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Tatbestand:
2Streitig ist die Steuerbarkeit eines Stipendiums, das die Klägerin von einer Nicht-EU- Förderorganisation erhalten hat.
3Die Klägerin ist promovierte … und stammt aus Z. Sie ist mit dem Kläger seit dem Jahr 2012 verheiratet. Für den Zeitraum vom 01.02.2013 bis zum 31.01.2015 erhielt sie vom Z Rat für wissenschaftliche und technologische Entwicklung (C), einer Partnerorganisation des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, ein monatliches Stipendium i.H. von 2.100 Euro. Das Stipendium war Teil des z Regierungsstipendienprogramms „…“ und wurde der Klägerin als Postdoktorandin im Ausland gewährt. Sie war in dem genannten Zeitraum am D-Institut für …. in X-Stadt tätig. Die Klägerin stand weder zur z Regierung noch zum D-Institut in einem Dienstverhältnis.
4In ihren gemeinsam mit dem Kläger eingereichten Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2013 bis 2015 (Streitjahre) machte die Klägerin keine Angaben zu dem erhaltenen Stipendium. In der Anlage N für die Streitjahre 2013 und 2014 erklärte sie jedoch Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auf Grund einer doppelten Haushaltsführung im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit beim D-Institut in X-Stadt.
5Die Kläger wurden für das Streitjahr 2013 zunächst erklärungsgemäß zur Einkommen-steuer veranlagt. Nachdem der Beklagte (das Finanzamt – FA –) Kenntnis von der Zahlung des Stipendiums erhalten hatte, änderte er am 09.12.2015 den Einkommensteuerbescheid für 2013 und setzte sonstige Einkünfte i.H. von 11.282 Euro an, die sich aus Zahlungen aus dem Stipendium i.H. von 23.100 Euro und Werbungskosten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt in X-Stadt i.H. von 11.818 Euro zusammensetzten. Negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für 2013 berücksichtigte das FA nicht mehr. Ebenfalls am 09.12.2015 erließ das FA einen Einkommensteuerbescheid für 2014, in dem es sonstige Einkünfte i.H. von 16.584 Euro erfasste. Am 07.09.2016 setzte das FA die Einkommensteuer für 2015 fest und berücksichtigte auch hier sonstige Einkünfte im Zusammenhang mit dem Stipendium.
6Die gegen die drei Einkommensteuerbescheide eingelegten Einsprüche der Kläger wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 08.02.2017 in dem hier streitigen Punkt als unbegründet zurück.
7Mit ihrer Klage führen die Kläger aus, die Klägerin habe am D-Institut in X-Stadt eine Forschungstätigkeit ausgeübt; die Räumlichkeiten seien ihr dort unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden. Das FA gehe zu Unrecht von steuerbaren Einkünften im Zusammenhang mit dem Stipendium aus. Der objektive Tatbestand der sonstigen Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) knüpfe an bestimmte Leistungen an. An einer konkreten Gegenleistung fehle es jedoch, da die Klägerin der z Regierung keine Gegenleistung für die Gewährung der Zuwendung schulde. Die Ausbildungsförderung sei weder im Rahmen einer Einkunftsart gewährt worden noch liege eine Einkunftserzielungsabsicht vor. Die Forschungstätigkeit sei nicht durchgeführt worden, um Einnahmen in Form der Ausbildungsförderung zu erzielen, vielmehr habe die Ausbildungsförderung die unentgeltliche Forschungstätigkeit erst ermöglicht. Es handele sich nicht um einen Leistungsaustausch, sondern um eine zweckkonforme Verwendung der gewährten Mittel. Nach der Kommentarliteratur würden Studien- und Ausbildungsbeihilfen nicht von den wiederkehrenden Bezügen i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG erfasst.
8Die Kläger beantragen,
9unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2013 bis 2015 vom 09.12.2015 und 07.09.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2017 die Einkommensteuer für 2013 bis 2015 in der Weise festzusetzen, dass keine sonstigen Einkünfte i.H. von 11.282 Euro (für 2013), 16.584 Euro (für 2014) und 1.998 Euro (für 2015) erfasst werden.
10Das FA beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung trägt es vor, das Stipendium der z Regierung stelle wiederkehrende Bezüge i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG dar. Es bestehe aus monatlichen Einnahmen in Geld und sei auf Grund eines einheitlichen Entschlusses der Geberin, nämlich durch die verpflichtende Zusage, monatlich 2.100 Euro zu zahlen, vergeben worden. Das von der Klägerin angeführte Tatbestandsmerkmal der Gegenleistung bei wiederkehrenden Bezügen i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG sei weder dem Gesetz selbst noch der Rechtsprechung zu entnehmen. Der Rechtsauffassung von Weber-Grellet (in Schmidt, EStG, 37. Auflage, § 22 Rz. 11, 50, 99) könne nicht gefolgt werden, vielmehr werde auf R 3.44 und R 22.1 der Einkommensteuer-Richtlinien Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Die Klage ist unbegründet.
151. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide sind rechtmäßig. Zu Recht hat das FA das Stipendium, das die Klägerin vom C erhalten hat, als Einnahme bei den sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 1 EStG erfasst und die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen im Zusammenhang mit ihrer auswärtigen Forschungstätigkeit als Werbungskosten abgezogen.
16a) Gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG sind Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen sonstige Einkünfte, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören. Zu den in § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG bezeichneten Einkünften gehören auch Einkünfte aus Zuschüssen und sonstigen Vorteilen, die als wiederkehrende Bezüge gewährt werden (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b EStG).
17aa) Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass die Klägerin keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt hat, da die Klägerin weder zum Stipendiengeber noch zum D-Institut in einem Dienstverhältnis stand.
18Ebenso teilt der Senat die Auffassung, dass die Klägerin keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Form einer wissenschaftlichen Tätigkeit erwirtschaftet hat. Zwar war sie wissenschaftlich am D-Institut tätig, sie erhielt das aus dem z Regierungsstipendienprogramm „…“ stammende Stipendium jedoch nicht „für“ ihre konkrete wissenschaftliche Forschung an diesem Institut. Vielmehr pflichtet das Gericht der Ansicht der Klägerin bei, dass der A ihr mit dem Stipendium die allgemeine Möglichkeit verschaffen wollte, als Postdoktorandin im Ausland an einem Forschungsinstitut – ohne Zahlungen seitens des Instituts – wissenschaftlich tätig zu sein.
19bb) Das Stipendium stellt jedoch – entgegen der Ansicht der Kläger – wiederkehrende Bezüge dar. Solche setzen eine Wiederholung der Bezüge auf Grund eines einheitlichen Entschlusses oder eines einheitlichen Rechtsgrunds mit einer gewissen Regelmäßigkeit voraus (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 14.04.2015 IX R 35/13, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2015, 795, unter II.1.a, m.w.N.).
20Beide Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da das Stipendium auf einem Vertrag über die Gewährung und Annahme eines Auslandsstipendiums vom 17.07.2012 zwischen der Klägerin und dem C beruht und über einen Zeitraum von zwei Jahren monatlich i.H. von 2.100 Euro ausgezahlt wurde.
21cc) Allerdings darf nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Besteuerung nicht nur wegen der Form von Bezügen, also allein wegen der Wiederholung, erfolgen. Dies stünde in Widerspruch zu dem das Einkommensteuerrecht rechtfertigenden und zugleich von Verfassungs wegen begrenzenden Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (BFH-Urteil vom 25.10.1994 VIII R 79/91, BStBl II 1995, 121, unter II.1.c aa, m.w.N.). Die Einkommensteuer erfasst grundsätzlich nur die erwirtschaftete objektive Leistungsfähigkeit, d.h. den „erzielten“ Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 26.11.2008 X R 31/07, BStBl II 2009, 651, unter II.2.a, m.w.N.). So steigert etwa die bloße Umschichtung von Privatvermögen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ebenso wenig wie die nur zum Ausgleich für verletzungsbedingt entstandene zusätzliche Bedürfnisse gezahlten Ersatzleistungen (BFH in BStBl II 1995, 121, unter II.1.c bb).
22Im Streitfall ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die Auszahlung des Stipendiums i.H. von monatlich 2.100 Euro in den Streitjahren erhöht worden. Die Klägerin konnte über dieses, nicht zweckgebundene Einkommen frei verfügen.
23dd) Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin setzt die Steuerbarkeit von wiederkehrenden Bezügen i.S. des § 22 Nr. 1 EStG nicht voraus, dass die Bezüge für eine Leistung des Zahlungsempfängers gewährt werden. Diese Meinung wird zwar von einem Teil der Literatur vertreten, weil ein Leistungsaustausch allgemeine Voraussetzung für das Erzielen von Einkünften sei, mit der Folge, dass unentgeltliche Studienbeihilfen oder Forschungsstipendien nicht als steuerbare Einnahmen erfasst wären (Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 37. Auflage, § 22 Rz. 1, 99; Wernsmann/Neudenberger in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 22 Anm. B 281; im Ergebnis auch Fischer in Kirchhof, EStG, 17. Auflage, § 22 Rz. 9; von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Anm. B 44/9; Ernst/Schill, Deutsches Steuerrecht 2008, 1461, 1463; Steck, Deutsche Steuer-Zeitung 2009, 384, 391). Der Senat vermag sich dieser Auffassung jedoch nicht anzuschließen. Das Erfordernis eines Leistungsaustauschs für die Steuerbarkeit von sonstigen Einkünften lässt sich weder der Entstehungsgeschichte von § 22 Nr. 1 EStG noch einer richterlichen Rechtsfortbildung durch den BFH entnehmen.
24(1) Bereits in § 11 Nr. 2 EStG 1920 (Reichsgesetzblatt – RGBl – I 1920, 359) waren „Zuschüsse und sonstige Vorteile“ als steuerbare sonstige Einnahmen aufgeführt. Im EStG 1925 (RGBl I 1925, 189) wurden in § 40 Nr. 3 EStG 1925 „Zuschüsse und sonstige Vorteile, die als wiederkehrende Bezüge gewährt werden“, als steuerbar eingestuft. Daneben sah § 41 EStG 1925 eine weitere Einkunftsart „sonstige Leistungsgewinne“ als steuerbar an, die sich in Einkünfte aus Spekulationsgeschäften und Einkünfte, die infolge einer anderen Tätigkeit anfallen, unterteilten. § 22 EStG 1934 (RGBl I 1934, 1005) fasste erstmals sowohl die „wiederkehrenden Bezüge“ als auch die „sonstigen Leistungsgewinne“ zu der Einkunftsart „sonstige Einkünfte“ zusammen. Die frühere Einkunftsart „sonstige Leistungsgewinne“ wurde mit der bisherigen Unterteilung in Spekulationsgeschäfte und Einkünfte aus Leistungen von § 22 Nr. 2 und 3 EStG 1934 übernommen. Die wiederkehrenden Bezüge wurden sachlich unverändert durch § 22 Nr. 1 EStG 1934 erfasst. Nach § 22 Nr. 1 Buchst. c EStG 1934 zählten zu den sonstigen Einkünften „Zuschüsse und sonstige Vorteile, die als wiederkehrende Bezüge gewährt werden“. Diese Formulierung findet sich auch heute in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b EStG.
25Weder im EStG 1920 noch im EStG 1925 oder im EStG 1934 oder in späteren Fassungen des EStG findet sich ein Anknüpfungspunkt dafür, dass Zuschüsse und sonstige Vorteile, die als wiederkehrende Bezüge gewährt werden, nur dann steuerbar sind, wenn ein Leistungsaustausch zwischen dem Zahlungsempfänger und dem Zahlenden vorliegt. Die Voraussetzung eines Leistungsaustauschs hat zwar Bedeutung für § 22 Nr. 2 und 3 EStG (Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften und aus Leistungen) als frühere „sonstige Leistungsgewinne“, nicht aber für die wiederkehrenden Bezüge i.S. des § 22 Nr. 1 EStG.
26(2) Auch der BFH hat die Steuerbarkeit von wiederkehrenden Bezügen nicht von der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals „Leistungsaustausch“ abhängig gemacht. Im Urteil vom 28.02.1978 hat der BFH ausgeführt, die (dortigen) Stipendienzahlungen seien auf Grund eines einheitlichen Rechtsgrundes und monatlich wiederkehrend geleistet worden. Die sich monatlich wiederholenden Zahlungen hätten auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stipendiaten gestärkt. Mithin seien „alle Merkmale erfüllt“, die an § 22 Nr. 1b EStG (heute § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b EStG) zu stellen seien (BFH-Urteil vom 28.02.1978 VIII R 116/75, BStBl II 1978, 387). In einem anderen Fall hat der BFH offengelassen, ob „in dem Bezug des Stipendiums Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG oder Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG zu sehen“ seien, da das Stipendium gemäß § 3 Nr. 44 EStG nicht der Einkommensteuer unterliege (BFH-Urteil vom 15.09.2010 X R 33/08, BStBl II 2011, 637, unter II.2.).
27b) Der Bundesrepublik Deutschland steht auch das Besteuerungsrecht hinsichtlich des steuerbaren und – unstreitig – nicht steuerbefreiten Stipendiums zu. Ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Deutschland und Z, das das Besteuerungsrecht eventuell Z hätte zuweisen können, bestand im Streitjahr nicht.
282. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
293. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob der Erhalt von monatlichen Zahlungen aus einem Forschungsstipendium zu steuerbaren sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b EStG führt.