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Der Beklagte wird unter Aufhebung seines ablehnenden Bescheides vom 9. März 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2016 verpflichtet, der Klägerin eine Steuerentlastung für ihre KWK-Anlage im ... in ... (Anlagennummer des Beklagten: ...) für das Jahr 2013 in Höhe von 8.743,43 € zu gewähren.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin erbringt Energiedienstleistungen, insbesondere die Lieferung von Wärme, Kälte und anderen Nutzenergien und unterhält und betreibt Versorgungsnetze. Ihr Hauptgeschäftszweck besteht in der Energieversorgung von … Einrichtungen.
3Eine der versorgten Einrichtungen ist das Wohnheim , ... in .... Die Versorgung der Einrichtung erfolgt seit dem … durch eine von der Klägerin betriebene Anlage zur gekoppelten Erzeugung von Kraft und Wärme (KWK-Anlage) in Form eines Blockheizkraftwerks (BHKW). Die Anlage des Herstellers A GmbH, vom Typ …, mit der vom Beklagten vergebenen Anlagennummer ..., weist eine elektrische Nennleistung von 50 kW/h auf. Durch diese Anlage wurde die zuvor vorhandene Heizungsanlage ersetzt.
4Die Klägerin beantragte am 28. Juli 2014 für die KWK-Anlage beim Beklagten die vollständige Steuerentlastung für die gekoppelte Erzeugung von Kraft und Wärme nach § 53a des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) für das Jahr 2013 für 1.589,715 MWh in Höhe von 8.743,43 €. Im Antrag gab sie einen Jahresnutzungsgrad von 81 % nebst Berechnung hierzu sowie die Hocheffizienz der Anlage unter Bezugnahme auf die Nachweise zum Erstantrag an. Den Abschreibungszeitraum trug sie mit Beginn am 8. Oktober 2010 ein. Auf die Anforderung von Abschreibungsnachweisen durch den Beklagten ergänzte die Klägerin die Angaben dahingehend, dass die Anlage nicht als Investition aktiviert, sondern als Instandhaltungsaufwand in voller Höhe im Jahr 2010 verbucht worden sei.
5Der Beklagte lehnte daraufhin unter dem 9. März 2015 den Antrag der Klägerin auf Steuerentlastung nach § 53a EnergieStG für das Jahr 2013 mit der Begründung ab, dass die Entlastung nur bis zur vollständigen Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewährt werden könne. Vorliegend sei die Anlage schon im Jahr 2010 vollständig abgeschrieben worden.
6Die Klägerin legte hiergegen Einspruch mit der Begründung ein, dass im Jahr der Anschaffung der KWK-Anlage das bilanzielle und steuerliche Wahlrecht in Anspruch genommen worden sei, die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Errichtung der Anlage im selben Jahr vollständig als Erhaltungsaufwand zu erfassen. Eine vorherige Aktivierung als Anlagevermögen und Berücksichtigung von AfA sei nicht erfolgt. Dies sei nach der derzeitigen Auffassung der Finanzverwaltung sogar gar nicht möglich gewesen, da hiernach Aufwendungen für den Ersatz der Heizungsanlage mangels Herstellung, Erweiterung oder Verbesserung keine Herstellungskosten darstellten. Weiterhin sei zum Zeitpunkt der Berücksichtigung als Erhaltungsaufwand die gesetzliche Koppelung der Entlastungsmöglichkeit mit dem Abschreibungszeitraum noch nicht bekannt gewesen. Die Gesetzesänderung sei nur darauf zurückzuführen, dass die Europäische Kommission (EU-Kommission) die beihilferechtliche Genehmigung für die Regelung vor dem 1. April 2012 im Hinblick auf eine zeitlich unbegrenzte Förderung abgelehnt habe. Dem stehe auch § 99c Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes (Energiesteuer-Durchführungsverordnung – EnergieStV) nicht entgegen. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 26. März 2013 sei in den Fällen, in denen für die Anlage keine Absetzung für Abnutzung erfolge (z.B. Buchführung nach kameralistischen Grundsätzen, freiwilliger Verzicht auf die Absetzung für Abnutzung), obwohl sie sich im nach dem EStG zulässigen Absetzungszeitraum befinde, eine entsprechende Anwendung vorzunehmen. Dementsprechend bestehe auch vorliegend für die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Anlage von 10 Jahren entsprechend der beabsichtigten zeitlichen Begrenzung ein Anspruch auf Entlastung. Dies sei gerade Wille des Gesetz- und Verordnungsgebers. Insbesondere liege keine von der EU-Kommission unerwünschte Überkompensation vor. Die Förderung sei auch hier auf 10 Jahre begrenzt. Außerdem sei die Entscheidung der EU-Kommission ohne Bezugnahme auf die ertragsteuerlichen Auswirkungen erfolgt. Diese habe sich nur auf Verbrauchsteuern und das Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz - KWK-Gesetz) bezogen.
7Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 21. Januar 2016 als unbegründet zurück. Wenn das Finanzamt die Berücksichtigung als Erhaltungsaufwand akzeptiere, gelte die Anlage als bilanziell abgeschrieben. Die Regelungen zur fiktiven Abschreibung seien nicht einschlägig. Eine Steuerentlastung über den Zeitraum des berücksichtigten Erhaltungsaufwands hinaus komme nicht in Betracht. Denn entsprechend der beihilferechtlichen Genehmigung der EU-Kommission vom 21. Februar 2013 bestehe ein Anspruch auf vollständige Entlastung nur, solange die KWK-Anlage bilanziell abgeschrieben werde. Eine steuerliche Überkompensation, also Mehrfachförderung sei nicht zulässig.
8Mit ihrer Klage trägt die Klägerin ergänzend vor, dass das vorliegende Verfahren grundsätzliche Bedeutung habe, da sie selbst derzeit mehr als KWK-Anlagen betreibe, von denen die ältesten bald ersetzt werden müssten.
9Sie beantragt,
101. den Beklagten unter Aufhebung seines ablehnenden Bescheides vom 9. März 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2016 zu verpflichten, ihr eine Steuerentlastung für ihre KWK-Anlage im ... in ... (Anlagennummer des Beklagten: ...) für das Jahr 2013 in Höhe von 8.743,43 € zu gewähren;
2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage hat Erfolg.
19Sie ist zulässig und begründet.
20Der Klägerin hat für ihre KWK-Anlage im ... in ... (Anlagennummer des Beklagten: ...) für das Jahr 2013 einen Anspruch auf Steuerentlastung nach § 53a EnergieStG. Die Ablehnung des Beklagten vom 9. März 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 S. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO).
21Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG wird eine vollständige Steuerentlastung gewährt für nachweislich versteuerte Energieerzeugnisse, die zur gekoppelten Erzeugung von Kraft und Wärme in ortsfesten Anlagen verwendet worden sind. Nach § 53a Abs. 1 S. 2 EnergieStG ist weiter erforderlich, dass diese Anlagen hocheffizient sind und einen Monats- oder Jahresnutzungsgrad von mindestens 70 % erreichen. An dem Vorliegen dieser Voraussetzungen bestehen, auch von Seiten des Beklagten, keine Bedenken. Insbesondere berechnet die Klägerin den Jahresnutzungsgrad selbst mit 81 %, Angaben zur Hocheffizienz der Anlage hat sie bereits im Rahmen eines Erstantrags dem Beklagten vorgelegt.
22Anders als der Beklagte meint, sind darüber hinaus auch die Voraussetzungen des § 53a Abs. 2 Satz 1 EnergieStG erfüllt, auch wenn für die KWK-Anlage ertragsteuerlich tatsächlich keine Absetzung für Abnutzung in Anspruch genommen, sondern der Aufwand im Jahr der Anschaffung als sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand berücksichtigt worden ist.
23Nach § 53a Abs. 2 Satz 1 EnergieStG wird die Steuerentlastung nur bis zur vollständigen Absetzung für Abnutzung der Hauptbestandteile der Anlage entsprechend den Vorgaben des § 7 des EStG gewährt. Dabei stellt der Wortlaut der Vorschrift nicht ausdrücklich darauf ab, dass eine solche Absetzung für Abnutzung für die Anlage ertragssteuerrechtlich tatsächlich in Anspruch genommen worden ist oder in Anspruch genommen werden könnte. Vielmehr ist die Formulierung lediglich als zeitliche Begrenzung der Entlastungsberechtigung auf den Zeitraum der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der Anlage zu verstehen.
24Das ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 99c Abs. 3 EnergieStV. Hiernach ist unter anderem § 99c Abs. 1 EnergieStV zur Ermittlung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer und zu Umfang und Zeitraum der Steuerentlastung sinngemäß anzuwenden, wenn für die Anlage keine Absetzung für Abnutzung nach § 7 EStG erfolgt. Weitere Definitionen oder Einschränkungen, warum eine solche Absetzung für Abnutzung nicht „erfolgt“, enthält die Vorschrift nicht. Exemplarisch führt das BMF-Schreiben vom 26. März 2013 (Gz. III B 6 – V 8105/12/10001 :005, Dok 2013/0265377, unter VI.e.) den freiwilligen Verzicht des Steuerpflichtigen sowie die Buchführung nach kameralistischen Grundsätzen an. § 99c Abs. 3 EnergieStV lässt nach seinem Wortlaut aber auch für die Fälle Raum, in denen, wie vorliegend, ein Wahlrecht zwischen sofort abzugsfähigem Erhaltungsaufwand und Absetzung für Abnutzung in der Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2015 bestand (zum Wahlrecht OFD NRW vom 13. Januar 2016, VV NW OFD NRW 2016-01-13 S 2130-2011/0003-St 146, unter 2.4.2).
25Eine solche Auslegung der Vorschrift entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Denn der Gesetzgeber ging in der Gesetzesbegründung zu § 53a EnergieStG davon aus, dass die Begrenzung der Steuerentlastung auf den Zeitraum bis zur vollständigen Absetzung für Abnutzung zwingende Voraussetzung nach dem EU-Beihilferecht sei (BT-Drs. 17/11387, S. 37). Dem entsprechend sieht auch die für die beihilferechtliche Genehmigung zuständige EU-Kommission die Notwendigkeit der Begrenzung der Beihilferegelungen auf eine angemessene Geltungsdauer im Allgemeinen sowie „bis zur vollständigen Abschreibung der Anlagen“ im Fall der Kraft-Wärme-Kopplung, ohne die Beihilfe ausdrücklich von der möglichen oder tatsächlichen Inanspruchnahme einer ertragsteuerlichen Absetzung für Abnutzung abhängig zu machen (siehe die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen vom 1. April 2008, ABl. EU Nr. C 82, S. 15 und 19 (3.1.6.2 „Option 1“), 20 (3.1.7.2) sowie die Genehmigung der EU-Kommission vom 21. Februar 2013 – C (2013) 1104 final, S. 15 Rn. 62; hierzu auch Stein/Arendt, CuR 2013, 52 ff. zu V.2.d.). Die EU-Kommission stellt im Rahmen der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen sogar ausdrücklich darauf ab, dass die Beihilfe im Einklang mit den Umweltschutzleitlinien „zeitlich“ auf den normalen Abschreibungszeitraum beschränkt bleibe (Genehmigung der EU-Kommission vom 21. Februar 2013 – C (2013) 1104 final, S. 16 Rn. 66). Anders als der Beklagte meint, ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine Parallelität der ertrag- und energiesteuerrechtlichen Begünstigungen erreichen wollte. Auch die EU-Kommission prüft die Frage der Überkompensation nicht in diesem Zusammenhang (Genehmigung der EU-Kommission vom 21. Februar 2013 – C (2013) 1104 final, S. 15 Rn. 60, 61, S. 16 Rn. 64, 67).
26Schließlich entspricht die gleichmäßige Entlastung aller Anlagen, die die Voraussetzungen des § 53a Abs. 1 EnergieStG erfüllen, innerhalb des nach § 53a Abs. 2 EnergieStG begrenzten Zeitraums auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes und dem EU-Recht, wonach mit der Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungsprozessen umweltpolitische Ziele verfolgt werden (für eine Zusammenfassung der Ziele von Union und Bundesrepublik Deutschland siehe die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen vom 1. April 2008, ABl. EU Nr. C 82, S. 10 sowie die Genehmigung der EU-Kommission vom 21. Februar 2013 – C (2013) 1104 final, S. 6 Rn. 26 ff.).
27Die von der Klägerin ermittelte Höhe der begehrten Entlastung von 8.743,43 € hat der Beklagte nicht beanstandet.
28Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 155 Satz 1 FGO, § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.