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Der Aufhebungsbescheid vom 12.01.2016 in Gestalt der beiden Änderungsbescheide vom 23.09.2016 wird aufgehoben, soweit dieser das Kind A und die Monate März 2014 bis August 2015 betrifft.
Der Rückforderungsbescheid vom 12.01.2016 wird aufgehoben, soweit dieser die Monate März 2014 bis August 2015 betrifft, und im Übrigen (September und Oktober 2015) dahingehend geändert, dass bezüglich des Kindes A nur ein Rückforderungsanspruch von 188 € pro Monat besteht.
Es wird festgestellt, dass die beiden Rückforderungsbescheide vom 23.09.2016 unwirksam sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 2/11 und die Beklagte zu 9/11.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids.
2Die Klägerin ist die Mutter des am 20.04.1992 geborenen Kindes A (auch A1 genannt). Sie erhält zudem für drei weitere Kinder Kindergeld.
3A beendete am 02.09.2013 seine Schulausbildung am Berufskolleg. Bis zum 13.12.2013 absolvierte er ein Praktikum zwecks Erlangung der Fachhochschulreife. Im Dezember 2013 zog er nach B, wo er im Januar 2014 bei der Hochschule für ... die Zulassung zur Aufnahmeprüfung für den zum nächsten Wintersemester beginnenden Studiengang Buchkunst/Grafik-Design beantragte. Der Antrag wurde mit Schreiben vom 27.02.2014 abgelehnt.
4Nachdem die Klägerin eine Antragsbestätigung der Hochschule B aus Januar 2014 vorgelegt hatte, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 18.06.2014 ab Januar 2014 Kindergeld i.H.v. 184 € monatlich für A fest. Dass der Zulassungsantrag längst abgelehnt worden war, hatte die Klägerin bis dahin nicht mitgeteilt. Dies teilte sie der Beklagten vielmehr erst in 2015 mit.
5Auf neue Aufforderung der Beklagten, Nachweise über eigene Bemühungen von A um eine Ausbildung einzureichen, legte die Klägerin einen Praktikumsvertrag vor, wonach A bei der Fa. C Tattoos in B vom 01.09.2015 bis 01.09.2016 ein Praktikum mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Zeitstunden absolvieren sollte. Mitgeteilt wurde zudem, dass A weiterhin einen Studienplatz suche. Später wurde kommentarlos die Kopie einer weiteren Antragsbestätigung der Hochschule für ... B betreffend die Teilnahme an der Aufnahmeprüfung für das 1. Fachsemester eingereicht, bei der lediglich aus der Bewerbernummer 0169/2016 gefolgert werden kann, dass sie sich auf das Jahr 2016 bezieht. Weitere Unterlagen wurden nicht vorgelegt.
6Mit Bescheid vom 12.01.2016 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für A ab dem Monat März 2014 unter Verweis auf § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte für den Zeitraum März 2014 bis Oktober 2015 Kindergeld i.H.v. 4.340 € von der Klägerin zurück. Der Betrag von 4.140 € setzt sich zusammen aus 10 x 215 € für März bis Dezember 2014 und 10 x 219 € für Januar bis Oktober 2015.
7Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein und reichte eine weitere Bescheinigung der Hochschule für ... B vom 04.02.2016 ein, aus der hervorgeht, dass der Antrag auf Zulassung zur Aufnahmeprüfung am 05.01.2016 gestellt wurde. Der Beklagte nahm dies zum Anlass, mit Bescheid vom 24.02.2016 für A ab Januar 2016 Kindergeld i.H.v. 221 € monatlich festzusetzen.
8Mit Schreiben vom 24.02.2016 wurde die Klägerin unter Fristsetzung bis zum 23.03.2016 u.a. gebeten, Nachweise über die Bemühungen um einen Studienplatz für das Jahr 2015 einzureichen.
9Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 06.04.2016 als unbegründet zurückgewiesen. Eine schriftliche Reaktion der Klägerin zu dem Schreiben vom 24.02.2016 war bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt.
10Nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung behauptete die Klägerin, die Nachfragen vom 24.02.2016 telefonisch beantwortet zu haben. Zugleich wurden die Antragsbestätigungen der Hochschule für ... B für die Jahre 2014 und 2016 erneut eingereicht. Eine Bescheinigung für das Jahr 2015 wurde nicht vorgelegt. Jedoch wurde ein weiterer Praktikumsvertrag eingereicht, wonach A bereits vom 15.04.2014 bis 15.08.2015 ein Praktikum mit 15 Wochenstunden bei der Fa. C Tattoos absolviert hat. Ausweislich einer Praktikumsbescheinigung vom 15.08.2015 erstreckte sich das Praktikum auf folgende Bereiche: Kundenberatung/-betreuung, Terminplanung, Materialplanung, Materialeinkauf, Auf- und Abbau von Arbeitsplätzen unter Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, sicherer Umgang mit kontaminierten Material, Recherche, künstlerisches Arbeiten.
11Die Klägerin hat sodann Klage erhoben. Im Klageverfahren sind am 23.09.2016 zwei Änderungsbescheide ergangen, von denen einer das Jahr 2014 betrifft und der andere das Jahr 2015. Es wurde jeweils die Kindergeldfestsetzung für A nochmals aufgehoben wird und zugleich wurden die Festsetzungen für D und E unter Verweis auf die Änderung der Ordnungszahlen auf 184 € und 190 € (2014) bzw. 188 € und 194 € (2015) geändert. Zudem heißt es in den Bescheiden, dass „auf Grund dieser Entscheidung(en) Kindergeld für den Zeitraum …“ in Höhe von 2.150 € (2014) bzw. 2.190 € (2015) überzahlt worden sei und diese Beträge nach § 37 Abs. 2 AO zu erstatten seien. Wie sich die Beträge von 2.150 € (2014) bzw. 2.190 € (2015) im Einzelnen zusammensetzen, wurde nicht erläutert.
12Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Bescheids vom 12.01.2016 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 23.09.2016. Sie ist der Ansicht, dass sie alle angeforderten Unterlagen zeitnah übersandt habe.
13Ergänzend trägt sie vor, dass sich A im Jahr 2015 nicht bei der Hochschule für ... B beworben habe, weil er der Meinung gewesen sei, dass seine Bewerbungsmappe an Qualität noch nicht ausreichend gewesen sei. Er habe sich auch nicht bei anderen Hochschulen beworben, weil er im Dezember 2013 gerade erst aus psychologischen Gründen von … nach B gezogen sei und es für ihn sehr schwer gewesen wäre, die neue Stadt nach kurzer Zeit schon wieder zu verlassen.
14A habe sich auch nicht auf Ausbildungsstellen beworben, da er sehr schnell Gefallen an dem Praktikum und dem Beruf des Tätowierers gefunden habe. Er sei eher für eine eigenständige Arbeit geschaffen und habe einen Ausbildungsberuf somit ausgeschlossen. Das Praktikum sei im September 2015 verlängert worden, damit er sich noch intensiver mit dem Berufsbild als Tätowierer befassen und anschließend selbständig in diesem Beruf tätig werden konnte. Tatsächlich habe er im Januar 2016 ein Gewerbe als selbständiger Tätowierer angemeldet, in dem er nun arbeite. Für seine Tätigkeiten im Rahmen der Praktika habe A kein Entgelt bekommen.
15Die Klägerin beantragt,
16den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 12.01.2016 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 23.09.2016 aufzuheben.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG nicht erfüllt seien. Insbesondere seien die Praktika nicht als Berufsausbildung zu werten.
20Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Sohnes der Klägerin als Zeugen. Dieser teilte mit, dass er schon seit Erhalt der ersten Absage beabsichtigt habe, sich erneut auf den Studiengang … zu bewerben. Im Jahr 2015 habe er sich allerdings noch nicht erneut beworben. Der Grund dafür liege darin, dass er seine Bewerbungsmappe noch nicht für gut genug gehalten habe. Auch habe er sich nicht auf andere Studiengänge beworben, weil er unbedingt etwas Künstlerisches habe machen wollen. Kunst habe er zwar grundsätzlich überall studieren können, jedoch habe es ihm in B am besten gefallen.
21Der schriftliche Praktikumsvertrag betreffend den Zeitraum 15.04.2014 bis 15.08.2015 sei nachträglich erstellt worden, weil die Familienkasse Unterlagen erbeten habe. Eigentlich hätten dem Praktikum zwei mündliche Verträge mit jeweils 15 Wochenstunden zu Grunde gelegen. Das erste Praktikum habe nur 5 Monate gedauert und habe aus seiner Sicht dem Ziel dienen sollen, seine künstlerischen Fähigkeiten zu verbessern. Da er dabei entdeckt habe, dass ihm die Tätigkeit als Tätowierer Spaß mache, sei das Praktikum um 1 Jahr verlängert worden. Dabei sei es ihm darum gegangen, die Kenntnisse und Fähigkeiten zu erlernen, die er für eine Tätigkeit als Tätowierer brauche. Die Anwesenheitszeit von 15 Wochenstunden habe er eingehalten. Feste Arbeitszeiten habe er allerdings nicht gehabt.
22Der weitere Praktikumsvertrag betreffend den Zeitraum 01.09.2015 bis 01.09.2016 sei zwar abgeschlossen worden, aber bald wieder aufgehoben worden, weil er sich selbständig machen wollte. Tatsächlich sei er im Zeitraum September 2015 bis Dezember 2015 nicht mehr in dem Tattoo-Studio tätig gewesen, da er sich auf seine selbständige Tätigkeit habe vorbereiten müssen. Im Januar 2016 habe er dann einen Gewerbeschein beantragt und arbeite seitdem in Vollzeit als selbständiger Tätowierer. Von seinem Verdienst könne er auch leben.
23Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Kindergeldakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
26Der angefochtene Bescheid vom 12.01.2016 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 23.09.2016 enthält bezogen auf das Kind A zwei Verwaltungsakte, nämlich zum einen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung (Aufhebungsbescheid) und zum anderen die Rückforderung von Kindergeld (Rückforderungsbescheid).
27Streitzeitraum sind in Bezug auf den Rückforderungsbescheid die Monate März 2014 bis Oktober 2015 (Rückforderungszeitraum) und in Bezug auf den Aufhebungsbescheid die Monate März 2014 bis Dezember 2015.
281. Der Aufhebungsbescheid ist rechtswidrig, soweit dieser den Zeitraum März 2014 bis August 2015 betrifft, und im Übrigen rechtmäßig.
29Nach § 70 Abs. 2 EStG ist die Festsetzung von Kindergeld zu ändern, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, und zwar mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn ein volljähriges Kind die besonderen Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG i. V. m. § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG nicht mehr erfüllt.
30A war lediglich in dem Zeitraum März 2014 bis August 2015 ein berücksichtigungsfähiges Kind im o.g. Sinne.
31a) Im Monat März 2014 war der Tatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG („eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann“) erfüllt. Denn A hat bei analoger Anwendung der Dreitagesfrist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO erst im März 2014 erfahren, dass seine im Januar erfolgte Bewerbung auf den Studienplatz erfolglos geblieben ist. Dafür, dass das Absageschreiben vom 27.02.2014 A schon im Februar zugegangen ist, ist nichts ersichtlich.
32b) In den Monaten April 2014 bis August 2015 erfüllte A den Tatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG („für einen Beruf ausgebildet“).
33Der Begriff der Berufsausbildung umfasst jede Ausbildung zu einem künftigen Beruf. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Diese Voraussetzungen können auch dann erfüllt sein, wenn das Kind ein Praktikum absolviert. Dabei muss dem Praktikum kein detaillierter Ausbildungsplan zugrunde liegen. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel und damit der Berufsausbildung dienen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vielmehr alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind, und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungsordnung oder Studienordnung vorgeschrieben sind. Auch braucht die Ausbildungsmaßnahme Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen (vgl. zu allem BFH, Urteil vom 22.11.2012 – V R 60/10, BFH/NV 2013, 531).
34Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. A hat in dem Zeitraum April 2014 bis August 2015 die Kenntnisse und Fähigkeiten erworben, die er für den Beruf „Tätowierer“ benötigte. Dass es sich hierbei um eine gesetzlich nicht geregelte Tätigkeit handelt und es daher theoretisch jedermann möglich ist, diesen Beruf auch ohne Ausbildung aufzunehmen, ist unerheblich. Denn es liegt auf der Hand, dass sich letztlich nur diejenigen in dem Beruf behaupten können, die ihr Handwerk auch verstehen. Mithin ist es zumindest faktisch erforderlich, sich vor der Aufnahme der Tätigkeit alle erforderlichen Kenntnisse anzueignen, wie z.B. das Anfertigen von Skizzen und deren Übertragung auf die Haut, die Kenntnis der besonderen Hygieneanforderungen sowie den Umgang mit den Tätowiergeräten und den unterschiedlichen Farben. Inwiefern solche Kenntnisse in den auf dem Markt angebotenen „Wochenendkursen“ hinreichend vermittelt werden können, bedarf keiner Aufklärung. Denn ungeachtet solcher kostenpflichtigen Angebote bleibt es einem Kind, das den Beruf des Tätowierers erlernen möchte, unbenommen, sich von einem erfahrenen Tätowierer ausbilden zu lassen. Denn gerade weil die Ausbildung zum Tätowierer gesetzlich nicht geregelt ist, sind mehrere Wege denkbar, die benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben. Wird das Erlernen der Tätigkeit ernsthaft und mit hinreichendem Zeitaufwand betrieben, dann handelt es sich hierbei auch um eine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG.
35Das Gericht ist davon überzeugt, dass A im April 2014 mit dem Praktikum in dem Tattoo-Studio begonnen hat und dieses bis August 2015 auch durchgeführt hat. Zwar hat A eingeräumt, dass der vorgelegte Praktikumsvertrag für den Gesamtzeitraum 15.04.2014 bis 15.08.2015 nachträglich erstellt worden ist. Sein Vortrag, dass ursprünglich zwei mündliche Praktikumsverträge von 5 bzw. 12 Monaten Dauer abgeschlossen worden seien, ist jedoch glaubhaft. Denn schließlich muss A die Kenntnisse und Fähigkeiten, die er für die im Januar 2016 erfolgreich aufgenommene Tätigkeit als Tätowierer benötigte, zuvor erworben haben. Zudem hat der Inhaber des Tattoo-Studios in Form der Praktikumsbescheinigung vom 15.08.2015 bestätigt, dass A im Zeitraum 15.04.2014 bis 15.08.2015 als Praktikant tätig war. Dafür, dass es sich hierbei um eine inhaltlich unrichtige Gefälligkeitsbescheinigung handelt, ist nichts ersichtlich.
36Es besteht auch keine Veranlassung, das 5monatige (Vor)Praktikum und das 12monatige (Haupt)Praktikum rechtlich unterschiedlich zu würdigen. Zwar hatte A nach eigenen Angaben bei Aufnahme des (Vor)Praktikums noch nicht den Wunsch, Tätowierer zu werden. Jedoch hat er auch schon in diesem Zeitraum die ersten Kenntnisse und Fertigkeiten für den letztlich ausgeübten Beruf erworben. Zudem entspricht es der Natur eines Praktikums, sich durch das Kennenlernen der Tätigkeit zunächst darüber klar zu werden, ob man diesen Beruf auch tatsächlich erlernen bzw. ausüben möchte.
37Dass das Praktikum nur 15 Stunden pro Woche dauerte, ist unerheblich. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 22.11.2012 – V R 60/10, BFH/NV 2013, 531) reicht selbst ein inländisches Praktikum, das nur 1 Woche pro Monat und damit nur rd. ¼ der üblichen Monatsarbeitszeit ausgeübt wird, in zeitlicher Hinsicht aus, um noch von einer Berufsausbildung sprechen zu können. 15 Wochenstunden entsprechen deutlich mehr als ¼ der üblichen Arbeitszeit.
38c) Dafür, dass die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auch in dem Zeitraum September 2015 bis Dezember 2015 erfüllt waren, ist nichts ersichtlich.
39Insbesondere ergibt sich dies nicht aus dem Praktikumsvertrag für den Zeitraum 01.09.2015 bis 01.09.2016, da dieser Vertrag nach den Angaben von A alsbald wieder aufgehoben worden ist und zudem auch nicht ersichtlich ist, welche Kenntnisse und Fähigkeiten A erworben haben soll, die er nicht schon durch die vorangegangenen Praktika erworben hat. Der Zeuge gab zudem an, in dem Zeitraum September bis Dezember 2015 nicht mehr im Tattoo-Studio tätig gewesen zu sein, sondern sich auf die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit vorbereitet zu haben. Die Ausbildung war daher nach Aktenlage bereits im August 2015 abgeschlossen.
40Auch führt der Umstand, dass sich A im Januar 2016 erneut auf einen Studienplatz für den Studiengang … beworben hat, nicht dazu, dass er in der Zeit davor als ausbildungssuchendes Kind anzusehen wäre. Zwar erfüllen Kinder, die sich zum nächstmöglichen Studienbeginn auf einen Studienplatz bewerben, in der Zeit davor regelmäßig den Tatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG. Anders verhält es sich jedoch, wenn das Kind es bewusst unterlässt, sich schon zu einem früheren Termin auf den von ihm begehrten Studienplatz zu bewerben, und es sich insbesondere auch nicht für vergleichbare Studiengänge bewirbt (und zwar auch an anderen Hochschulen). Denn in einer derartigen Situation beruht der Umstand, dass das Kind sein Studium noch nicht aufnehmen konnte, nicht maßgeblich darauf, dass der Studienbeginn nur zu bestimmten Zeiten möglich ist, sondern darauf, dass sich das Kind zu dem früheren Termin nicht beworben hat bzw. es sich nirgendwo anderes bewerben wollte. So verhält es sich auch hier. Denn A hat es zum einen bewusst unterlassen, sich im Jahr 2015 erneut für den von ihm angestrebten Studiengang zu bewerben. Zudem hat er es über einen Zeitraum von zwei Jahren unterlassen, sich auf andere künstlerische Studiengänge in B bzw. auf vergleichbare Studiengänge an anderen Hochschulen zu bewerben.
41Zudem war im Streitfall nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, wann A die Absicht, sich erneut bei Hochschule in B zu bewerben, tatsächlich gefasst hat. Nachprüfbar manifestiert hat sich diese Absicht erst im Januar 2016 mit der Stellung des Antrags auf Zulassung.
422. Die beiden Rückforderungsbescheide vom 23.09.2016 sind mangels hinreichender Bestimmtheit nach § 124 Abs. 3, § 125 Abs.1 AO unwirksam und der Klarheit wegen aufzuheben.
43Verwaltungsakte müssen gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. So wie es unzulässig ist, verschiedene Steuerschulden desselben Steuerschuldners in einem Betrag unaufgegliedert zusammenzufassen (BFH, Urteil vom 28.01.1983 - VI R 35/78, BStBl II 1983, 472), ist es auch unzulässig, mehrere Rückforderungsansprüche in einem Betrag zusammen zu fassen. Dabei ist zu beachten, dass der Rückforderungsanspruch für jedes Kind und jeden Monat eine gesonderte Forderung darstellt. Deshalb ist der Rückforderungsanspruch grundsätzlich nach Kindern und Zeiträumen aufzugliedern, wobei auch ein Verweis auf eine Anlage zum Bescheid oder auf andere Unterlagen, die sich bereits in den Händen des Leistungsempfängers befinden und aus denen die notwendige Aufgliederung des Gesamtbetrags hervorgeht, genügt. Auf eine derartige Aufgliederung kann im Einzelfall ausnahmsweise nur dann verzichtet werden kann, wenn trotz unaufgegliederter Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle eindeutig feststeht, welche Steuerfälle von dem Bescheid erfasst werden, und auch aus anderweitigen rechtlichen Gründen keine Notwendigkeit zu einer Differenzierung besteht (dazu BFH vom 22.09.2004 II R 50/03, BFH/NV 2005, 993; FG Münster, Beschluss vom 09.02.2012 – 5 V 3464/11 Kg, AO, juris ).
44Dazu, für welche Kinder Kindergeld zurückgefordert wird, enthalten die Rückforderungsbescheide vom 23.09.2016 keine ausdrückliche Aussage. Lediglich aus dem Umstand, dass im vorangegangenen Bescheidteil die Kindergeldfestsetzung für drei Kinder aufgehoben bzw. geändert wurde, lässt sich vermuten, dass sich auch der Rückforderungsanspruch auf drei Kinder bezieht. Dabei bleibt jedoch offen, wie sich der Rückforderungsanspruch auf die Kinder A, D und E aufteilt.
453. Der Rückforderungsbescheid vom 12.01.2016, der wegen der Nichtigkeit der Änderungsbescheide vom 23.09.2016 weiterhin Bestand hat, ist rechtswidrig.
46a) Nichtigkeit liegt insoweit nicht vor. Denn der Rückforderungsbescheid ist im Zusammenspiel mit dem vorangestellten Aufhebungsbescheid dahingehend auszulegen, das ausschließlich Kindergeld für A zurückgefordert wird. Bei einem derartigen Verständnis des Bescheids wurde der Rückforderungsbetrag lediglich zu hoch beziffert, indem statt der für A tatsächlich festgesetzten 184 € / 188 € Beträge von 215 € / 219 € pro Monat zurückgefordert wurden.
47b) Bezogen auf die Monate März 2014 bis August 2015 war der Rückforderungsbescheid aufzuheben, da für diesen Zeitraum aus den unter 1a und 1b dargelegten Gründen ein Anspruch auf Kindergeld bestand und es mithin an einer Zahlung ohne Rechtsgrund i.S.d. § 37 Abs. 2 AO fehlt.
48c) Für die Monate September und Oktober 2015 war der Rückforderungsanspruch von 219 € auf 188 € zu reduzieren, da für A nur Kindergeld i.H.v. 188 € pro Monat festgesetzt war.
493. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Sie entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens.
50Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.