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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin betreibt Motorenprüfstände. Die durch die Verbrennung von versteuertem Benzin erzeugte mechanische Energie wird unter Einsatz angeschlossener Generatoren (sog. Asynchronmaschinen) in Strom umgewandelt.
3Die Klägerin beantragte beim beklagten Hauptzollamt, ihr für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2010 Energiesteuer für die Verwendung von nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) versteuertes Benzin für die Erzeugung von Strom nach § 49 EnergieStG zu vergüten. Am selben Tag beantragte sie für denselben Zeitraum, ihr weitere Energiesteuer für die Verwendung von nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 i.V.m. § 49 Abs. 2a EnergieStG versteuertes Benzin für die Erzeugung von Strom nach § 53 EnergieStG zu vergüten.
4Das beklagte Hauptzollamt lehnte eine Vergütung der Energiesteuer ab.
5Mit ihrem eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, ein Anspruch auf Vergütung ergebe sich für den fraglichen Zeitraum unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. EU Nr. L 283/51).
6Das beklagte Hauptzollamt änderte den Bescheid, indem es die Vergütung der Energiesteuer nach den §§ 49 und 53 EnergieStG jeweils auf 0 € festsetzte. Mit Entscheidung vom 30. Januar 2015 wies es den Einspruch der Klägerin zurück.
7Auf die alsdann von der Klägerin am 26. Februar 2015 erhobene Klage verpflichtete der erkennende Senat das beklagte Hauptzollamt mit Urteil vom 9. Dezember 2015 - 4 K 625/15 VE -, der Klägerin Energiesteuer für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2010 vergüten. Zur Begründung führte der Senat aus, der Anspruch der Klägerin auf Vergütung der Steuer ergebe sich aus Art. 14 Abs. 1 Buchstabe a EnergieStRL.
8Demgemäß setzte das beklagte Hauptzollamt mit Bescheid vom 22. Januar 2016 für die Klägerin eine Steuerentlastung von Energiesteuer fest. Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tage setzte das beklagte Hauptzollamt zugunsten der Klägerin Prozesszinsen für den Zeitraum vom 26. Februar 2015 bis zum 25. Januar 2016 fest.
9Die Klägerin beantragte am 14. März 2016 unter Bezugnahme auf den Zinsbescheid vom 22. Januar 2016 beim beklagten Hauptzollamt, die Zinsen auf den festgesetzten Steuerentlastungsbetrag bereits für den Zeitraum ab dem 1. August 2011 festzusetzen. Sie habe gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EnergieStRL einen Anspruch auf die von ihr begehrte Steuerentlastung gehabt. Nach dem Unionsrecht stehe ihr ein Zinsanspruch nicht nur für die Zeit des Beginns der Rechtshängigkeit des Entlastungsanspruchs in dem Verfahren bei dem Finanzgericht Düsseldorf zu.
10Das beklagte Hauptzollamt lehnte eine Änderung des Zinsbescheids vom 22. Januar 2016 ab. Zur Begründung führte es aus: Der Zinsbescheid sei bestandskräftig geworden. Die Klägerin habe ihren Antrag auf Änderung des Zinsbescheids nicht vor Ablauf der Einspruchsfrist gestellt, wie dies nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a der Abgabenordnung (AO) erforderlich sei. Eine Änderung des Zinsbescheids nach § 173 AO komme nicht in Betracht, weil es sich bei dem mittlerweile ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. September 2015 VII R 32/14 (BFHE 251, 291) nicht um eine neue Tatsache handele.
11Die Klägerin trug mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch vor: Ihr Anspruch auf Verzinsung des Entlastungsbetrags ergebe sich unmittelbar aus dem Unionsrecht. Deshalb stehe die Bestandskraft des Zinsbescheids vom 22. Januar 2016 ihrem Begehren nicht entgegen.
12Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch zurück und führte aus: Selbst wenn der Klägerin nach dem Unionsrecht ein Anspruch auf Verzinsung des Steuerentlastungsbetrags für den Zeitraum vor Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage zustehen würde, könne dieser Anspruch nur dann festgesetzt werden, wenn es nach einzelstaatlichem Recht eine Rechtsgrundlage für die Änderung des bestandskräftig gewordenen Zinsbescheids vom 22. Januar 2016 gebe. Der Antrag auf weitergehende Verzinsung sei erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingegangen. Diese Frist sei auch nicht unionsrechtswidrig, weil sie gleichermaßen auch für die Durchsetzung einzelstaatlich geregelter Rechte gelte. Eine Änderung des Zinsbescheids nach den §§ 172 ff. AO scheide deshalb aus.
13Die Klägerin wiederholt mit ihrer Klage im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren.
14Die Klägerin beantragt,
15das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung seines Bescheids vom 8. März 2017 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. April 2017 zu verpflichten, Zinsen von 6 % p.a. auf den Steuerentlastungsbetrag für den Zeitraum vom 1. August 2011 bis zum 24. Januar 2016 festzusetzen.
16Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Zur Begründung trägt es vor: Der Umstand, dass die Klägerin den von ihr geltend gemachten Zinsanspruch aus dem Unionsrecht herleite, bedeute nicht, dass die Bestandskraft des Zinsbescheids vom 22. Januar 2016 unerheblich sei.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
20Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 8. März 2017 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. April 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das beklagte Hauptzollamt hat es zu Recht abgelehnt, Zinsen von 6 % p.a. auf den Steuerentlastungsbetrag bereits für den Zeitraum vom 1. August 2011 bis zum 24. Januar 2016 festzusetzen.
21Anspruchsgrundlage für eine Änderung des Zinsbescheids vom 22. Januar 2016 sind gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 AO die §§ 172 ff. AO (BFH, Urteile vom 20. Mai 1992 III R 176/90, BFH/NV 1993, 74 sowie vom 28. Mai 2009 III R 84/06, BFHE 225, 11; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 239 Randnr. 6).
22Das beklagte Hauptzollamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass es einer Änderung des Zinsbescheids vom 22. Januar 2016 bedarf, um dem Begehren der Klägerin entsprechen zu können. Das beklagte Hauptzollamt hat mit diesem Bescheid Zinsen nur ab dem Zeitraum vom 26. Februar 2015 festgesetzt. Damit hat es gleichzeitig eine Verzinsung für einen früheren Zeitraum stillschweigend abgelehnt. Unerheblich ist insoweit, auf Grund welcher Rechtsgrundlage (§ 236 AO oder Unionsrecht) die Zinsen mit dem Bescheid vom 22. Januar 2016 festgesetzt worden sind (vgl. BFH, Urteil vom 27. Juni 2006 VII R 43/05, BFH/NV 2007, 396). Der Regelungsgehalt dieses Bescheids erschöpft sich vielmehr in der Festsetzung von 0,5 % Zinsen für jeden Monat auf den Vergütungsbetrag für den Zeitraum vom 26. Februar 2015 bis zum 25. Januar 2016. Dementsprechend hat die Klägerin mit ihrem Antrag vom 14. März 2016 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Zinsbescheid vom 22. Januar 2016 begehrt, die Zinsen „abweichend“ von der bisherigen Berechnung bereits für den Zeitraum ab dem 1. August 2011 festzusetzen. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall von der Festsetzung von Kindergeld (vgl. Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 6. März 2017 7 K 3673/16 Kg, juris), bei welcher der Grundsatz der Bewilligung für einen bestimmten Zahlungszeitraum gilt (§ 66 des Einkommensteuergesetzes).
23Der Zinsbescheid vom 22. Januar 2016 kann nicht nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden. Gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 AO sind zwar die für Steuern geltenden Vorschriften „entsprechend anzuwenden“. Der Bescheid vom 22. Januar 2016, mit dem das beklagte Hauptzollamt den Steuerentlastungsbetrag festgesetzt hat, betraf auch eine Verbrauchsteuer (§ 1 Abs. 1 Satz 3 EnergieStG). Das bedeutet jedoch noch nicht, dass deshalb auch der Zinsbescheid vom selben Tage in entsprechender Anwendung des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden kann. Das Gesetz ordnet für die Änderung der Festsetzung von Verbrauchsteuern, anders als für eine Änderung der Festsetzung „anderer“ Steuern, die einen stärkeren Vertrauens- und Bestandsschutz genießt (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO), die Möglichkeit einer Änderung der Steuerfestsetzung unter leichteren Voraussetzungen an, weil die Verbrauchsteuern regelmäßig einem an einfacher und zügiger Massenbewältigung ausgerichteten Abfertigungsverfahren unterworfen sind. Die Änderung der Festsetzung einer Verbrauchsteuer soll daher unter erleichterten Voraussetzungen und in den engen zeitlichen Grenzen einer regelmäßig kürzeren Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) möglich sein (BFH, Beschluss vom 21. April 2016 II B 4/16, BFHE 253, 189). Diese besonderen Gründe für eine leichtere Änderung der Festsetzung einer Verbrauchsteuer sind bei der Festsetzung von Zinsen zu einer Verbrauchsteuer nicht vorhanden. Die Festsetzung von Zinsen zu einer Verbrauchsteuer geschieht nicht in einem an einfacher und zügiger Massenbewältigung ausgerichteten Abfertigungsverfahren.
24Der Zinsbescheid vom 22. Januar 2016 kann auch nicht nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO geändert werden. Diese Bestimmung scheidet als Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren aus, weil der Antrag der Klägerin nicht vor Ablauf der Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO) gestellt worden ist. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene (Bl. 5 GA) Zinsbescheid ist am Montag, dem 25. Januar 2016 zur Post gegeben worden (Bl. 15 der Verwaltungsakte). Der Bescheid galt deshalb gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als am 28. Januar 2016 als bekannt gegeben. Die Einspruchsfrist lief daher am Montag, dem 29. Februar 2016 ab. Der Antrag der Klägerin auf weitergehende Festsetzung von Zinsen ging erst am 14. März 2016 beim beklagten Hauptzollamt ein.
25Eine andere gesetzlich zugelassene Änderungsmöglichkeit (§ 239 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d AO) ist nicht ersichtlich.
26Anders als die Klägerin meint, ist die Bestandskraft des Zinsbescheids vom 22. Januar 2016 nicht unerheblich. Vielmehr kann die einzelstaatlich geregelte Bestandskraft eines Bescheids grundsätzlich einem auf die Änderung einer Abgabenfestsetzung gerichteten Anspruch entgegenstehen (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH -, Urteile vom 13. Januar 2004 Rs. C-453/00, Slg. 2004, I-837 Randnr. 28 sowie vom 16. März 2006 Rs. C-234/04, Slg. 2006, I-2585 Randnr. 23; BFH, Urteil vom 14. Februar 2012 VII R 27/10, BFHE 237, 1). Dies gilt zumal sich die Festsetzung von Zinsen nach einzelstaatlichem Recht richtet (EuGH, Urteil vom 27. September 2012 Rs. C-113/10, C-147/10 und C-234/10, ECLI:EU:C:2012:591 Randnr. 60 f.). Hierin liegt kein Verstoß gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz. Denn die Klägerin hatte nach einzelstaatlichem Recht die Möglichkeit, innerhalb einer angemessenen Frist einen Rechtsbehelf gegen den Zinsbescheid vom 22. Januar 2016 einzulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2006 Rs. C-392/04 und C-422/04, Slg. 2006, I-8559 Randnr. 59 f.).
27Dem gefundenen Ergebnis steht das Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom 16. Mai 2018 - 4 K 2898/16 VZr; EuGH Rs. C-360/18 - nicht entgegen. Bei diesem Vorabentscheidungsersuchen geht es um die Frage, ob Produktionsabgaben trotz entgegenstehender Bestandskraft der der Erhebung der Abgaben zugrunde liegenden Bescheide zu erstatten sind, weil auf Grund einer Verordnung der Union nachträglich mit Rückwirkung geringere Abgabensätze festgesetzt worden sind. Im Streitfall geht es nicht um die Erstattung von unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Abgaben, nämlich der Energiesteuer selbst. Vielmehr geht es vorliegend um die Berechnung der Verzinsung eines nachträglich festgesetzten Steuerentlastungsbetrags.
28Es bedarf mithin keiner Entscheidung mehr, ob die Klägerin nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile vom 27. September 2012 Rs. C-113/10, C-147/10 und C-234/10, ECLI:EU:C:2012:591 Randnr. 66 sowie vom 18. Januar 2017 Rs. C-365/15, ECLI:EU:C:2017:19 Randnr. 37, 39) einen Anspruch auf Verzinsung des Steuerentlastungsbetrags bereits ab dem 1. August 2011 hat.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.