstattungsanspruch ergebe sich unmittelbar aus der VO 1360/2013. Für diesen unionsrechtlichen Erstattungsanspruch gelte keine Festsetzungsfrist, noch komme es auf die Bestandskraft früherer Bescheide an, weil deren Rechtsgrundlage mit Erlass der VO 1360/2013 entfallen sei. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Erstattungsanspruchs seien so klar formuliert, dass ihren Erstattungsansprüchen ohne weitere Nachweise stattzugeben sei.
11Die Verpflichtung zur unmittelbaren Vollziehung der VO 1360/2013 ergebe sich auch aus Art. 4 Abs. 3 EUV, da der ursprüngliche Grund für die Zahlung der Zuckerabgabe mit der VO 1360/2013 weggefallen sei. Vielmehr sei die VO 1360/2013 rückwirkend anwendbar.
12In der Verordnung (EU) 2018/264 des Rates vom 19.02.2018 zur Festsetzung der Produktionsabgaben sowie des Berechnungskoeffizienten für die Ergänzungsabgabe im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 1999/2000 und zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 – VO 2018/264 – (ABl. EU Nr. L 51/1 vom 23.02.2018) sei dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission, eine Beschränkung auf Grund nationaler Vorschriften zuzulassen, nicht gefolgt worden.
13Zudem ergebe sich ein Erstattungsanspruch auch aus nationalem Recht.
146 Die Klägerin beantragt,
15den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 18. April 2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. September 2016 zu verpflichten, ihr Produktionsabgaben für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 bis 2004/2005 zuzüglich Zinsen von 0,5 % pro Monat ab dem Zeitpunkt der Zahlung der Produktionsabgaben zu erstatten.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen,
187 und führt zur Begründung aus, die Verjährungsvorschriften des allgemeinen Abgabenrechts seien auch bei unionsrechtlichen Ansprüchen, für die es anders als im Zollrecht keine besonderen Regelungen gebe, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rechtsgrundsätze der Äquivalenz und Effektivität anzuwenden. Mit der Erklärung, dass die den o.a. Bescheiden zu Grunde liegenden gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen ungültig seien, würden ergangene Bescheide nur rechtswidrig, verlören aber nicht ihre Wirkung. Ihre Korrektur richte sich nur nach nationalem Recht und damit auch nach den nationalen Verjährungsvorschriften, nach denen noch eine Änderung der Festsetzung möglich sein müsse.
198 Gestützt auf die VO 2018/264 hat der Beklagte der Klägerin die ursprünglich mit Bescheid vom 23.10.2000 festgesetzten Produktionsabgaben und die Ergänzungsabgabe für Isoglucose für das Wirtschaftsjahr 1999/2000 mit Bescheid vom 07.05.2018 teilweise wieder erstattet.
20II.
219 Das vorlegende Gericht ging in der Vergangenheit davon aus, dass die Frage, ob die Klägerin bei rückwirkender Herabsetzung der Abgabensätze für Produktionsabgaben wie nach der VO 1360/2013 deren Erstattung verlangen kann, unter Berücksichtigung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität nur nach nationalem Recht zu entscheiden ist. Danach gelten die folgenden, auszugsweise dargestellten Regelungen:
22§ 12 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (Marktorganisationsgesetz - MOG) (Bundesgesetzblatt 2017 Teil I, Seite 3746)
23Auf Abgaben zu Marktordnungszwecken … sind die Vorschriften der Abgabenordnung … entsprechend anzuwenden, sofern nicht durch dieses Gesetz oder durch Rechtsverordnung auf Grund dieses Gesetzes eine von diesen Vorschriften abweichende Regelung getroffen ist.
24§ 37 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO (Bundesgesetzblatt 2002 Teil I, Seite 3866)
25Ist eine Steuer … ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt.
26§ 125 Abs. 1 AO
27Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.
28§ 164 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 AO
29(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. ….
30(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. ...
31(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft.
32§ 169 Abs. 1 und 2 AO
33(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. ...
34(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:
351. ein Jahr für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
362. vier Jahre für Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind. …
37§ 170 Abs. 1 AO
38(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist … .
39§ 171 Abs. 3 AO
40Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf ... Änderung einer Steuerfestsetzung ... gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.
41§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 Buchst. d AO
42(1) Ein Steuerbescheid darf, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden,
431. wenn er Verbrauchsteuern betrifft,
442. wenn er andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union oder Verbrauchsteuern betrifft, …
45d) soweit dies sonst gesetzlich zugelassen ist; die §§ 130 und 131 gelten nicht.
46§ 175 Abs. 1 Satz 1 AO
47(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, ...
482. soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
4910 Bei Anwendung der o.a. Vorschriften hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Erstattung der Produktionsabgaben, die der Beklagte von ihr für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 bis 2004/2005 erhoben hat, denn ihrem Klagebegehren steht jedenfalls die bestandskräftige (d.h. die nicht mehr anfechtbare und ohne besondere gesetzliche Regelung nicht mehr änderbare) Festsetzung der Abgaben mit den Bescheiden vom 23.10.2002, 20.10.2003, 30.03.2004 und 18.10.2005 entgegen (vgl. Bundesfinanzhof (BFH)-Urteil vom 16.11.2004 VII R 3/04, BFHE 208, 321). Dass nach Art. 1 in Verbindung mit dem Anhang VO 1360/2013 rückwirkend (Art. 3 VO 1360/2013) für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 bis 2004/2005 geringere Abgabensätze anzuwenden sind, führt nur zur Rechtswidrigkeit der Festsetzung der Abgaben, nicht aber zur Nichtigkeit der genannten Abgabenbescheide nach § 125 Abs. 1 AO (BFH-Urteil vom 16.11.2004 VII R 3/04, a.a.O.).
5011 Die Klägerin kann eine Änderung der Abgabenfestsetzung mit der Folge einer teilweisen Erstattung der gegen sie festgesetzten Produktionsabgaben nicht nach § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG in Verbindung mit § 164 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO beanspruchen. Der Vorbehalt der Nachprüfung ist mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist entfallen (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO). Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO gilt für die Festsetzung und Änderung dieser Festsetzung der Produktionsabgaben eine Festsetzungsfrist von vier Jahren (Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 09.04.1992 IV 145/91 N, ECLI:DE:FGHH:1992:0409.IV145.91N.0A zur Milchgarantiemengenabgabe).
5112 Die Festsetzungsfrist begann im Streitfall für die Produktionsabgabe und die Ergänzungsabgabe des Wirtschaftsjahres 2004/2005 gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO spätestens mit Ablauf des 31.12.2006. Der Antrag der Klägerin vom 13.02.2014 konnte daher nicht zu einer weiteren Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO führen. Bei Eingang dieses Antrags beim Beklagten war der Vorbehalt der Nachprüfung bereits entfallen (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO). Hinsichtlich der Abgaben für die vorangegangen Wirtschaftsjahre, für die die Abgaben mit den o.a. Bescheiden bestandskräftig festgesetzt worden sind, ist ebenfalls zwischenzeitlich Festsetzungsverjährung eingetreten, da die Festsetzungsfrist noch früher begonnen hatte.
5213 Die Abgabenbescheide vom 23.10.2002, 20.10.2003, 30.03.2004 und 18.10.2005 können nicht nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO in Verbindung mit der VO 1360/2013 geändert werden. Dem steht bereits der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegen (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Darüber hinaus ist eine Änderung der Festsetzung der Produktionsabgaben einschließlich der Ergänzungsabgabe und der Beträge, die die Zuckerhersteller den Zuckerrübenverkäufern für die A- oder die B-Abgabe zu zahlen haben, nicht gesetzlich zugelassen. Die VO 1360/2013 enthält keine Vorschriften über eine etwaige Änderung ergangener Abgabenbescheide.
5314 Eine Änderung der Festsetzung der Produktionsabgaben einschließlich der Ergänzungsabgabe und der Beträge, die die Zuckerhersteller den Zuckerrübenverkäufern für die A- oder die B-Abgabe zu zahlen haben, kann nicht auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützt werden. Ein rückwirkendes Ereignis im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sich nach dem Ergehen eines Steuerbescheids der rechtserhebliche Sachverhalt in der Weise ändert, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (BFH-Urteil vom 28.06.2006 XI R 32/05, BFHE 214, 314). Eine rückwirkende Änderung steuerrechtlicher Vorschriften erfüllt diese Voraussetzungen nicht, weil sie nicht den bestandskräftig geregelten Einzelfall, mithin den der Besteuerung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern die rechtlichen Grundlagen eines Steuerverwaltungsakts umgestaltet (BFH-Urteil vom 09.08.1990 X R 5/88, BFHE 162, 355). Daher ist der Umstand, dass nach Art. 1 in Verbindung mit dem Anhang VO 1360/2013 rückwirkend (Art. 3 Anstrich 1 VO 1360/2013) für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 bis 2005/2006 die Produktionsabgaben für Zucker einschließlich der Ergänzungsabgabe und der Beträge, die die Zuckerhersteller den Zuckerrübenverkäufern für die A- oder die B-Abgabe zu zahlen haben, geringere Abgaben, Koeffizienten und Beträge anzuwenden sind, kein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
5415 Entsprechendes gilt für die Ausführungen im EuGH-Urteil vom 27.09.2012, C-113/10, C-147/10 und C-234/10 unter Rz. 45. Eine andere rechtliche Beurteilung eines unverändert bleibenden Sachverhalts stellt kein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Eine mittlerweile ergangene Gerichtsentscheidung ist daher nur dann ein rückwirkendes Ereignis, wenn sie den Tatbestand, an den das Steuergesetz anknüpft, rückwirkend verändert (BFH-Urteil vom 28.06.2006 III R 13/06, BFHE 214, 287). Durch das vorgenannte Urteil des EuGH ist der Tatbestand, welcher der Festsetzung der Produktionsabgaben gegenüber der Klägerin zugrunde liegt, nicht rückwirkend verändert worden.
5516 Die Anwendung der dargestellten nationalen Regelungen entspricht auch den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität (s. zuletzt EuGH Urteil v. 17.05.2018, C-531/16, Rz. 36 m.w.N.), weil sie entsprechend dem deutschen Abgabenrecht unter Berücksichtigung der allgemein geltenden Festsetzungsverjährung eine Korrektur in den Fällen erlauben, in denen Unionsrechtsakte rückwirkend geändert werden.
56III.
57Zur Vorlagefrage
5817 In einer früheren Entscheidung (Urteil vom 20.10.2017, 4 K 1955/16 VZr, nicht veröffentlicht) hat das vorlegende Gericht vertreten, dass die Art. 1, Art. 3 VO 1360/2013 keine Anspruchsgrundlage für einen Erstattungsanspruch darstellten, weil mit diesen Regelungen nur rückwirkend für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 bis 2005/2006 geringere Produktionsabgaben, Koeffizienten für die Berechnung der Ergänzungsabgabe und Beträge, die die Zuckerhersteller den Zuckerrübenverkäufern für die A- oder die B-Abgabe zu zahlen haben, festgesetzt worden seien. Diese hätten nämlich noch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die ergangenen Abgabenbescheide gehabt. Die VO 1360/2013 habe keine Vorschriften über eine etwaige Änderung ergangener Abgabenbescheide enthalten. Die Änderung derartiger Abgabenbescheide habe sich vielmehr nach einzelstaatlichem Recht gerichtet, weil sich die Erhebung der Produktionsabgaben allgemein gleichfalls nach einzelstaatlichem Recht richtet (EuGH-Urteil vom 27.09.2012, C-113/10, C-147/10 und C-234/10, Rz. 58; s. auch die Änderung bei unionsrechtswidrig erhobener Mehrwertsteuer EuGH Urteil vom 19.07.2012, C-591/10, Rzn. 24 – 27; Urteil v. C-387/16, Rz. 22). Daher könne die einzelstaatlich geregelte Bestandskraft eines Abgabenbescheids einem Erstattungsanspruch entgegenstehen (EuGH Urteil vom 12.12.2013 C-362/12 Rz. 31-34, Urteil vom 13.01.2004, C-453/00, Rz. 24 sowie Urteil vom 16.03.2006, C-234/04, Rz. 23).
5919 Daran bestehen jedoch auf Grund der Regelungen des Art. 2 Abs. 2 VO 2018/264 Zweifel. Auf Grund dieser Bestimmung hat nämlich der Beklagte mit Bescheid vom 07.05.2018 der Klägerin auf entsprechende Weisungen seiner vorgesetzten Behörden für das Wirtschaftsjahr 1999/2000 Produktionsabgaben teilweise erstattet, obwohl auch hinsichtlich dieser Produktionsabgaben Festsetzungsverjährung nach den dargestellten deutschen Vorschriften eingetreten ist, die ihm eine Änderung des Bescheides und damit die Gewährung einer Erstattung hätten versagen müssen.
6020 Nach Art. 2 Abs. 2 VO 2018/264 wird die Differenz zwischen den früher und den mit der VO 2018/264 vorgesehenen Abgaben den Wirtschaftsteilnehmern, die die früheren Abgaben gezahlt haben, auf ihren hinreichend begründeten Antrag erstattet.
6121 Die mit der VO 2018/264 vorgenommene rückwirkende Änderung von Berechnungsparametern für von 1999 bis 2001 entstandenen Abgaben, die daraufhin zu ermäßigen sind, führt nur zu Erstattungen, so dass deren Erwähnung einen Rückschluss darauf, dass die Abgaben auf jeden Fall zu erstatten sind, nicht zulässt. Zudem darf die Erstattung nur auf Grund eines hinreichend begründeten Antrags erfolgen. Daher könnte die Erwähnung der Erstattung auch nur deklaratorischen Charakter haben.
6222 Dass ein hinreichend begründeter Antrag schon dann gegeben sein soll, wenn der jeweilige Antragsteller die Zahlung der seinerzeit festgesetzten Abgaben nachweist, ist auch der deutschen Sprachfassung der Vorschrift nicht zu entnehmen.
63Eine nur hinreichende Begründung des Antrags erscheint vor dem Hintergrund, dass die tatsächlichen Vorgänge, die der Erstattung zu Grunde legen, bis ins Jahr 1999 zurückreichen und gegebenenfalls erforderliche Unterlagen auch wegen Ablaufs von gesetzlichen Aufbewahrungsfristen nicht mehr in vollem Umfang vorhanden sein müssen, als eine Herabsetzung des Beweismaßes vertretbar. Daraus folgt jedoch nicht, dass es auf die übrigen, einzelstaatlich geregelten Erstattungsvoraussetzungen einschließlich der Verjährung nicht mehr ankommen soll.
6423 Hinzu kommt, dass aus den zum Erlass der VO 2018/264 in EUR-Lex veröffentlichten Dokumenten nicht erkennbar ist, ob der Rat mit dieser Bestimmung die Anwendung nationalen Rechts ausschließen wollte. Dagegen sprechen Sprachfassungen der schließlich beschlossenen Fassung, nach denen der Erstattungsanspruch ordnungsgemäß gerechtfertigt oder nachgewiesen sein muss (Englisch „duly justified“, Französisch „justifiée“, Portugiesisch „justificado“, Dänisch „behørigt begrundet“).
6524 Gleichwohl ist es denkbar, dass mit Art. 2 Abs. 2 VO 2018/264 eine einem allgemeinen Grundsatz des Unionsrecht regelnde Bestimmung erlassen werden sollte, die unabhängig vom Zeitablauf eine Erstattung ermöglichen soll. Diese Deutung kann dann auch Auswirkungen auf die Anwendung des Erstattungsverfahrens für Abgaben haben, die nach der VO 1360/2013 in geringerer Höhe zu berechnen sind.