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Der Bescheid des Beklagten vom 11.12.2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2016 wird aufgehoben, soweit mehr als vier Dosen Kaviar zu 50 g beschlagnahmt worden sind. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin erwarb am 06.12.2015 sechs Dosen zu jeweils 50 g gezüchteten Kaviar in Teheran. Hinsichtlich der für den Erwerb ausgestellten Rechnung ergab sich, dass es sich dabei um Zuchtkaviar gehandelt habe.
3Am 11.12.2015 reiste die Klägerin über das Zollamt Flughafen des Beklagten in das Zollgebiet der EU ein und benutzte den grünen Kanal. Bei der Zollkontrolle wurde der in einer Kühlbox befindliche Kaviar (schwarzer Beluga, lat. Huso Huso) festgestellt und wegen fehlender Genehmigungen durch auf § 51 Abs. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) gestützte Verfügung beschlagnahmt. In dem Bescheid wurde der Klägerin Gelegenheit gegeben, binnen eines Monats die erforderlichen Dokumente vorzulegen, da die Ware andernfalls eingezogen werde. Zugleich wurde ihr mitgeteilt, dass die Frist auf Antrag bis zu sechs Monaten verlängert werden könne, wenn eine nachträgliche Vorlage der Dokumente zu erwarten sei.
4Der Bescheid wurde der Klägerin ausgehändigt. Bei der Kontrolle gab sie an, der Kaviar sei als Geschenk für Familienangehörige bestimmt gewesen.
5Gegen die Beschlagnahme legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein und trug zur Begründung vor, vier der Dosen seien für ihre Tochter und eine für ihren Sohn als Geschenk bestimmt gewesen. Eine Dose habe sie selbst verbrauchen wollen.
6Verkäufer des Kaviars sei die einzige staatliche Behörde im Iran, die zur Kontrolle des Washingtoner Artenschutzübereinkommens beim Verkauf von gezüchtetem Kaviar autorisiert sei. Insoweit werde auf eine entsprechende E-Mail des Leiters dieser Behörde an das Bundesamt für Naturschutz in Bezug auf den beschlagnahmten Kaviar hingewiesen.
7Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass sie eine Einfuhrgenehmigung für Deutschland gebraucht hätte.
8Mit Einspruchsentscheidung vom 16.11.2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte dazu aus, die für die Einfuhr des Kaviars nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 09.12.1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels – VO 338/97 – erforderliche Genehmigung habe die Klägerin nicht vorgelegt. Werde bei der zollamtlichen Überwachung festgestellt, dass der Kaviar ohne die vorgeschriebene Genehmigung eingeführt worden sei, werde er beschlagnahmt, § 51 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG. Die erforderlichen Dokumente habe die Klägerin auch nicht nachträglich vorgelegt.
9Dier übrige Darstellung der Klägerin rechtfertige kein anderes Ergebnis, zumal kein Ausnahmefall im Sinne des Art. 57 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 865/2006 der Kommission vom 04.05.2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels – VO 865/2006 – vorliege, da die Klägerin insgesamt mehr als 125 g Kaviar eingeführt habe.
10Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor, die VO 338/96 bezwecke nur den Schutz wildlebender Tier- und Pflanzenarten, so dass der streitbefangene gezüchtete Kaviar nicht von dieser Verordnung erfasst werde. Dies werde durch die von ihr vorgelegte Bescheinigung der iranischen Stör-Verwaltungsbehörde bestätigt.
11Zudem hätte der Beklagte ihr zwei Dosen Kaviar belassen müssen, zumal die Dosen entsprechend Art. 66 Abs. 6 VO 865/2006 verpackt gewesen seien.
12Die Klägerin beantragt,
13den Bescheid des Beklagten vom 11.12.2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2016 aufzuheben.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen,
16und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus, dass die VO 338/97 zwar dem Schutz der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten diene, aber den gesamten Handel einschränke. Dieser schließe alle Tiere und Teile oder aus ihnen gewonnene Erzeugnisse ein, wenn sie in den Anhängen zu dieser Verordnung erfasst seien.
17Das von der Klägerin vorgelegte Schreiben ersetzte nicht die Einfuhrgenehmigung.
18Auch komme eine Teilaufhebung der Beschlagnahme hinsichtlich von zwei Dosen nicht in Betracht, weil das Überschreiten der maximalen Freigrenze nur dazu führe, dass die Vergünstigung in vollem Umfang entfalle, Art. 1 Nr. 44 der Verordnung (EG) Nr. 100/2008 der Kommission zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 865/2006 der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates in Bezug auf Musterkollektionen und bestimmte Formalitäten im Zusammenhang mit dem Handel mit Arten freilebender Tiere und Pflanzen (ABl. 2008 Nr. L 31/3).
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage ist nur zu einem Teil begründet.
21Die angefochtene Beschlagnahmeverfügung des Beklagten vom 11.12.2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2016 verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit sie der Klägerin nicht zwei der Dosen Kaviar belassen hat. Sie ist insoweit aufzuheben, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Im Übrigen ist die Beschlagnahme des Kaviars zu Recht erfolgt.
22Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG werden Tiere dann, wenn bei der zollamtlichen Überwachung festgestellt wird, dass sie ohne die vorgeschriebenen Genehmigungen und Dokumente eingeführt werden, durch die Zollbehörden beschlagnahmt. Tiere im Sinne dieser Vorschrift sind auch die Eier von Tieren, § 8 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BNatSchG. Dementsprechend durfte der Beklagte den Kaviar beschlagnahmen, denn für die Einfuhr des von der Klägerin mitgebrachten Kaviars war eine Einfuhrgenehmigung erforderlich, die die Klägerin bis jetzt weder beantragt noch erhalten hat.
23Für die Einfuhr des Kaviars war eine Einfuhrgenehmigung erforderlich. Nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 VO 338/97 muss der Einfuhrzollstelle bei der Einfuhr von Exemplaren der Arten des Anhangs B in die EU zuvor eine Einfuhrgenehmigung einer Vollzugsbehörde des Bestimmungsmitgliedstaats vorgelegt werden.
24Störartige (lat. Acipenseriformes spp.) sind, soweit sie nicht in Anhang A VO 338/97 erfasst sind, in Anhang B VO 338/97 erfasst. Zu den darin genannten Störartigen gehört auch Kaviar als Eier von einem Stör. Exemplare im Sinne der o.a. Bestimmung ist nämlich nach Art. 2 Buchst. t VO 338/97 in dem hier interessierenden Zusammenhang jedes lebende oder tote Tier oder aus ihnen gewonnene Erzeugnisse einer in den Anhängen A oder B aufgeführten Art. Dazu gehören auch sämtliche Waren, wenn u.a. aus einem Begleitdokument oder aus der Verpackung hervorgeht, dass sie Teile oder Erzeugnisse aus Tieren dieser Art enthalten, sofern diese Teile und Erzeugnisse nicht ausdrücklich von den Vorschriften dieser Verordnung ausgenommen sind. Dementsprechend werden die Eier eines Störs, Kaviar, von dieser Vorschrift erfasst.
25Voraussetzung für die Annahme eines Exemplars ist nicht der Umstand, dass das Tier, aus dem das Exemplar gewonnen wurde, selbst wildlebend war. Vielmehr ergibt sich, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat, aus Art. 2 Buchst. c, Art. 8 Abs. 3 Buchst. d VO 338/97, dass die VO 338/97 auch auf gezüchtete Exemplare anzuwenden ist. Gerade die Kontrolle des Handels für Exemplare des Anhangs B erstreckt sich nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. d VO 338/97 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 5 VO 338/97 auch auf gezüchtete Exemplare. Zudem werden in den Erläuterungen zu den Anhängen A bis D der VO 338/97 nicht wildlebende Exemplare nicht ausdrücklich ausgenommen.
26Für die Erteilung der danach erforderlichen Einfuhrgenehmigung ist das Bundesamt für Naturschutz zuständig, § 48 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BNatSchG. Die danach erforderliche Einfuhrgenehmigung liegt bis jetzt nicht vor.
27Gleichwohl durfte sich die Beschlagnahmeverfügung nicht auf die gesamte Kaviarmenge, sondern nur auf vier der sechs Dosen zu 50 g erstrecken, weil die Klägerin zwei Dosen genehmigungsfrei einführen durfte.
28Art. 7 Abs. 3 VO 338/97 sieht Ausnahmen von Art. 4 VO 338/97 bei toten Exemplaren, Teilen und Erzeugnissen aus Exemplaren des Anhangs B vor, wenn es sich um persönliche Gegenstände und Haushaltsgegenstände handelt. Die danach erlassene VO 865/2006 erlaubt nach ihrem Art. 57 Abs. 5 Buchst. a VO 865/2006 für die Einfuhr von Kaviar von Störartigen in Mengen bis zu 125 g pro Person in gemäß Art. 66 Abs. 6 VO 865/2006 einzeln gekennzeichneten Behältern ohne Einfuhrgenehmigung.
29Diese Ausnahme gilt vorbehaltlich des Art. 57 Abs. 1 VO 865/2006 für Exemplare als persönliche Gegenstände und Haushaltsgegenstände jedoch nur, wenn sie nicht zur Erzielung kommerzieller Gewinne verwendet, zu kommerziellen Zwecken verkauft oder zur Schau gestellt oder zu Verkaufszwecken aufbewahrt, angeboten oder befördert werden. Derartiges hatte die Klägerin nicht beabsichtigt, vielmehr wollte sie fünf Dosen an ihre Kinder verschenken und eine Dose selbst verbrauchen. Zudem war die von ihr verbrachte Menge an Kaviar objektiv gering, so dass schon deshalb eine gewerbliche Verwendung im Sinne des Art. 57 Abs. 1 VO 865/2006 fern lag.
30Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich aus Art. 57 Abs. 5 Buchst. a VO 865/2006 nicht, dass der gesamte am 06.12.2015 von der Klägerin in das Zollgebiet verbrachte Kaviar beschlagnahmt werden durfte, weil dessen Gesamtmenge die von Art. 57 Abs. 5 Buchst. a VO 865/2006 vorgeschriebene Höchstmenge überschritten hat.
31Bei Art. 57 Abs. 5 Buchst. a VO 865/2006 handelt es sich um eine den Freimengenregelungen der Richtlinie 2007/74/EG des Rates vom 20. Dezember 2007 über die Befreiung der von aus Drittländern kommenden Reisenden eingeführten Waren von der Mehrwertsteuer und den Verbrauchsteuern (ABl. EU Nr. L 346/6) vergleichbare Bestimmung, die kleine Mengen nicht gewerblicher Einfuhren unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 57 Abs. 1 bis 4 VO 865/2006 von einer Genehmigungspflicht freistellt. Eine Notwendigkeit, diese begrenzte Freimenge bei einer Überschreitung der Menge gänzlich auszuschließen, obwohl sich wie im Streitfall nach den Umständen des Einzelfalls keinen Anhaltspunkt für eine gewerbliche Einfuhr erkennen lassen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist eine den steuerlichen Freimengenregelungen entsprechende Handhabung angebracht, wie sie etwa § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Einfuhrabgabenfreiheit von Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden (Einreise-Freimengen-Verordnung – EF-VO) vorsieht. Danach sind nur die Waren zu berücksichtigen, die unter der höchstens zulässigen Menge liegen, ohne dass es zu einer Aufteilung kommt. Dementsprechend konnten nur zwei Dosen Kaviar zu 50 g der Klägerin belassen werden.
32Eine anderer, von einer derartigen Freimengenregelung abweichender Inhalt der Regelung ist weder der Verordnung (EG) Nr. 100/2008 der Kommission vom 4. Februar 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 865/2006 der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates in Bezug auf Musterkollektionen und bestimmte Formalitäten im Zusammenhang mit dem Handel mit Arten freilebender Tiere und Pflanzen (ABl. EU Nr. L 31/3) noch der CITES-Resolution 13.7 zu entnehmen.
33Selbst die zu einem anderen Ergebnis kommende Dienstanweisung des Beklagten sieht in Art. 57 Abs. 5 eine Freimengenregelung (s. Abs. 16 der Artenschutz DV, EVSF S 08 32-9), ohne daraus jedoch die sich für Freimengen ergebenden Konsequenzen einer teilweisen Berücksichtigung bei Mehrmengen zu ziehen.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die Nichtzulassung der Revision aus § 115 Abs. 2 FGO.