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Der Einfuhrabgabenbescheid des Beklagten vom 20.11.2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2016 wird aufgehoben, soweit der Beklagte darin für die Zollanmeldungen der Klägerin vom 09.07.2013, 17.07.2013, 13.08.2013 und 14.08.2013 Zoll nacherhoben hat und hinsichtlich der übrigen vier Zollanmeldungen für Waren einen höheren Zollsatz als den der Unterposition 5609 00 00 der Kombinierten Nomenklatur angewandt hat. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 46% zu und der Beklagte zu 54%.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin führte u.a. sog. Kratzbäume für Katzen aus Asien ein und ließ sie in ihrem Namen in den zollrechtlich freien Verkehr überführen.
3Die von der Klägerin in verschiedenen Modellen und Farben eingeführten Kratzbäume für Hauskatzen waren im Zeitpunkt der Zollanmeldung noch nicht zusammengebaut und befanden sich einzeln in Kartons. Sie bestanden aus einem Gestell mit verschiedenen Ebenen in Form von Brettern, Schalen, kastenförmigen Höhlen und Röhren, in die eine Katze hineinkriechen konnte. Gelegentlich wiesen die Kratzbäume auch kleine Spielelemente auf. Ihre Ebenen waren oft ausgehend von einer Grundplatte mit Säulen verbunden. Die kastenförmigen Höhlen, die Grundplatte und die Ebenen waren aus Holzspanplatten gefertigt, das von außen und an der Oberseite mit Plüschgewirken überzogen war. Die Säulen bestanden aus Rohren aus dicker, fester Pappe, deren Enden Kappen aus Hartkunststoff mit mittig eingebauten Muttern verschlossen waren. Die Säulen waren meist ganz oder zu einem großen Teil mit Sisalschnüren (Titer über 20.000 dtex) umwickelt. Die Kratzbäume sollten den Hauskatzen als Ruheplatz, Schlafplatz, Beobachtungsposition und Spielgerät dienen, wobei sie die mit Sisal umwickelten Säulen und manchmal auch andere Elemente dazu veranlassen sollten, dort und nicht sonst in der Wohnung durch Kratzen ihre Krallen zu schärfen.
4Wegen des Aussehens der einzelnen Modelle wird auf die Anlage verwiesen, die den Beteiligten schon in der mündlichen Verhandlung übergeben worden ist.
5Das dort nicht aufgeführte Modell verfügt neben der Bodenplatte über zwei unterschiedlich hohe Ruheflächen, die mit Säulen verbunden sind. Das Modell weist auf der Abbildung in den Akten keine Umwicklung mit Sisalschnüren oder –seilen auf.
6Im Rahmen einer Zollprüfung des Beklagten für den Zeitraum vom 01.09.2009 bis zum 31.08.2012, deren Ergebnis mit Prüfungsbericht vom 04.03.2013, AB-Nr. 290020120333 – D 1102, zusammengefasst wurde, stellte der Prüfungsbeamte u.a. folgendes fest:
7Die Klägerin importierte verschiedene Kratzbäume, die sich als Schlaf- und Liegestätte für Katzen eignen. Bei dem zumeist eingeführten Modell handelt es sich um ein 240 cm bis 260 cm hohes Gebilde, das über einen integrierten Federmechanismus zwischen Zimmerboden und –decke geklemmt wird. Der Stamm ist aus Papprollen gefertigt, die mit Sisalschnüren umwickelt sind und die damit die Katze zum Wetzen ihrer Krallen animieren sollen. Neben der Grundplatte 45x45 cm sind auch die verschiedenen Sitz- und Schlafebenen zumeist aus Holzspanplatten gefertigt, die mit einem Spinnstoffgewirke (Plüschgewirke) ummantelt wurden.
8Im Hinblick auf den Gewichtsanteil der einzelnen Bestandteile und auf die Bedeutung für die Stabilität und die Eigenschaft der Ware, bestimmen die Spanplatten aus Holz den Charakter der Ware; dementsprechend sind die geprüften Kratzbäume der Unterposition 4421 90 98 der Kombinierten Nomenklatur (KN), Zollsatz frei, zuzuweisen. … Der Klägerin ist zu viel erhobener Zoll zu erstatten.
9Am 08.07.2013 beantragte die Klägerin beim Hauptzollamt Hannover (HZA) hinsichtlich der Kratzbäume für ihren Hauptartikel, eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA), die ihr am 25.04.2014 mit einer Einreihung in die Unterposition 6307 90 10 KN erteilt wurde. Wegen der Warenbeschreibung und ihrer tariflichen Beurteilung wird auf den Wortlaut der verbindlichen Zolltarifauskunft verwiesen.
10Für den Zeitraum vom 01.11.2012 bis zum 31.07.2015 fand bei der Klägerin eine weitere Zollprüfung durch den Beklagten statt, deren Ergebnis im Prüfungsbericht vom 21.12.2015, AB-Nr. 290020150327 – D 1102, wie folgt zusammengefasst wurde:
11Die von der Klägerin in verschiedenen Typen eingeführten Kratzbäume wiesen zum Hauptartikel vergleichbare Eigenschaften auf. Die Außenseite besteht immer aus Plüschgewirke (Sitz- oder Liegeflächen), während vor allem die Ständer mit Sisalseilen umwickelt oder Sisalgewebe bezogen sind. Im Verhältnis der Sisalseile und des Sisalgewebes überwiegt das Plüschgewirke deutlich. Daher sind die Waren, die unter den Unterpositionen 4421 90 98, 4421 90 97 oder 4421 90 91 KN angemeldet wurden, der Unterposition 6307 90 10 KN zuzuweisen.
12Dadurch sind 22.493,83 € Zoll zu wenig erhoben wurden (Tz. 3.6.1.1 in Verbindung mit Anlage 1 zum Prüfungsbericht).
13Im Einzelnen handelte es sich um folgende Zollanmeldungen:
14Bei der Einfuhr unter der lfd. Nr. 4, der Position 1 der Zollanmeldung, fand eine Zollbeschau statt, die zu keiner Änderung des Abgabenbetrags führte.
16Schon vor Abschluss der Zollprüfung erhob der Beklagte von der Klägerin mit Einfuhrabgabenbescheid vom 20.11.2015 den im Prüfungsbericht festgestellten Betrag für acht Einfuhren von Kratzbäumen vom 10.12.2012 bis zum 27.11.2014 nach, indem er davon ausging, dass diese Waren in die Unterposition 6307 90 10 KN einzureihen seien.
17Dagegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein trug und zur Begründung vor, die von ihr vorgenommenen Einreihungen seien bei der ersten Zollprüfung und bei Beschaumaßnahmen bestätigt worden. Dabei seien die Waren auch in Augenschein genommen worden.
18Gegen die vZTA habe sie Einspruch eingelegt. Die neue Einreihung, die durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 350/2014 der Kommission vom 3. April 2014 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. EU Nr. L 104/4) – DVO 350/2014 – eingeführt worden sei, dürfe erst mit dem Inkrafttreten dieser DVO am 29.04.2014 angewandt werden.
19Eine derartige Einreihung sei allenfalls durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1229/2013 der Kommission vom 28. November 2013 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. EU Nr. L 322/8) – DVO 1229/2013 – erkennbar gewesen, so dass eine Anwendung dieser Einreihung vor dem Erlass dieser DVO ausscheiden müsse. Für die zuvor getätigten Einfuhren sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren.
20Mit Einspruchsentscheidung vom 17.08.2016 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 20.11.2015 über 22.493,83 € als unbegründet zurück und führte dazu aus: Während der letzten Zollprüfung sei für die von der Klägerin eingeführten Kratzbäume der charakterbestimmende Oberflächenanteil bestimmt worden, da dieser die bestimmungsgemäße Verwendung als Kratz- und Spielgerät für Katzen auf Grund der Attraktivität der Oberfläche für Kratzen, Sitzen, Schlafen oder Spielen ermögliche.
21Die zutreffende Einreihung habe die Klägerin nicht angegriffen. Ein im Rahmen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b der VO (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften – ZK – zu berücksichtigender Irrtum liege allenfalls für die Einfuhr vom 17.07.2013 vor, da die Zollstellen die Zollanmeldungen für die übrigen fünf Einfuhren ohne Prüfung angenommen hätten.
22Hinsichtlich der ersten Zollprüfung fehle es ebenfalls an einem zu berücksichtigenden Irrtum, da die Klägerin nicht dargetan habe, dass ihre früheren Einfuhren der nunmehr streitigen Einfuhren entsprochen hätten. Zudem sei der ersten Zollprüfung nicht zu entnehmen, dass die Kratzbäume grundsätzlich in die Unterposition 4421 90 98 KN einzureihen gewesen seien, da sich die Modelle der einzelnen Waren sehr unterschieden hätten.
23Zudem sei der Irrtum für die Klägerin erkennbar gewesen, wenn sie zwischen Januar 2011 und Juli 2013 die Vergabe von vZTAen hinsichtlich der Kratzbäume überprüft hätte. Dann hätte sie nämlich eine Vielzahl von möglichen Einreihungen nicht nur in das Kapitel 44, sondern auch in die Kapitel 56 (Sisal) und 63 (Konfektionierte Spinnstoffwaren) feststellen können und früher vZTAe beantragen können.
24Zudem habe die Klägerin nicht alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten, da die Warenbeschreibungen nicht so genau gewesen seien, dass die Zollstelle sofort und eindeutig habe feststellen können, wie die Waren einzureihen gewesen seien. Die Klägerin habe nämlich neben der Angabe von Holz keinen weiteren Stoff angegeben.
25Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und führt dazu aus, sie habe auf die ursprüngliche Einreihung in die Position 4421 vertrauen dürfen. Den durch die erste Zollprüfung und die Beschau hinsichtlich der Zollanmeldung vom 17.07.2013 begangenen aktiven Irrtum habe sie vernünftigerweise nicht erkennen können. Zudem habe sie gutgläubig gehandelt.
26Sie sei angesichts der Zollprüfung weder zur Einholung einer vZTA noch zur Recherche hinsichtlich bereits erteilter vZTAe verpflichtet gewesen.
27Der Beklagte habe die Waren zu Unrecht in die Unterposition 6307 90 10 KN eingereiht, denn er habe die DVO 1229/2013 und die DVO 350/2014, wonach die Waren der Unterposition 6307 90 98 KN zuzuweisen gewesen wären, unbeachtet gelassen. Auch sei die ihr erteilte vZTA mit dem Inkrafttreten der DVO 350/2014 ungültig geworden.
28Sofern ihr kein Vertrauensschutz zustehe, seien die Kratzbäume für Hauskatzen nach der Allgemeinen Vorschrift für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV) 3 b auf Grund des ihren Charakter bestimmenden Sisalanteils in die Position 5609 einzureihen. Insoweit werde auf das Urteil des FG München vom 07.12.2017, 14 K 2162/15 verwiesen.
29Die Klägerin beantragt,
30den Einfuhrabgabenbescheid des Beklagten vom 20.11.2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2016 aufzuheben.
31Der Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen,
33und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus, die Waren, die Gegenstand der DVO 1229/2013 und der DVO 350/2014 gewesen seien, hätten aus Geweben aus Plüsch bestanden, während die von der Klägerin eingeführten Kratzbäume u.a. aus Plüschgewirken bestanden hätten.
34In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessvertreter der Klägerin ein Modell der von der Klägerin eingeführten Kratzbäume vorgeführt.
Die Klage hat nur zu einem Teil Erfolg.
36Mit dem Einfuhrabgabenbescheid vom 20.11.2015 hat der Beklagte dem Grunde nach Zoll zu Recht für die Zollanmeldungen vom 10.12. 2012, 15.01.2013, 24.11.2014 und 27.11.2014 nacherhoben, wobei sich der Zollsatz abweichend vom angefochtenen Bescheid aus der Unterposition 5609 00 00 KN ergibt. Im Übrigen wird die Klägerin durch den angefochtenen Einfuhrabgabenbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung in ihren Rechten verletzt, so dass der Bescheid insoweit aufzuheben war, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –. Die Abgabenberechnung wird dem Beklagten übertragen, § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
37Die Zollschuld für die o.a. acht Zollanmeldungen zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr ist nach Art. 201 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 ZK in der Person der Klägerin entstanden. Der Zollsatz ist nach Art. 20 Abs. 3 Buchst. a und c ZK der Kombinierten Nomenklatur in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. EU Nr. L 282) für 2012, der Durchführungsverordnung Nr. 927/2012 (ABl. EU Nr. L 304) für 2013 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1001/2013, ABl. EU Nr. L 290) für 2014 zu entnehmen. Dabei ergibt sich der zutreffende Abgabensatz teilweise aus der Unterposition 6307 90 10 KN und teilweise aus der Unterposition 5609 00 00 KN.
38Den bei Abgabe der Zollanmeldungen nicht buchmäßig erfassten Zoll durfte der Beklagte nach Art. 220 Abs. 1 ZK nacherheben, soweit der Klägerin nicht Vertrauensschutz nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK zustand.
39Nach ständiger Rechtsprechung (s. Gerichtshof der Europäischen Union – EuGH – v. 16.02.2017, C-145/16, Rz. 22 mwN.) ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der Kombinierten Nomenklatur und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (s. Allgemeine Vorschriften (AV) 1 und 6).
40Die Kratzbäume für Katzen waren zwar im maßgebenden Zeitpunkt (Art. 201 Abs. 2, 214 Abs. 1 ZK) noch nicht zusammengesetzt. Dieser Umstand steht jedoch ihrer Beurteilung als vollständige Ware nicht entgegen; AV 2 a) Satz 2.
41Bei den Kratzbäumen für Katzen handelt es sich um Waren, die nicht gesondert in der KN erfasst sind, insbesondere keine Möbel im Sinne der Position 9403 sind, aber aus mehreren Stoffen und Bestandteilen bestehen, so dass gemäß der AV 2 b) ihre Einreihung nach den Regeln der AV 3 erfolgen musste.
42Insoweit ist allerdings die AV 3 a) nicht anzuwenden, da die insoweit in Betracht kommenden Positionen, ausgehend von dem für die Konstruktion maßgebenden Materialien die Position 4421 (Andere Waren aus Holz) und die Position 4823 (Andere Waren aus Papierhalbstoff, Papier, Pappe), ausgehend von den Materialien der Oberfläche die Position 5609 (Waren aus Bindfäden, Seilen und Tauen, anderweit weder genannt noch inbegriffen) und die Position 6307 (Andere konfektionierte Waren) im Hinblick auf die zu beurteilenden Waren als gleich genau zu betrachten sind. Alle vier Positionen beziehen sich nämlich nur auf einen Teil der enthaltenen Stoffe.
43Nach der sodann anzuwendenden AV 3 b) werden Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht. Das Merkmal, das den Charakter einer Ware bestimmt, ist je nach Art der Ware verschieden. Es kann sich beispielsweise aus der Art und Beschaffenheit des Stoffes oder der Bestandteile, aus seinem Umfang, seiner Menge, seinem Gewicht, seinem Wert oder aus der Bedeutung des Stoffes in Bezug auf die Verwendung der Ware ergeben (Erläuterungen zum Harmonisierten System – Erl HS – zu AV 3 Rz. 19.1). Um den charakterbestimmenden Stoff einer Ware zu ermitteln, ist weiter zu prüfen, ob die Ware auch ohne den einen oder den anderen ihrer Bestandteile ihre charakteristischen Eigenschaften behalten würde (EuGH v. 15.11.2012 C-558/11, Rz. 37 mwN.).
44Nach diesem Maßstab kommt es nicht entscheidend auf die der Konstruktion dienen den Materialien wie Holz und Pappe an, sondern auf die überwiegende Oberflächenbeschaffenheit der zu beurteilenden Waren, mit der Folge, dass bei einem überwiegenden Sisalanteil die Ware der Position 5609 und bei einem überwiegenden Anteil der Plüschgewirke die Ware der Position 6307 zuzuweisen ist.
45Vor allem auf Grund ihrer Oberflächenbeschaffenheit finden die Katzen die Kratzbäume attraktiv und nutzen sie, denn die Kratzbäume sprechen Bedürfnisse der Hauskatzen wie Beschäftigung, Pflege, Markieren und Ruhe an und sollen auch Wohnungskatzen ermöglichen, sich arttypisch zu verhalten. Die Kratzbäume sollen die Katzen nicht nur zum Kratzen, sondern auch zum Klettern, Anspringen und Spielen anregen. Ihre horizontalen Flächen sowie die „Höhlen“ in Form von Kästen oder Röhren dienen als Sitz-, Liege- oder Schlafplätze und als Rückzugsort. Sind die Liegeplätze erhöht, können sie von den Katzen als Beobachtungsposten genutzt werden. Zudem bietet ein Kratzbaum einer Katze auch die Möglichkeit, ihren eigenen Geruch auszusenden, indem sie beispielsweise die Duftdrüsen an Kopf, Rücken, Schwanz und Fußballen daran reibt. Schließlich weisen einige der hier zu beurteilenden Kratzbäume noch gesonderte Spielzeuge für die Katzen auf.
46Auf Grund der Vielzahl der Möglichkeiten, die ein Kratzbaum bietet, kommt keiner der verwendeten Oberflächenbedeckungen, den Plüschgewirken oder den Sisalseilen, von vornherein eine charakterbestimmende Bedeutung zu. Die tatsächliche Nutzung eines Kratzbaums wird nach Ansicht des Senats anders als das FG München in seinem Urteil vom 07.12.2017, 14 K 2162/15, ausgeführt hat, nicht durch die Sisalschnüre oder -seile vorgeprägt, sondern hängt von den Vorlieben, Bedürfnissen, Fähigkeiten und Lebensumständen der Hauskatzen ab, denen ein derartiger Kratzbaum zur Verfügung gestellt wird. Das gilt auch angesichts des Umstands, dass Katzenhalter Kratzbäume auch deshalb anschaffen, um ihre Katzen davon abzuhalten, andere Möbel, Haustextilien oder Tapeten zu zerkratzen. Insoweit kann nämlich nicht sicher davon ausgegangen werden, dass die jeweiligen Hauskatzen diesen Wünschen ihrer Halter hinsichtlich der Kratzbäume folgen.
47Die dargestellte Einreihung wird auch durch die DVO 350/2014 bestätigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Einreihungsverordnung, die nicht unmittelbar auf Waren anwendbar ist, die mit denen, die Gegenstand der Verordnung sind, nicht identisch sind, sondern diesen nur entsprechen, auf diese Waren entsprechend anwendbar (EuGH Urteil v. 22.03.2017 C-435/15 und C-666/15 Rz. 37 mwN.). Allerdings müssen für eine entsprechende Anwendung einer Einreihungsverordnung die einzureihenden und die in der Einreihungsverordnung bezeichneten Waren einander hinreichend ähnlich sein (EuGH Urteil v. 22.03.2017 C-435/15 und C-435/15, Rz. 38 mwN.), wovon im Streitfall hinsichtlich eines Modells – bis auf den Verwendung von Plüschgewirken an Stelle von Plüschgeweben wie bei der Ware der Einreihungsverordnung – ausgegangen werden kann.
48Soweit Kratzbäume in die Position 6307 einzureihen sind, gehören sie als andere Waren als Scheuertücher, Wischtücher, Spültücher und ähnliche Reinigungstücher und Schwimmwesten und Rettungstücher in die Unterposition 6307 90. Innerhalb dieser Unterposition sind die Kratzbäume der Unterposition 6307 90 10 KN zuzuweisen, weil sie neben den Sisalschnüren und –seilen aus Plüschgewirken bestehen, die in diese Unterposition gehören. Insoweit unterscheiden sich die streitbefangenen eingeführten Waren von denen, die Gegenstand der DVO 350/2014 waren.
49Daher gibt es keinen Anlass, auf Grund des Erlasses DVO 350/2014 von einem Ungültigwerden der der Klägerin erteilten vZTA nach Art. 12 Abs. 5 Buchst. a Ziff. i) ZK auszugehen.
50Dementsprechend gehören in die Unterposition 6307 90 10 KN folgende Modelle:
511) Das Modell A verfügt über eine rechteckige Grundplatte, die etwa zur Hälfte durch eine aus einem Halbrund geformte, sonst an beiden Seiten offene „Höhle“ bedeckt wird. An ihrer Außenseite trägt die „Höhle“ einen breiten Streifen, der mit Sisalseilen bedeckt ist. Darüber hinaus sind am oberen Ende eines viereckigen Pfahls, der gegenüber der „Höhle“ auf der Grundplatte montiert und mit Plüschgewirke überzogen ist, als Spielelemente drei dünne, sisalumwickelte Stangen befestigt, an deren Enden jeweils eine Stoffkugel hängt. Bei diesem Modell ist der Anteil der Plüschgewirke an der Oberfläche größer als der der Sisalschnüre und –seile.
522) Das Modell B entspricht dem Modell A, nur hat es keine sisalumwickelten Spielelemente.
533) Beim Modell C sind nach der Abbildung in den Akten Oberflächen mit Sisalelementen nicht erkennbar.
544) Beim Modell D ist nur ein vergleichsweise kurzer Stamm mit Sisalseil umwickelt, während alle anderen Teile mit Plüschgewirken bedeckt sind.
555) Das Modell E entspricht hinsichtlich der Formgebung und dem sisalumwickelten Anteil dem Kratzbaum, der Gegenstand der DVO 350/2014 ist.
566) Das Modell F weist ausgehend von einer Grundplatte, die das Viertel eines Kreises darstellt, eine von drei Säulen getragene zweite Ebene auf, auf der eine weitere Säule montiert ist, die einen Sitz- oder Liegeplatz trägt. Auf der zweiten Ebene, in deren Mitte sich ein Loch befindet, durch das eine Katze auch diese Ebene erklettern kann, befindet sich ein Spielelement ähnlich dem des Modells A, nur mit vier dünnen Stangen. Alle Säulen sind vollständig mit Sisalschnüren oder –seilen umwickelt. Auf der untersten Ebene befindet sich ein weiteres, zum Kratzen anregendes Element in Form einer liegenden Säule, das von zwei mit Plüsch überzogenen Haltern auf der Grundplatte montiert ist. Die Fläche der mit Sisalschnüren oder –seilen umwickelten Elemente ist kleiner als die, die mit Plüschgewirken überzogen ist.
577) Das Modell G besteht aus einer quaderförmigen „Höhle“, die diagonal derart in die Mitte der rechteckigen Grundplatte gesetzt wurde, dass die Ecken der Höhle an die Außenkanten der Grundplatte stoßen. Neben und hinter der „Höhle“ befinden sich drei Säulen mit rechteckigem Querschnitt. Auf den Säulen sind Platten montiert, auf denen Katzen sitzen oder liegen können. Das ganze Modell ist mit Plüschgewirken überzogen. Nur vergleichsweise kleine Abschnitte der Säulen sind mit Sisalschnüren oder –seilen umwickelt.
588) Das Modell H weist eine runde Grundplatte auf, auf der drei Sitz- oder Liegeebenen montiert sind, die von Säulenelementen gehalten werden. Nur zwei der Säulenelemente sind mit Sisalschnüren oder –seilen umwickelt, während die übrigen Elemente von Plüschgewirken bedeckt werden.
599) Das Modell I weist ausgehend von einer Grundplatte, die das Viertel eines Kreises darstellt, eine von drei Säulen getragene nächste Ebene auf, auf der eine Höhle moniert ist. Die drei Säulen, die die Ebene der „Höhle“ tragen, sind um weitere Säulen verlängert, von denen eine weitere Sitzplatte und auf ihrem Ende einen Korb mit niedrigen Rand trägt. Auf der nächsthöheren Säule befindet sich eine weitere Platte und auf der niedrigsten Säule ein Spielelement wie beim Modell A. Neben einem weiteren, zum Kratzen anregenden Element in Form einer liegenden Säule, das von zwei mit Plüsch überzogenen Haltern auf der Grundplatte montiert ist, ist nur noch ein Stück der höchsten Säule zum Teil mit Sisalschnüren oder –seilen umwickelt. Es befindet sich zwischen dem weiteren Sitzplatz und dem Korb. Alle übrigen, in Bezug auf die Fläche überwiegenden Teile sind mit Plüschgewirken überzogen.
6010) Das Modell J weist ausgehend von einer rechteckigen Grundplatte eine weitere aus einer rechteckigen Grundplatte bestehende Ebene aus, die von vier Säulen getragen wird. Von der Grundplatte führt eine kleine, mit Plüschgewirken umwickelte Leiter zu einem runden Loch in der zweiten Ebene. Auf dieser ist eine Spiellandschaft aufgebaut, die aus zwei kastenförmigen „Höhlen“, einem sisalumwickelten Aufgang, zwei kleineren Sitzplätzen, einer Röhre und drei weiteren Sitz- und Liegeplätzen auf Säulen besteht. Die Elemente sind mit einer Platte oder querliegenden Säulen verbunden.
61Alle Säulen sind zu einem großen Teil mit Sisalschnüren oder –seilen umwickelt. Auch unter Berücksichtigung des sisalumwickelten Aufgangs überwiegen die mit Plüschgewirken verkleideten Teile der Oberfläche deutlich.
6211) Das Modell K besteht aus einer rechteckigen Grundplatte, auf die drei mit Sisalschnüren oder –seilen umwickelte Säulen montiert sind. Auf der niedrigsten Säule ist eine Röhre mit einem ausgeschnittenen Fenster befestigt. Auf den beiden anderen Säulen befinden sich schalenförmige Sitz- oder Liegeflächen. Bis auf die Säulen sind alle Teile auch innen und an den Unterseiten mit Plüschgewirken überzogen. Sie überwiegen daher die mit Sisalschnüren oder –seilen bedeckten Teile.
6312) Das Modell L weist ausgehend von einer Grundplatte, die das Viertel eines Kreises darstellt, eine von drei jeweils in den Ecken montierten Säulen getragene nächste Ebene in Schnitt und Größe wie die Grundplatte auf, auf der zum Kreiszentrum hin eine „Tonne“ mit zwei übereinanderliegenden „Höhlen“ moniert ist. An den der Tonne gegenüberliegenden Ecken sind oberhalb der diese Ebene tragenden Säulen weitere Säulen montiert. Der auf die niedrigere dieser Säulen befestigte Sitzplatz reicht fast bis zum Eingang der oberen „Höhle“. Auf gleicher Höhe befindet sich bei der anderen, höheren Säule eine kleine Plattform, unter der eine Röhre montiert ist, in der sich eine Katze verstecken kann. Die obere Abdeckung der Tonne erreicht auch die größere der beiden Säulen und bildet eine weitere Ebene. Auf dieser steht oberhalb der Ecksäule der darunter liegenden Ebene eine Säule, an deren Spitze sich eine weitere Sitz- oder Liegefläche befindet. An den Säulen finden sich sieben Abschnitte, die mit Sisalseilen umwickelt sind. Diese Abschnitte sind deutlich kleiner als die Plüschgewirke, mit denen dieses Modell überzogen ist.
6413) Das Modell M besteht ausgehend von einer viereckigen Grundplatte aus drei weiteren Ebenen, bei denen die sechs Säulen zu einem großen Teil in ihrer Mitte mit Sisalschnüren oder –seilen umwickelt sind. Zusätzlich dazu gibt es noch zwischen der Grundplatte und der ersten Ebene ein gewelltes Brett, das mit Sisalschnüren oder –seilen bezogen ist. In Höhe der ersten Ebene befindet sich eine Röhre, deren Zugang auf einer Seite mit einem stilisierten Katzengesicht verkleinert wurde. Die mit Sisalseilen bedeckte Fläche ist geringer als die mit Plüschgewirken bedeckte Fläche.
6514) Das Modell N ähnelt dem Modell M. Es hat an Stelle einer Röhre noch eine „Höhle“ mit einem Zugang von der Seite und einem weiteren Zugang von oben.
66Alle sechs Säulen sind zu einem großen Teil in ihrer Mitte mit Sisalschnüren oder –seilen umwickelt. Deren Fläche ist aber kleiner als die mit Plüschgewirken überzogene Fläche.
6715) Das Modell O besteht aus zwei übereinanderliegenden Tonnen und Sitz- oder Liegeebenen, die sämtlich mit Plüschgewirken überzogen sind. Zwei Säulen, die jeweils eine Liegeebene tragen, sind vollständig mit Sisalschnüren oder –seilen umwickelt. Deren Fläche ist allerdings im Vergleich zu den mit Plüschgewirken überzogenen Flächen gering.
6816) Das Modell P weist eine rechteckige Grundplatte auf, auf der zwei Säulen die gleichgroße Platte der weiteren Ebene halten. Zudem führt eine kleine, mit Plüschgewirken überzogene Leiter vom Boden zur weiteren Ebene. Dort gibt es eine quaderförmige „Höhle“ mit seitlichem Zugang und eine Fläche, auf der sich eine kleine Säule befindet, an deren Spitze ein runder Sitzplatz montiert ist.
69Auf der „Höhle“ ist eine weitere Säule montiert, an deren Spitze sich eine aus Plüschgewirken bestehende Liegemulde befindet.
70Der Sisalanteil besteht nur aus den zu einem großen Teil in ihrer Mitte mit Sisalseilen umwickelten vier Säulen und ist damit hinsichtlich der Fläche der Oberflächen geringer als der Anteil der mit Plüschgewirken überzogenen Oberfläche.
7117) Das Modell Q ist in der vZTA beschrieben. Die Richtigkeit der Beschreibung hat die Klägerin nicht bestritten. Nach den Angaben in der vZTA ist der Anteil der mit Plüschgewirken überzogenen Fläche größer als der Anteil der mit Sisalseilen überzogenen Fläche.
72Der Position 5609 und damit der Unterposition 5609 00 00 KN sind folgende Modelle zuzuweisen:
7318) Das Modell R besteht aus vier Ebenen, von denen die drei unteren als Kreisviertelsegmente geschnitten sind. Die oberen beiden der drei Ebenen werden durch jeweils drei Säulen getragen. Auf der obersten der Ebenen, die in der Mitte auch noch ein Loch aufweist, durch das eine Katze klettern kann, ist eine weitere Säule montiert, die einen Sitz- oder Liegeplatz trägt. Von diesem Platz hängt ein Spielelement herunter.
74Die Ebenen sind von oben mit Plüschgewirken überzogen. Deren Fläche ist geringer als die der mit Sisalschnüren oder –seilen umwickelten Säulen.
7519) Das Modell S besteht aus vier Ebenen. Auf eine rechteckige Grundplatte ist auf drei Säulen eine aus einem Viertelkreissegment bestehende zweite Ebene montiert, in deren Mitte sich ein Loch befindet. Zu diesem Loch führt von der Grundplatte ein mit Sisalschnüren oder –seilen umwickelter Aufgang, der seitlich von zwei mit Plüschgewirken bedeckten Leisten eingerahmt wird. Auf der zweiten Ebene trägt eine Säule eine tonnenförmige „Höhle“, während die beiden anderen Säulen zusammen einen Sitz-oder Liegeplatz tragen, unter dem sich eine mit Plüschgewirken umkleidete Röhre befindet. An eine dieser Säulen ist eine kleinere Sitzplatte, an die andere eine Liegemulde angebracht.
76Der Anteil der Oberflächen, die mit Plüschgewirken überzogen sind, entspricht dem Anteil der Oberflächen, die mit Sisalschnüren oder –seilen bedeckt sind. In diesem Fall bestimmen die wesentlich teureren Sisalschnüre oder –seilen den Charakter der Ware.
77Der Beklagte war aber an der nach Art. 220 Abs. 1 ZK vorzunehmenden buchmäßigen Erfassung hinsichtlich der o.a. Einfuhren vom 09.07.2013 bis zum 14.08.2013 nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK gehindert.
78Der Irrtum des Beklagten bestand in der tariflichen Beurteilung der Kratzbäume in der ersten Zollprüfung durch seinen Prüfungsdienst, nach der sie – abhängig von ihrer weiteren Beschaffenheit hinsichtlich des verwendeten Holzprodukts – jedenfalls der Unterposition 4421 90 zugewiesen wurden. Innerhalb dieser Unterposition hing die weitere Einreihung nur noch davon ab, ob sie aus Faserplatten (Unterposition 4421 90 91 KN, Zollsatz 4%) oder aus anderem Holz (Unterposition 4421 90 98 KN, Zollsatz frei) bestanden. Nur insoweit ergibt sich aus dem Prüfungsbericht vom 04.03.2013, eine Pflicht zur Differenzierung.
79Entgegen der Auffassung des Beklagten gibt es auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich die Kratzbäume der ersten Zollprüfung von denen der zweiten Zollprüfung in zolltariflicher Hinsicht unterschieden haben. Das Modell Q wurde beispielsweise in beiden Prüfungen untersucht.
80Auf Grund der Beschau der Einfuhr vom 17.07.2013 gab es für die Klägerin auch im Übrigen keinen Anlass, die Richtigkeit ihrer Einreihungen zu überprüfen.
81Der Irrtum war für die Klägerin nicht erkennbar. Hierbei kommt es auf eine konkrete Beurteilung des Einzelfalls an, bei der namentlich die Art des Irrtums, die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers zu berücksichtigen sind (erstmals EuGH Urteil v. 26.06.1990 C-64/89, RzN. 8-12, seitdem ständige Rechtsprechung) und zwar im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Abgabenbescheide (BFH Urteil v. 24.04.2008, VII R 62/06, BFHE 221, 279).
82Hinsichtlich der Art des Irrtums liegt eine schwierige Regelung vor, nach der eine Prüfung der Umstände nicht leicht erkennbar ist. Die Einreihung der Kratzbäume für Katzen beruht auf einer schwierigen Rechtslage. Dafür ist nicht nur der Umstand entscheidend, dass die Kommission zwei Einreihungsverordnungen, die DVO 1229/2013 und die DVO 350/2014 erlassen hatte, sondern die Einreihung unter den möglichen Positionen, der Position 4421 einerseits und den Positionen 5609 und 6307 andererseits, von einer keineswegs eindeutigen Wertung abhing: Die Frage, ob es auf die Stabilität der Ware (Baum) oder ihre Oberfläche (Kratzen oder Liegen) ankommt, ist keineswegs einfach zu beantworten. Dafür spricht insbesondere der vom Beklagten angeführte Umstand, dass zu dieser Frage bis zum Jahr 2013 zahlreiche, einander widersprechende vZTAe erteilt worden sind.
83Zwar handelt es sich bei der Klägerin um eine erfahrene Wirtschaftsbeteiligte, weil sie gewerbsmäßig auch in diesem Geschäft mit regelmäßigen Einfuhren tätig war. Gleichwohl hat sie sorgfältig gehandelt, denn sie durfte sowohl auf die Richtigkeit der ihr spätestens mit dem abschließenden Gespräch am 22.02.2013 mitgeteilten Rechtsauffassung des Prüfungsbeamten als auch auf das Ergebnis der Zollbeschau, die zu einer Bestätigung der Zollanmeldung führte, vertrauen. Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin Zweifel an der Richtigkeit ihrer Zollanmeldungen kommen konnten, sind nicht vorgetragen worden. Ihre rechtlichen Erkundigungspflichten beschränkten sich auf das einschlägige Unionsrecht, dem bis zum Ergehen der DVO 1229/2013 und der DVO 350/2014 eine eindeutige Einreihung nicht zu entnehmen war. Die Klägerin war nicht verpflichtet, die Richtigkeit der Einreihung durch Anträge auf Erteilung von vZTAen überprüfen zu lassen, um ihrer Sorgfaltspflicht zu genügen (EuGH Urteil v. 01.04.1993 C-250/91, Rz. 25).
84Die Klägerin hat auch alle Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten. Diese Pflicht richtete sich nach Art. 212 Abs. 2, 222 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission mit Durchführungsvorschriften zu der VO (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften – ZKDVO – in Verbindung mit Anhang 37 Titel II. C. Feld 31 ZKDVO. Danach ist im Rahmen einer Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zur Warenbezeichnung die übliche Handelsbezeichnung der Ware anzugeben. Diese muss so genau sein, dass die sofortige und eindeutige Identifizierung und die unmittelbare und richtige Einreihung der Ware möglich sind. Dabei kommt es nicht auf Angaben an, die alle möglichen Einreihungsergebnisse umfassen. Vielmehr genügt es, wenn ein Einführer, wie die Klägerin, gutgläubig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat. Diese Angaben waren nämlich die einzigen, die sie in Kenntnis der gesetzlichen Tariflage vernünftigerweise kennen oder sich beschaffen konnte (EuGH Urteil v. 01.04.1993 C-250/91, Rz. 29; EuGH v. 14.05.1996 C-153 und 204/94, Rz. 108 f.). Nach den seinerzeitigen Angaben in der KN war nämlich, wie schon dargelegt wurde, eine eindeutige Einreihung nicht möglich.
85Soweit der Beklagte weitergehende Anforderungen stellt, überdehnt er die Sorgfaltspflichten der Klägerin hinsichtlich der Zollanmeldung. Die Verpflichtung der Klägerin, alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung einzuhalten, soll nämlich nur unsorgfältig handelnde Zollschuldner von der Vergünstigung, auf die buchmäßige Erfassung zu verzichten, ausnehmen. Davon kann jedoch hinsichtlich der Klägerin, die sich bei ihren Zollanmeldungen an die ihr im Bericht über die erste Zollprüfung gemachten Vorgaben gehalten hat, keine Rede sein.
86Ein Vertrauensschutz zu Gunsten der Klägerin ist für die Zollanmeldungen vom 10.12.2012, 15.01.2013, 24.11.2014 und 27.11.2014 nicht (mehr) gegeben. Hinsichtlich der ersten beiden Einfuhren sind Umstände, die einen Irrtum der Zollbehörden begründen können, nicht ersichtlich. Es gibt nämlich keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Klägerin die Einreihungsauffassung der Zollprüfung, die mit Bericht vom 04.03.2013 abgeschlossen wurde, vor dem abschließenden Gespräch am 22.02.2013 bekannt wurde.
87Bei den beiden letzten Einfuhren konnte die Klägerin auf Grund der erlassenen DVO 1229/2013 und der DVO 350/2014 nicht mehr auf die tarifliche Richtigkeit ihrer Zollanmeldungen vertrauen.
88Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
89Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
90Die Revision war im Hinblick auf das Urteil des FG München vom 07.12.2017, 14 K 2162/15, nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.