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Der Steueränderungsbescheid des Beklagten vom 15.08.2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2017 für 2009 festgesetzte Energiesteuer wird aufgehoben, soweit mehr als 9.014,53 € festgesetzt worden ist. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 60% und der Beklagte zu 40%.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin betrieb eine Tierkörperbeseitigungsanstalt, in der tierische Rohstoffe (tierische Nebenprodukte der Kategorie 1 der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 03.10.2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte) zu Tiermehl und Tierfett verarbeitet wurden. Tiermehl verkaufte sie als Brennstoff, Tierfett zum Teil als Energieerzeugnis, zum Teil verwendete sie Tierfett auch als Heizstoff für die Erzeugung von Prozessdampf. Einen Teil des Tierfetts verkaufte sie an Unternehmen der Oleochemie.
3Der Klägerin war eine Erlaubnis zur Herstellung von Energieerzeugnissen unter Steueraussetzung erteilt worden, nach der sie u.a. den Eigenverbrauch von Energieerzeugnissen zu ermitteln hatte.
4Der auch unter Einsatz von Tierfett erzeugte Dampf wurde bei der Sterilisation und der Trocknung eingesetzt. Erst nach der Trocknung der gesamten Masse erfolgte eine mechanische Trennung in Tierfett einerseits und einem Vorprodukt des Tiermehls, das dann zu Tiermehl verarbeitet wurde.
5Die Klägerin gab für das von ihr zum Heizstoff bestimmte und für die eigene Dampferzeugung verwendete Tierfett keine Steueranmeldung ab, da dieses Tierfett der Herstellung von Energieerzeugnissen gedient habe, § 26 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG).
6Für die Jahre 2009 und 2010 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung durch das Sachgebiet Prüfungsdienste des Beklagten statt, die am 15.12.2010 begann und deren Ergebnis im Prüfungsbericht vom 06.04.2011, AB-Nr. 290020100523 — D 2109, zusammengefasst wurde. Nach Auffassung des Prüfungsbeamten habe das Tierfett mit dem Einsatz oder dem Verkauf zum Verheizen die Zweckbestimmung Heizstoff erhalten und sei dadurch zu einem Energieerzeugnis nach §§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 4 Nr. 1 EnergieStG geworden. Es könne daher nur insoweit steuerfrei gestellt werden, als es zur Herstellung von Energieerzeugnissen eingesetzt worden sei, d.h. für 2009 in Höhe von 30,59% und für 2010 in Höhe von 18,09%. Für den insoweit nicht begünstigten Teil des Tierfetts seien für 2009 und für 2010 Energiesteuer entstanden und noch zu erheben.
7In ihrer Stellungnahme vom 20.05.2011 zum Prüfungsbericht führte die Klägerin aus, der gesamte Einsatz von Tierfett sei steuerfrei. Das BFH-Urteil vom 23.02.2010, VII R 34/09, betreffe einen anderen Fall und im Senatsurteil vom 10.03.2010, 4 K 3407/09 VSt sei es nur um die Einordnung ihres Unternehmens in die WZ 2003 gegangen.
8Der Beklagte folgte den Feststellungen und rechtlichen Wertungen des Prüfungsberichts und setzte mit Steueränderungsbescheid Energiesteuer fest.
9Dagegen legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein und trug zur Begründung vor, Gegenstand des BFH-Urteil vom 29.10.2012, VII R 26/12 sei nur der Fall der Herstellung von Energieerzeugnissen und anderer Produkte als Energieerzeugnisse gewesen. Unberührt davon seien sog. Kuppelprodukte, die wie Abfälle zwangsläufig mit der Herstellung von Energieerzeugnissen entstünden. Diese Produkte müssten im Rahmen des Herstellerprivilegs nach § 26 EnergieStG unberücksichtigt bleiben (Gotterbarm, Mineralölsteuer, Mineralölzoll § 3 Nr. 9; BMF – Erlasse vom 27.07.2006, III A 1 — V 9905/05/0001, und vom 04.07.2008, III A 1 — V 8230/07/0003).
10Mit Einspruchsentscheidung vom 19.04.2017 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte dazu aus:
11Nach § 8 Abs. 1 EnergieStG entstehe die Steuer u.a. dadurch, dass Energieerzeugnisse innerhalb eines Steuerlagers zum Ge- oder Verbrauch entnommen worden seien. Der Herstellungsbetrieb der Klägerin sei auf Grund der ihr erteilten Erlaubnis ein Steuerlager. In diesem habe sie einen Teil des gewonnenen Tierfetts in ihrem Dampfkessel zur Aufrechterhaltung ihres Betriebs eingesetzt. Insoweit sei das Tierfett ein Energieerzeugnis.
12Der Klägerin sei zugleich die steuerfreie Verwendung nach § 26 Abs. 1 EnergieStG bewilligt worden. Diese Bewilligung sei verwendungsbezogen, so dass mit dem Einsatz des Tierfetts der Hauptzweck des Herstellungsbetriebs erfüllt werden müsse, nämlich die Herstellung von Energieerzeugnissen.
13Dies sei nach Art. 21 Abs. 3 Sätze 2 und 3 der Richtlinie (EG) 2003/96 des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom — RL 2003/96 — einschränkend auszulegen. Den Mitgliedstaaten sei es nämlich verwehrt, diese Steuerbegünstigung auch für solche Energieerzeugnisse zu gewähren, deren Verwendung nicht mit dem eigentlichen Herstellungsprozess zusammenhänge. Insoweit sei die Begünstigung auf die Erzeugnisse beschränkt, mit denen Energieerzeugnisse hergestellt worden seien. Daher sei die vorgenommene Begrenzung zutreffend gewesen.
14Unbeachtlich sei, dass es sich bei dem Tiermehl nur um ein Kuppelprodukt gehandelt habe, wie die Klägerin meine. Auch das Tiermehl sei gewinnbringend veräußert worden (s. Senatsurteil vom 10.03.2010, 4 K 3407/09 VSt).
15Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor, das BFH-Urteil vom 29.10.2013, VII R 29/12, habe nur sog. „Aliud-Produkte" betroffen, während es hier um ein Kuppelprodukt gehe. Das Tiermehl falle nämlich mit der Herstellung von Tierfett zwangsläufig an. Während mit Tierfett bis Oktober 2017 ein erheblicher Veräußerungserlös habe erzielt werden können, habe die Tiermehlproduktion mit den Entsorgungskosten zu einem erheblichen Verlust geführt. 2017 sei das von ihr hergestellte Tiermehl überhaupt nicht mehr veräußerbar gewesen. Im Prüfungszeitraum habe sie das Tiermehl noch veräußern können, allerdings nur zu geringen Erlösen.
16Hinsichtlich des Verständnisses der Erlasse werde auf den Hinweis des Berichterstatters im Verfahren 4 K 181/13 vor dem FG Hamburg hingewiesen. Die vom Beklagten vertretene Beurteilung der Erlasslage sei im Hinblick auf die Veräußerungserlöse für Tierfett einerseits und Tiermehl andererseits unhaltbar.
17Die Klägerin beantragt,
18den Steueränderungsbescheid des Beklagten vom 15.08.2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2017 aufzuheben,
19hilfsweise die Revision zuzulassen.
20Der Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen,
22und verweist zur Begrünung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus, dass das Tiermehl nicht nur ein sog. Kuppelprodukt sein könne, zeige sich schon daran, dass es beinahe im Verhältnis 2:1 zum Tierfett ().
23Selbst wenn man von einem Kuppelprodukt ausgehe, verstehe er den Erlass vom 04.07.2008 dahingehend, dass die Erzeugung von Kuppelprodukten dann nicht mehr unberücksichtigt gelassen bleiben könne, wenn die Herstellung von Energieerzeugnissen nach § 4 EnergieStG von untergeordneter Bedeutung sei. Insoweit müsse sich die anteilige Berechnung auf alle hergestellten Erzeugnisse beziehen. Insoweit werde auch auf die Argumentation im BFH-Urteil vom 29.10.2013, VII R 26/12, am Ende hingewiesen.
Die Klage ist nur zu einem Teil begründet.
25Im angefochtenen Steueränderungsbescheid des Beklagten vom 15.08.2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2017 hat der Beklagte die Klägerin zu Recht für die 2010 entstandene Energiesteuer in Anspruch genommen. Hinsichtlich des Jahres 2009 war die Festsetzung der Energiesteuer aufzuheben, soweit mehr als 9.014,53 € festgesetzt worden ist.
26Nach § 8 Abs. 1 EnergieStG entsteht die Energiesteuer dadurch, dass Energieerzeugnisse im Sinne des § 4 EnergieStG zum Verbrauch im Steuerlager entnommen werden. Das streitbefangene Tierfett, das die Klägerin für die Dampferzeugung in ihren Anlagen eingesetzt hat, ist ein Energieerzeugnis nach § 4 Nr. 1 EnergieStG, denn es ist eine Ware der Position 1518 der Kombinierten Nomenklatur, die dazu bestimmt war, als Heizstoff verwendet zu werden.
27Entgegen der Auffassung der Klägerin führt die Steuerbefreiung nach § 26 Abs. 1 EnergieStG nicht dazu, dass das Tierfett, das sie in ihrem Betrieb als Heizstoff eingesetzt hat, gänzlich von der Energiesteuer befreit ist.
28Nach dieser Vorschrift darf der Inhaber des Herstellungsbetriebs, hier die Klägerin, Energieerzeugnisse, zu denen auch zum Verheizen bestimmtes Tierfett gehört, steuerfrei verwenden. Diese Begünstigung ist verwendungsbezogen dahingehend zu verstehen, dass der Einsatz des Tierfetts als Heizstoff die Herstellung eines Energieerzeugnisses fördern muss. Erfolgt der Verbrauch jedoch zu Zwecken, die nicht mit der Herstellung von Energieerzeugnissen im Zusammenhang stehen, so gilt dies nach Art. 21 Abs. 3 Satz 3 RL 2003/96 als ein Steuerentstehungstatbestand. Damit ist es den Mitgliedstaaten verwehrt, eine Steuerbegünstigung auch für solche Energieerzeugnisse zu gewähren, deren Verwendung nicht mit dem eigentlichen Herstellungsprozess zusammenhängt. In diesem Licht ist § 26 Abs. 1 EnergieStG auszulegen (BFH Urteil v. 29.10.2013, VII R 26/12, BFHE 242, 454). Dies hat zur Folge, dass der Klägerin die Steuerbefreiung nach § 26 Abs. 1 EnergieStG nur soweit gewährt werden kann, wie der Einsatz des Tierfetts als Heizstoff zur Herstellung von Energieerzeugnissen eingesetzt worden ist, nicht aber, soweit durch den Einsatz von Tierfett als Heizstoff andere Erzeugnisse, die keine Energieerzeugnisse sind, hergestellt worden sind (BFH Urteil v. 29.10.2013, VII R 26/12, aaO.). Hinsichtlich des von ihr hergestellten Tierfetts hat die Klägerin 2009 730.740 kg und 2010 2.190.700 kg Tierfett produziert, die keine Energieerzeugnisse waren, weil sie nicht zum Verheizen, sondern ohne diese Zweckbestimmung an Unternehmen der Oleochemie weiterverkauft worden sind. Insoweit diente der Einsatz von Tierfett als Heizstoff bezogen auf die Herstellung von Tierfett im Jahr 2009 nur zu 86,75% und im Jahr 2010 nur zu 51,86% der Herstellung von Energieerzeugnissen. Daher ist, selbst wenn der Argumentation der Klägerin zu folgen wäre, der Umfang der Steuerbefreiung entsprechend herabzusetzen.
29Soweit die Klägerin der Auffassung ist, die Herstellung von Tiermehl sei bei der Herstellung von Tierfett nur ein sogenanntes Kuppelprodukt, das bei der Berechnung des Umfangs der Steuerbefreiung außer Acht zu lassen sei (ebenso Bender in Friedrich/Soyk Energiesteuern Kommentar, § 26 EnergieStG Rz. 55), kann dem nur zum Teil gefolgt werden.
30Allein aus dem Umstand, dass bei der Herstellung von Energieerzeugnissen durch den Einsatz von Energieerzeugnissen im Sinne des § 26 Abs. 1 EnergieStG andere Produkte zwangsläufig anfallen, folgt nicht, dass die Herstellung dieser Produkte für das Ausmaß der Steuerbefreiung im Rahmen des Herstellerprivilegs unerheblich ist.
31Die Begrenzung der Steuerbefreiung nach § 26 Abs. 1 EnergieStG auch auf Grund der unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 21 Abs. 3 RL 2003/96 dient nämlich ausschließlich der Vermeidung einer Besteuerung der Energieerzeugnisse, die für die Herstellung von Energieerzeugnissen eingesetzt werden, nicht aber anderer, auch zwangsläufig entstehender Waren. Deren Produktion soll gerade nicht begünstigt werden, weil ansonsten die Hersteller von Energieerzeugnissen und eines Kuppelprodukts gegenüber den Herstellern, die allein das Kuppelprodukt, Konkurrenz- oder Substitutionsprodukte herstellen, ungerechtfertigte Steuervorteile hätten. Diese Steuervorteile können unter weiteren Voraussetzungen auch Beihilfen im Sinne das Art. 107 Abs. 1 AEUV sein.
32Vielmehr ist eine Einbeziehung der sog. Kuppelprodukte, hier des Tiermehls, in die Menge, die unter Einsatz des Tierfetts als Heizstoff hergestellt wurde, nur dann gerechtfertigt, wenn das Kuppelprodukt nicht und auch nicht zu einem geringen Preis verkauft werden kann, sondern nur gegen Zahlungen der Klägerin entsorgt werden muss, mithin Abfall ist.
33Dies war nur beim Tiermehl im Jahr 2009 der Fall, weil die Klägerin für dessen Verwertung 3,49 € Kosten je Tonne zu tragen hatte. Schon im Folgejahr konnte die Klägerin für das Tiermehl einen geringen Kaufpreis erzielen.
34Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine für lange Zeit feststehende Beurteilung des Tiermehls als ein nicht zu berücksichtigendes sog. Kuppelprodukt nicht möglich ist, weil der für Tiermehl erzielbare Preis schwankt, wie auch in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde.
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
36Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
37Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.