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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 36.010.- € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin betrieb in den Streitjahren 2009 und 2010 eine Fachklinik für plastische und kosmetische Chirurgie mit Standorten in Z und Y. Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin war die Ärztin für Chirurgie Dr. B. Die in der Klinik – ambulant und stationär - durchgeführten ärztlichen Leistungen, die sowohl medizinisch indizierte Heilbehandlungen als auch Schönheitsoperationen ohne medizinische Indikation umfassen, wurden in den Streitjahren überwiegend durch Frau Dr. B ausgeführt; daneben war in den Streitjahren auch ihr Sohn Dr. C als selbständiger Arzt für die Klägerin tätig. Ferner nahm die Klägerin in den Streitjahren in geringem Umfang Leistungen von zwei weiteren selbständig tätigen Ärzten (Dr. D und Dr. E) in Anspruch.
3Gegenüber den behandelten Patienten wurden sämtliche in der Klinik durchgeführten ärztlichen Leistungen seit 2007 von der Klägerin geschuldet und von ihr in Rechnung gestellt. Demgegenüber wurden die von Frau Dr. B ausgeführten ärztlichen Leistungen bis 2006 unmittelbar von Frau Dr. B gegenüber den Patienten erbracht und abgerechnet. Hinsichtlich der von Frau Dr. B in den Jahren 2002 bis 2006 ausgeführten ärztlichen Leistungen kam es im Jahr 2008 zu einer tatsächlichen Verständigung dahingehend, dass 40 % ihrer Umsätze auf nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Heilbehandlungen und 60 % ihrer Umsätze auf steuerpflichtige Schönheitsoperationen entfielen. Für die ursprünglich im vorliegenden Verfahren ebenfalls streitigen Veranlagungszeiträume 2007 und 2008 haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2017 ebenfalls eine Verständigung getroffen, wegen deren Inhalts auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen wird.
4In ihren Umsatzsteuererklärungen 2009 und 2010 erklärte die Klägerin folgende Umsätze:
52009
6steuerfrei: 175.690.- €
7stpfl. 19 %: 222.649.- €
82010
9steuerfrei: 128.336.- €
10stpfl. 7%: 23.163.- €
11stpfl. 19 %: 145.044.- €
12Im Rahmen einer die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2009 betreffenden Betriebsprüfung vertrat der Prüfer u. a. die Auffassung, die von der Klägerin in 2009 ausgeführten Umsätze seien in vollem Umfang steuerpflichtig.
13Ab 2009 unterliege ein privates Krankenhaus nur dann der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG, wenn es nach § 108 SGB V zugelassen sei; eine derartige Zulassung liege jedoch nicht vor.
14Unabhängig davon lasse sich anhand der Ausgangsrechnungen der Klägerin nicht erkennen, welche Operationen medizinisch indiziert gewesen seien. Die Klägerin habe unter Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht lediglich eine selbst erstellte, anonymisierte Diagnoseliste nachgereicht, die jedoch keine Zuordnung zum konkreten Operationssachverhalt erlaube. Eine Überprüfung der medizinischen Indikation und des therapeutischen Ziels sei daher nicht möglich, was zum Nachteil der insoweit feststellungsbelasteten Klägerin gereiche. Hinzu komme, dass die Klägerin in Einzelfällen einheitliche Operationen umsatzsteuerlich unterschiedlich behandelt habe, indem sie Anzahlungen steuerfrei, die Schlusszahlungen aber umsatzsteuerpflichtig behandelt habe (Tz. 2.4 des BP-Berichtes vom 09.01.2012).
15Zudem seien die Umsätze aufgrund formeller und materieller Buchführungsmängel im Schätzungswege um Sicherheitszuschläge zu erhöhen (4.000.- € in 2009). Die Ausgangsrechnungen der Klägerin enthielten generell keine Rechnungsnummer. Zudem fehle es trotz erheblicher Barumsätze an einer ordnungsgemäßen Kassenführung (Tz. 2.2 und 2.12. des BP-Berichtes vom 09.01.2012).
16Der Beklagte folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und erließ am 01.03.2012 einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid 2009, mit dem er die Umsatzsteuer auf 52.228,90 € festsetzte. Zudem erließ er am 09.03.2012 einen von der Umsatzerklärung 2010 abweichenden Umsatzsteuerbescheid, mit dem er die als steuerfrei erklärten Umsätze der Besteuerung mit dem Regelsteuersatz unterwarf.
17Gegen die genannten Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens erging am 23.04.2012 ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 2010, in dem die angefallenen Vorsteuerbeträge nunmehr ungekürzt berücksichtigt wurden (festgesetzte Umsatzsteuer 2010: 37.235,52 €).
18Mit Einspruchsentscheidung vom 17.05.2013 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Es hielt an seiner Ansicht fest, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG seien nicht erfüllt. Zudem habe die Klägerin auch eine medizinische Indikation der von ihr ausgeführten Operationen nicht hinreichend belegt.
19Mit der hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend:
201. Die Umsätze der Klägerin seien teilweise steuerfrei. Dies ergebe sich aus § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG in der ab 2009 geltenden Fassung. Insofern sei der Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten, wonach Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirkten, unabhängig von ihrer Rechtsform gleich zu behandeln seien. Durch die Neufassung des § 4 Nr. 14 UStG ab 2009 habe der Gesetzgeber versucht, eine ordnungsgemäße Umsetzung des Unionsrechts zu gewährleisten. Für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG sei auch nach der Neufassung weiterhin maßgebend, dass ärztliche Leistungen durch den ein Krankenhaus betreibenden Arzt unabhängig von den in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG bezeichneten Voraussetzungen steuerfrei seien. Dies gelte auch für Leistungen anderer Ärzte, die in einem solchen Krankenhaus erbracht werden. Aus der BFH-Rechtsprechung ergebe sich nichts anderes, da im Streitfall der Sonderfall eines von einem Arzt betriebenen Krankenhauses gegeben sei.
212. Soweit der Beklagte seine Ansicht kumulativ damit begründe, die Klägerin habe die medizinische Indikation der durchgeführten Operationen nicht hinreichend dargelegt, könne dem nicht beigetreten werden. Dem Beklagten seien im Rahmen der Betriebsprüfung ca. 110 ärztliche Bescheinigungen bzw. andere gleichwertige Nachweise – etwa histologische Gewebeuntersuchungen von Tumoren bei Krebsverdacht – vorgelegt worden, aus denen sich entweder physiologische oder medizinisch-psychologische Indikationen für die durchgeführten Eingriffe ergeben hätten. Außerdem sei der Betriebsprüfung eine anonymisierte Diagnoseliste zu Verfügung gestellt worden. Darüber hinaus habe die Klägerin in vereinzelten Fällen übersehen, ärztliche Bescheinigungen vor Prüfungsbeginn zu entfernen.
22Nach der Rechtsprechung des EuGH müsse die Feststellung, ob ärztliche Heilbehandlungen bzw. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin vorliegen, von entsprechendem Fachpersonal getroffen werden. Zudem sei von Bedeutung, dass die Leistungen von einer Person erbracht werden, die zur Ausübung eines Heilberufs zugelassen sei oder dass der Zweck des Eingriffs von einer solchen Person bestimmt werde. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Die Operationen seien vorliegend ausnahmslos von Ärzten durchgeführt worden. Auch der Zweck des Eingriffs sei vorliegend ausnahmslos durch Ärzte bestimmt worden. An der Vorlage der vom Beklagten geforderten Unterlagen sei die Klägerin aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht gehindert.
23Am 22.01.2016 hat im vorliegenden Verfahren ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter stattgefunden. In dem Termin hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass für die ursprünglich ebenfalls streitigen Veranlagungszeiträume 2007 und 2008 eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG a.F. möglich sei, während für die Jahre ab 2009 keine Steuerbefreiung in Betracht kommen dürfte, da § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG n.F. keine dem § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG a.F. vergleichbare Regelung enthalte. Einschlägig sei somit in den Jahren ab 2009 § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG n.F., dessen Voraussetzungen unstreitig nicht erfüllt seien. Zwar entspreche § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG n.F. nicht vollständig den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL und sei insoweit eine unmittelbare Berufung auf das Unionsrecht möglich. Jedoch sei unionsrechtlich erforderlich, dass das private Krankenhaus unter in sozialer Hinsicht vergleichbaren Bedingungen wie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts betriebene Krankenhäuser tätig werden müsse. Dass diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt sei, sei nicht erkennbar.
24Im Anschluss an diesen Hinweis hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 08.12.2016 ergänzend vorgetragen:
25Die BFH-Rechtsprechung sei dahingehend zu verstehen, dass Heilbehandlungen eines Arztes, der selbst ein Krankenhaus betreibe, auch nach der Aufhebung des § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG a.F. gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG n.F. steuerfrei seien, da es keinen sachlichen Grund dafür gebe, dass ein Arzt als Steuerpflichtiger in einem Krankenhaus keine steuerfreie Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin erbringen könne. Auch in seinem Vorlagebeschluss vom 15.05.2012 V R 19/11 (BStBI II 2012, 803) habe der BFH die Auffassung vertreten, dass in einem Krankenhaus tätige Ärzte dort selbständige Leistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL erbringen könnten. Dies werde durch das EuGH-Urteil vom 13.03.2014 C-366/12 - Klinikum Dortmund – (UR 2014, 271) bestätigt. Eine andere Sichtweise verletze den Neutralitätsgrundsatz, der insbesondere verbiete, Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich zu behandeln. Der Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin werde im Ergebnis die Steuerbefreiung versagt, weil sie in Räumlichkeiten ausgeübt werde, die kein Krankenhaus im Sinne des § 108 SGB V seien. Letzteres schließe indes nicht aus, dass die Räumlichkeiten gleichsam eine Praxis oder ein anderer Ort der von der Gesellschafterin Frau Dr. B als Ärztin betriebenen Klägerin sein könnten. Es verstoße gegen die gebotene Rechtsformneutralität, wenn Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin zulasten der Klägerin als Krankenhausbehandlungen ausgelegt würden.
26Zudem könnten sich Privatkliniken für die Steuerfreiheit ihrer Leistungen unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen. Die Anerkennung einer Einrichtung im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL setze kein förmliches Verfahren voraus und müsse sich nicht unbedingt aus innerstaatlichen Vorschriften mit steuerrechtlichem Charakter ergeben. Es sei grundsätzlich Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die für eine solche Anerkennung gültigen Regeln aufzustellen. Die Klägerin habe in den Streitjahren über die für ihre Tätigkeit nach nationalem Recht allein erforderliche Genehmigung verfügt und habe ihre Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen erbracht wie nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser bzw. Krankenhäuser in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Hier sei jedoch zunächst zu berücksichtigen, dass es Frau Dr. B aufgrund ihres Alters noch bis zum Beginn des Jahres 2009 ausdrücklich verboten gewesen sei, mit gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen. Eine Bemühung um eine Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in 2009 wäre hinsichtlich der Genehmigung ungewiss gewesen, da schon damals geplant gewesen sei, dass Frau Dr. B ihre Operationen - mithin die Leistungen der Klägerin – im Sommer 2010 einstellen werde. Zudem habe das BSG mit Urteil vom 15.06.2012 B 6 KA 47/11 R entschieden, dass ein Arzt seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht in der Rechtsform einer GmbH betreiben könne, so dass die Klägerin als Einzelarzt in der Rechtsform der GmbH auch aus anderen Gründen im Jahr 2009 keine Kassenzulassung habe erhalten können. Die Klägerin sei somit durchgehend - zuerst aus Altersgründen, danach aus abrechnungstechnischen Gründen - auf die Versorgung selbstzahlender Patienten beschränkt gewesen.
27Privatkliniken seien nicht in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen (§ 108 Nr. 2 SGB V) und hätten auch keinen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen nach § 108 Nr. 3 SGB V abgeschlossen, so dass sie auf die Versorgung selbstzahlender Patienten beschränkt seien. Dies führe jedoch für sich genommen nicht zu einer fehlenden Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht. Da der in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG geregelte sozialversicherungsrechtliche Bedarfsvorbehalt nicht mit Unionsrecht vereinbar sei, könne es für die Frage der sozialen Vergleichbarkeit auch nicht auf die Behandlung gesetzlich versicherter Patienten ankommen. Vielmehr beziehe sich die Vergleichbarkeit auf die Art und Weise der Leistungserbringung, diene aber nicht dazu, Zulassungsbeschränkungen in Bezug auf den Kreis der zur umsatzsteuerfreien Leistungserbringung berechtigten Unternehmer zu rechtfertigen.
28Die Klägerin beantragt,
29die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 vom 01.03. und 23.04.2012 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer erklärungsgemäß festgesetzt wird, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
30Der Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Der Beklagte bleibt bei seiner Auffassung, dass eine Steuerbefreiung im Streitfall nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG und nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG in Betracht komme, da sowohl das nationale Gesetz als auch die MwStSystRL ausdrücklich zwischen Heilbehandlungen durch Ärzte einerseits und Krankenhausbehandlungen andererseits unterschieden.
33Die Voraussetzungen, unter denen Leistungen eines privaten Krankenhauses nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG steuerbefreit sind, habe der BMF aufgrund der BFH-Urteile vom 23.10.2014 V R 20/14 und vom 18.03.2015 XI R 38/13 mit Schreiben vom 06.10.2016 (BStBI I 2016, 1076) zusammenfassend dargestellt. Hiernach setze die Steuerfreiheit insbesondere voraus, dass das Krankenhaus seine Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen erbringe wie Krankenhäuser in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser. Diese Voraussetzung sei nur dann erfüllt, wenn das Leistungsangebot des privaten Krankenhaues dem von in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehenden oder nach § 108 SGB V zugelassenen Einrichtungen entspreche und mindestens 40 % der Belegungs- und Berechnungstage auf Patienten entfielen, bei denen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet würden. Zumindest die letztgenannte Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt.
34Entscheidungsgründe:
35Die Klage ist unbegründet.
36Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 vom 01.03. und 23.04.2012 und die Einspruchsentscheidung vom 17.05.2013 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Auch soweit die Klägerin in den Streitjahren medizinisch indizierte Heilbehandlungen durchgeführt hat, ergibt sich eine Steuerbefreiung weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht.
37I. Die von der Klägerin in den Streitjahren ausgeführten medizinisch indizierten Heilbehandlungen sind nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG steuerbefreit.
381. Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG umsatzsteuerfrei sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden. Diese Vorschrift setzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL in nationales Recht um. Danach befreien die Mitgliedstaaten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, von der Steuer. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der 6. EG-Richtlinie und Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c der MwStSystRL sind in gleicher Weise auszulegen; daher kann auch die EuGH-Rechtsprechung zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der 6. EG-Richtlinie zur Auslegung herangezogen werden. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG ist im Lichte dieser Bestimmungen richtlinienkonform auszulegen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 01.10.2014 XI R 13/14, HFR 2015, 278 m. w. N.).
392. Bei richtlinienkonformer Auslegung fallen die streitgegenständlichen Umsätze nicht in den Anwendungsbereich von § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG. Wie der EuGH zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Buchst. b und c des Art. 13 Teil A Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie bzw. Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL entschieden hat, steht das Kriterium, das für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der beiden Befreiungstatbestände zu berücksichtigen ist, weniger in Zusammenhang mit der Art der Leistung als vielmehr mit dem Ort ihrer Erbringung. So bezieht sich Buchst. b der genannten Normen auf Leistungen, die in Krankenhäusern erbracht werden, während sich Buchst. c auf diejenigen Heilbehandlungen bezieht, die außerhalb von Krankenhäusern, sei es in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort, erbracht werden (EuGH-Urteile vom 08.06.2006 C-106/05 – L. u. P. -, HFR 2006, 831; vom 10.06.2010 C-262/08 – CopyGene -, HFR 2010, 886; vom 21.03.2013 C-91/12 – PFC Clinic -, HFR 2013, 458). Dies führt allerdings nicht dazu, dass Heilbehandlungen ausnahmslos in den Anwendungsbereich von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG fallen, wenn sie in den Räumen eines Krankenhauses erbracht werden. So fallen etwa Heilbehandlungsleistungen eines selbständigen Belegarztes, die dieser in einem Krankenhaus erbringt, in den Anwendungsbereich von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG (BFH-Urteil vom 18.08.2011 V R 27/10, HFR 2011, 1332; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 26.09.2013 C-366/12 - Klinikum Dortmund -, juris; Abschn. 4.14.2 Abs. 2 Satz 2 UStAE). Wie die Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen vom 26.09.2013 zu Recht ausgeführt hat, setzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL nämlich auch voraus, dass die Heilbehandlungen von den dort genannten Einrichtungen durchgeführt bzw. bewirkt werden.
40a) Nach diesen Grundsätzen fallen die vorliegend streitigen Umsätze nicht in den Anwendungsbereich von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG. Denn vorliegend wurden die durchgeführten medizinischen Behandlungen nicht nur in den Räumen der Klägerin, sondern auch von der Klägerin durchgeführt. Maßgebend ist insoweit, dass die Klägerin – und nicht der tatsächlich behandelnde Arzt – Schuldner der in der Klinik durchgeführten ärztlichen Leistungen war. Dementsprechend wurden diese Leistungen den Patienten auch von der Klägerin in Rechnung gestellt.
41b) Die vorliegend streitigen Umsätze fallen auch nicht deshalb in den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG, weil alleinige Gesellschafterin (und Geschäftsführerin) der Klägerin die Ärztin für Chirurgie Dr. B war.
42Allerdings hat der BFH zu der bis einschließlich 2008 gültigen Rechtslage entschieden, dass § 4 Nr. 14 UStG in der bis einschließlich 2008 geltenden Fassung auch auf Heilbehandlungsleistungen eines Krankenhauses Anwendung findet, wenn das Krankenhaus von einem Arzt betrieben wird (BFH-Urteile vom 18.03.2004 V R 53/00, BStBl II 2004, 677; vom 18. August 2011 V R 27/10, HFR 2011, 1332; vgl. auch BFH-Urteil vom 18.03.2015 XI R 8/13, BStBl II 2016, 788). Diese Voraussetzung kann auch bei einem von einer Personen- oder Kapitalgesellschaft betriebenen Krankenhaus erfüllt sein, wenn – wie im Streitfall - sämtliche Gesellschafter Ärzte sind (FG Münster, Urteil vom 02.08.2015 15 K 718/12 U, EFG 2016, 1637).
43Nach Auffassung des Senats ist die vorgenannte BFH-Rechtsprechung auf die ab 2009 geltende Rechtslage nicht übertragbar. Für die Rechtslage bis einschließlich 2008 ergab sich die Steuerbefreiung von Heilbehandlungsleistungen eines von einem Arzt betriebenen Krankenhauses aus § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG a.F., wonach die Umsätze eines Arztes aus dem Betrieb eines Krankenhauses mit Ausnahme der ärztlichen Leistungen nur steuerfrei sind, wenn die in § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind. Demgegenüber enthält § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG n.F. keine dem § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG a.F. vergleichbare Regelung. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/10189): „Der bisherige § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG, wonach die Umsätze eines Arztes aus dem Betrieb eines Krankenhauses mit Ausnahme der ärztlichen Leistungen nur steuerfrei sind, wenn die bislang in § 4 Nr. 16 Buchstabe b UStG bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind, entfällt; die Leistungen eines Arztes aus dem Betrieb eines Krankenhauses oder einer anderen Einrichtung i. S. d. neuen § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG sind auch hinsichtlich der ärztlichen Leistungen nur dann umsatzsteuerfrei, wenn die dort bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind.“
44c) Die Herausnahme der Heilbehandlungsleistungen eines von einem Arzt betriebenen Krankenhauses aus dem Anwendungsbereich des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG ist nach Auffassung des Senats sowohl unionsrechtlich als auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie entspricht der unionsrechtlichen Systematik der Steuerbefreiungen für Leistungen der Heilbehandlung im engeren Sinne, wonach hinsichtlich der Befreiungsvoraussetzungen im Grundsatz zwischen Leistungen in Krankenhäusern (Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL) und außerhalb von Krankenhäusern (Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) zu differenzieren ist, ohne – unzulässigerweise - an die Rechtsform des Leistungserbringers anzuknüpfen.
45II. Wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit ist, sind die von der Klägerin in den Streitjahren ausgeführten medizinisch indizierten Heilbehandlungen nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG steuerbefreit.
46Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG scheidet aus, weil es sich bei der Klägerin nicht um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts handelt. Auch eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 UStG kommt im Streitfall nicht in Betracht. Insbesondere handelt es sich bei der von der Klägerin betriebenen Klinik weder um ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG) noch um ein Zentrum für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, das an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 SGB V teilnimmt oder für das die Regelungen nach § 115 SGB V gelten (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. bb UStG).
47III. Die von der Klägerin begehrte Steuerbefreiung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht.
481. Nach der Rechtsprechung des BFH entspricht die nationale Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG wegen eines sozialrechtlichen Bedarfsvorbehalts für Privatkliniken nicht den unionsrechtlichen Vorgaben und kommt deshalb eine unmittelbare Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL in Betracht (BFH-Urteile vom 23.10.2014 V R 20/14, BStBl II 2016, 785; vom 18.03.2015 XI R 38/13, BStBl II 2016, 793). Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer „Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze“. Handelt es sich bei dem Steuerpflichtigen, der diese Leistungen erbringt, nicht um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, sind diese Umsätze nur steuerfrei, wenn sie „unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden“.
492. Im Streitfall sind die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL nicht erfüllt. Dabei kann der Senat offenlassen, ob sich das in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL normierte Erfordernis der ordnungsgemäßen Anerkennung auch auf die ausdrücklich genannten Krankenanstalten und Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder aber nur auf die „anderen Einrichtungen gleicher Art“ bezieht. Ebenfalls offenbleiben kann, ob sich eine ggf. erforderliche Anerkennung einer Privatklinik allein aus der Konzessionierung nach § 30 GewO ergibt. Denn eine unmittelbare Berufung der Klägerin auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL scheitert im Streitfall jedenfalls daran, dass die Klägerin ihre Leistungen nicht – wie erforderlich - unter in sozialer Hinsicht vergleichbaren Bedingungen wie in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehende Krankenhäuser erbracht hat. Insoweit ist von maßgebender Bedeutung, dass die Klägerin sich sowohl hinsichtlich der von ihr angebotenen Leistungen als auch bezüglich ihrer Abrechnungsweise erheblich von in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehenden Krankenhäusern unterscheidet.
50Hinsichtlich des von der Klägerin angebotenen Leistungsspektrums ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der von der Klägerin betriebenen Klinik um eine solche für plastische und kosmetische Chirurgie handelt, deren Leistungen – unter Berücksichtigung der für die Vorjahre getroffenen tatsächlichen Verständigung und der für die Streitjahre eingereichten Steuererklärungen – zum überwiegenden Teil auf nicht medizinisch indizierte Schönheitsoperationen entfallen. Eine Privatklinik, die überwiegend Operationen ausführt, die nicht Heilbehandlungszwecken, sondern bloßen kosmetischen Zwecken dienen, ist mit in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehenden Krankenhäusern nicht vergleichbar. Zudem rechnet die Klägerin auch die nach ihrem Vorbringen steuerfreien Heilbehandlungen – zumindest ganz überwiegend - nicht nach den Regelungen der Gebührenordnung für Ärzte, sondern nach Pauschalhonoraren und ohne nähere Spezifizierung der erbrachten Leistungen ab (vgl. dazu die in den Prüfer-Handakten befindlichen Rechnungsbeispiele sowie für das Streitjahr 2009 die Übersicht „Operationen § 4 Nr. 14 UStG“, Bl. 109 der Prüfer-Handakten). Insofern muss davon ausgegangen werden, dass nicht nur keine Kostenübernahme oder Kostenerstattung nach § 13 SGB V durch gesetzliche Krankenkassen erfolgte, sondern die Rechnungen der Klägerin auch bei privaten Krankenkassen und ggf. Beihilfestellen nicht erstattungsfähig waren. Bei dieser Sachlage hat die Klägerin ihre Leistungen nicht unter in sozialer Hinsicht vergleichbaren Bedingungen wie in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehende Krankenhäuser erbracht.
51IV. Soweit der Beklagte im Streitjahr 2009 darüber hinaus von der Steuererklärung der Klägerin abgewichen ist (Sicherheitszuschlag 4.000.- €; private Telefonnutzung 240.- €; Tz. 2.12 und 2.13 des BP-Berichtes vom 09.01.2012) hat die Klägerin hiergegen keine substantiierten Einwendungen erhoben. Angesichts der von der Betriebsprüfung festgestellten Mängel der Buch- und Kassenführung (Tz. 2.2 des BP-Berichtes vom 09.01.2012) ist die Zuschätzung nicht zu beanstanden. Eine private Nutzung des betrieblichen Telefons durch die Geschäftsführerin der Klägerin wurde nicht in Abrede gestellt; dass der Beklagte insoweit eine Erhöhung der Umsätze anstatt einer Kürzung der Vorsteuer vorgenommen hat, hat keine Auswirkung auf die Höhe der Steuer.
52V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
53VI. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63, 52 GKG.
54VII. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.