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Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer um 19.562,69 € herabgesetzt wird.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Der Kläger [A] war Inhaber eines Gärtnereibetriebes, den er ab dem xx.xx.2000 an die A-KG (im Folgenden: KG) verpachtet hat. Der Kläger ist mit einem Kapitalanteil von 90 % alleiniger Komplementär und Geschäftsführer der KG. Einziger Kommanditist mit einem Kapitalanteil von 10 % war im Streitjahr 2006 der Sohn des Klägers B. Die Geschäftsführertätigkeit des Klägers war zunächst im Dienstvertrag vom 15.02.2000 geregelt. Danach erhielt der Kläger für seine Geschäftsführungstätigkeit eine feste monatliche Vergütung, die seit dem xx.yy.2001 27.838,76 € monatlich betrug.
3Mit auf den 01.01.2005 datierendem Gesellschafterbeschluss wurde der vorgenannte Dienstvertrag zwischen dem Kläger und der KG mit Wirkung vom 01.01.2005 aufgehoben. Außerdem wurde § 7 des Gesellschaftsvertrages u. a. wie folgt geändert:
4„Die einzelnen Gesellschafter sind nach dem Verhältnis ihrer Festkapitalanteile am Gewinn oder Verlust sowie am Vermögen der Gesellschaft beteiligt. Bemessungs-grundlage ist das für das Geschäftsjahr festgestellte Jahresergebnis nach Abzug der Vorwegvergütungen und Kapitalkontenverzinsungen.
51. Die Gewinn- und Verlustverteilung hat jährlich zu erfolgen.
62. Der Gesellschafter A erhält vorweg einen Gewinnanteil in Höhe von 184.000.- € jährlich.“
7Ungeachtet dessen überwies die KG dem Kläger bis zum 30.06.2007 per Dauerauftrag weiterhin monatlich einen Betrag von 27.838,76 € mit dem Verwendungszweck „Gehalt“.
8In seiner am 24.10.2007 beim Beklagten eingereichten Umsatzsteuererklärung 2006 erklärte der Kläger Umsätze aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 74.732.- € (USt 11.957,12 €) und unentgeltliche Wertabgaben in Höhe von 2.958.- € (USt 473,28 €). Unter Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen von 962,74 € ergab sich eine Umsatzsteuer von 11.467,66 €. Der Beklagte stimmte dieser Steueranmeldung zu.
9In 2009 fand bei dem Kläger eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Z statt, die die Veranlagungszeiträume 2004 bis 2006 betraf. Dabei gelangte der Prüfer betreffend die Umsatzsteuer zu folgenden Ergebnissen (Bericht vom 17.07.2009):
101. Die unentgeltlichen Wertabgaben seien in 2005 und 2006 von bisher jeweils 2.958.- € auf jeweils 19.718.- € zu erhöhen (Tz. 2.1).
112. Die Mindestbemessungsgrundlage für die Verpachtung eines Gewächshauses betrage ab dem 01.07.2004 31.375.- € statt bisher 17.793.- €, so dass sich die Pachtumsätze um 13.582.- € erhöhten (Tz. 2.2).
123. Die Geschäftsführertätigkeit des Klägers unterliege weiterhin der Umsatzsteuer, da zur Anerkennung von Verträgen unter Angehörigen - neben der ernsthaften Vereinbarung – die tatsächliche Durchführung von entscheidender Bedeutung sei. Auf die Berichte der Umsatzsteuersonderprüfung, die Einspruchsentscheidung des FA Y vom 02.11.2007 und das Urteil des FG Düsseldorf vom 12.03.2007 (gemeint 2008) werde verwiesen (Tz. 2.3).
13Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen des Prüfers in den Handakten (…) ergibt sich, dass die Bemessungsgrundlage für die Geschäftsführertätigkeit sowohl in 2005 als auch in 2006 287.987,17 € und die darauf entfallenden Umsatzsteuer 46.077,95 € beträgt.
14In der Anlage 1 zum Prüfungsbericht (Umsatzsteuer lt. Prüfung) werden für 2005 Lieferungen und sonstige Leistungen von 376.087.- € und unentgeltliche Wertabgaben von 19.718.- € und für 2006 Lieferungen und sonstige Leistungen von 498.571.- € und unentgeltliche Wertabgaben von 19.718.- € ausgewiesen.
15Mit Bescheiden vom 09.11.2009 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer 2005 und 2006 entsprechend der Anlage 1 zum Prüfungsbericht auf 60.913,14 € (2005) und 81.963,50 € (2006) fest. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, mit dem er sich gegen die Besteuerung der Geschäftsführervergütung und den Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage wandte.
16Der Einspruch hatte nur in geringem Umfang Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 05.07.2013 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer 2005 und 2006 um jeweils 1.757,12 € auf 59.156,02 € (2005) und 80.206,38 € (2006) herab, da die Bemessungsgrundlage für die Verpachtungsumsätze um 10.981,53 € zu ermäßigen sei.
17Hiergegen erhob der Kläger Klage (Az. 1 K 2689/13 U), mit der er sich weiter gegen die Besteuerung der Geschäftsführervergütung wandte und eine weitere Minderung der Bemessungsgrundlage für die Verpachtungsumsätze (Verpachtung der Heizungsanlage) begehrte.
18In der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2016 vor dem Einzelrichter kamen die Beteiligten hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2005 und 2006 dahingehend überein, dass in den Jahren 2005 und 2006 ein der Umsatzsteuer unterliegendes Geschäftsführerhonorar von 184.000.- € brutto zu versteuern ist.
19Die Vertreterin des Beklagten erklärte sich deshalb bereit, die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006 dahingehend zu ändern, dass die in diesen Bescheiden angesetzten Geschäftsführervergütungen auf netto 158.620.- € herabgesetzt werden. Der Vertreter des Klägers erklärte daraufhin, an seinem weiteren Begehren nicht mehr festzuhalten. Die Beteiligten erklärten daraufhin übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
20In Umsetzung der in der mündlichen Verhandlung gegebenen Zusage erließ der Beklagte am 23.11.2016 geänderte Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006, mit denen er die bisher festgesetzte Umsatzsteuer um jeweils 20.698,72 € minderte (Minderung der Bemessungsgrundlage für die Geschäftsführervergütung von 287.987.- € auf 158.620.- € = 129.367.- € x 16 % = 20.698,72 €).
21Am 21.12.2016 legte der Kläger gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2006 Einspruch ein und begehrte eine Minderung der Umsätze um 76.191,14 €. Wegen der Berechnung wird auf die dem Einspruchsschreiben beigefügte Anlage Bezug genommen. Mit Einspruchsentscheidung vom 25.01.2017 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und verwies darauf, dass der Bescheid das Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2016 zutreffend umsetze. Eine weitere Überprüfung der gesamten steuerpflichtigen Umsätze komme nicht mehr in Betracht.
22Mit der hiergegen gerichteten Klage macht der Kläger geltend:
23Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2006 enthalte einen nicht nachvollziehbaren Rechen- bzw. Übernahmefehler, der sich wie folgt ermittele:
24Aufgrund der Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht vom 17.07.2009 ergäben sich folgende Änderungen gegenüber der eingereichten Erklärung:
25Tz. 2.1 Erhöhung unentgeltliche Wertabgabe um 16.760,00 €.
26Tz. 2.2 Erhöhung Mindestbemessungsgrundlage um 13.582,00 €.
27Tz. 2.3 Besteuerung Geschäftsführertätigkeit 287.987,17 €
28Ausgehend von den erklärten Umsätzen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen von 74.732.- € ergäben sich somit für 2006 Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen von 376.301,17 €. Der Bescheid vom 09.11.2009 beinhalte jedoch Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen von 498.571,00 €. Die Abweichung um 122.269,83 € sei nicht nachvollziehbar. Unter Berücksichtigung der Änderung durch die Einspruchsentscheidung vom 05.07.2013 und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2016 ergäben sich für 2006 zutreffende Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen von 235.955,16 €. Die Abweichung von 122.266,84 € in der Festsetzung vom 23.11.2016 beruhe auf einem in der Festsetzung vom 09.11.2009 enthaltenen Rechen- bzw. Übernahmefehler und sei gemäß § 129 AO zu korrigieren. Dem Kläger könne nicht entgegen gehalten werden, dass er in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2016 an seinem weiteren Klagebegehren nicht mehr festgehalten habe. Diese Erklärung habe sich lediglich auf die Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage bezogen. Im Ergebnis hätten die Feststellungen der Betriebsprüfung korrekt ausgewertet werden sollen mit einer entsprechenden Kürzung der Geschäftsführervergütung. Die Einschränkung der Klage habe sich jedoch nicht auf die von der Veranlagungsstelle übernommenen Rechenfehler des Betriebsprüfers bezogen, so dass der Bescheid noch nach § 129 AO geändert werden könne.
29Der Kläger beantragt,
30den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016 dahingehend zu ändern, dass die steuerpflichtigen Umsätze um 122.266,84 € gemindert wer- den, hilfsweise die Revision zuzulassen.
31Der Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
33Er ist der Auffassung, der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2006 habe das Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2016 im Verfahren 1 K 2689/13 U zutreffend umgesetzt und die streitige Geschäftsführervergütung auf netto 158.620.- € herabgesetzt. Der Vertreter des Klägers habe erklärt, an seinem weiteren Begehren nicht festzuhalten. Eine Änderung nach § 129 AO sei auszuschließen, da kein Rechen- oder
34Übernahmefehler vorliege. Einer Änderung des Bescheides vom 23.11.2016 stehe zudem die spätestens mit Ergehen des Bescheides eingetretene Festsetzungsverjährung entgegen.
35Entscheidungsgründe:
36Die Klage ist begründet.
37I. Die Beteiligten streiten vorliegend nicht darüber, ob der Beklagte seine in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2016 gegebene Zusage, die – steuerpflichtige - Geschäftsführervergütung auf netto 158.620.- € herabzusetzen, mit dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016 korrekt umgesetzt hat. Ein solcher Streit könnte nicht im vorliegenden Klageverfahren, sondern nur im Wege der Fortführung des ursprünglichen Prozesses geklärt werden (vgl. BFH, Beschluss vom 14.12.2011 X B 42/11, BFH/NV 2012, 439 m. w. N.). Aus dem Umstand, dass in dem im Verfahren 1 K 2689/13 U angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 09.11.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.07.2013 Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen in Höhe von 487.589.- € enthalten sind, kann nicht gefolgert werden, dieser Betrag beinhalte eine Geschäftsführervergütung von mehr als 287.987,17 €. Vielmehr ergibt sich aus den Handakten der Betriebsprüfung (S. 14) und aus der Einspruchsentscheidung vom 05.07.2013, dass von den angesetzten Gesamtumsätzen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen von 487.589.- € ein Teilbetrag von lediglich 287.987,17 € auf die Geschäftsführervergütung entfällt. Dementsprechend entspricht der Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016, mit dem die bisher festgesetzte Umsatzsteuer um 20.698,72 € gemindert wurde, der in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2016 gegebenen Zusage (Minderung der Bemessungsgrundlage für die Geschäftsführervergütung von 287.987.- € auf 158.620.- €).
38II. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 25.01.2017 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Im Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016 hat der Beklagte die steuerpflichtigen Umsätze des Klägers um (mindestens) 122.266,84 € zu hoch angesetzt (Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen in Höhe von 358.222.- € statt 235.955,16 €). Die im Verfahren 1 K 2689/13 U in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2016 abgegebenen übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten stehen der begehrten Änderung weder unter dem Gesichtspunkt der Anfechtungsbeschränkung von Änderungsbescheiden (§ 42 FGO i. V. m. § 351 Abs. 1 AO) noch im Hinblick auf die Festsetzungsverjährung (Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a und 4 AO) entgegen.
391. Die vom Kläger im Streitjahr 2006 getätigten steuerpflichtigen Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen setzen sich zusammen aus seinen Leistungen als Geschäftsführer (158.620,00 €) und aus seinen Verpachtungsleistungen (77.332,00 €). Sie belaufen sich somit auf 235.952,00 € (laut Kläger: 235.955,16 €). Im Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016 hat der Beklagte die steuerpflichtigen Umsätze des Klägers somit um (mindestens) 122.266,84 € zu hoch angesetzt.
402. Nach § 42 FGO i. V. m. § 351 Abs. 1 AO können Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, mit der Klage nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt.
41a) Bei dem vorliegend angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016 handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der einen unanfechtbaren Verwaltungsakt ändert. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2016 den Rechtsstreit im Verfahren 1 K 2689/13 U übereinstimmend für erledigt erklärt. Durch diese übereinstimmenden Erklärungen wurden die in diesem Verfahren angefochtenen Steuerfestsetzungen – d. h. auch der Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 09.11.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.07.2013 - unanfechtbar (BFH, Urteil vom 14.05.2003 XI R 21/02, BStBl II 2003, 1188; Beschluss vom 09.06.2011 VIII B 111/10, BFH/NV 2011, 1712; Ratschow in Gräber, FGO, § 138 Rn. 25; Lange, StuW 1996, 137). Die Erledigungserklärung ist eine prozessuale Bewirkungshandlung, die den Rechtsstreit in gleicher Weise wie ein eine Steuerfestsetzung abänderndes Urteil beendet, wenn sie in Übereinstimmung mit dem Gegner abgegeben wird. Die Prozesslage wird durch diese übereinstimmenden Erklärungen abschließend gestaltet.
42Aufgrund der im Erörterungstermin gegebenen Zusage war der Beklagte nach Treu und Glauben dazu verpflichtet, die im Erörterungstermin zugesagte Änderung des bestandskräftig gewordenen Bescheides zugunsten des Klägers vorzunehmen (BFH, Urteil vom 29.10.1987 X R 1/80, BStBl II 1988, 121). Setzt der Beklagte die Änderungszusage – wie vorliegend mit Bescheid vom 23.11.2016 – zutreffend um, ist eine Anfechtung des in Umsetzung der Änderungszusage ergangenen Änderungsbescheides regelmäßig nach § 351 Abs. 1 AO unzulässig.
43b) Mit der Anfechtungsbeschränkung des § 351 Abs. 1 AO wird bezweckt, dass der Steuerpflichtige nicht besser gestellt wird, als er bei Eintritt der Unanfechtbarkeit des geänderten Verwaltungsaktes stand. Er soll durch den Erlass eines Berichtigungsbescheides nicht eine günstige Rechtsposition zurückerlangen, die er mit Eintritt der Unanfechtbarkeit bereits verloren hatte (BFH, Urteile vom 29.09.1977 VIII R 67/76, BStBl II 1978, 44; vom 12.07.2016 IX R 31/15, BFH/NV 2017, 100). Soweit die Abgabenordnung selbst eine Durchbrechung der Bestandskraft zulässt, ist für eine derartige Anfechtungsbeschränkung kein Raum. Dementsprechend greift die Anfechtungsbeschränkung nach § 351 Abs. 1, 2. Hs. AO dann nicht ein, wenn sich „aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt“. Zu diesen Vorschriften gehört nach dem dargestellten Gesetzeszweck auch § 129 AO, da auch diese Norm eine Berichtigung bestandskräftiger Verwaltungsakte ermöglicht (vgl. auch Bartone in Gosch, AO/FGO, § 351 AO Rn. 14; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 351 AO Rn. 20 f.).
44c) Danach greift die Anfechtungsbeschränkung des § 42 FGO i. V. m. § 351 Abs. 1 AO im Streitfall nicht ein. Denn soweit der Beklagte die Umsätze um 122.266,84 € und infolgedessen die Umsatzsteuer um 19.562,69 € zu hoch festgesetzt hat, beruht dieser Fehler auf einer offenbaren Unrichtigkeit im Sinne von § 129 AO.
45aa) Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit innerhalb der Verjährungsfrist berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO). Solche offenbare Unrichtigkeiten sind insbesondere mechanische Versehen, beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen zählen zu solchen offenbaren Unrichtigkeiten nicht Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts. Dabei ist § 129 AO schon dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache auf einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler gründet oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen. Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden. Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden (z. B. BFH, Urteile vom 26.10.2016 X R 1/14, BFH/NV 2017, 257; vom 17.05.2017 X R 45/16, BFH/NV 2018, 10; vom 16.01.2018 VI R 41/16, BStBl II 2018, 378 jeweils m. w. N.).
46bb) Im Streitfall ist dem Beklagten bei Erlass des im Anschluss an die Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Z ergangenen Umsatzsteuerbescheides 2006 vom 09.11.2009 eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, indem der Veranlagungsbeamte eine im Betriebsprüfungsbericht vom 17.07.2009 enthaltene offenbare Unrichtigkeit bei dessen Auswertung unbemerkt in den Bescheid übernommen hat.
47Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls und insbesondere der Aktenlage ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der in der Anlage 1 zum Prüfungsbericht (Umsatzsteuer lt. Prüfung) enthaltene - unzutreffende - Betrag von 498.571.- € für in 2006 ausgeführte Lieferungen und sonstige Leistungen auf einem mechanischen Versehen des Betriebsprüfers beruht und eine Berichtigung nach § 129 AO rechtfertigt. Zwar lässt sich nicht im Einzelnen feststellen, ob dem Betriebsprüfer bei der Erstellung der „Berechnung für 2006 über Umsatzsteuer“ ein Eingabe-, Additions- oder Übertragungsfehler unterlaufen ist. Der Senat hält es aber für ausgeschlossen, dass der dem Betriebsprüfer insoweit unterlaufene Fehler auf irgendwelche rechtlichen oder tatsächlichen Fehlbeurteilungen zurückzuführen ist. Hierfür sind folgende Überlegungen maßgebend: Die vergleichsweise überschaubare unternehmerische Tätigkeit des Klägers beschränkte sich auf seine (bisher nicht erklärten) Geschäftsführerleistungen und auf die Verpachtung von Wirtschaftsgütern an die KG. Ausweislich der letztgenannten Umsätze kam der Prüfer ausweislich Tz. 2.2 seines Berichtes zu dem Ergebnis, dass diese Umsätze unter Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage um 13.582.- € zu erhöhen seien (so auch S. 15, 25 der Handakten der Betriebsprüfung). Soweit der Prüfer ausweislich Tz. 2.3 seines Berichtes zu der Auffassung gelangte, die Geschäftsführerleistungen des Klägers unterlägen der Umsatzsteuer, enthalten die diesbezüglichen Ausführungen zwar keine Angaben zur Höhe der Bemessungsgrundlage. Aus seinen handschriftlichen Aufzeichnungen in den Handakten (S. 14) ergibt sich aber, dass er die Bemessungsgrundlage für die Geschäftsführertätigkeit mit 287.987,17 € ermittelt hat (in 2006 tatsächlich gezahlter Betrag von 12 x 27.838,76 € = 334.065,12 € abzgl. darin rechnerisch enthaltener Umsatzsteuer von 46.077,95 €). Abgesehen von der unstreitigen und zutreffend umgesetzten Erhöhung der Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertabgaben auf 19.718.- € ergeben sich weder aus dem Betriebsprüfungsbericht noch aus den Prüferhandakten irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass der Prüfer aufgrund tatsächlicher und/oder rechtlicher Überlegungen der Ansicht war, in 2006 seien weitere steuerpflichtige Umsätze in der streitigen Größenordnung zu erfassen. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die umsatzsteuerrechtlich maßgebenden Verhältnisse in den geprüften Veranlagungszeiträumen 2005 und 2006 nahezu identisch waren und keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Prüfer insoweit von anderen Gegebenheiten ausgegangen ist. Die erklärten Umsätze aus Verpachtung beliefen sich auf 74.518.- € in 2005 und 74.732.- € in 2006; unentgeltliche Wertabgaben wurden mit jeweils 2.958.- € erklärt. Die nach Auffassung des Prüfers gebotenen Umsatzerhöhungen waren in beiden Jahren identisch (Geschäftsführertätigkeit jeweils 287.987,17 €; Erhöhung Verpachtungsumsätze um jeweils 13.582.- €; Erhöhung unentgeltliche Wertabgaben um jeweils 16.760.- €). Auch angesichts dieser nahezu identischen Verhältnisse hält es der Senat für ausgeschlossen, dass die in der Anlage 1 zum Prüfungsbericht enthaltene erhebliche Abweichung der Umsätze des Veranlagungszeitraums 2006 von denen des Veranlagungszeitraumes 2005 (Umsätze aus Lieferungen und sonstige Leistungen 2005: 376.087.- € - entsprechend Betriebsprüfungsbericht -; 2006: 498.571.- €) auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen des Prüfers zurückzuführen ist. Angesichts dieser Umstände lässt sich der in der Anlage 1 zum Prüfungsbericht für 2006 enthaltene Umsatzbetrag von 498.571.- € nur mit einem mechanischen Versehen in Gestalt eines Rechenfehlers oder einer fehlerhaften Eingabe bzw. Übertragung erklären.
48Diese in der Anlage I zum Betriebsprüfungsbericht enthaltene offenbare Unrichtigkeit hat der Veranlagungsbeamte bei Erlass des Umsatzsteuerbescheides 2006 vom 09.11.2009 unbemerkt übernommen. Übernimmt der Veranlagungsbeamte einen im Betriebsprüfungsbericht bzw. dessen Anlagen enthaltenen Fehler, der als offenbare Unrichtigkeit zu beurteilen ist, so macht er sich diesen Fehler zu eigen, mit der Folge, dass der entsprechende Bescheid in gleicher Weise berichtigt werden kann, als ob der Veranlagungsbeamte selbst den Fehler begangen hätte. Maßgebend ist in derartigen Fällen, dass der im Betriebsprüfungsbericht enthaltene Fehler – wie vorliegend - als offenbare Unrichtigkeit zu beurteilen ist. Dabei genügt es, dass die Unrichtigkeit des Berichts auf einem mechanischen Versehen des Prüfers beruht, ohne dass die Fehlerhaftigkeit unmittelbar aus dem Bericht selbst erkennbar sein muss (vgl. dazu BFH, Urteil vom 18.08.1999 I R 93/98, BFH/NV 2000, 539).
49Entsprechendes gilt für die Änderungsfestsetzungen durch die Einspruchsentscheidung vom 05.07.2013 und den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016. Diese geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen enthalten (lediglich) punktuelle Änderungen und übernehmen dadurch unbemerkt die offenbare Unrichtigkeit in der Anlage 1 zum Betriebsprüfungsbericht mit der Folge, dass auch der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016 eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 129 AO enthält (vgl. BFH, Urteile vom 29.03.1985 VI R 140/81, BStBl II 1985, 569; vom 10.09.1987 V R 69/84, BStBl II 1987, 834; vom 08.03.1989 X R 116/87, BStBl II 1989, 531).
503. Die vom Kläger begehrte Änderung ist auch nicht wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist ausgeschlossen. Denn im Zeitpunkt seines Einspruchs vom 21.12.2016 gegen den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016 war die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen, sondern war deren Ablauf sowohl nach § 171 Abs. 3a AO als auch nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt.
51a) Durch den Einspruch und die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 09.11.2009 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.07.2013) lief die Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 3a Satz 1 AO nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden worden ist.
52aa) Endet ein Klageverfahren nicht durch Urteil, sondern durch Rücknahme der Klage oder durch Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen, endet die Ablaufhemmung regelmäßig mit Abgabe der entsprechenden Prozesserklärungen. Da der angefochtene Bescheid durch die Klagerücknahme oder die übereinstimmenden Erledigungserklärungen unanfechtbar wird, besteht regelmäßig kein Grund für eine weitere Ablaufhemmung (vgl. Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 171 AO Rn. 65; Coester in König, AO, § 171 Rn. 51; Rüsken in Klein, AO, § 171 Rn. 35; BFH, Urteile vom 22.05.1984 VIII R 60/79, BStBl II 1984, 697; vom 5.10.2004 VII R 77/03, BStBl II 2005, 122).
53bb) Dies gilt nach Auffassung des Senats jedoch dann nicht, wenn die übereinstimmenden Erledigungserklärungen im Hinblick auf eine im Zeitpunkt der Erledigungserklärungen noch nicht umgesetzte Zusage des Finanzamts, einen geänderten Steuerbescheid zugunsten des Klägers zu erlassen, abgegeben werden. In einem solchen Fall besteht die Notwendigkeit für eine weitere Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist, um dem Finanzamt zu ermöglichen, den zugesagten Änderungsbescheid innerhalb der Festsetzungsfrist zu erlassen.
54cc) Die Sachlage ist nach Auffassung des Senats vergleichbar mit den in § 171 Abs. 3a Satz 3 AO geregelten Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und § 101 FGO, in denen die Ablaufhemmung erst endet, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist. Die Regelung des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO soll die Durchführung des behördlichen Verfahrens sichern, wenn sich ein solches nach der Entscheidung des Finanzgericht als notwendig erweist z. B. bei Übertragung der Berechnung des Steuerbetrages auf die Finanzbehörde (§ 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO) oder bei der Verpflichtung der Finanzbehörde zum Erlass eines Steuerbescheides (§ 101 FGO). Der drohende Ablauf der Festsetzungsfrist mit der Folge der Unzulässigkeit der Steuerfestsetzung soll das finanzgerichtliche Verfahren nicht belasten (BFH, Urteil vom 5.10.2004 VII R 77/03, BStBl II 2005, 122). Ein solches Bedürfnis besteht auch in den – in der finanzgerichtlichen Praxis weit verbreiteten - Fällen der Erledigungserklärungen nach Änderungszusage. Auch in diesen Fällen ist nach formeller Beendigung des gerichtlichen Verfahrens noch ein behördliches (Steuerfestsetzungs)verfahren erforderlich und deshalb eine weitere Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist notwendig. Insoweit besteht eine Regelungslücke in § 171 Abs. 3a AO, die nach Auffassung des Senats durch eine entsprechende Anwendung von § 171 Abs. 3a Satz 3 AO zu schließen ist. Dies hat zur Folge, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist bis zur Unanfechtbarkeit des in Umsetzung der Zusage erlassenen Steuerbescheides gehemmt wird. Somit erfolgte der Einspruch vom 21.12.2016 gegen den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 23.11.2016 noch innerhalb der Festsetzungsfrist mit der Folge der weiteren Ablaufhemmung.
55dd) Allerdings hat der BFH entschieden, dass § 171 Abs. 3a Satz 3 AO den Ablauf der Festsetzungsfrist nur im Fall der gerichtlichen Kassation eines (Haftungs)bescheides hemmt und auf den Fall der Aufhebung des Bescheides durch die Finanzbehörde nicht analog anwendbar ist (BFH, Urteil vom 5.10.2004 VII R 77/03, BStBl II 2005, 122). Der Fall der Aufhebung eines Bescheides ist aber nicht vergleichbar mit dem vorliegenden Fall der Zusage eines begünstigenden Änderungsbescheides. Denn nur im Fall der vollständigen Aufhebung des Bescheides verliert dieser seine Wirksamkeit und damit auch seine Eignung als verjährungshemmende Maßnahme. Der Senat braucht deshalb auch nicht zu entscheiden, ob er die Auffassung des 11. Senats des FG Düsseldorf teilt, wonach die Ablaufhemmung bei der Zusage der Aufhebung des angefochtenen Bescheides mit der tatsächlichen Aufhebung endet und weder bereits im Zeitpunkt der im Hinblick auf die Zusage abgegebenen Erledigungserklärungen noch erst im Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des Aufhebungsbescheides (FG Düsseldorf, Urteil vom 03.07.2006 11 K 2003/02 F, EFG 2007, 560).
56ee) Der Senat sieht sich in seiner Auffassung bestätigt durch das BFH-Urteil vom 24.01.2002 III R 49/00 (BStBl II 2002, 408). Danach sind Kläger bis zur formellen Bestandskraft der Änderungsbescheide nicht an einer anderweitigen Ausübung ihres Veranlagungswahlrechts nach § 26 EStG gehindert, wenn das Finanzamt in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht zugesagt hat, die angefochtenen Einkommensteuerbescheide unter Ansatz geringerer Einkünfte zu ändern und daraufhin übereinstimmend der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde. Das Urteil enthält zwar keine Ausführungen zur Festsetzungsfrist. Da jedoch nach Ablauf der Festsetzungsfrist kein Recht mehr auf Wahl der getrennten Veranlagung besteht (BFH, Beschluss vom 08.03.2010 VIII B 15/09, BFH/NV 2010, 1080) und die reguläre Festsetzungsfrist abgelaufen war, ist der BFH zumindest inzidenter davon ausgegangen, dass die Ablaufhemmung erst mit Unanfechtbarkeit der zugesagten Änderungsbescheide endete.
57b) Neben der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO greift im Streitfall auch die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO. Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, nicht ab, bevor die auf Grund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Wird ein auf Grund einer Außenprüfung erlassener Steuerbescheid mit der Klage angefochten und endet das Klageverfahren auf Grund übereinstimmender Erledigungserklärungen nach Zusage eines Änderungsbescheides, so tritt Unanfechtbarkeit im Sinne von § 171 Abs. 4 Satz 1 AO aus den vorstehend dargelegten Gründen erst mit der Unanfechtbarkeit des in Umsetzung der Zusage erlassenen Steuerbescheides ein.
58III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
59IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.