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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, die im Jahr 2012 gegründet wurde. Sie übernahm von der A KG, über deren Vermögen das Amtsgericht am 1. Juli 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet hatte, das Anlage- und Vorratsvermögen. Da bei der Gründung der Klägerin noch nicht feststand, welche Arbeitnehmer von der A KG übernommen werden sollten, wurden diese von der AP GmbH eingestellt. Die Klägerin war Alleingesellschafterin der AP GmbH. Die Klägerin schloss mit der AP GmbH am 10. November 2012 einen Vertrag über Produktionsleistungen ab. Nach § 1 dieses Vertrags verpflichtete sich die AP GmbH der Klägerin gegenüber, Produktionsleistungen aller Art am Standort L zu übernehmen, während die Produktionsanlagen im Eigentum der Klägerin verbleiben sollten. Die AP GmbH sollte nach § 3 des Vertrags die Leistungen in eigener Verantwortung ausführen. Weisungen sollte die Klägerin der AP GmbH nicht erteilen. Diese sollte den Arbeitsablauf und den Einsatz von Erfüllungsgehilfen selbständig organisieren. Nach § 4 des Vertrags sollte die Klägerin das Arbeitsgerät und die Arbeitsmittel sowie sämtliche zu verarbeitenden Rohstoffe zur Verfügung stellen, die jedoch in ihrem Eigentum verbleiben sollten.
3Die Klägerin beantragte am 30. Januar 2014 beim beklagten Hauptzollamt, ihr für den Monat Dezember 2013 eine Steuerentlastung nach § 9b des Stromsteuergesetzes (StromStG) zu gewähren. Dabei verwies sie auf ihre bereits eingereichte Beschreibung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit, mit der sie ihr Unternehmen dem Unterabschnitt DH 25.22.0 der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts, Ausgabe 2003 (WZ 2003), zugeordnet hatte. Das beklagte Hauptzollamt zahlte der Klägerin im Februar 2014 den Entlastungsbetrag aus.
4Im Anschluss an eine das Jahr 2014 betreffende Außenprüfung (Prüfungsbericht vom 1. Oktober 2015) vertrat das beklagte Hauptzollamt die Auffassung, dass die Klägerin nicht entlastungsberechtigt gewesen sei. Der Strom sei von der AP GmbH verwendet worden. Das beklagte Hauptzollamt setzte deshalb die für den Monat Dezember 2013 gewährte Steuerentlastung mit Bescheid vom 8. Dezember 2015 auf 0 € neu fest.
5Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch trug die Klägerin vor: Ihr Geschäftsführer sei gleichzeitig Geschäftsführer der AP GmbH gewesen. Daher habe er den Arbeitnehmern der AP GmbH Weisungen so erteilt, wie er sie erteilt hätte, wenn die Arbeitnehmer bei ihr angestellt gewesen seien. Betriebsverfassungsrechtlich seien die Arbeitnehmer der AP GmbH als zu ihrem Betrieb gehörend anzusehen. Bei dem mit der AP GmbH angeschlossenen Vertrag handele es sich zudem nicht um einen Werk-, sondern um einen Dienstvertrag.
6Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 17. Juni 2016 zurück und führte aus: Die Klägerin habe der AP GmbH, bei der es sich um ein rechtlich selbständiges Unternehmen gehandelt habe, die Entnahme des Stroms gestattet. Sie habe den Strom deshalb an die AP GmbH geleistet. Auf die zivilrechtliche Qualifikation des zwischen der Klägerin und der AP GmbH bestehenden Vertragsverhältnisses komme es nicht an. Die AP GmbH habe im Rahmen ihrer Tätigkeiten Unternehmerrisiken getragen und Unternehmerinitiative entfaltet. Die Weisungsbefugnisse des Geschäftsführers der Klägerin bei der AP GmbH änderten an deren rechtlicher Selbständigkeit nichts.
7Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Die AP GmbH sei nicht selbständig gewesen. Sie habe die Anlagen nicht ein- oder ausschalten oder Strom entnehmen können. Weisungsberechtigt gegenüber den Arbeitnehmern der AP GmbH sei ihr Geschäftsführer gewesen. Eine Willensbildung habe deshalb ausschließlich bei ihr stattgefunden. Unerheblich sei, mit wem die Arbeitsverträge abgeschossen worden seien. Daher habe die AP GmbH keine Unternehmerinitiative entfalten können.
8Die Klägerin beantragt,
9den Bescheid vom 8. Dezember 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2016 aufzuheben.
10Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung trägt es vor: Der Klägerin stehe kein Entlastungsanspruch zu, weil die AP GmbH den Strom für die Produktion verwendet habe. Dem Geschäftsführer der Klägerin möge zwar eine gewisse Weisungsbefugnis gegenüber den Arbeitnehmern der AP GmbH zugestanden haben. Dies ändere jedoch nichts an der rechtlichen Selbständigkeit dieser Gesellschaft.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
14Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 8. Dezember 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das beklagte Hauptzollamt hat die der Klägerin für den Monat Dezember 2013 gewährte Steuerentlastung zu Recht auf 0 € festgesetzt. Die Klägerin hatte für diesen Monat keinen Anspruch auf die gewährte Steuerentlastung.
15Rechtsgrundlage für die Änderung der Festsetzung der Steuervergütung sind die §§ 155 Abs. 4, 164 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO). Der Entlastungsbetrag, welcher der Klägerin ausgezahlt worden ist, wurde unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt (§ 168 Satz 1 AO; § 17b Abs. 1 Satz 1 und 2 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes).
16Nach § 9b Abs. 1 Satz 1 des Stromsteuergesetzes (StromStG) wird auf Antrag eine Steuerentlastung für nachweislich nach § 3 StromStG versteuerten Strom gewährt, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft für betriebliche Zwecke entnommen hat und der nicht nach § 9 Abs. 1 StromStG von der Steuer befreit ist. Entlastungsberechtigt ist derjenige, der den Strom entnommen hat (§ 9b Abs. 3 StromStG). Im Streitfall ist der Strom nicht für betriebliche Zwecke der Klägerin, sondern für betriebliche Zwecke der AP GmbH entnommen worden. Die Klägerin ist daher nicht entlastungsberechtigt gewesen.
17Gemäß § 2 Nr. 3 StromStG sind Unternehmen des Produzierenden Gewerbes unter anderem solche Unternehmen, die dem Abschnitt C (Bergbau und Gewinnung von Steine und Erden), D (Verarbeitendes Gewerbe), E (Energie- und Wasserversorgung) oder F (Baugewerbe) der WZ 2003 zuzuordnen sind. Das Unternehmen der Klägerin kann für den fraglichen Entlastungsabschnitt nicht dem Unterabschnitt DH 25.22.0 der WZ 2003 (Herstellung von Verpackungsmitteln aus Kunststoffen) zugeordnet werden. Die Klägerin hat in dem in Rede stehenden Entlastungsabschnitt nicht selbst Verpackungsmittel hergestellt hat.
18Nach § 2 Nr. 4 StromStG ist ein Unternehmen im Sinne des § 2 Nr. 3 StromStG eine kleinste rechtlich selbständige Einheit. Obgleich die Klägerin in dem fraglichen Entlastungsabschnitt Alleingesellschafterin der AP GmbH war und der Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin BB neben CC Geschäftsführer der AP GmbH war, war diese eine kleinste rechtlich selbständige Einheit (§ 13 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Der Umstand, dass es sich bei der AP GmbH um eine von der Klägerin beherrschte Konzerngesellschaft handelte, änderte an der zivilrechtlichen und damit auch stromsteuerrechtlichen (§ 2 Nr. 4 StromStG) rechtlichen Selbständigkeit der AP GmbH nichts. In Anbetracht dieser ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers kann nicht auf das Vorliegen einer betriebswirtschaftlich organisatorischen Einheit abgestellt werden. Da die Arbeitnehmer der AP GmbH die Verpackungsmittel hergestellt haben, ist der Herstellungsprozess mithin dieser Gesellschaft und nicht der Klägerin zuzurechnen (vgl. BFH, Urteil vom 18. März 2014 VII R 12/13, BFH/NV 2014, 1093).
19Nach § 4 des Vertrags vom 10. November 2012 sollte die Klägerin zwar das Arbeitsgerät und die Arbeitsmittel sowie sämtliche zu verarbeitenden Rohstoffe für die Herstellung der Folien zur Verfügung stellen. Hierbei handelt es sich indessen um eine im Werkvertragsrecht anzutreffende Nebenpflicht des Bestellers (§§ 642 Abs. 1, 645 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), die an der rechtlichen Selbständigkeit der AP GmbH nichts änderte (vgl. BFH, Urteil vom 25. September 2013 VII R 64/11, BFHE 242, 460). Dahinstehen kann zudem, ob die AP GmbH Unternehmerinitiative entfalten konnte und Unternehmerrisiko getragen hat. Denn auch dies sind keine Gesichtspunkte, die für die Frage der rechtlichen Selbständigkeit eines Unternehmens (§ 2 Nr. 4 StromStG; § 13 Abs. 1 GmbHG) von Bedeutung sind (vgl. BFH, Beschluss vom 21. August 2014 VII R 11/13, BFH/NV 2015, 62).
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO im Hinblick auf das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 24. Oktober 2013 4 K 137/12 zugelassen.