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Der Beklagte wird unter Aufhebung der Ablehnung des Antrags auf schlichte Änderung vom 25.9.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.6.2013 verpflichtet, den Bescheid zur Einkommensteuer 2009 vom 25.10.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3.8.2012 und des Änderungsbescheids vom 18.9.2012 dahingehend zu ändern, dass 8/12 der Aufwendungen von 9.863 € als Verlust aus Vermietung und Verpachtung des Objektes A berücksichtigt werden.
Der Bescheid zur Einkommensteuer 2010 vom 12.2.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.6.2013 und des Änderungsbescheids vom 4.9.2015 wird dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer 2010 unter Berücksichtigung eines Verlusts aus Vermietung und Verpachtung des Objektes A i.H.v. 14.323 € festgesetzt wird.
Die Berechnung der festzusetzenden Steuerbeträge wird dem Beklagten übertragen.
Bis zur Einschränkung des Klageantrags in der mündlichen Verhandlung vom 3.11.2016 tragen die Kläger die Kosten des Verfahrens zu 11%, der Beklagte zu 89%. Ab dieser Einschränkung trägt der Beklagte die Kosten des Verfahrens allein.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Einkünfteerzielungsabsicht zur Vermietung des Objekts A in … .
3Die Kläger sind Eheleute und werden in den Streitjahren 2009 und 2010 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist überdies seit dem Jahr 2000 Eigentümer eines Zweifamilienhauses an der A, bestehend aus einer Wohneinheit im Erdgeschoß sowie einer weiteren im 1. Obergeschoss und Dachgeschoss. Das Objekt vermietete er bis Ende des Jahres 2004. In den Jahren 2005 und 2006 überließ der Kläger eine der Wohnungen unentgeltlich an seinen Bruder, während die andere Wohnung leer stand. Im Januar 2007 erteilte der Kläger der Firma B den ausschließlichen Maklerauftrag zum Verkauf des Objekts. In dem Vertrag wurde handschriftlich ergänzt, dass die B gleichfalls zur Vermittlung von Mietern tätig sein sollte. Das Objekt blieb in der Folgezeit dennoch zunächst unvermietet, in den Jahren 2007 und 2008 erkannte der Beklagte nach Vorlage des Maklervertrags Verluste aus Vermietung und Verpachtung der A an.
4Im Dezember 2008 kam es zum Abschluss eines notariellen Kaufvertrags über das Objekt zwischen dem Kläger und Herrn C. Dieser entrichtete den vereinbarten Kaufpreis nicht. Die Firma B wurde daraufhin erneut zur Vermarktung bzw. Vermietung der Immobilie tätig. Der Kaufvertrag über die A wurde entsprechend rückabgewickelt. Eine zugunsten von Herrn C bewilligte Auflassungsvormerkung löschte das Grundbuchamt Anfang des Jahres 2010.
5Die Einkommensteuer des Jahres 2009 setzte der Beklagte zunächst unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen fest. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens reichten die Kläger ihre Einkommensteuererklärung 2009 ein. Darin machten sie für die A einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 9.863 € für das gesamte Jahr geltend. Eine Anfrage des Beklagten zur Vermietungsabsicht vom 13.2.2012 beantworteten die Kläger zunächst nicht. Der Beklagte folgte den Angaben der Kläger teilweise, wies den Einspruch der Kläger jedoch hinsichtlich des Verlusts aus Vermietung und Verpachtung mangels Nachweis einer Vermietungsabsicht und anderer, nicht streitgegenständlicher Punkte durch Einspruchsentscheidung vom 3.8.2012 als unbegründet zurück. Die Kläger hatten bereits durch Schreiben vom 25.7.2012, beim Beklagten am 27.7.2012 eingegangen, Unterlagen zum Nachweis der Vermietungsabsicht vorgelegt. Die Einspruchsentscheidung vom 3.8.2012 war dennoch ergangen, da dieses Schreiben dem zuständigen Bearbeiter des Beklagten erst am 6.8.2012 vorlag. Der Beklagte wies die Kläger durch Schreiben vom 9.8.2012 darauf hin, dass gegen die ergangene Einspruchsentscheidung eine Klage oder ein Antrag auf schlichte Änderung möglich seien. Darauf stellten die Kläger durch Schreiben vom 30.8.2012 einen entsprechenden Änderungsantrag. Hierzu legten sie weitere Unterlagen zum Nachweis einer Vermietungsabsicht vor. In Bezug auf den Vermietungsverlust lehnte der Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 25.9.2012 ab. Die Kläger wandten sich hiergegen erneut durch Einspruch vom 18.10.2012.
6In ihrer Einkommensteuererklärung 2010 machten die Kläger einen weiteren Verlust aus der Vermietung der A i.H.v. 14.323 € geltend. Der Beklagte ließ diese Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 1.2.2013 (geändert durch Bescheid vom 12.2.2013) erneut unberücksichtigt. Die Kläger legten durch Schreiben vom 14.2.2013 Einspruch ein.
7Zur Begründung ihrer Einsprüche behaupteten die Kläger, dass in den Streitjahren eine Einkünfteerzielungsabsicht aus der Vermietung der A bestanden habe. Hierzu legten sie insgesamt 3 gegenüber der B unterschriebene Mietabsichtserklärungen vor (vom 29.4.2009, 2.9.2009, 23.11.2009). Eine Vermietung sei ab dem Jahr 2005 nicht ohne weiteres möglich gewesen, da sich beide Wohneinheiten nach dem Auszug der Vormieter in einem schlechten Zustand befunden hätten. Sie behaupteten ferner, dass die Wohnung vom 16.3.2010 bis zum 7.9.2010 an einen polnischen Montagearbeiter vermietet worden sei, der die Wohnung mit mehreren Kollegen benutzt habe. Eine Anmeldung bei den Stadtwerken sei nicht erfolgt, auch die geschuldete Miete sei er schuldig geblieben. Als Nachweis legten sie eine Melderegisterauskunft und Verbrauchsnachweise für zwei Zählernummern bezüglich des Stroms vor. Nach kleineren Schönheitsreparaturen und mehreren erfolglosen Besichtigungsterminen habe daher eine umfassende Renovierung stattgefunden. Hintergrund sei gewesen, dass der Bruder des Klägers und dessen Lebensgefährtin zu dieser Zeit eine Wohnung in … gesucht hätten. Die Wohnungen seien dann ab dem 1.11.2011 an den Bruder des Klägers (Erdgeschoss) und dessen Lebensgefährtin (Ober- und Dachgeschoss) vermietet worden; der Einzug der Mieter habe aber erst nach Abschluss der Sanierungsarbeiten zum 1.5.2012 erfolgen sollen. Auch wenn diese Mietverhältnisse in den Monaten Mai und Juni 2012 noch nicht durch pünktliche Mietzahlungen durchgeführt worden seien, lasse dies keinen Rückschluss auf eine fehlende Vermietungsabsicht zu. Der Kläger habe dies vor dem Hintergrund verwandtschaftlicher Verhältnisse und dem Schreckenszenario eines erneuten Leerstandes hingenommen und auf Zahlung der ausstehenden Mieten gedrängt, die er schließlich mit der Julimiete erhalten habe.
8Der Beklagte wies die Einsprüche gegen die Ablehnung des Antrags auf schlichte Änderung des Einkommensteuerbescheids 2009 und gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 durch Einspruchsentscheidungen vom 28.6.2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Kläger die Einkünfteerzielungsabsicht nicht nachgewiesen hätten. Für das Grundstück seien seit 2005 keine Mieteinnahmen erklärt worden. Erst am 5.1.2007 sei ein Makler beauftragt worden. Es lägen lediglich drei Mietabsichtserklärungen aus dem Jahr 2009 vor. Es fehle daher an ernsthaften und nachhaltigen Vermietungsbemühungen. Auch die ab 2012 erfolgte Vermietung an den Bruder und dessen Lebensgefährtin lasse rückwirkend keine Vermietungsabsicht für die Streitjahre 2009 und 2010 erkennen, weil auch hier die Umstände wegen des bestehenden Verwandtschaftsverhältnisses, der Mietzahlungen in einer Summe für die Monate Mai bis Juli 2012 und der Zeitpunkt der Anmeldung bei der Stadt … (am 17.10.2012 rückwirkend zum 1.4.2012, obwohl der Einzug erst am 1.5.2012 erfolgt sein solle) zweifelhaft seien. Das Grundstück sei offenbar unentgeltlich überlassen worden. Hierfür sprächen auch die vorliegenden Abrechnungen des Energieversorgers. Der Stromverbrauch vom 30.5.2009 bis zum 28.5.2010 habe bei 7.872 kWh gelegen, einem Verbrauch, der bei zwei vierköpfigen Haushalten als üblich anzusehen sei.
9Die Kläger haben durch Schreiben vom 30.7.2013 Klage erhoben. Zur Begründung verweisen sie auf ihren Vortrag im Einspruchsverfahren. Spätestens im April 2009 habe sich aufgrund der ausbleibenden Kaufpreiszahlung durch Herrn C abgezeichnet, dass der Grundstücksverkauf scheitern würde. Der Kläger habe daher seine Vermietungsbemühungen wieder aufgenommen. Überdies behaupten sie, dass der Kläger wegen der Schwierigkeiten bei der Vermietung aufgrund des schlechten Wohnungszustandes ab dem Jahr 2009 versucht habe, an anspruchslosere Mieter zu vermieten. Leider habe es sich dabei immer um Mietnomaden gehandelt, die die vereinbarte Miete nicht zahlten, Strom und Wasser verbraucht und sich auch bei den Versorgungsunternehmen nicht angemeldet hätten. Die seinerzeit abgeschlossenen Mietverträge seien beim Kläger nach einem Umzug nicht mehr auffindbar. Entgegen der Auffassung des Beklagten lasse die dauerhafte Begründung und Durchführung eines Mietverhältnisses im Jahr 2012 in einem strukturschwachen städtischen Raum wie … durchaus auf eine von Anfang an bestehende Vermietungsabsicht schließen, die sich auch auf die vor dem Abschluss des Mietvertrages liegenden Zeiträume 2009 und 2010 erstrecke.
10Die Kläger haben auf Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 3.11.2016 ihr Klagebegehren nach der Beweisaufnahme für das Streitjahr 2009 dahingehend eingeschränkt, dass sie den Verlust aus Vermietung und Verpachtung nur noch zeitanteilig für die Zeit nach dem Scheitern des Verkaufs der A ab dem 1.5.2009 geltend machen.
11Die Kläger beantragen,
12unter Aufhebung der Ablehnung des Antrags auf schlichte Änderung des Einkommensteuerbescheides 2009 vom 3.9.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.6.2013 den Beklagten zu verpflichten, die Einkommensteuer 2009 unter Berücksichtigung von Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung aus der Vermietung des Objektes A i.H.v. 8/12 von 9.863 € festzusetzen.
13den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 12.2.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.6.2013 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer 2010 unter Berücksichtigung von Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung des Objektes A i.H.v. 14.323 € festgesetzt wird.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen,
16hilfsweise, die Revision zuzulassen.
17Zur Begründung weist er darauf hin, dass die vorgelegten Mietabsichtserklärungen aus dem Jahr 2009 vor dem Hintergrund, dass der Kaufvertrag über die A erst im Jahr 2010 vollständig rückabgewickelt worden sei, zweifelhaft seien. Dies gelte insbesondere für die Besichtigung vom 29.4.2009, weil der Notar noch mit Schreiben vom 8.5.2009 an die Zahlung des Kaufpreises erinnert habe. Für 2010 seien überhaupt keine Hinweise auf Vermietungsbemühungen gegeben. Hinsichtlich einer Vermietung an sogenannte Mietnomaden hätten die Kläger ebenfalls keine Unterlagen eingereicht.
18Eine Änderung der Einkommensteuer 2009 sei überdies verfahrensrechtlich nicht möglich. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – scheide ein Antrag auf schlichte Änderung aus, da der Beklagte bereits in der Einspruchsentscheidung abschließend über das Fehlen einer Vermietungsabsicht entschieden habe (BFH Beschluss vom 5.2.2010 VIII B 139/08, Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV 2010, 831 –).
19Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 3.11.2016 durch die Vernehmung von Zeugen Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 3.11.2016 Bezug genommen. Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.
20Entscheidungsgründe:
21I. Die Klage ist nach der Einschränkung des Klagebegehrens begründet. Sowohl die Ablehnung der Änderung des Einkommensteuerbescheides 2009 vom 25.9.2012 als auch der Einkommensteuerbescheid 2010 vom 12.2.2013 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 28.6.2013 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 101 S. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Der Beklagte hat den begehrten Abzug von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung in den Streitjahren 2009 und 2010 zu Unrecht versagt.
221. Die schlichte Änderung der Steuerfestsetzung für 2009 war entgegen der Ansicht des Beklagten gem. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a AO möglich.
23Gemäß § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) AO darf ein Steuerbescheid geändert werden, soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird; dies gilt jedoch zu Gunsten des Steuerpflichtigen nur, soweit er vor Ablauf der Einspruchsfrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat oder soweit die Finanzbehörde einem Einspruch oder einer Klage abhilft. Satz 2 der Vorschrift stellt klar, dass eine Änderung auch nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung möglich ist. § 172 Abs. 1 S. 3 AO bestimmt weiter, dass eine Änderung ebenfalls möglich ist, wenn der Steuerpflichtige noch vor Ablauf der Klagefrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat; lediglich Erklärungen und Beweismittel, die nach § 364b Abs. 2 AO in der Einspruchsentscheidung nicht berücksichtigt wurden, dürfen hierbei nicht mehr berücksichtigt werden.
24Diese Änderungsvoraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Kläger hatten den Änderungsantrag innerhalb der Klagefrist bei dem Beklagten angebracht. Ihr Vorbingen war mangels Fristsetzung nach § 364b Abs. 1 AO weder präkludiert noch stand ihnen lediglich der Klageweg offen. Zwar hat der BFH entschieden, dass eine Einspruchsentscheidung nach dem Gesetzeszweck grundsätzlich eine abschließende Entscheidung des Finanzamtes darstellt, so dass Tat- und Rechtsfragen, über die in der Einspruchsentscheidung bereits entschieden wurde, regelmäßig nicht wegen eines Antrags auf Änderungsfestsetzung nach § 172 AO erneut zu prüfen sind. Dies gilt aber nur dann, wenn ein solcher Antrag einen zweiten Rechtsweg zur sachlichen Überprüfung der im Einspruchsverfahren vorgebrachten Streitpunkte eröffnen soll (BFH Beschluss vom 5.2.2010 VIII B 139/08, BFH/NV 2010, 831; gleicher Ansicht Teile der Finanzgerichtsbarkeit vgl. Finanzgericht – FG – Berlin-Brandenburg Urteil vom 1.7.2015 7 K 7245/12, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2015, 1587; FG München Urteil vom 21. 3. 1995 1 K 3248/94, EFG 1995, 787; FG Köln Urteil vom 11. 6. 2008 4 K 3560/07, EFG 2009, 1432; später offen gelassen durch BFH Beschluss vom 30.11.2010 VIII B 3/10, BFH/NV 2011, 82; ablehnend Bartone in Beermann/Gosch AO/FGO § 348 AO Rn. 9; Seer in Tipke/Kruse AO/FGO § 348 AO Rn. 1; Wendt EFG 2015, 1587).
25Der Senat kann offen lassen, ob er sich der Auffassung des BFH in dieser Frage anschließt.
26Denn im Streitfall haben die Kläger mit ihrem schlichten Änderungsantrag schon keinen zweiten Rechtsweg zur Prüfung eines in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausdiskutierten Sachverhaltes erlangt. Eine abschließende Prüfung der Vermietungsabsicht war im Rahmen der Einspruchsentscheidung weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht erfolgt. Der Beklagte hat es bei Erlass der Einspruchsentscheidung vom 3.8.2012 unterlassen, die von den Klägern eingereichten Unterlagen zur Vermietungsabsicht zu prüfen. Diese waren bereits am 27.7.2012 eingegangen, fanden aber keine Berücksichtigung, weil sie dem zuständigen Sachbearbeiter aus amtsinternen organisatorischen Gründen erst am 6.8.2012 vorlagen.
27Für die Zulassung eines Änderungsantrags spricht in einer solchen Situation zudem der Verweis in § 172 Abs. 1 S. 3 AO auf die Regelung des § 364b AO. Danach darf die Finanzbehörde nur solche Tatsachen im Rahmen einer schlichten Änderung zu Gunsten des Steuerpflichtigen unberücksichtigt lassen, für deren Darlegung sie zuvor eine Ausschlussfrist gesetzt hat. Im Umkehrschluss ist neuer Tatsachenvortrag, der keiner Ausschlussfrist unterfällt, im Rahmen eines Antrags auf schlichte Änderung zu berücksichtigen. Lässt man in dieser Situation den schlichten Änderungsantrag nicht zu, bliebe nur ein – mit einem Kostenrisiko behaftetes – finanzgerichtliches Verfahren.
282. Der Senat kann in Bezug auf das Streitjahr 2009 ebenfalls offen lassen, ob eine schlichte Änderung gem. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a AO im Ermessen des Beklagten steht (so Loose in Tipke/Kruse AO/FGO § 172 Rn. 20). Denn selbst wenn man dies annimmt, ist das Ermessen des Beklagten im Streitfall auf Null reduziert und die Einkommensteuerfestsetzung 2009 entsprechend zu ändern.
29Die Ermessensreduzierung folgt aus dem Umstand, dass das Ermessen durch den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 AO) vorbestimmt und bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – wie vorliegend für eine Änderung - auf Null herabgesetzt wird (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch AO/FGO § 172 AO Rn. 112, 170).
30Den Klägern kann auch kein, was einer Änderungsverpflichtung entgegenstehen könnte (vgl. Loose in Tipke/Kruse AO/FGO a.a.O.), grob schuldhaftes, verspätetes Einreichen von Unterlagen vorgeworfen werden. Sie haben ihren Änderungsantrag bereits am 27.7.2012, also vor Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 3.8.2012 begründet. Ihnen kann nicht angelastet werden, dass die Unterlagen dem zuständigen Sachbearbeiter erst am 06.08.2012 vorlagen, weil dies ausschließlich auf von dem Beklagten zu vertretenden amtsinternen organisatorischen Gründen beruhte.
31Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte durch sein Schreiben vom 9.8.2012 auf die Möglichkeit eines schlichten Änderungsantrages hingewiesen hat. Er hat damit zu erkennen gegeben, dass er ein – etwaiges – Ermessen dahingehend ausüben werde, dass er über einen solchen Antrag bei Vorlage entsprechender Nachweise noch sachlich entscheiden werde. Die Kläger konnten die Vermietungsabsicht als gesetzmäßige Voraussetzung für die beantragte Änderung nachweisen.
323. Diese Vermietungsabsicht berechtigt die Kläger dazu, ihre Aufwendungen in dem begehrten Umfang als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung gem. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG geltend zu machen.
33Gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 S. 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie bei ihr erwachsen, also durch sie veranlasst sind (ständige Rechtsprechung, vergleiche z.B. BFH Urteil vom 15.1.2008 IX R 45/07, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2008, 572). Aufwendungen für Wohnungen, die nach vorheriger, auf Dauer angelegter Vermietung leer stehen, sind auch während der Zeit des Leerstands als Werbungskosten abziehbar, solange der Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat. Auf die Vermietungsabsicht als innere Tatsache kann nur anhand von äußeren, vom Finanzgericht als Tatsacheninstanz festgestellten Umständen (Indizien) geschlossen werden (BFH Urteil vom 16.2.2016 IX R 1/15, BFH/NV 2016, 1261). Die Einzelfallumstände, aus denen sich der endgültige Entschluss zu vermieten ergibt, sind in erster Linie ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen (BFH Urteil vom 9.7.2003 IX R 102/00, BStBl. II 2003, 940; BFH Urteil vom 9.7.2003 IX R 30/00, BFH/NV 2004, 1382). Grundsätzlich steht es dem Steuerpflichtigen frei, die im Einzelfall geeignete Art und Weise der Platzierung des von ihm angebotenen Mietobjekts am Wohnungsmarkt und ihrer Bewerbung selbst zu bestimmen. Die Frage, welche Vermarktungsschritte als erfolgversprechend anzusehen sind, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles; auch insoweit steht dem Steuerpflichtigen ein inhaltlich angemessener, zeitlich begrenzter Beurteilungsspielraum zu (BFH Urteil vom 11.12.2012 IX R 68/10, BStBl. II 2013, 367). Allerdings kann die Einkünfteerzielungsabsicht entfallen, wenn absehbar ist, dass das maßgebliche (dem Grunde nach betriebsbereite) Objekt entweder wegen fehlender – und unter zumutbaren Umständen auch nicht herbeizuführender – Marktgängigkeit oder aufgrund anderweitiger struktureller Vermietungshindernisse in absehbarer Zeit nicht wieder vermietet werden kann (BFH Urteil vom 11.12.2012 IX R 14/12, BStBl. II 2013, 279). Eine gleichzeitig bestehende Verkaufsabsicht steht einer Vermietungsabsicht nicht zwingend entgegen, der Steuerpflichtige trägt aber in jedem Fall die Feststellungslast für seine ernsthaften und nachhaltigen Vermietungsbemühungen (BFH Urteil vom 9.7.2003 IX R 102/00, BStBl. II 2003, 940; BFH Urteil vom 9.7.2003 IX R 30/00, BFH/NV 2004, 1382).
34Anhand dieser Kriterien stellen die Aufwendungen der Kläger für das Objekt A ab dem 1.5.2009 abzugsfähige Werbungskosten dar.
35Die Kläger haben durch Einschaltung eines Maklers sowie auch die Vermietung an eine einfachere Klientel ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen unternommen und damit die für den Abzug erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht offenbart. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest. Er stützt sich insoweit auf die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, auf die Aussagen der Zeugen 1, 2 und 3 sowie ferner auf die vorgelegten Mietabsichtserklärungen und Verbrauchsnachweise für die A.
36Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet, dass er sich ab dem 1.5.2009 ernsthaft und nachhaltig um eine Vermietung der A bemüht hat. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass sein Käufer, Herr C, das Objekt selbst nutzen und renovieren wollte, weshalb eine Vermietung durch ihn, den Kläger, bis zum endgültigen Scheitern des Verkaufes Ende April 2009 nicht möglich war. Dass der Verkauf sich bereits zu diesem Zeitpunkt zerschlug, weil Herr C es innerhalb von 5 Monaten nicht geschafft hatte, den Kaufpreis zu zahlen, leuchtet ein. Aus Sicht des Senats passt die erste Besichtigung vom 29.4.2016 auch zeitlich in diesen Rahmen. Dass die weitere, insbesondere grundbuchrechtliche Rückabwicklung des Kaufvertrags damit noch nicht abgeschlossen war, ändert an dieser Einschätzung nichts. Der Kläger hat weiter ausgeführt, sich nach dem Scheitern des Verkaufs wieder durch Inanspruchnahme des Maklers B und zunehmend auch durch Vermietung an eine einfachere Klientel, nämlich einige Pakistanis und polnische Arbeiter, um eine Vermietung bemüht zu haben. Dies geschah nach seiner Darstellung, um die Unkosten des Objekts A, das für ihn zwischenzeitlich ein „Klotz am Bein“ war, wenigstens zu reduzieren. Auch diese Einlassung ist frei von Widersprüchen und erscheint wirtschaftlich schlüssig.
37Sie wird im Hinblick auf Vermietungsbemühungen zudem durch die Aussagen der Zeugen 1 und 2 bestätigt. Beide haben glaubhaft bekundet, dass sie zur Vermarktung des Objekts auch im Jahr 2009 als Makler tätig geworden sind. Es ist insbesondere deutlich geworden, dass es im Streitzeitraum über Anzeigen im Internet zu Besichtigungsterminen zu Vermietungszwecken in der A gekommen ist. Beide Zeugen erinnerten sich anlässlich dieser Besichtigungen an das Objekt A und konnten dieses in Bezug auf den einfachen Ausstattungsstandard beschreiben. Die Besichtigungstermine werden auch durch die vorgelegten Mietabsichtserklärungen potentieller Interessenten belegt. Der Senat ist überdies davon überzeugt, dass sich die Tätigkeit der Zeugen nicht nur auf einen möglichen Verkauf, sondern auch auf die Vermietung des Objekts bezog. Dem steht die handschriftliche Ergänzung des Maklervertrags im Hinblick auf eine neben einem möglichen Verkauf beabsichtigte Vermietung nicht entgegen. Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich hier um eine nachträgliche Ergänzung des Vertrags handeln könnte, mit der eine in Wahrheit nicht bestehende Vermietungsabsicht vorgetäuscht werden sollte. Beide Zeugen konnten diese Ergänzung glaubhaft erklären. Sie haben bekundet, dass dies so üblich gewesen sei, falls entweder das passende Formular fehlte oder ein Kunde nachträglich neben dem Verkauf auch eine Vermarktung als Mietobjekt wünschte. Anhaltspunkte für eine abgesprochene Aussage liegen nicht vor.
38Auch die Aussage des Zeugen 3 bestätigt die Vermietungsbemühungen des Klägers. Der Zeuge hat ausgeführt, dass sich in der Wohneinheit im ersten Obergeschoss und Dachgeschoss im Jahr 2010 Mieter befanden. Er hat zudem ausgesagt, dass der Kläger die Wohnung im Erdgeschoss an polnische Bauarbeiter vermietet hatte. Diese Aussagen sind glaubhaft. Denn der Zeuge konnte sich an einige Details, wie die Renovierungsverpflichtung der Polen und auch deren Streit mit den Mietern im Obergeschoss erinnern. Auch seine spontane Reaktion auf einen Anruf des Klägers wegen der ausstehenden Miete ist glaubhaft und bestätigt dessen Einlassung. Die Ausführungen der beiden stimmen insoweit auch mit der vorgelegten Melderegisterauskunft bezüglich Herrn D überein. Für das Vorhandensein von Mietern im Streitzeitraum spricht ferner die Höhe des angefallenen Stromverbrauchs. Wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, haben die in der Wohnung befindlichen Personen elektrisch betriebene Heizlüfter verwendet, da sie selbst nicht mit den Stadtwerken abrechnen mussten. Auch die Abrechnungen der Stadtwerke … unter vorläufiger Kostenübernahme durch den Kläger ergeben Sinn, wenn dieser – wie von ihm vorgetragen – bei den in den Wohnungen befindlichen Personen Rückgriff nehmen wollte.
39Der Senat sieht danach keine Anhaltspunkte dafür, dass – wie seitens des Beklagten angenommen – der Kläger die Wohnungen im Streitzeitraum noch weiter an seinen Bruder und dessen Lebensgefährtin unentgeltlich überlassen hat. Hiergegen spricht vielmehr auch ein Vermerk in den Steuerakten des Beklagten. Seinerzeit hatte der Außendienst des Beklagten bei Überprüfung der Vermietungsabsicht für die Veranlagungszeiträume 2007 und 2008 das Objekt im Juni 2009 aufgesucht und es – zumindest zu diesem Zeitpunkt – für unbewohnt gehalten.
40Der Senat sieht auch keine Veranlassung, dem Kläger die Vermietungsabsicht wegen einer fehlenden Marktgängigkeit seiner Wohnungen abzusprechen. Ein solcher Vorwurf ließe sich allenfalls erheben, wenn die Wohnungen in der A seinerzeit aufgrund ihrer Gestaltung oder anderweitiger Umstände nicht vermietbar gewesen wären und der Kläger es unterlassen hätte, diese in zumutbarer Weise zu behebenden Vermietungshindernisse zu beseitigen.
41Im Streitfall fehlt es an beiden Voraussetzungen. Zunächst ist der Kläger – wie die obigen Vermietungsbemühungen zeigen – zur Vermarktung der A nicht untätig geblieben. Zum anderen liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Objekt sich in den Streitjahren in einem unvermietbaren Zustand befand. Die Zeugen 2 und 1 haben als Makler zwar einen einfachen Standard der Wohnungen beschrieben, jedoch keine Tatsachen bezeugt, welche für eine fehlende Vermietbarkeit sprechen könnten. Die Schwierigkeiten, in einem strukturschwachen Gebiet wie … zu vermieten, können dem Kläger nicht als strukturelles Vermietungshindernis der Mietsache selbst angelastet werden.
42Gegen eine fehlende Marktgängigkeit sprechen auch die seitens des Senats festgestellten Mietverhältnisse im Jahr 2010. Die Bemühungen des Klägers, seine Wohnungen vor einer aufwendigen Renovierung durch Vermietung an eine einfachere Klientel zu vermarkten, sind wirtschaftlich schlüssig. Diese Vorgehensweise liegt in Rahmen des dem Kläger zustehenden Ermessens der Art und Weise der Marktplatzierung. Der Kläger hat sich mit diesen Bemühungen zudem in einem zeitlich vertretbaren Rahmen gehalten. Er hat bereits in den Streitjahren seine Vermarktungsbemühungen verändert, bevor er im Jahr 2011 umfangreich renoviert hat.
43Da der Senat bereits von ernsthaften und nachhaltigen Vermietungsbemühungen in den Streitjahren ausgeht, kann die Frage, ob die Vermietung ab dem Jahr 2012 Rückschlüsse auf eine zuvor bestehende Vermietungsabsicht für die Jahre 2009 und 2010 zulässt, offenbleiben.
44II. Die Übertragung der Steuerberechnung auf den Beklagten folgt aus § 100 Abs. 2 S. 2 FGO.
45Die Kostenentscheidung beruht bis zur Einschränkung des Klagebegehrens auf § 136 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 FGO. Nach der Rechtsprechung des BFH ist in Fällen einer Teilrücknahme zur Vermeidung von überflüssigem Rechenwerk die Kostenquote in unterschiedliche Zeitabschnitte zu unterteilen (ständige Rechtsprechung vgl. Brandis in Tipke/Kruse AO/FGO § 136 FGO Rn. 4 mit weiteren Nachweisen). Da die Kläger erst nach der Beweisaufnahme ihre Klagebegehren eingeschränkt haben, waren ihnen bis zu diesem Zeitpunkt anteilig die Kosten aufzuerlegen. Anschließend ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 135 Abs. 1 FGO.
46Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
47Die Revision wird gem. § 115 Abs. 1 FGO zugelassen. Die Frage, ob bzw. inwieweit eine Prüfung im Einspruchsverfahren einen schlichten Änderungsantrag innerhalb der Klagefrist ausschließt, hat grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.