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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger beantragte im Einverständnis mit der Kindesmutter im Juni 2016 bei der Beklagten (der Familienkasse) Kindergeld für seine Tochter M (geboren im März 2016). Er legte die Geburtsurkunde vor und erläuterte, dass er mit der Mutter seiner Tochter in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebe, allerdings nicht mit ihr verheiratet sei. Außerdem lebten in diesem Haushalt auch die beiden ehelichen Kinder seiner Lebensgefährtin, nämlich der Sohn D (geboren 2009) und die Tochter N (geboren 2012), für die die Lebensgefährtin das Kindergeld beziehe. Die Familienkasse setzte zu Gunsten des Klägers Kindergeld für die Tochter M ab März 2016 fest, und zwar in Höhe von monatlich 190 € (Bescheid vom 17.06.2016).
3Hiergegen erhob der Kläger zur Niederschrift Einspruch. Er beanstandete, dass die beiden Kinder seiner Lebensgefährtin nicht bei ihm als Zählkinder betragserhöhend berücksichtigt worden seien. Für M (als drittes Kind) stehe ihm Kindergeld in Höhe von monatlich 196 € zu. Die Familienkasse wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 6.07.2016). Sie erläuterte, das Kindergeld sei gemäß § 66 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in zutreffender Höhe festgesetzt worden. Die beiden Kinder seiner Lebensgefährtin könnten nicht als Zählkinder bei dem Kläger berücksichtigt werden, weil diese weder seine leiblichen Kinder noch seine Stiefkinder seien. Dagegen könnte die Lebensgefährtin für M ohne weiteres Kindergeld in Höhe von 196 € erhalten, weil sie die leibliche Mutter aller drei Kinder sei.
4Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger meint, die gesetzliche Regelung des § 63 Abs. 1 EStG sei nicht mehr zeitgemäß und nicht verfassungsgemäß. Vielmehr sei es unter sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten geboten, eheliche und nichteheliche Lebensgemeinschaften gleichzustellen. Deshalb müsse bei einem „gefestigten Zusammenleben“ der Kindeseltern der Zählkindvorteil auch Partnern nichtehelicher Gemeinschaften gewährt werden. Eine andere Betrachtungsweise verstoße gegen das Diskriminierungsverbot.
5Der Kläger beantragt,
6die Kindergeldfestsetzung vom 17.06.2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.07.2016 in der Weise zu ändern, dass das Kindergeld für die Tochter M in monatlicher Höhe von 196 € festgesetzt wird.
7Die Familienkasse beantragt unter Hinweis auf die bestehende gesetzliche Regelung,
8die Klage abzuweisen.
9Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die dem Gericht übersandte Kindergeldakte der Familienkasse Bezug genommen.
10E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
11Die Klage ist unbegründet.
12Die Familienkasse hat zu Recht Kindergeld gegenüber dem Kläger für seine Tochter M (nur) in gesetzlicher Höhe von 190 € monatlich festgesetzt. Denn M ist sein erstes Kind, nicht sein drittes.
131. Die Gesetzeslage ist klar. Bei der Kindergeldgewährung berücksichtigt werden Kinder als „Zahlkinder“, wenn der Betroffene vorrangig Berechtigter i. S. d. § 64 EStG ist, oder (ggf. betragserhöhend) als „Zählkinder“, wenn der Betroffene nur nachrangig Berechtigter ist oder gemäß § 65 Abs. 1 EStG für sie kein Kindergeld erhält (vgl. näher Felix in Kirchhof/ Söhn/ Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 66 Rn. A 3).
14Voraussetzung ist dabei stets die grundsätzliche Berücksichtigungsfähigkeit des Kindes nach § 63 Abs. 1 Satz 1. Die Vorschrift beinhaltet Kinder im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, nämlich leibliche Kinder bzw. Adoptivkinder (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder Pflegekinder (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG), und Stiefkinder im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (zum Begriff des Stiefkinds vgl. ausführlich Felix, a. a. O., § 66 Rn. B 4).
15Im Streitfall sind die beiden Kinder der Lebensgefährtin des Klägers bei ihm offensichtlich keine leiblichen oder Adoptivkinder. Sie sind auch nicht als Pflegekinder anzusehen, weil das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern (Mutter und ggf. unterhaltsverpflichteter Vater) nicht erloschen ist. Als Stiefkinder sind sie nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger mit ihrer Mutter nicht verheiratet ist.
162. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß.
17Die Ungleichbehandlung von Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartnern einerseits und lediglich in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenlebenden Personen andererseits bei der Frage einer steuerlichen und kindergeldrechtlichen Berücksichtigung von Kindern des anderen Partners ist im Hinblick auf den in Art. 6 Abs. 1 GG verankerten besonderen Schutz der Ehe und die im Steuerrecht bestehende Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gerechtfertigt.
18Sowohl Ehe als auch eingetragene Lebenspartnerschaft stellen in vergleichbarer Weise verbindlich gefasste Lebensformen dar, die in ihren Grundstrukturen nur wenige Unterschiede aufweisen. Dies betrifft insbesondere den Grad der rechtlichen Bindung (im Wesentlichen hinsichtlich Güterrecht, Unterhaltsrecht, Scheidungsrecht, Stiefkindadoption, Versorgungsausgleich, Hinterbliebenenversorgung) sowie die gegenseitigen Einstandspflichten. Demgemäß ist eine steuerliche Gleichbehandlung geboten (BVerfG-Beschluss vom 07. Mai 2013 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377, DStR 2013, 1228, NJW 2013, 2257). Demgegenüber beinhaltet das tatsächliche Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt für sich genommen keine verbindlich gefasste umfassende institutionalisierte Verantwortungsgemeinschaft.
19Insoweit ist es dem Gesetzgeber erlaubt, ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG Regelungen zu treffen, die zwischen Ehegatten und Nichtehegatten (z. B. Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft) differenzieren und erstere begünstigen (vgl. z. B. BFH-Entscheidungen vom 25. April 2001 II R 72/00, BFHE 194, 462, BStBl II 2001, 610; vom 10. Juli 1996 X R 72/93, BFHE 181, 40, BStBl II 1998, 111; vom 1. April 1997 X B 223/96, BFH/NV 1997, 652 und vom 18. Dezember 1997 X B 120/97, BFH/NV 1998, 699). Auch das Bundesverfassungsgericht hat eine steuerliche Bevorzugung von Ehegatten gegenüber den Partnern anderer Lebensgemeinschaften nicht beanstandet (vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. Juni 1983 1 BvR 107/83, BStBl II 1984, 172; vom 15. November 1989 1 BvR 171/89, BStBl II 1990, 103; vom 15. Mai 1990 2 BvR 595/90, BStBl II 1990, 764 und vom 26. Februar 1993 2 BvR 164/92, HFR 1993, 408).
203. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der von 1994 bis 1995 geltenden Regelung des § 3 Abs. 3 Satz 1 des Bundeskindergeldgesetzes (Beschluss vom 29.10.2002 1 BvL 16/95, 1 BvL 17/95, 1 BvL 16/97, BVerfGE 106, 166, HFR 2003, 272, FR 2003, 204 mit Anm. Greite FR 2003, 208) steht dem nicht entgegen. Diese Entscheidung beanstandete die unterschiedliche Behandlung (beim Zählkindervorteil) verheirateter und nicht verheirateter Eltern im Hinblick auf eigene Kinder, für die die Eltern regelmäßig die Personensorge und die Unterhaltsverpflichtung haben. Die damals verworfene (der hier entscheidungserheblichen nicht vergleichbare) gesetzliche Regelung hatte insbesondere zur Folge, dass es einem nennenswerten Teil der Familien (getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten, nicht verheirateten Eltern) unmöglich gemacht wurde, was vorher noch möglich war, nämlich durch Dispositionen den höchstmöglichen Kindergeldbetrag für ihre Kinder zu realisieren.
21Dies ist im Streitfall völlig anders. Hier besitzt der Kläger für die beiden Kinder seiner Partnerin weder Personensorge noch hat er eine Unterhaltsverpflichtung. Darüber hinaus ist es dem Kläger und seiner Partnerin auch möglich, ohne weiteres den höchstmöglichen Kindergeldbetrag für die drei in ihrem Haushalt lebenden Kinder zu realisieren – indem nämlich (wie bereits die Familienkasse empfohlen hat) die Mutter für alle 3 Kinder das Kindergeld beantragt und auf diese Weise monatlich insgesamt 6 Euro mehr erhalten kann.
224. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO.