Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob die Einkommensteuer, die aus einem Gewinnanteil einer sich in Insolvenz befindlichen Personengesellschaft herrührt, gegenüber dem Kläger oder gegenüber dem Insolvenzverwalter der Personengesellschaft als Masseverbindlichkeit festzusetzen ist, bzw. ob eine abweichende Festsetzung der Steuern aus Billigkeitsgründen zu erfolgen hat.
3Der Kläger war im Streitjahr 2012 an der B-KG (nachfolgend KG), als Kommanditist beteiligt. Seine Hafteinlage i.H.v. 279.097 EUR hat er vollständig erbracht. Über das Vermögen der KG wurde am 13.11.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet, der Kläger selbst ist nicht insolvenzbehaftet.
4Nachdem der für die KG ebenfalls zuständige Beklagte die auf den Kläger entfallenden Einkünfte zunächst mit 0,00 EUR festgestellt hatte, erließ der Beklagte am 21.12.2016 aufgrund einer Außenprüfung einen geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes –EStG-, in dem er die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der KG i.H.v. insgesamt 587.179,06 EUR feststellte; die Einkünfte stammten aus der Verwertung von Immobilien der KG durch den Insolvenzverwalter. Nach Anwendung des § 15a EStG entfielen hiervon auf den Kläger laufende Einkünfte i.H.v. 58.229,05 EUR. Es erfolgte eine Einzelbekanntgabe an den Kläger nach § 183 Abs. 2 der Abgabenordnung –AO-. Die im Feststellungsbescheid anteilig auf den Kläger entfallenden Einkünfte berücksichtigte der Beklagte im nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid des Klägers vom 17.1.2017.
5Im dagegen erhobenen Einspruch machte der Kläger geltend, dass es sich bei der Steuerfestsetzung gegenüber dem Kläger um eine Masseverbindlichkeit nach § 55 der Insolvenzordnung –InsO- handele, die durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen und von diesem aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sei. Laut Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH- vom 1.6.2016 X R 26/14 stellten Einkommensteuerschulden, die aus der Verwaltung eines zur Masse gehörenden Gesellschaftsanteils entstünden, Masseverbindlichkeiten dar. Die Zurechnung zu den Masseverbindlichkeiten ergebe sich auch aus Nr. 6.1 zu § 251 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung –AEAO-, wonach zu den Masseverbindlichkeiten insbesondere die Einkommensteuer, die sich auf Einkünfte aus der Verwaltung oder der Verwertung der Masse gründe, zähle.
6Neben dem Einspruch beantragte der Kläger mit Schreiben vom 17.3.2017 ersatzweise, die Einkommensteuerfestsetzung 2012 in bestrittener Höhe nach § 163 AO abweichend festzusetzen oder höchst ersatzweise nach § 227 AO wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen. Durch die Handlungen des Insolvenzverwalters und die Zurechnung des Gewinnanteils erlange der Kläger keine Erhöhung seiner Leistungsfähigkeit, da der Gewinn wirtschaftlich nicht ihm, sondern der Gesellschaft zugutekomme. Dies beruhe darauf, dass die KG nicht Schuldnerin der Einkommensteuer sei, was zu einem Verstoß gegen das steuerliche Nettoprinzip führe, weil der Kläger Gewinne zu versteuern habe, die er in tatsächlicher Hinsicht nicht erziele.
7Mit Einspruchsentscheidung vom 12.5.2017 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und begründete dies damit, dass es sich bei der Einkommensteuerschuld um Eigenschulden des Klägers handele. Der Insolvenzverwalter verwalte, verwerte und verteile die Insolvenzmasse, die vorliegend aus den zum Betriebsvermögen der KG gehörenden Aktiva und Passiva bestehe, nicht jedoch die im Privatvermögen gehaltene Beteiligung des Klägers, die nicht Teil der Insolvenzmasse der KG sei. Der Insolvenzverwalter sei daher nur hinsichtlich der Umsatzsteuer und Gewerbesteuer der KG deren gesetzlicher Vertreter. Der nicht insolvente Kläger erziele Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sodass die daraus herrührenden Steuerschulden ihm gegenüber durch Steuerbescheid festzusetzen und von diesem zu begleichen seien. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung sei nicht einschlägig, da in den Urteilsfällen jeweils das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Gesellschafters eröffnet worden sei.
8Den Antrag des Klägers auf abweichende Festsetzung gem. § 163 AO wies der Beklagte mit Schreiben vom 13.6.2017 zurück. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen habe, rechtfertige keine Billigkeitsmaßnahme. Insbesondere hätten sich in der Vergangenheit spiegelgleich zu den nun entstandenen Gewinnen entsprechende Gewinnminderungen auf die jeweilige Einkommensteuerschuld des Gesellschafters ausgewirkt. Zudem seien die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze zu berücksichtigen, wonach der Gewinnanteil ohne direkten Zufluss das Kapitalkonto des Kommanditisten erhöhe. Die KG sei ertragsteuerlich kein Steuersubjekt.
9Am 9.6.2017 hat der Kläger Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 und am 13.7.2017 gegen den Ablehnungsbescheid vom 13.6.2017 erhoben. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 27.7.2017 Zustimmung zur Sprungklage gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO- erteilt.
10Nach Ergehen eines nach § 183 AO einzeln an den Kläger bekanntgegebenen, geänderten Feststellungsbescheids vom 5.7.2017, in dem der Beklagte den Gewinn der KG auf 579.276,89 EUR als Veräußerungsgewinn herabsetzte und für den Kläger statt laufenden Gewinns einen Gewinnanteil als tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn i.S.d. §§ 16, 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG aufgrund Betriebsaufgabe/-veräußerung zum 31.12.2012 i.H.v. 58.014,95 EUR feststellte, wobei er mit dem auf den Kläger entfallenden Anteil des Veräußerungsgewinns von insgesamt 156.532,85 EUR gesondert festgestellte Verluste der Vorjahre gemäß § 15a EStG i.H.v. 98.517,90 EUR verrechnete, berücksichtigte der Beklagte den geänderten Feststellungsbescheid durch geänderten Einkommensteuerbescheid vom 3.8.2017.
11Hinsichtlich der Klage gegen den Einkommensteuerbescheid ist der Kläger der Ansicht, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG das Feststellungsverfahren nicht unterbreche, weil dessen steuerliche Folgen nicht die Insolvenzmasse, sondern ausschließlich die Gesellschafter träfen. Die Zuordnung der aus Gewinnanteilen an einer Mitunternehmerschaft resultierenden Einkommensteuerschuld zu den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien betreffe die Einkommensteuerfestsetzung. Laut Urteil des BFH vom 9.11.1994 I R 5/94 (Bundessteuerblatt –BStBl- II 1995, 255) handele es sich bei der auf Gewinnanteile der Gesellschafter zu entrichtenden Einkommensteuer um Masseverbindlichkeiten, wenn der Insolvenzverwalter aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern Gewinne erziele und diese die Insolvenzmasse – wie hier aufgrund der Grundstücksveräußerungen – vermehrten. Da die daraus resultierende Einkommensteuerfestsetzung gegenüber dem Insolvenzverwalter hätte bekannt gegeben werden müssen, sei die Steuerfestsetzung gegenüber dem Kläger wegen eines Bekanntgabemangels unwirksam. Auch aus Nr. 2.9 i.V.m. 4.3.2 zu § 122 des AEAO ergebe sich, dass der Insolvenzverwalter Bekanntgabeadressat aller Verwaltungsakte, die die Insolvenzmasse beträfen, sei. Die vom BFH im Urteil vom 5.3.2008 X R 60/04 (BStBl II 2008, 787) in Bezug auf unbeschränkt haftende Gesellschafter vertretene Rechtsauffassung, dass eine steuerliche Belastung des Gesellschafters gerechtfertigt sei, weil sich die Gewinne zu seinen Gunsten haftungsmindernd auswirkten, sei auf den Kläger als Kommanditisten, der seine Hafteinlage voll erbracht habe, nicht anwendbar. Auch im Übrigen sei diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil im dort zugrundeliegenden Fall über das Vermögen sowohl der Gesellschaft als auch des Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei und die Entscheidung einen Leistungsbescheid und keinen Einkommensteuerbescheid betreffe.
12Seine Klage hinsichtlich einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt: § 163 AO regele Billigkeitsmaßnahmen durch abweichende Steuerfestsetzung im Festsetzungsverfahren insbesondere bei atypischen Einzelfallentscheidungen, die das Ziel der typisierenden gesetzlichen Vorschrift verfehlten und deshalb ungerecht erschienen. Da der Kläger als Kommanditist die im Handelsregister eingetragene Hafteinlage voll geleistet habe, sei eine die Hafteinlage übersteigende Haftung ausgeschlossen (§ 171 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches –HGB-). Eine Reduzierung der Schulden der KG wirke sich daher für ihn nicht aus. Durch Gewinne der KG werde also seine Leistungsfähigkeit nicht erhöht, zumal eine Auskehrung des Gewinnanteils wegen der Insolvenz ausgeschlossen sei, sodass es bei ihm daher zu einer steuerlichen Mehrbelastung komme. Dies sei lediglich darauf zurückführen, dass die Insolvenzordnung nicht mit dem Einkommensteuerrecht abgestimmt sei.
13Der Kläger beantragt,
141. den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 17.1.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.5.2017 und des Änderungsbescheids vom 3.8.2017 dahingehend zu ändern, dass keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesetzt werden;
2. hilfsweise von einer Berücksichtigung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 13.6.2017 gemäß § 163 AO abzusehen,
3. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
191. die Klage abzuweisen,
2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
In Bezug auf den Einkommensteuerbescheid verkenne der Kläger die Relevanz des Umstands, dass nicht er als Einzelsteuerpflichtiger insolvent sei, sondern die KG als Gewinnerzielungssubjekt. Daher sei das Urteil des BFH vom 1.6.2016 X R 26/14, da im dortigen Urteilsfall die Gesellschafterin selbst insolvent gewesen sei, nicht anwendbar. Die Urteile des BFH vom 9.11.1994 und vom 5.3.2008 bestätigten seine Auffassung, dass die Steuerfestsetzung nicht gegen den Insolvenzverwalter über das Vermögen der KG, sondern gegen den Beteiligten als Einzelsteuerpflichtigen zu richten sei.
23Hinsichtlich der Klage betreffend Billigkeitsmaßnahmen ist der Beklagte der Ansicht, dass § 163 AO sich auf den Festsetzungsbereich beschränke. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers habe keine Auswirkung auf die Steuerfestsetzung. Härten, die im Regelfall mit der Einziehung von Steuern verbunden seien, könnten einen Erlass nicht rechtfertigen. Der Fall des Klägers sei nicht atypisch, da dieser als Mitunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb erziele, die nach Maßgabe der Steuergesetze einheitlich und gesondert festgestellt worden seien.
24Das Gericht hat bei dem Beklagten die Einkommensteuerbescheide des Klägers und die Feststellungsbescheide der KG der Jahre 2003 bis 2011 angefordert. Auf den Inhalt der übersandten Bescheide (Bl. 70ff. GA) wird Bezug genommen. Danach ergaben sich in diesen Jahren (sowie nachrichtlich für das Jahr 2012) die folgenden Ergebnisse für den Kläger aus seiner Beteiligung an der KG:
25Jahr |
Datum Feststellungs-bescheid |
Anteilige Eink. des Kl. vor Anwendung § 15a EStG |
Verrechen-barer Verlust nach § 15a EStG |
Ansatz in Fol-gebescheid nach Anwen-dung § 15a EStG |
Verrechenbarer Verlust nach § 15a EStG zum Ende des Wj. |
In EUR |
In EUR |
In EUR |
In EUR |
||
2003 |
30.10.2009 |
-6.014,27 |
./. |
-6.014,27 |
./. |
2004 |
30.10.2009 |
1.026,47 |
./. |
1.026,47 |
./. |
2005 |
30.10.2009 |
5.802,99 |
./. |
5.802,99 |
./. |
2006 |
30.10.2009 |
-16.449,10 |
./. |
-16.449,10 |
./. |
2007 |
13.4.2011 |
-26.903,04 |
./. |
-26.903,04 |
./. |
2008 |
4.11.2016 |
-209.091,55 |
88.690,93 |
-120.410,62 |
88.680,93 |
2009 |
4.11.2016 |
-40.639,62 |
10.259,07 |
-30.380,55 |
98.940,00 |
2010 |
4.11.2016 |
0,00 |
0,00 |
0,00 |
98.940,00 |
2011 |
20.12.2016 |
422,10 |
0,00 |
0,00 |
98.517,90 |
2012 |
5.7.2017 |
156.532,85(§ 16 EStG) |
0,00 |
58.014,95(§ 16 EStG) |
0,00 |
Das Gericht hat die Verfahren 15 K 1458/17 E (Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2012) und 15 K 1775/17 AO (Klage auf Billigkeitserlass nach § 163 AO) im Termin zur mündlichen Verhandlung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 15 K 1458/17 E,AO verbunden (§ 73 Abs. 1 FGO).
27Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Die Klage ist unbegründet. Der geänderte Einkommensteuerbescheid vom 3.8.2017, der nach § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden ist, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO; dazu unter I.). Die eine Billigkeitsmaßnahme ablehnende Entscheidung des Beklagten vom 13.6.2017 ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§§ 101 Satz 1, 102 FGO) (dazu unter II.)
29I. Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2012
30Der Beklagte hat zu Recht die Einkommensteuer resultierend aus dem Gewinnanteil des Klägers aus seiner Mitunternehmerstellung bei der KG gegenüber dem Kläger durch Steuerbescheid festgesetzt. Es liegen keine Masseverbindlichkeiten vor, die gegenüber dem Insolvenzverwalter der KG festzusetzen gewesen wären.
311. Sonstige Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind u.a. Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens begründete Steueransprüche, die als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 InsO zu qualifizieren sind, sind gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festzusetzen und von diesem vorweg aus der Insolvenzmasse zu befriedigen.
32Danach ist die streitgegenständliche Steuerschuld keine Masseverbindlichkeit, weil diese nicht durch Handlungen eines Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung einer Insolvenzmasse begründet wurde. Zwar sind die Gewinne auf Ebene der insolventen KG und aufgrund von Handlungen des Insolvenzverwalters zur Verwertung der Insolvenzmasse der KG entstanden. Der Kläger an sich ist aber nicht insolvent und sein Gesellschaftsanteil gehört nicht zur Insolvenzmasse. Zudem ist die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zur steuerrechtlichen Zurechnung der Einkünfte zu beachten:
33a) Die Insolvenz über das Vermögen einer Personengesellschaft ist insolvenzrechtlich ein Sonderinsolvenzverfahren über das gesamthänderisch gebundene Vermögen der Mitunternehmer (BFH-Urteil vom 9.11.1994 I R 5/94, BStBl II 1995, 255). Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG und die Insolvenzmasse umfassen nur deren Gesamthandsvermögen.
34b) Die steuerliche Zuordnung und Erfassung von Einkünften wird durch die Vorschriften der Insolvenzordnung nicht verändert. Das Insolvenzrecht verändert die materiellrechtlichen Regelungen der Zurechnung, Erfassung und Zuordnung von Einkünften nicht (so auch Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl., S. 168) und zwar im Falle der Beteiligung einer Personengesellschaft weder bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Mitunternehmerschaft oder über das eines Mitunternehmers noch in dem Fall, in dem sowohl über das Vermögen der Mitunternehmerschaft als auch über das des Mitunternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (BFH-Beschluss vom 18.12.2014 X B 89/14, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs –BFH/NV- 2014, 470; vgl. auch Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl., S. 168). Eine Personengesellschaft wird durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Gesamthandsvermögen nicht Steuersubjekt für diejenigen Steuern, für die sie ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht Steuersubjekt war. Insoweit ist der Systematik des Einkommensteuerrechts Rechnung zu tragen:
35aa) Im Bereich des Einkommensteuerrechts bei Beteiligung an Personengesellschaften gilt für die Zurechnung von Einkünften sowohl vor als auch nach Eintritt einer Insolvenz die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Auch im Insolvenzverfahren werden damit die Einkünfte, die aus dem Gesamthandsvermögen einer insolventen Personengesellschaft erzielt werden, anteilig den Gesellschaftern zugerechnet und sind bei diesen der Einkommensteuer zu unterwerfen. Die Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft ist einkommensteuerrechtlich lediglich Gewinnerzielungs-, nicht aber Steuersubjekt und damit selbst nicht einkommensteuerpflichtig (vgl. statt vieler Wacker in Schmidt, EStG, 37. Aufl., § 15 Rz 161ff.). Da die Personengesellschaft nicht Steuerschuldnerin der Einkommensteuer ist, können die entstehenden Steuerschulden nicht zu Masseverbindlichkeiten im Insolvenzverfahren der insolventen Personengesellschaft führen (vgl. BFH-Beschluss vom 18.12.2014 X B 89/14, BFH/NV 2015, 470; vgl. auch Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl., S. 168, 171, 173). Persönliche Einkommensteuerschulden, die auf Ebene des nicht insolventen Gesellschafters einer insolventen Personengesellschaft entstehen, können demnach nicht gegenüber der Insolvenzmasse der Mitunternehmerschaft als Masseverbindlichkeit geltend gemacht werden (vgl. BFH-Urteil vom 5.3.2008 X R 60/04, BStBl II 2008, 787 noch unter Geltung der Konkursordnung). Entsprechende Einkommensteuerbescheide sind mithin nicht gegen die Masse (und den Insolvenzverwalter) der Mitunternehmerschaft (hier also der KG) zu richten.
36bb) Vielmehr sind derartige Bescheide direkt den Gesellschaftern der insolventen Personengesellschaft (hier also u.a. dem Kläger) als Träger des Unternehmens und des Gesellschaftsvermögens, denen die Ergebnisse des gemeinschaftlichen Handelns anteilig als originäre eigene Einkünfte zugerechnet werden (BFH-Beschluss vom 18.12.2014 X B 89/14, BFH/NV 2015, 470), bekanntzugeben und die aus den Gewinnen resultierende Einkommensteuer von diesen zu versteuern.
37(1) Auch der BFH hat – entgegen der Ansicht des Klägers – entschieden, dass derartige Bescheide nicht gegen den Insolvenzverwalter der Personengesellschaft zu richten sind, sondern Adressat der Bescheide – im Falle der Insolvenz auch des Gesellschafters – der Insolvenzverwalter des Gesellschafters ist und die entsprechenden Einkommensteuerschulden Masseverbindlichkeiten auf Ebene des Gesellschafters sind (BFH-Urteil vom 5.3.2008 X R 60/04, BStBl II 2008, 787; Beschluss vom 18.12.2014 X B 89/14, BFH/NV 2015, 470). Folge dieser Rechtsprechung, der der Senat sich anschließt, ist, dass in dem Fall, in dem der Mitunternehmer und Gesellschafter nicht ebenfalls insolvent ist, dieser persönlich Adressat der Einkommensteuerbescheide und Schuldner der aus den Gewinnen der Gesellschaft resultierenden Einkommensteuerschuld ist (vgl. Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 251 AO Rn. 347; Neumann in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 251 AO Rn. 84; Jaeger in Jaeger, Insolvenzordnung, Steuerrecht in der Insolvenzordnung, Rn. 117). Denn die Bekanntgabe der Einkommensteuerbescheide an einen Insolvenzverwalter (und zwar den über das Vermögen des Gesellschafters, nicht der Gesellschaft) und die Bezeichnung als Masseverbindlichkeit erfolgte in den vom BFH entschiedenen Fällen nur, weil ein Insolvenzverfahren auch über das Vermögen des Gesellschafters eröffnet wurde; fehlt es an einem solchen, werden die Einkünfte nach den oben dargestellten Grundsätzen direkt den Gesellschaftern zugerechnet und die Einkommensteuerbescheide diesen bekanntgegeben.
38(2) Die vom Kläger angeführte (gegenteilige) Rechtsprechung des BFH (insbesondere Urteil vom 9.11.1994 I R 5/94, BStBl II 1995, 255 unter Verweis auf Urteil vom 29.3.1984 IV R 271/83, BStBl II 1984, 602), wonach die auf nach Konkurseröffnung erzielten Gewinnanteile von Mitunternehmern entfallenden Einkommensteuern als Massekosten bzw. Masseschulden vorweg aus der Konkursmasse zu befriedigen seien, hat der BFH mittlerweile aufgeben (vgl. BFH-Urteile vom 5.3.2008 X R 60/04, BStBl II 2008, 787; vom 16.5.2013 IV R 23/11, BStBl II 2013, 759; Beschluss vom 18.12.2014 X B 89/14, BFH/NV 2015, 470; so auch Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl., S. 172).
39(3) Jedenfalls in dem Fall, in dem der Mitunternehmer ein vollhaftender Gesellschafter ist (z.B. bei einer OHG oder der Komplementär einer KG), ist es laut der neueren Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 5.3.2008 X R 60/04, BStBl II 2008, 787), der der Senat sich anschließt, gerechtfertigt, dass der Gesellschafter die Einkommensteuerschulden persönlich zu tragen hat: Zwar hat die steuerrechtliche Zurechnung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zur Folge, dass von der in Insolvenz befindlichen Personengesellschaft erwirtschaftete Gewinne den Masse- und Insolvenzgläubigern zur Verfügung stehen, während steuerrechtlich diese Gewinne den Gesellschaftern zugerechnet werden. Diese „Unabgestimmtheit von Insolvenzrecht und Steuerrecht“ (so Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl., S. 168ff.) führt zu unbefriedigenden Ergebnissen, wobei das Problem auf der Grundlage steuerlicher Grundsätze zu lösen ist: Bei unbeschränkt haftenden Gesellschaftern kommen die auf der Ebene der in Insolvenz befindlichen Personengesellschaft erzielten Gewinne dem Gesellschafter haftungsmindernd zugute und erhöhen aus diesem Grund seine Leistungsfähigkeit. Dies rechtfertigt es, dass der Gesellschafter die auf seinen Gewinnanteil entfallende Einkommensteuer selbst zu zahlen hat (vgl. BFH-Urteil vom 5.3.2008 X R 60/04, BStBl II 2008, 787).
40(4) Aber auch in den Fällen, in denen – wie hier – der Kläger als Kommanditist seine Hafteinlage voll erbracht hat und diesem deshalb wegen § 171 Abs. 1, 2. Halbsatz HGB aufgrund des Ausschlusses seiner Haftung die Gewinne nicht haftungsmindernd zugutekommen, gilt nichts Anderes:
41(a) Zwar wird z.T. argumentiert, in diesem Falle komme es zu keiner Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des beschränkt haftenden Gesellschafters (vgl. z.B. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl., S. 175). Die Ansicht, es lägen aufgrund dessen Masseverbindlichkeiten der insolventen Personengesellschaft vor, widerspricht aber der steuerrechtlichen Systematik der Besteuerung der Personengesellschaften. Wie oben erläutert, sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG die Gewinnanteile den Mitunternehmern zuzurechnen, die Personengesellschaft selbst ist nicht einkommensteuerpflichtig und kein Subjekt der Einkommensteuer. Ein Ansatz als Masseverbindlichkeiten bei der KG würde das steuerrechtliche Transparenzprinzip in der Insolvenz der Personengesellschaft unter Berufung auf das Leistungsfähigkeitsprinzip außer Kraft setzen, indem die KG Steuerschuldnerin würde.
42(b) Weder lassen Wortlaut und Systematik des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG insoweit Raum für eine Unterscheidung der Zurechnung der Einkünfte für den Fall einer beschränkten bzw. unbeschränkten Gesellschafterhaftung, noch ist eine solche nach Sinn und Zweck der Vorschrift, die Einkünfte beim gemeinschaftlichen Bezug von Einkünften aus Gewerbebetrieb zu bestimmen und dabei den Mitunternehmer einem Einzelunternehmer gleichzustellen (vgl. dazu statt vieler Wacker in Schmidt, EStG, 37. Aufl., § 15 Rz 161ff.), zu erkennen. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG trennt nicht danach, auf welcher gesellschaftsrechtlichen Grundlage die Zurechnung erfolgt, solange der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist. Eine diesbezügliche Differenzierung könnte nur durch den Gesetzgeber erfolgen. Nach aktueller Gesetzeslage ist sie auf Ebene der Zurechnung der Einkünfte nicht vorgesehen, und es bestehen auch keine abweichenden gesetzlichen Regelungen für das Insolvenzverfahren (so auch Jaeger in Jaeger, Insolvenzordnung, Steuerrecht in der Insolvenzordnung, Rn. 119). Die herrschende Ansicht im Schrifttum sieht eine Lösung des Problems überwiegend ebenfalls nicht darin, die entstehenden Einkommensteuerschulden als Masseverbindlichkeiten der Personengesellschaft zu qualifizieren. Vielmehr wird – neben anderen Lösungsvorschlägen, die ebenfalls nicht die Zurechnung der Einkünfte und Einordnung als Masseverbindlichkeit betreffen – eine Lösung über Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO diskutiert (vgl. etwa Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl., S. 175; Uhländer in Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 11. Aufl., Rn. 1511; Roth, Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl., Teil A Rn. 4.145; Jaeger in Jaeger, Insolvenzordnung, Steuerrecht in der Insolvenzordnung, Rn. 121; ablehnend Neumann in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 251 AO Rn. 88 und Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 251 AO Rn. 349).
43c) Die weiteren Argumente des Klägers führen zu keiner anderen Beurteilung: Dem angeführten Urteil des BFH vom 1.6.2016 X R 26/14 (BStBl II 2016, 848) liegt ein Fall zugrunde, in dem lediglich der Gesellschafter einer Personengesellschaft, nicht aber die Personengesellschaft selbst in Insolvenz gefallen ist; der BFH musste dabei insbesondere über die Zuordnung von Einkommensteuerschulden aus der Verwaltung eines zur Insolvenzmasse gehörenden Gesellschaftsanteils urteilen, nicht aber darüber, wie im Falle der Insolvenz nur einer Personengesellschaft zu entscheiden ist. Die vom Kläger angeführten Auszüge aus dem AEAO beschäftigen sich lediglich mit der Begründung von Masseverbindlichkeiten bzw. der Bekanntgabe von Bescheiden, die die Insolvenzmasse betreffen; da vorliegend keine Masseverbindlichkeiten vorliegen und die Insolvenzmasse der KG nicht betroffen ist, sind die zitierten Auszüge nicht einschlägig.
442. Der Beklagte war trotz der Insolvenz der KG nicht daran gehindert, die Einkommensteuer aufgrund der anteilig dem Kläger zuzurechnenden Gewinne der KG durch Bescheid diesem gegenüber festzusetzen, da die Insolvenz das Gewinnfeststellungs- und nachfolgend das Einkommensteuerfestsetzungsverfahren nicht unterbrochen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteile vom 24.7.1990 VIII R 194/84, BStBl II 1992, 508; vom 1.6.2016 X R 26/14, BStBl II 2016, 848; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 251 AO Tz. 47). Die erforderliche Einzelbekanntgabe der Gewinnfeststellungsbescheide nach § 183 Abs. 2 AO ist erfolgt. Die Höhe der Einkünfte ergibt sich für die Einkommensteuer bindend gem. § 182 AO aufgrund der im Feststellungsverfahren und den zugrunde liegenden Bescheiden getroffenen Feststellungen.
45II. Klage auf abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen, § 163 AO
46Der Beklagte hat ermessensfehlerfrei die Einkommensteuer nicht nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO abweichend niedriger ohne Berücksichtigung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb resultierend aus der Beteiligung an der KG festgesetzt, da die Erhebung der Einkommensteuer im zu beurteilenden Streitfall nicht unbillig erscheint.
471. Der seitens des Klägers ausdrücklich auf § 163 AO gestützte Antrag ist nach dieser Norm und nicht nach § 227 AO zu beurteilen, wobei der Begriff der Unbilligkeit in beiden Normen identisch ist (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 163 AO Tz. 8 m.w.N.). Soweit die Steuer – wie hier – noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, hat das Verfahren nach § 163 AO Vorrang vor einem Erlass im Steuererhebungsverfahren nach § 227 AO (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 163 AO Tz. 8 unter Verweis auf Finanzgericht –FG- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.6.2010 6 K 6216/06 B, Entscheidungen der Finanzgericht –EFG- 2010, 1576).
482. Nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuer erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Entscheidung über einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6.6.1991 V R 102/86, BFH/NV 1992, 787), die nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden kann. Nach § 102 FGO bezieht sich die gerichtliche Prüfung des die beantragte Erleichterung ablehnenden Verwaltungsakts darauf, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
49Eine Unbilligkeit kann entweder in der Sache liegen (sachliche Unbilligkeit) oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen (persönliche Unbilligkeit) haben (BFH-Urteil vom 2.5.1961 IV 126/60 U, BStBl III 1961, 288). Dass ein Fall der persönlichen Unbilligkeit vorliegt, wurde vom Kläger weder geltend gemacht, noch ist dies nach Aktenlage ersichtlich.
503. Sachlich unbillig ist die Erhebung einer Steuer vor allem dann, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, im Einzelfall nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes aber nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 21.10.1987 X R 29/81, BFH/NV 1988, 546; vom 25.1.1996 IV R 91/94, BStBl II 1996, 289; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 227 AO Tz. 40ff. m.w.N.). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (BFH-Urteil vom 11.7.1996 V R 18/95, BStBl II 1997, 259). Eine solche Billigkeitsmaßnahme kann sich auch aus der gebotenen Einbeziehung verfassungsrechtlicher Maßstäbe in die Ermessensprüfung ergeben (z.B. BFH-Urteil vom 23.11.1994 X R 124/92, BStBl II 1995, 824; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 227 Tz. 77), wenn die Erhebung der nach dem Gesetz geschuldeten Steuer im atypischen Einzelfall vor allem im Bereich des Einkommensteuerrechts gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstoßen würde (vgl. Bundesverfassungsgericht –BVerfG-, Beschlüsse vom 22.2.1984 1 BvL 10/80, BStBl II 1984, 357; vom 17.11.1998 1 BvL 10/98, BStBl II 1999, 509).
514. Bei Heranziehung dieser Grundsätze ist das Finanzamt ermessensfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nicht in Betracht kommt.
52a) Die im Streitfall zu beurteilende Rechtslage ist dadurch gekennzeichnet, dass aufgrund des Zusammenspiels des Steuer- und Insolvenzrechts Gewinne auf Ebene des Klägers besteuert werden, obwohl diese ihm wirtschaftlich nicht zugutekommen. Ausgangspunkt ist die Zurechnung der Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Danach werden (s.o.) die Gewinne, die auf Ebene der KG durch Tätigkeiten des Insolvenzverwalters der KG erzielt werden, den Gesellschaftern/Mitunternehmern als Einkünfte zugerechnet. Die KG ist nach dem Trennungs- und Transparenzprinzip selbst nicht einkommensteuerpflichtig, vielmehr erzielen die Mitunternehmer in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit die gewerblichen Einkünfte; gesellschafts- und insolvenzrechtlich ist die KG aber Subjekt eigener Rechte und Pflichten und damit eine eigenständige Rechtspersönlichkeit. Das führt dazu, dass eine Personengesellschaft selbst in Insolvenz fallen und ein eigenständiges Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet werden kann.
53Folge ist bei der Erzielung von Gewinnen aufgrund von Tätigkeiten des Insolvenzverwalters, dass die erzielten Vermögensmehrungen insolvenzrechtlich zur Insolvenzmasse gehören und damit den Masse- und Insolvenzgläubigern der Personengesellschaft zur Verfügung stehen, während steuerrechtlich diese Gewinne den Gesellschaftern zugerechnet werden und von diesen zu versteuern sind; diese Unabgestimmtheit von Steuer- und Insolvenzrecht führt zu unbefriedigenden Ergebnissen (so Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl., S. 169, 171). Der BFH sieht dieses Ergebnis jedenfalls im Falle eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters als gerechtfertigt an, da die auf Ebene der Personengesellschaft erzielten Gewinne dem Gesellschafter haftungsmindernd zugutekommen, sodass ihre Leistungsfähigkeit durch die erzielten Gewinne erhöht wird (s.o.: BFH-Urteil vom 5.3.2008 X R 60/04, BStBl II 2008, 787).
54b) Im Schrifttum werden für den Fall eines beschränkt haftenden Kommanditisten, der seine Hafteinlage voll erbracht hat und für den sich die erzielten Gewinne deshalb nicht haftungsmindernd auswirken, im Hinblick auf einen Billigkeitserlass (§§ 163, 227 AO) unterschiedliche Ansichten vertreten: Zum Teil wird die Möglichkeit eines solchen Billigkeitserlasses unter Verweis darauf, dass die Gewinne beim Gesellschafter nicht zu einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit führen bzw. zur Vermeidung sachwidriger Ergebnisse, bejaht (vgl. u.a. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl., S. 173ff.; Uhländer in Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 11. Aufl., Rn. 1511; ablehnend: Neumann in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 251 AO Rn. 86f; Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 251 AO Rn. 349). Nach anderer Ansicht (Jaeger in Jaeger, Insolvenzordnung, Steuerrecht in der Insolvenzordnung, Rn. 120f.) soll ein Billigkeitserlass dann in Betracht kommen, wenn der Gesellschafter nicht anderweitig Ersatz erhält, insbesondere durch einen Ersatzanspruch gegenüber der Gesellschaft, basierend auf §§ 161 Abs. 2, 110 HGB, §§ 670, 683 des Bürgerlichen Gesetzbuches –BGB-. Einen solchen Ersatzanspruch hat die zivilrechtliche Rechtsprechung, der der Senat sich anschließt, jedoch abgelehnt (vgl. Beschluss des Oberlandesgerichts –OLG- Stuttgart vom 7.6.2016 14 U 24/16, Deutsches Steuerrecht –DStR- 2016, 882 unter Verweis auf Urteil des Bundesgerichtshofes –BGH- vom 5.4.2016 II ZR 62/15, DStR 2016, 1273). Eine vermittelnde Ansicht vertritt Roth (Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl., Teil A Rn. 4.144f.), wonach im Rahmen einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sei, dass im Regelfall vor Insolvenzeröffnung die Personengesellschaft zu Lasten der Gläubiger Verluste erwirtschaftet habe, die bei den Gesellschaftern einkommensteuerrechtlich berücksichtigt worden seien. Nur soweit vorinsolvenzlich bei den Gesellschaftern keine Verluste ertragsteuerlich relevant geworden seien, sei ein Billigkeitserlass gerechtfertigt.
55c) Der Senat schließt sich im vorliegenden Fall im Ergebnis der letztgenannten Ansicht zumindest im Hinblick auf die Einbeziehung von Verlusten der Vergangenheit in die Beurteilung an. Jedenfalls dann, wenn der Gesellschafter in der Vergangenheit auf Ebene der Personengesellschaft erzielte Verluste, die den nun entstandenen Gewinnanteil auf Ebene der insolventen Personengesellschaft übersteigen, einkommensteuerrechtlich berücksichtigen konnte, kommt eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO nicht in Betracht. In diesem Fall ist die Erhebung der Steuer mit dem Zweck des Gesetzes zu rechtfertigen und läuft dessen Wertungen nicht zuwider.
56Ausgehend von Wortlaut und Systematik des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG entspricht die Besteuerung auf Ebene des Klägers den Vorgaben des Gesetzes und ist letztlich Ausfluss der Wahl der Rechtsform. Der Gesetzgeber hat – soweit ersichtlich – das Problem der Unabgestimmtheit von Insolvenz- und Steuerrecht in der vorliegenden Konstellation weder bei Einführung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG noch bei Einführung der InsO gesehen, sodass weder eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers noch ein bewusstes Inkaufnehmen vorliegen dürften. Nach Ansicht des Senats hätte der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung allerdings auch nicht anders als tatsächlich geschehen geregelt, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Dafür sprechen die folgenden Erwägungen:
57aa) Der Senat verkennt nicht, dass gute Gründe – insbesondere der nicht gegebene Zuwachs an Leistungsfähigkeit – für einen generellen Billigkeitserlass, wie ihn gewichtige Stimmen in der Literatur (s.o.) vertreten, im streitgegenständlichen Fall – unabhängig davon, ob Verluste in der Vergangenheit einkommensteuerrechtlich relevant geworden waren oder nicht – sprechen, zumal das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Verfassungsrang hat (vgl. hierzu nur BVerfG-Beschluss vom 23.11.1976 1 BvR 150/75, BStBl II 1977, 135; BFH-Beschluss vom 23.8.1999 GrS 2/97, BStBl II 1999, 782).
58bb) Allerdings ist der Gesetzgeber nicht zur lückenlosen Verwirklichung dieses Prinzips verpflichtet (BVerfG-Beschluss vom 2.10.1969 1 BvL 12/68, BStBl II 1970, 140; so auch Roth, Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl., Teil A Rn. 4.144).
59cc) Zudem würde ein Billigkeitserlass dazu führen, dass es zu einer steuerneutralen Gewinnverwirklichung kommt, da die auf Ebene der Personengesellschaft erzielten Gewinne im Ergebnis nicht besteuert würden und damit steuerfrei wären (so auch Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl., S. 175, wonach dieses Ergebnis aber hinzunehmen sei, da es Sache des Gesetzgebers sei, die Unabgestimmtheit von Insolvenz- und Steuerrecht zu beseitigen). Das ist mit den Grundsätzen der Gleich- und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung (dazu BVerfG-Urteil vom 9.12.2008 2 BvL 1/07, DStR 2008, 2460; BFH-Urteil vom 4.2.2010 X R 10/08, BStBl II 2010, 617) jedenfalls bei Nutzung von Verlusten in der Vergangenheit nicht vereinbar. Die mangelnde Abstimmung von Insolvenz- und Steuerrecht kann nicht als Rechtfertigungsgrund für eine Abweichung vom verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienen (so auch Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 251 AO Rn. 349; Neumann in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 251 AO Rn. 88).
60dd) Es existiert kein Grundsatz, dass ein Gesellschafter nur dann zur Einkommensteuer herangezogen werden kann, wenn er sich die hierzu erforderlichen Mittel aus den ihm zuzurechnenden Gewinnen verschaffen kann (vgl. Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 251 AO Rn. 349). Eine Besteuerung von Gewinnen setzt nicht voraus, dass dieser Gewinn dem Gesellschafter auch tatsächlich zufließt (BFH-Beschluss vom 10.11.1980 GrS 1/79, BStBl II 1981, 164).
61ee) Im umgekehrten Fall der Entstehung von Verlusten nach Eintritt der Insolvenz kommen diese den Gesellschaftern steuerrechtlich zugute, während die durch den Verlust entstehende Vermögenseinbuße die Insolvenzmasse und damit die Gläubiger belastet.
62ff) Die Besteuerung eines beim Wegfall eines negativen Kapitalkontos entstehenden Veräußerungsgewinns ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich dann nicht sachlich unbillig, wenn sich die früheren Verluste aus einer Beteiligung an einer Personengesellschaft beim Beteiligten in voller Höhe ausgewirkt haben (vgl. BFH-Urteil vom 26.10.1994 X R 104/92, BStBl II 1995, 297: dort Billigkeitserlass, da Verluste aufgrund Zusammenwirkens verschiedener Regelungen nicht steuermindernd berücksichtigt wurden; Beschluss vom 30.9.1996 X B 131/96, BFH/NV 1997, 326: dort kein Billigkeitserlass aufgrund Auswirkung der Verluste in der Vergangenheit). Auch wenn die Konstellation des Wegfalls des negativen Kapitalkontos nicht direkt mit der vorliegenden vergleichbar ist, so zeigt sich daran doch, dass bei der Beurteilung der sachlichen Unbilligkeit auch die etwaige Verlustnutzung in der Vergangenheit mit einzubeziehen ist. Dem liegt auch der Rechtsgedanke des BFH aus dem Urteil vom 5.3.2008 X R 60/04 (BStBl II 2008, 787) zugrunde, wonach es gerechtfertigt sein kann, Gewinne eines Gesellschafters zu besteuern, auch wenn diesem die Gewinne wirtschaftlich nicht zugutekommen.
63d) Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen sieht der Senat im Falle der Entstehung und Nutzung von Verlusten in der Vergangenheit, die den nun entstandenen anteiligen Gewinn auf Ebene der Gesellschaft übersteigen, den Anwendungsbereich von § 163 AO als nicht eröffnet an. Denn so wie die nun entstandenen – vom Gesellschafter zu versteuernden – Gewinne den Gläubigern der Personengesellschaft und nicht dem Gesellschafter zugutekommen, so haben spiegelbildlich die in der Vergangenheit entstandenen Verluste sich auf Ebene des Gesellschafters steuermindernd ausgewirkt, das Vermögen der Gesellschaft gemindert und stehen nun den Gläubigern zur Tilgung der Forderungen aus der Insolvenzmasse nicht zur Verfügung. Offenbleiben bleiben kann, ob eine andere Beurteilung in Betracht kommt, wenn in der Vergangenheit keine Verluste ertragsteuerlich auf Ebene des Gesellschafters relevant geworden sind.
64e) Denn im vorliegenden Fall hat der Kläger in der Vergangenheit aus seiner Beteiligung an der KG Verluste erzielt, die den nun anteilig ihm zuzurechnenden Gewinnanteil übersteigen: Ausweislich der vorliegenden Feststellungs- und Einkommensteuerbescheide waren Gewinne und Verluste in den Jahren 2003 bis 2005 nahezu ausgeglichen. In den Jahren 2006 bis 2009 sind dem Kläger anteilige Verluste i.H.v. 293.083,31 EUR entstanden, von denen sich 194.143,31 EUR direkt bei der Einkommensteuerfestsetzung (z.T. auch in Folgejahren als Verlustvorträge) ausgewirkt haben. Ein Betrag von 98.517,93 EUR (nach Verrechnung mit dem Gewinn des Jahres 2011 von 422,10 EUR) wurde als verrechenbarer Verlust nach § 15a Abs. 4 EStG gesondert festgestellt und mit dem in 2012 entstandenen Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn i.S.d. § 16 EStG i.H.v. insgesamt 156.532,85 EUR verrechnet. Damit wurden in Ergebnis die gesamten seit 2006 erzielten Verluste von 293.083,31 EUR entweder unmittelbar oder über Verrechnung nach § 15a EStG sowie die geleistete Hafteinlage im Rahmen der Ermittlung des Gewinns nach § 16 EStG steuerlich berücksichtigt. Der Gesamtbetrag der relevanten Verluste übersteigt den nun erzielten anteiligen Gewinn von 156.532,85 EUR.
65III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
66IV. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Rechtssache, wer Adressat eines Einkommensteuerbescheids für Einkünfte eines Kommanditisten aus Gewinnanteilen einer sich in Insolvenz befindlichen Mitunternehmerschaft ist, wenn der Kommanditist seine Hafteinlage voll erbracht hat, und ob eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen in diesem Fall in Betracht kommt, grundsätzliche Bedeutung hat.