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Unter Änderung der Bescheide vom 21.5.2015 (Umsatzsteuer 2010 und 2012), des Bescheids vom 21.5.2013 (Umsatzsteuer 2011) und des Bescheids vom 22.10.2014 (Umsatzsteuer 2013) – jeweils in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 1.6.2015 – werden die Umsatzsteuern des Klägers als Insolvenzverwalter auf ……………. festgesetzt.
Das beklagte Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer AG in Liquidation < Kläger als Insolvenzverwalter >. Es ist ein Gläubigerausschuss nach § 67 der Insolvenzordnung < InsO > eingerichtet. Streitig ist, ob der Kläger als Insolvenzverwalter Umsatzsteuern, die ihm von X „für seine Tätigkeiten im Rahmen der vom Gläubigerausschuss in Auftrag gegebenen Kassenprüfungen“ in Rechnung gestellt worden sind, als Vorsteuern geltend machen kann.
3Das Finanzamt erkannte die Beträge nicht als Vorsteuern an und setzte dementsprechend die Umsatzsteuern gegen den Kläger mit Bescheiden vom 21.5.2015 für 2010 und 2012, mit Bescheid vom 21.5.2013 für 2011 und mit Bescheid vom 22.10.2014 für 2013 fest.
4Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Zutreffender Leistungsempfänger der vom externen Prüfer erbrachten Kassenprüfungen sei – so heißt es in den Gründen der Einspruchsentscheidung – der Gläubigerausschuss. An diesen sei die Rechnung zu adressieren. Nicht der Gläubigerausschuss, sondern die Mitglieder des Gläubigerausschusses seien unmittelbar aus diesen Rechnungen des Prüfers vorsteuerabzugsberechtigt. Die Kosten habe das jeweilige Ausschussmitglied zunächst selbst zu entrichten, könne sie aber als Auslagen im Sinne des § 54 InsO vom Insolvenzgericht festsetzen lassen und Erstattung aus der Insolvenzmasse verlangen. Sofern die Ausschussmitglieder originär Unternehmer seien, seien die Vorsteuern bei ihnen abzugsfähig. Seien die Ausschussmitglieder keine Unternehmer, begründe der (weiterbelastete) Auslagenersatz für das insolvente Unternehmen keinen Vorsteueranspruch.
5Hiergegen richtet sich die Klage.
6Der Kläger beantragt,
7wie erkannt.
8Das Finanzamt beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
11Die zulässige Klage ist begründet.
12Die Umsatzsteuerfestsetzungen des Klägers als Insolvenzverwalter über das Vermögen der AG in Liquidation sind rechtswidrig, soweit das Finanzamt Umsatzsteuern, die dem Kläger als Insolvenzverwalter „für seine Tätigkeiten im Rahmen der vom Gläubigerausschuss in Auftrag gegebenen Kassenprüfungen“ betreffend 2010 – 2013 in Rechnung gestellt worden sind, nicht als Vorsteuern anerkannt hat; hierdurch ist der Kläger in seinen Rechten verletzt.
13Der Vorsteueranspruch besteht zugunsten der Insolvenzmasse – denn der umsatzsteuerrechtliche Leistungsaustausch für Kassenprüfungen durch Dritte ist unmittelbar zwischen diesen und der Insolvenzmasse gegeben. So kann man schon ansatzweise auch das Schreiben des Finanzministeriums < FM > Nordrhein – Westfalen < NRW > vom 4.1.2012 (S 7300 – 123 – V A 4) verstehen, heißt es dort unter anderem auch:
14„… Leistungsempfänger der Leistung … ist die Insolvenzmasse. … Die Überwachung und Unterstützung der Tätigkeit des Insolvenzverwalters … trifft daher den Insolvenzverwalter als Rechtsträger des die Insolvenzmasse bildenden Vermögens. …“
15Dies sieht der erkennende Senat ebenso.
16Zwischen Insolvenzmasse und Kassenprüfern ist umsatzsteuerrechtlich aber nichts zwischengeschaltet – weder der Gläubigerausschuss an sich noch seine Mitglieder in ihrer Gesamtheit oder einzeln. Für eine solche Zwischenschaltung gibt es keinen Anlass und auch keine rechtliche Grundlage.
17Es erscheint gar in sich widersprüchlich, einerseits für die Kassenprüfung durch Dritte auf den Gläubigerausschuss als zutreffenden Leistungsempfänger abzustellen (so 1. Absatz 2 zu den „Umsatzsteuerrechtlichen Beurteilungsgrundsätzen“ im Schreiben des FM NRW vom 4.1.2012 < S 7300 – 123 – V A 4 >) – andererseits aber nicht den Gläubigerausschuss, sondern die Mitglieder des Gläubigerausschusses unmittelbar als aus der Rechnung des Prüfers/Sachverständigen vorsteuerabzugsberechtigt anzusehen (so 2. Absatz 1 zu den „Umsatzsteuerrechtlichen Beurteilungsgrundsätzen“ im Schreiben des FM NRW vom 4.1.2012 < S 7300 – 123 – V A 4 >). Auch gibt es nichts zwingend dafür, dass die Ausschussmitglieder mit ihrer Tätigkeit für den Gläubigerausschuss unternehmerisch tätig werden (so 2. Absatz 2 Satz 1 zu „Umsatzsteuerrechtlichen Beurteilungsgrundsätzen“ im Schreiben des FM NRW vom 4.1.2012 < S 7300 – 123 – V A 4 >) – es geht allein um die Wahrnehmung der Interessen der Gläubiger. Das mag unternehmerisch sein können, muss es aber nicht – beispielsweise dürfte es dem Vertreter der Arbeitnehmer nach § 67 Abs. 2 Satz 2 InsO kaum darum gehen unternehmerisch tätig zu sein, dafür bestünde jedenfalls nicht ohne weiteres ein Anlass. Dem allem braucht aber auch nicht weiter nachgegangen zu werden.
18Wenn Dritte nach § 69 Satz 2 InsO mit der Kassenprüfung beauftragt werden, erschöpft sich die Rolle der Gläubigerausschusses an sich oder seiner Mitglieder in ihrer Gesamtheit oder einzeln bei der Wahrnehmung der Aufgabe, den Geldverkehr und –bestand prüfen zu lassen darin, den entsprechenden Auftrag unmittelbar für den Insolvenzschuldner als den Rechtsträger des die Insolvenzmasse bildenden Vermögens zu erteilen. Genauso hat dies auch der Kassenprüfer verstanden – hat er sodann doch die Rechnungen für seine Leistungen unmittelbar an den Kläger als Insolvenzverwalter gerichtet. Dies entsprach auch §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs < BGB >. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind nämlich gemäß diesen Normen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Um eine Verfolgung allein ihrer eigenen Ansprüche geht es den Mitgliedern eines Gläubigerausschusses als für den Gläubigerausschuss oder sich selbst handelnd aber ersichtlich nicht und darf es auch nicht gehen – immerhin sind sie nach § 71 Satz 1 InsO den absonderungsberechtigten Gläubigern und den Insolvenzgläubigern zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sie schuldhaft die Pflichten verletzen, die ihnen nach der InsO obliegen.
19In diesem Umfang haben der Gläubigerausschuss an sich oder seine Mitglieder in ihrer Gesamtheit oder einzeln auch Vertretungsmacht. Zwar gehört es zu den Aufgaben eines Gläubigerausschusses grundsätzlich nicht, nach außen hin aufzutreten – damit in der Regel auch nicht, Masseverbindlichkeiten durch Abschluss von Verträgen im Namen des insolventen Unternehmens zu begründen. Denn diese Aufgabe obliegt dem Insolvenzverwalter (Urteil des Bundesgerichtshofs < BGH > vom 22.4.1981, VIII ZR 34/80). Eine Ausnahme davon bietet aber § 69 Satz 2 InsO, wonach ein Gläubigerausschuss den Geldverkehr und –bestand prüfen lassen kann. Wenn der Gesetzgeber den Gläubigerausschuss an sich oder seine Mitglieder in ihrer Gesamtheit oder einzeln entsprechend ermächtigt, liegt es nahe, ihn oder diese auch zur Kostenfolge für den Insolvenzschuldner zu ermächtigen (so im Ansatz auch Kahlert, Umsatzsteuerliche Behandlung der Einschaltung eines externen Kassenprüfers im Insolvenzverfahren, Deutsches Steuerrecht < DStR > 2011, 2439, 2440). Das eine ist ohne das andere nicht denkbar – insbesondere kann von Mitgliedern eines Gläubigerausschusses nicht erwartet werden, mit der Begleichung von Kosten für die Prüfung des Geldverkehrs und –bestands ggf. in Vorleistung treten zu müssen. Mitglieder eines Gläubigerausschusses sind in der Regel Gläubiger. Es besteht kein sachlich gerechtfertigter Grund, diese Gläubiger anders als andere Gläubiger zu behandeln – die Mitgliedschaft im Gläubigerausschuss allein reichte aus Sicht des erkennenden Senats nicht, es sei denn anderes wäre wie in § 71 Satz 1 InsO zur Haftung der Mitglieder des Gläubigerausschusses konkret gesetzlich angeordnet. Gäbe es zudem ggf. noch eine Pflicht, für Kosten in Vorleistung treten zu müssen, fände sich wohl sonst auch kaum jemand als Mitglied für einen Gläubigerausschuss – insbesondere nicht als Vertreter für Kleingläubiger oder als Vertreter der Arbeitnehmer, § 67 Abs. 2 Sätze 1 und 2 InsO.
20Soweit Schirmer (Kosten für einen externen Kassenprüfer im Insolvenzverfahren, DStR 2012, 733, 735) meint, bei dieser Sichtweise würde sich der Verwalter letztlich selbst prüfen, folgt der erkennende Senat dem nicht. Die Kompetenz des Gläubigerausschusses an sich oder seine Mitglieder in ihrer Gesamtheit oder einzeln zur Auswahl eines Dritten zur Kassenprüfung und zur Wahrnehmung der Rechte aus einer entsprechenden Beauftragung überlagert insoweit die Kompetenzen des Insolvenzverwalters. Das wird auch in der insolvenzrechtlichen Literatur so gesehen – wohl übereinstimmend. Jedenfalls wird hier offensichtlich ganz einheitlich vertreten, die Kosten für die Beauftragung Dritter mit der Kassenprüfung stellten keine Auslagen im Sinne des § 54 Nr. 2 InsO dar, sondern Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (so schon die Begründung im Regierungsentwurf, 12/2442, S. 132 und: Andres in Andres/Leithaus, InsO, 3. Auflage 2014, § 69 RdNr. 7; Braun/Hirte, InsO, 6. Auflage 2014, § 69, RdNr. 11; Gerhardt in Jaeger, InsO, 2007, § 69 RdNr. 18; Knof in Uhlenbruck, Inso, 14. Auflage 2015, § 69 RdNr. 32; Riedel in Kayst/Thole, InsO, 8. Auflage 2016, § 69 RdNr. 5; Schmidt-Burgk in Münchener Kommentar zur InsO, 3. Auflage 2013, § 69 RdNr. 18; Schmitt in Frankfurter Kommentar zur InsO, 8. Auflage 2015, § 69 RdNr. 11; Weiß in Nerlich/Römermann, InsO 2017, § 69 RdNr. 23).
21Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung < FGO >.