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Tatbestand:
2Die Klägerin betreibt an ihrer Betriebsstätte in einer Halle eine Anlage zum Trocknen von Brot- und Backwaren sowie anderen nicht mehr zum menschlichen Verzehr bestimmten Nahrungs- und Genussmitteln. Die zur Trocknung bestimmten Stoffe werden über Transporteinrichtungen in eine Trockentrommel befördert, wo sie durch den Kontakt mit heißem Rauchgas auf den gewünschten Trockenmassegehalt gebracht werden. Nach dem Trocknungsvorgang wird das Trockengut für die Herstellung von Futtermitteln verwendet. Das für den Betrieb der Trocknungsanlage erforderliche Rauchgas wurde in einem in der Trockentrommel vorhandenen Brenner erzeugt, der zunächst mit Braunkohlestaub und sodann zusätzlich mit versteuertem Erdgas betrieben wurde.
3Das beklagte Hauptzollamt erteilte der Klägerin antragsgemäß mit Verfügung vom 12. Mai 2009 unter Widerrufsvorbehalt die Erlaubnis, Kohle steuerfrei als Heizstoff für die thermische Abfallbehandlung (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 des Energiesteuergesetzes - EnergieStG -) zu verwenden.
4Mit Bescheid vom 2. Februar 2016 widerrief das beklagte Hauptzollamt die der Klägerin erteilte Erlaubnis, weil der zu behandelnde Abfall nach dem thermischen Behandlungsprozess im Unternehmen der Klägerin noch substantiell vorhanden sei. Da die Klägerin marktgängige und weiter nutzbare Erzeugnisse von Wert herstelle, dienten die zur thermischen Behandlung eingesetzten Energieerzeugnisse nicht vorrangig der Beseitigung des Schadstoffpotentials des Abfalls.
5Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch trug die Klägerin vor: Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG lägen vor. Die Brot- und Backwaren, die der Anlage zugeführt würden, seien Abfall im Sinne des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrWG -). Die Trocknung bewirke, dass Wasser und leichtflüchtige organische Verbindungen aus den Brot- und Backwaren entfernt würden. Die Trocknung diene daher schwerpunktmäßig der Beseitigung von Schadstoffen. Würden das Wasser und die flüchtigen organischen Bestandteile in den Brot- und Backwaren verbleiben, würden die daraus hergestellten Futtermittel in kürzester Zeit verderben und nicht mehr verwendbar sein. Der Trocknungsvorgang habe deshalb zur Folge, dass aus den als Abfall zu behandelnden Brot- und Backwaren ein Nebenprodukt im Sinne des § 4 KrWG entstehe, das als Rohstoff für die Herstellung von Futtermitteln verwendet werden könne.
6Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 29. Juni 2017 zurück und führte aus: Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG lägen nicht vor. Die thermische Energie des Rauchgases werde ausschließlich zum Trocknen der Lebensmittelreste und Backwaren verwendet. Das Erdgas werde nicht vorrangig zur Beseitigung des Schadstoffpotentials des Abfalls verwendet, weil durch die Trocknung marktgängige und weiter nutzbare Erzeugnisse von Wert hergestellt würden. Die Klägerin stelle aus den getrockneten Abfällen hochwertige Futtermittel her.
7Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Mit dem Verheizen der Energieerzeugnisse habe sie einen anderen Zweck, nämlich die Behandlung der Abfälle verfolgt. Demgegenüber komme es nicht darauf an, ob durch die Behandlung der Abfälle nutzbare Erzeugnisse hergestellt worden seien. Für die Frage, ob eine Abfallbehandlung vorliege, könne es nicht auf die Nutzbarkeit oder Werthaltigkeit eines dabei entstehenden Nebenprodukts ankommen. Der behandelte Abfall sei auch nicht mehr substantiell vorhanden gewesen. Im Übrigen habe sie mit der Trocknung und Beseitigung des Schadstoffpotenzials der Abfälle noch kein marktgängiges Verarbeitungsprodukt hergestellt. Erst durch weitere Verarbeitungsschritte sei das marktgängige Tierfutter entstanden. Jedenfalls habe das beklagte Hauptzollamt weder in dem Widerrufsbescheid noch in seiner Einspruchsentscheidung zum Ausdruck gebracht, das ihm zustehende Ermessen ausgeübt zu haben.
8Die Klägerin beantragt,
9den Bescheid vom 2. Februar 2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2017 aufzuheben.
10Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
13Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 2. Februar 2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das beklagte Hauptzollamt hat zu Recht die der Klägerin erteilte Erlaubnis vom 12. Mai 2009 widerrufen.
14Rechtsgrundlage für den Widerruf der Erlaubnis ist § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 21. April 2009 VII R 24/07, BFHE 225, 464). Diese Vorschrift bildet über ihren Wortlaut hinaus auch eine Rechtsgrundlage für den Widerruf eines mit einem Widerrufsvorbehalt versehenen und als rechtswidrig erkannten begünstigenden Verwaltungsakts (BFH, Urteil vom 21. April 2009 VII R 24/07, BFHE 225, 464). Die der Klägerin erteilte Erlaubnis war rechtswidrig, weil die Kohle als Heizstoff nicht für Prozesse und Verfahren nach § 51 EnergieStG verwendet wird (§ 37 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EnergieStG).
15Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG wird auf Antrag eine Steuerentlastung für Energieerzeugnisse gewährt, die nachweislich nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 und 10, Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 4a EnergieStG versteuert worden sind und für die thermische Abfall- oder Abluftbehandlung verheizt worden sind. § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG beruht auf Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b Anstrich 1 und 2 der Richtlinie 2003/96/EG (Richtlinie 2003/96) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. EU Nr. L 283/1). Danach gilt die Richtlinie 2003/96 nicht für Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b Anstrich 1 oder 2 der Richtlinie 2003/96. Nur unter diesen Voraussetzungen sind die Mitgliedstaaten befugt, Energieerzeugnisse nicht zu besteuern (Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH -, Beschluss vom 17. Dezember 2015 Rs. C-529/14, ECLI:EU:C:2015:836 Randnr. 30). Daher ist § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 4 Buchstabe b Anstrich 1 und 2 der Richtlinie 2003/96 und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH auszulegen.
16Die Verwendung eines Energieerzeugnisses fällt nur dann nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/96, wenn dieses Erzeugnis in seiner Funktion als Energiequelle selbst anders als als Heiz- oder Kraftstoff verwendet wird. Ein Energieerzeugnis, das im Rahmen eines Herstellungsprozesses verbrannt wird, kann zweierlei Verwendungszweck haben, wenn dieser Prozess nicht ohne Einsatz einer Substanz durchgeführt werden kann, von dem feststeht, dass sie nur durch die Verbrennung des betreffenden Energieerzeugnisses erzeugt werden kann (EuGH, Urteil vom 2. Oktober 2014 Rs. C-426/12, ECLI:EU:C:2014:2247 Randnr. 23 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2015 Rs. C-529/14, ECLI:EU:C:2015:836 Randnr. 24). Kennzeichnend für das Vorliegen eines Energieerzeugnisses mit zweierlei Verwendungszweck ist mithin, dass das Energieerzeugnis nicht nur als Heiz- oder Kraftstoff, sondern auch zur Herstellung einer Substanz verwendet wird, die für die Herstellung eines Produktes innerhalb desselben Produktionsprozesses benötigt wird (EuGH, Urteil vom 2. Oktober 2014 Rs. C-426/12, ECLI:EU:C:2014:2247 Randnr. 25 ff.; Beschluss vom 17. Dezember 2015 Rs. C-529/14, ECLI:EU:C:2015:836 Randnr. 24 f.).
17Im Streitfall wird durch die Trocknung der Lebensmittelreste und Backwaren keine weitere Substanz hergestellt, die wiederum für die Herstellung der Futtermittel erforderlich ist. Vielmehr stellt die Klägerin in der von ihr betriebenen Trockentrommel in einem einheitlichen Prozess ausschließlich den Rohstoff für die Herstellung von Futtermitteln her. Allein der Umstand, dass bei der Trocknung Wasser und leichtflüchtige organische Verbindungen aus den Backwaren und Lebensmittelresten entfernt werden, hat nicht zur Folge, dass dadurch eine weitere Substanz gewonnen wird, der für die Herstellung der Futtermittel in dem Produktionsprozess im Betrieb der Klägerin erforderlich ist (vgl. EuGH, Beschluss vom 17. Dezember 2015 Rs. C-529/14, ECLI:EU:C:2015:836 Randnr. 27).
18Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Vortrag der Klägerin im Einspruchsverfahren der Trocknungsvorgang zur Folge haben soll, dass aus den als Abfall zu behandelnden Brot- und Backwaren ein Nebenprodukt im Sinne des § 4 KrWG entstehe, das als Rohstoff für die Herstellung von Futtermitteln verwendet werden könne. Denn bei dem Rohstoff für die Herstellung der Futtermittel handelt es sich nicht um eine weitere Substanz, die durch die Verwendung des Energieerzeugnisses entstanden ist und für die Herstellung des Rohstoffs benötigt wird. Die Klägerin stellt durch die Trocknung unter Verwendung des Erdgases als Heizstoff vielmehr lediglich den Rohstoff für die Futtermittel her. Daher ist es auch unerheblich, dass sich nach dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung das erzeugte Rauchgas teilweise mit dem Trockengut verbinden soll.
19Anders als die Klägerin meint, leidet der von ihr angefochtene Widerruf der Erlaubnis vom 12. Mai 2009 nicht an einem nach § 102 Satz 1 FGO erheblichen Ermessensfehler. Der Widerruf vom 2. Februar 2016 und die Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2017 enthalten zwar keine Ausführungen zur Ausübung des Entschließungsermessens, das dem beklagten Hauptzollamt nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO an sich zustand. Da die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zur steuerfreien Verwendung von Kohle als Heizstoff für die thermische Abfallbehandlung (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG) nicht vorlagen, war das beklagte Hauptzollamt indes nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 12. Mai 2009 durch dessen Widerruf zu beseitigen (vgl. BFH, Urteil vom 30. November 2004 VII R 41/03, BFHE 208, 361; Urteil vom 21. April 2009 VII R 24/07, BFHE 225, 464). Die Klägerin hat zudem bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung keine Gesichtspunkte geltend gemacht, de einem Widerruf der Erlaubnis hätten entgegenstehen können.
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.