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Es wird angeordnet, dass der Antragsgegner den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 11.9.2018 zurücknimmt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin (Astin) ist eine GmbH, die eine Gastronomie und Eventlocation betreibt. Sie ist ihren Pflichten zur Steuerzahlung wiederholt nicht rechtzeitig nachgekommen und befindet sich daher seit längerem in Zwangsvollstreckung durch den Antragsgegner (das Finanzamt --FA--). Zu den vom FA getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen gehörte u.a. die Pfändung von Ansprüchen, Forderungen und Rechten aus der Geschäftsbeziehung der Astin mit der C Bank. Nachdem diese in ihrer Drittschuldnererklärung vom 4.9.2018 mitgeteilt hatte, dass vorrangige Pfändungen in Höhe von 58.891,66 € vorlägen, und eine Sachpfändung durch den Vollziehungsbeamten vom 7.9.2018 lediglich zur Zahlung eines Betrags von 3.000 € geführt hatte, stellte das FA am 11.9.2018 beim Amtsgericht Z-Stadt einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Astin. Zur Begründung führte es aus, dass die Astin dem Land Nordrhein-Westfalen Steuern und steuerliche Nebenleistungen in Höhe von 47.732,33 € schulde und von einer Zahlungsunfähigkeit der Astin auszugehen sei.
4Im Laufe des Monats September führte die Astin, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sämtliche Steuerverbindlichkeiten auf null zurück. Ferner teilte die Astin dem Amtsgericht Z-Stadt in einem Schreiben vom 26.9.2018, auf das wegen seines Inhalts Bezug genommen wird, mit, dass keine Zahlungsunfähigkeit vorliege, sämtliche laufenden Zahlungsverpflichtungen eingehalten würden und die aufgelaufenen Rückstände ausschließlich dem schlechten Sommergeschäft geschuldet gewesen seien. Am 5.10.2018 bestätigte die D Steuerberatungsgesellschaft mbH Y-Stadt der Astin, dass sie eine Plausibilitätsprüfung der Umsatz-, Ergebnis- und Liquiditätsplanung der Astin für den Zeitraum 4.10.2018 bis 31.12.2018 vorgenommen habe und keinerlei Zweifel an der Plausibilität der vorgelegten Planzahlen bestünden. Aus einer den Planzahlen beigefügten Aufstellung der offenen Posten geht hervor, dass nach den Planungen der Gesellschaft bis zum 31.10.2018 noch mit Außenständen in Höhe von 63.300,91 € zu rechnen war. Die zur Verfügung stehende Liquidität zum 31.12.2018 bezifferte die Astin in ihrer Liquiditätsplanung für den Monat Oktober – bereits unter Abzug der genannten Verbindlichkeiten – auf 34.458,28 €. Darüber hinaus bestand nach den Angaben der Astin eine Kreditlinie von 50.000 €, so dass in der Liquiditätsplanung von einer Notfall-Liquidität von 84.468,28 € ausgegangen wurde.
5Am 18.10.2018 stellte die Astin beim Finanzgericht Düsseldorf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, dem FA aufzugeben, den Insolvenzantrag zurückzunehmen. Zur Begründung führt die Astin aus: Ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehe im Ermessen des FA. Vorliegend hafte dieser Entscheidung ein Ermessensfehler an. Das FA habe von dem ihm eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, indem es falsche Tatsachen zur Begründung des Insolvenzantrags angeführt bzw. entlastende Tatsachen wissentlich weggelassen und angeführte Tatsachen nicht glaubhaft gemacht habe sowie darüber hinaus sachfremde Erwägungen in seine Entscheidung habe einfließen lassen.
6Insbesondere liege der vom FA behauptete Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht vor. Zwar gelte, dass dann, wenn der Gerichtsvollzieher in den letzten sechs Monaten vor Insolvenzantragsstellung eine Unpfändbarkeitsbescheinigung ausgestellt habe, dies zur Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit durch den Gläubiger ausreiche. Dagegen genüge aber der Vortrag, dass eine Vollstreckung in Forderungen der Schuldnerin (teilweise) erfolglos geblieben sei, nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung nicht für eine Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit, da daraus nicht geschlossen werden könne, dass die Schuldnerin überschuldet oder zahlungsunfähig sei. Daher dürfe das FA vorliegend aus der pauschalen Behauptung, dass am 6.9.2018 eine fruchtlose Pfändung gegenüber der Astin stattgefunden habe, nicht auf ihre Zahlungsunfähigkeit i.S.v. § 17 der Insolvenzordnung (InsO) schließen.
7Auch die vom FA behaupteten Vorpfändungen ließen den Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit der Astin nicht zu. Setze ein Gläubiger eine unbestrittene Forderung erfolgreich zwangsweise durch, könne daraus nicht geschlossen werden, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung kenne, wenn der Gläubiger außer dieser Forderung und den von ihm zur zwangsweisen Durchsetzung der Forderung unternommenen erfolgreichen Schritten keine weiteren konkreten Tatsachen über die Zahlungsunfähigkeit oder die Vermögenslage seines Schuldners kenne. Unstreitig seien zwar in der Vergangenheit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Astin erfolgt. Diese seien aber stets erfolgreich gewesen, da die Forderungen spätestens im Wege der Zwangsvollstreckungen ausgeglichen worden seien.
8Auch ein gewisser Zahlungsverzug bei einigen Forderungen lasse entgegen der Behauptung des FA noch nicht den Schluss auf eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu.
9Dass die Astin – entgegen der Annahme des FA – zahlungsfähig sei, komme vielmehr darin zum Ausdruck, dass alle Verbindlichkeiten gegenüber dem FA beglichen worden seien. Darüber hinaus stehe der Astin auf ihrem Geschäftskonto bei der E-Bank ein Dispositionsrahmen in Höhe von 50.000 € zur Verfügung. Ausweislich des in Kopie überreichten Kontoauszuges vom 5.10.2018 habe der Astin zu diesem Zeitpunkt bei einem positiven Kontostand von 26.500,24 € ein Verfügungsrahmen in Höhe von insgesamt 76.500,24 € zur Verfügung gestanden.
10Überdies sei die Darstellung des FA, bei der C-Bank bestünden Vorpfändungen in Höhe von 58.891,66 €, unzutreffend. Das Konto bei der C-Bank sei bereits zum 31.7.2018 aufgelöst worden und bestehe nur noch als Abwicklungskonto. Vorpfändungen könnten schon deshalb nicht bestehen, weil eine nicht bestehende Kontoverbindung nicht gepfändet werden könne. Darüber hinaus würden die angeblichen Vorpfändungen mehrheitlich auf Pfändungen des FA beruhen, so dass insoweit durch das FA im Insolvenzantrag der irreführende Eindruck geschaffen werde, dass andere Gläubiger Vorpfändungen in Höhe von 58.891,66 € vorgenommen hätten. Tatsächlich habe neben den Pfändungen des FA lediglich eine weitere Pfändung der AOK bestanden. Diese habe auf einer durch die E-Bank fehlerhaft durchgeführten Überweisung beruht. Nach Kenntniserlangung von dem Fehler sei die Überweisung erneut erfolgreich veranlasst worden.
11Der Aufrechterhaltung des Insolvenzantrags durch das FA lägen zudem offenbar auch sachfremde Erwägungen zugrunde. In einem zwischen dem zuständigen Sachgebietsleiter und dem Geschäftsführer der Astin am 21.9.2018 geführten Telefonat habe der Sachgebietsleiter F geäußert, dass der Geschäftsführer der Astin „mal erzogen" werden müsse und einen „Denkzettel“ brauche. Aus diesem Grunde hätte er, Herr F, die Stellung des Insolvenzantrages veranlasst und würde diesen nun auch nicht mehr zurücknehmen.
12Ein Anordnungsgrund sei ebenfalls gegeben, da es sich bei der Astin um einen renommierten Gastronomiebetrieb handele. Allein das Bekanntwerden der Anordnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens und die damit verbundene Anordnung von Sicherungsmaßnahmen habe daher existenzbedrohende Folgen für die Astin.
13Für die weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Antragsschrift vom 17.10.2018 Bezug genommen.
14Die Astin beantragt,
15dem FA aufzugeben, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin vom 11.9.2018 gegenüber dem Amtsgericht – Insolvenzgericht – Z-Stadt zurückzunehmen, hilfsweise im Unterliegensfalle die Beschwerde zuzulassen.
16Das FA beantragt,
17den Antrag abzulehnen.
18Es führt zur Begründung aus: Die Astin zahle seit Jahren ihre Steuern verspätet bzw. erst nach Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen. Seit 2010 befinde sie sich in Vollstreckung, seit 2014 mehr oder weniger dauerhaft. Das FA müsse daher von einer Zahlungsunfähigkeit der Astin ausgehen. Die Säumnis gegenüber früheren Zahlungsverspätungen habe in jüngerer Zeit nochmals zugenommen. Aufgrund der Entwicklung des Falles und der diversen notwendigen Vollstreckungsmaßnahmen der letzten Jahre sei unmittelbar nach Eingang der Drittschuldnererklärung der C-Bank vom 4.9.2018 mit dem Hinweis auf die Pfändung durch andere Gläubiger ein Insolvenzantrag gestellt worden, denn es sei von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen. Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteile sich nach § 17 InsO. Habe der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründe dies gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit. Eine Zahlungseinstellung könne aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden (Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 30.06.2011 IX ZR 134/10). Dabei reiche die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten für die Annahme einer Zahlungseinstellung aus. Das gelte selbst dann, wenn die tatsächlich noch geleisteten Zahlungen beträchtlich seien, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen würden. Die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit könne eine Zahlungseinstellung begründen, wenn die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe sei. Gleiches gelte, wenn der Schuldner infolge der ständigen verspäteten Begleichung seiner Verbindlichkeiten einen Forderungsrückstand vor sich hergeschoben habe und demzufolge ersichtlich am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operiere. Entsprechend der vorgeschilderten Entwicklung sei nach Aktenlage im Zeitpunkt der Antragstellung von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen und der Antrag somit zulässig und begründet gewesen.
19Es sei zwar zutreffend, dass die zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Steuerschulden inzwischen nicht mehr bestünden. Das FA verfolge aber nicht das Ziel, dass nur die Forderungen der Finanzverwaltung beglichen werden sollten. Durch die Änderung des § 14 InsO seien die Anforderungen an einen Erstantrag durch Streichen des Satzes 3 im Absatz 1 und der Neufassung des Satzes 2 angepasst worden. Der Gesetzgeber habe damit das Ziel verfolgt, möglichst früh die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners abklären zu können, damit insolvente Unternehmen nicht zum Schaden der Gläubiger als spätere Anfechtungsgegner weiter wirtschaften könnten. Auch wenn der Schuldner also nach Antragstellung sämtliche Forderungen des Antragstellers begleiche, bleibe daher der Insolvenzantrag weiterhin zulässig. Nach Auffassung des FA solle daher das Amtsgericht Z-Stadt das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit überprüfen und über die Zulässigkeit des Insolvenzantrags entscheiden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass dieses die von der Astin vorgebrachten sachlichen Gründe ebenfalls prüfen müsse. Komme es nach dieser Prüfung zu dem Schluss, dass das Insolvenzverfahren zu eröffnen sei, ergebe sich hierdurch automatisch, dass die Antragstellung durch den Antragsgegner rechtmäßig gewesen sei. Komme es zu dem Schluss, dass keine Gründe für eine Insolvenzeröffnung vorlägen, wäre der Antrag auf Insolvenzeröffnung ebenfalls erledigt.
20Zu den Ausführungen der Astin sei im Übrigen Folgendes anzumerken: Es sei aufgrund der Drittschuldnererklärung der C-Bank weiterhin davon auszugehen, dass Vorpfändungen anderer Gläubiger bestehen würden. Der darin als Vorpfändung bezeichnete Betrag von 58.891,66 € beinhalte keine Pfändung seitens der Finanzverwaltung.
21Darüber hinaus bestreite das FA, dass in einem am 21.9.2018 geführten Telefonat zwischen dem zuständigen Sachgebietsleiter und dem Geschäftsführer der Astin Begriffe wie „mal erzogen“ und „Denkzettel“ geäußert worden seien. Vielmehr seien der Astin sachgerecht die Entscheidungsgründe für die Nichtrücknahme des Insolvenzantrags dargelegt worden.
22Für die weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 24.10.2018 Bezug genommen.
23II.
24Der Antrag ist zulässig und begründet.
251. Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, dass der Antragsteller einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) und einen Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), hat. Der Antragsteller muss insoweit das Bestehen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes glaubhaft machen. Das Gericht muss lediglich die Tatsachen berücksichtigen, von denen es, etwa durch Beiziehung der Akten, Kenntnis hat; eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung widerspricht dem Wesen des Anordnungsverfahrens als Eilverfahren (vgl. Stapperfend in Gräber, FGO, 8. Auflage, § 114 Rn. 66).
262. Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat die Astin im Streitfall Anspruch auf Erlass der von ihr beantragten einstweiligen Anordnung. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, da die Aufrechterhaltung des vom FA gestellten Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Befriedigung aller Steuerrückstände ermessensfehlerhaft geworden ist. Ein Anordnungsgrund ist ebenfalls gegeben, da die Astin hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass sie andernfalls in ihrer Existenz bedroht wäre.
27a) Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob die Stellung des Insolvenzantrags am 11.9.2018 ermessensgerecht war. Für die Beurteilung der Ausübung des Ermessens der Finanzbehörde ist in der vorliegenden Konstellation ausschließlich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich.
28aa) Die Entscheidung des FA, gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners zu beantragen, ist eine Ermessensentscheidung, die gemäß § 102 FGO von den Gerichten nur daraufhin überprüft werden kann, ob die Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. etwa Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28.2.2011 VII B 224/10, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH --BFH/NV-- 2011, 763). Bei dieser Entscheidung handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des BFH nicht um einen Verwaltungsakt (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 28.2.2011 VII B 224/10, BFH/NV 2011, 763; Werth in Klein, AO, 12. Auflage, § 251 Rn. 11). Begehrt daher der Antragsteller die Rücknahme des Insolvenzantrags, ist dieses Begehren in einem Hauptverfahren mit einer Leistungsklage und im Eilverfahren mit der einstweiligen Anordnung gem. § 114 FGO zu verfolgen (Werth in Klein, AO, 12. Auflage, § 251 Rn. 11). Für die Prüfung, ob das FA sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, ist aufgrund des Umstandes, dass es sich nicht um einen Verwaltungsakt handelt, nicht auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, sondern auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung abzustellen (vgl. die Nachweise im BFH-Beschluss vom 28.2.2011 VII B 224/10, BFH/NV 2011, 763; vgl. ferner Sächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 28.3.2013, 3 V 271/13, abrufbar in juris; Brandis, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2005, 374, 375; a.A. z.B. FG Köln, Urteil vom 9.11.2004 15 K 4934/04, EFG 2005, 372). Hieraus folgt, dass das FA beispielsweise dann zur Rücknahme des Insolvenzantrags verurteilt werden muss, wenn die Voraussetzungen für die Stellung eines Insolvenzantrags zwar zum Zeitpunkt der Antragstellung vorgelegen haben, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aber nicht mehr gegeben sind.
29bb) Ein Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht (§ 14 Abs. 1 Satz 1 InsO). Stellt das FA einen Insolvenzantrag, muss diesem daher grds. ein Anspruch zustehen, der ihm im Insolvenzverfahren die Stellung eines Insolvenzgläubigers vermittelt. Darüber hinaus muss ein Insolvenzgrund, wie z.B. die Zahlungsunfähigkeit des Vollstreckungsschuldners, vorliegen (vgl. § 16 i.V.m. § 17 InsO).
30Die letztgenannte Voraussetzung gilt auch für den Fall der Fortführung des Antragsverfahrens nach § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO. Nach dieser Vorschrift wird der einmal gestellte Insolvenzantrag nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird. Wie der BGH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, muss der Gläubiger auch im Falle der Fortführung des Verfahrens nach § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO das Fortbestehen des Eröffnungsgrundes glaubhaft machen (vgl. etwa BGH-Beschluss vom 11.4.2013 IX B 256/11, Der Betrieb --DB-- 2013, 1297). Die Vorschrift sei als Ausnahme einer trotz Erfüllung der den Eröffnungsantrag stützenden Forderung fortbestehenden Antragsbefugnis und eines hierdurch veränderten Rechtsschutzbedürfnisses zu verstehen und erfordere eine Prüfung im Einzelfall, ob die mit Antragstellung erfolgte Glaubhaftmachung eines Eröffnungsgrundes auch nach Erfüllung der den Antrag stützenden Forderung fortwirke oder der Gläubiger den Eröffnungsgrund erneut glaubhaft machen müsse (vgl. BGH-Beschlüsse vom 11.4.2013 IX B 256/11, DB 2013, 1297; vom 18.12.2014 IX ZB 34/14, DB 2015, 303). Allerdings setzt die Glaubhaftmachung einer fortbestehenden Zahlungsunfähigkeit auch nach der Auffassung des BGH nicht stets voraus, dass der Gläubiger neue Tatsachen vorträgt, die für eine auch jetzt noch bestehende Zahlungsunfähigkeit sprechen (vgl. BGH-Beschluss vom 18.12.2014 IX ZB 34/14, DB 2015, 303). Für die Beurteilung, ob nach dem Ausgleich der Forderung des antragstellenden Gläubigers die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners weiterhin wahrscheinlich ist, können vielmehr u.a. die näheren Umstände des jetzt gestellten oder eines vorangegangenen Insolvenzantrags von Bedeutung sein, ferner die Art und der Umfang der Forderung des Gläubigers, die Dauer des Zahlungsrückstands und die Umstände des Forderungsausgleichs (vgl. BGH-Beschluss vom 18.12.2014 IX ZB 34/14, DB 2015, 303). Darüber hinaus kann dem Grundsatz Bedeutung zukommen, dass eine einmal eingetretene, nach außen in Erscheinung getretene Zahlungsunfähigkeit regelmäßig erst beseitigt wird, wenn die geschuldeten Zahlungen an die Gesamtheit der Gläubiger im Allgemeinen wieder aufgenommen werden können (vgl. – auch zu den Einschränkungen – BGH-Beschluss vom 18.12.2014 IX ZB 34/14, DB 2015, 303).
31cc) Vorliegend hat das FA eine nach Tilgung seiner Forderungen bestehende Zahlungsunfähigkeit der Astin weder durch seinen Tatsachenvortrag glaubhaft gemacht noch ergibt sich eine solche im Rahmen der hier allein gebotenen summarischen Prüfung aus den vorgelegten Akten.
32Zahlungsunfähigkeit liegt nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist gem. § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (vgl. BGH-Urteil vom 20.11.2001 IX ZR 48/01, Sammlung der Entscheidungen des BGH 149, 178, 184 f). Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen (vgl. BGH-Urteil vom 12.10.2017 IX ZR 50/15, DB 2017, 2926). Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus (vgl. BGH-Urteil vom 12.10.2017 IX ZR 50/15, DB 2017, 2926).
33Im Streitfall bestehen aus Sicht des Senats bei summarischer Prüfung anhand der dem Gericht zur Verfügung stehenden Unterlagen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen gegeben sind. Wie sich der von der Astin erstellten Liquiditätsplanung entnehmen lässt, verfügt die Gesellschaft aktuell über eine Liquidität von ca. 34.000 € und eine Kreditlinie von 50.000 €, so dass sich eine „Notfall-Liquidität“ von 84.458 € ergibt. Bei der Berechnung dieses Betrags wurden bereits sämtliche Außenstände der Astin berücksichtigt, die sich nach ihrer Planung bis zum 31.12.2010 ergeben werden (ca. 63.300 €). Allein die liquiden Mittel (ohne die Kreditlinie) übersteigen damit die bestehenden und bis zum 31.10.2018 noch entstehenden Verbindlichkeiten bei Weitem. Wie sich ebenfalls der Liquiditätsplanung entnehmen lässt, soll diese „Notall-Liquidität“ in den folgenden Monaten November und Dezember weiter steigen, während die Außenstände zugleich sinken. Vor dem Hintergrund dieser Planung ist nicht davon auszugehen, dass die Astin in der Zukunft nicht in der Lage sein wird, ihre Verbindlichkeiten zu bedienen.
34Anlass daran zu zweifeln, dass die Zahlen in der Liquiditätsplanung unzutreffend sein könnten, hat das Gericht nicht, zumal diese von einer Steuerberatungsgesellschaft auf ihre Plausibilität hin geprüft wurden. Die Angaben in der Liquiditätsplanung decken sich zudem im Wesentlichen mit dem Vortrag der Astin, dass sie über eine Kreditlinie von 50.000 € bei der E-Bank verfüge und das dort befindliche Konto derzeit einen positiven Kontostand von ca. 26.500 € aufweise.
35dd) Dem Vortrag des FA, aufgrund der Drittschuldnererklärung der C-Bank sei davon auszugehen, dass weitere Gläubiger existieren würden und diese Pfändungen in einem Gesamtbetrag von 58.891,66 € ausgebracht hätten, vermag sich das Gericht im Rahmen der hier allein gebotenen summarischen Prüfung nicht anzuschließen. Die Astin hat insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass die betreffende Kontoverbindung gekündigt ist. Dies entspricht der Darstellung der C-Bank in der Drittschuldnererklärung vom 4.9.2018. Sie hat ebenfalls dargelegt, dass neben Pfändungen des FA lediglich eine weitere Forderungspfändung durch die AOK bei der E-Bank erfolgt sei. Bei dieser Pfändung habe es sich um einen – inzwischen behobenen – Fehler gehandelt. Diese Tatsache hat die Astin dadurch glaubhaft gemacht, dass ihr Geschäftsführer die Richtigkeit der Angaben eidesstattlich versichert hat. Dass weitere Gläubiger mit Pfändungspfandrechten an Forderungen auch derzeit noch existieren, hat das FA weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.
36ee) Vor dem Hintergrund, dass sich aus den vom FA vorgelegten Akten keine Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit ergeben, kann die Entscheidung des FA, den gestellten Insolvenzantrag nach Erfüllung der Steuerrückstände gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO aufrecht zu erhalten, nicht mehr als eine (noch) vertretbare und (noch) im Rahmen des Ermessenspielraums liegende Entscheidung angesehen werden.
37b) Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Die Astin hat hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ihre wirtschaftliche Existenz durch die Eröffnung des vom FA beantragten Insolvenzverfahrens unmittelbar bedroht wäre.
38c) Dem Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung steht auch nicht entgegen, dass hierdurch die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen wird. Ein solches Rechtsschutzziel widerspricht zwar grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes, denn eine Regelungsanordnung darf nach der ständigen Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nur eine einstweilige Regelung enthalten und das Ergebnis der Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen oder diesem endgültig vorgreifen. Etwas anderes gilt aber im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 7.1.1999 VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818). Diese Voraussetzung ist hier gegeben, da anderenfalls kein effektiver Rechtsschutz durch die Finanzgerichtsbarkeit gewährt werden könnte.
393. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.