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Unter Änderung des Bescheides vom 30.07.2012 wird die Umsatzsteuer für 2009 auf xx € festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand:
2Streitig ist, ob der Beklagte der Klägerin wegen Vorliegens einer Geschäftsveräußerung im Ganzen zu Recht den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Gaststätteninventars versagt hat.
3Die Klägerin betreibt seit dem 01.09.2009 in A-Stadt, B-Straße, unter dem Namen C eine Gaststätte in angemieteten Räumen.
4Die Gaststätte war vorher von der D-GbR als Pächter unter dem Namen E betrieben worden. Deren Pachtvertrag wurde mit Aufhebungsvereinbarung vom 31.05.2009 zum 31.05.2009 beendet, nachdem es zuvor Rechtsstreitigkeiten wegen Zahlungsrückständen des Pächters gegeben hatte. In der Aufhebungsvereinbarung wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin beabsichtige, das Groß- und Kleininventar käuflich zu übernehmen.
5Mit Vertrag vom 03.06.2009 verkaufte die D-GbR der Klägerin das gesamte Inventar laut dem Vertrag beigefügter Inventarliste zum Kaufpreis von xx € zzgl. 19 % Mehrwertsteuer. In der Inventarliste sind die einzelnen Gegenstände unterteilt in 1. Gastraum, 2. Theke, 3. Küche und 4. Keller aufgeführt.
6Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Inventarliste verwiesen. Im Kaufvertrag wird u. a. auf Folgendes hingewiesen:
7 „Der Käufer wird den Verkäufer als Mieter dieser Räume ablösen.“
8 „Bedingung für das Zustandekommen des Kaufvertrages ist der Mietaufhebungsvertrag zwischen der D-GbR (Verkäufer, Pächter) und der Erbengemeinschaft F (Gaststätteneigentümer) zum 31.05.2009.“
9 „Der Käufer kann von dem Vertrag zurücktreten, wenn ein Mietvertrag über die Betriebsräume nicht zustande kommt.“
10Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt des Vertrages Bezug genommen.
11Die D-GbR erteilte der Klägerin unter dem 31.05.2009 eine entsprechende Rechnung „gem. Kaufvertrag vom 31.05.2009“, in der die Mehrwertsteuer in Höhe von xx € ausgewiesen ist.
12Bereits am 19.05.2009 hatte die Klägerin mit der Erbengemeinschaft F einen Mietvertrag über die Gaststättenräumlichkeiten für die Zeit ab dem 01.09.2009 abgeschlossen.
13Die Klägerin hatte zuvor ein anderes Restaurant … in A-Stadt betrieben. Nachdem ihr das dortige bis zum 30.09.2009 befristete Mietverhältnis nicht verlängert worden war, suchte sie einen neuen Standort. Ein Mitarbeiter einer Brauerei … teilte ihr daraufhin mit, dass das Objekt B-Straße vakant sei. Die Brauerei … stellte dann auch den Kontakt zum dortigen Vermieter her.
14Im Mietvertrag hat sich der Vermieter zu folgenden Instandsetzungs- bzw. Modernisierungsarbeiten bis zum Beginn der Mietzeit verpflichtet:
15 neuer Küchenboden mit Abfluss,
16 Sanierung der WC-Anlage,
17 Fettabscheider für den gesamten Küchenbereich einschließlich Küchenboden,
18 Einbau von drei neuen Fenstern zur G-Straße hin.
19Darüber hinaus versichert der Vermieter im Mietvertrag, dass sich die betriebstechnischen Einrichtungen wie zum Beispiel Be- und Entlüftungsanlage, Elektroinstallation, Verrohrung der Sanitäranlagen in einem betriebsfähigen Zustand befinden beziehungsweise dieser bis zum Mietbeginn hergestellt wird.
20Der Mietvertrag enthält desweiteren folgende Regelung:
21„Mieter erwirbt im Rahmen der Anmietung des Objektes aus dem Eigentum des bisherigen Pächters, Firma D-GbR, A-Stadt, in freier Entscheidung die Einrichtung (Groß- und Kleininventar). Er ist damit Eigentümer dieser Gegenstände.“
22Mit ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für 05/2009 machte die Klägerin u. a. Vorsteuern in Höhe von xx € aus der Rechnung der D-GbR vom 31.05.2009 geltend.
23Im Anschluss an eine vom Finanzamt A-Stadt bei der D-GbR durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Bericht vom …), die zu der Feststellung gelangte, dass beim Verkauf des Restaurants E eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorgelegen habe und in der Rechnung vom 31.05.2009 damit zu Unrecht Umsatzsteuer ausgewiesen worden sei, versagte das seinerzeit für die Klägerin zuständige Finanzamt H-Stadt mit Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid 05/2009 vom 04.05.2010 den Vorsteuerabzug.
24Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 22.06.2012 wies der nunmehr für die Besteuerung der Klägerin zuständige Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
25Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin im Wesentlichen vorträgt:
26Es sei entgegen der Annahme des Beklagten nicht das Ladenlokal E erworben worden. Ausweislich des Kaufvertrags vom 03.06.2009 seien lediglich die Einrichtungsgegenstände erworben worden.
27Den Mietvertrag habe die Klägerin bereits zuvor am 19.05.2009 mit einem nicht mit dem Veräußerer identischen Vermieter abgeschlossen. Der vorherige Pachtvertrag des Veräußerers mit dem Vermieter sei bereits gekündigt gewesen. Damit habe der Veräußerer keine Möglichkeit gehabt, das Pachtrecht auf die Klägerin zu übertragen.
28Der Warenbestand sei nicht mit veräußert worden. Es seien auch keine Arbeitnehmer übernommen worden.
29Sowohl vom Vermieter (siehe Kaufvertrag), als auch von der Klägerin (siehe im Einspruchsverfahren und mit Schriftsatz vom 10.08.2012 eingereichte Nachweise) seien von Juni bis September 2009 erhebliche Renovierungs- und Umbaumaßnahmen vorgenommen worden, die dem Ladenlokal ein völlig neues Gepräge gegeben hätten und ohne die der Betrieb nicht hätte wirtschaftlich fortgeführt werden können. Die Be- und Entlüftung sowie das elektrische Stromnetz seien so marode gewesen, dass eine neue Konzession durch die A-Stadt nicht erteilt worden wäre. Das Lokal sei von der Klägerin auch erst am 04.10.2009 eröffnet worden. Der Vorpächter habe seinen Betrieb bereits seit mindestens Anfang Mai 2009 geschlossen gehabt.
30Außerdem hätten der Veräußerer, der ein … Speiserestaurant betrieben habe, und die Klägern, die mit der von ihr betriebenen Gastronomiekette Erlebnisgastronomie anbiete, nicht vergleichbare gastronomische Konzepte verfolgt. Kundenstamm und Warensortiment seien deshalb vollkommen unterschiedlich. Insofern fehle es an dem Erfordernis der Ermöglichung der Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit.
31Der Klägerin sei schließlich auch untersagt gewesen, den bisherigen Namen des Lokals E fortzuführen.
32Der Beklagte hat unter dem 30.07.2012 einen Jahresumsatzsteuerbescheid für 2009 erlassen, in dem ebenfalls die erklärten Vorsteuern um 15.010 € gekürzt sind.
33Die Klägerin beantragt,
34die Umsatzsteuerfestsetzung für 2009 im Bescheid vom 30.07.2012 um einen Betrag von xx € zu verringern,
35hilfsweise die Revision zuzulassen.
36Der Beklagte beantragt,
37die Klage abzuweisen,
38hilfsweise die Revision zuzulassen.
39Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor:
40Für die Beurteilung einer Geschäftsveräußerung im Ganzen seien die von der Klägerin im Einzelnen angeführten Umstände unerheblich. Entscheidend sei, ob die bloße Möglichkeit der Unternehmensfortführung ohne nennenswerten finanziellen Aufwand bestanden habe, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht habe, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten sich hinreichend ähnelten. Dies sei im Streitfall ‑ wie in der Einspruchsentscheidung dargelegt ‑ der Fall. Entscheidend sei allein, dass ein Restaurant als Betrieb, d.h. eine branchengleiche Betätigung, in den gleichen Räumlichkeiten fortgeführt werde. Unerheblich sei, dass die Klägerin den Betrieb ihren Vorstellungen angepasst und dazu Aufwendungen getätigt habe. Aufwand, den die Klägerin zur Verwirklichung ihres Firmenkonzepts „freiwillig“ auf sich genommen habe, spiele keine Rolle. Die Fortführung des Betriebes sei ohne großen finanziellen Aufwand möglich gewesen. Im Übrigen sei dies für die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen aber auch nicht erforderlich.
41Der Vortrag der Klägerin hinsichtlich der Erteilung einer Konzession sei rein spekulativ und letztlich - ebenso wie der Umstand der kurzfristigen Schließung des Lokals – auch unerheblich.
42Auch ohne Übergang eines bestehenden Miet- bzw. Pachtvertrages liege im Streitfall die Fortsetzung einer Vermietungs-/Verpachtungstätigkeit vor. Den wechselseitigen Vereinbarungen zwischen Vermieter, Veräußerer und Klägerin liege ‑ wie auch aus dem Kaufvertrag ersichtlich ‑ ein Gesamtplan zugrunde. Die Veräußerin habe der Klägerin erst durch den mit der Verpächterin geschlossenen Aufhebungsvertrag ermöglicht, einen Pachtvertrag mit der Verpächterin zu schließen. Der Abschluss eines neuen Miet- bzw. Pachtvertrages statt des Eintritts in einen bestehenden Miet- bzw. Pachtvertrag stehe der Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht entgegen. Auf das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 12.07.2013 - 1 K 4421/10 U - , Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG – 2014, 1034 (Revision anhängig XI R 42/13) zu einem gleich gelagerten Sachverhalt werde hingewiesen. Unerheblich sei schließlich auch, auf wessen Initiative und von wem ein neuer Pächter ausgewählt worden sei.
43Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des F (Vermieter) als Zeugen zu den Umständen der Vermietung des Objektes B-Straße in A-Stadt und der Veräußerung von Inventargegenständen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
44Entscheidungsgründe:
45Die Klage ist begründet.
46Der Umsatzsteuerjahresbescheid für 2009 vom 30.07.2012, der den angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid 05/2009 vom 04.05.2010 ersetzt hat, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung ‑ FGO ‑. Der Beklagte hat zu Unrecht den Vorsteuerabzug aus der Rechnung der D-GbR vom 31.05.2009 in Höhe von xx € versagt. Die festgesetzte Umsatzsteuer in Höhe von xx € war deshalb antragsgemäß um xx € auf xx € (wie erklärt) herabzusetzen.
47Der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz ‑ UStG ‑ steht der Klägerin zu, weil sie das Gaststätteninventar von der D-GbR entgegen der Annahme des Beklagten nicht im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1 a UStG erworben hat. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer als Vorsteuer die gesetzlich geschuldete und in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Dies entspricht den Vorgaben der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern vom 17.05.1977 ‑ 6. EG-Richtlinie ‑ (nunmehr Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ‑ MwStSystRL ‑), wonach nur die für den Umsatz gesetzlich geschuldete Steuer zum Vorsteuerabzug berechtigt (Urteil des Europäischen Gerichtshofes ‑ EuGH ‑ vom 13.12.1989 Rs C-342/87, Genius Holding, EuGHE I 1989, 4227, Umsatzsteuer-Rundschau ‑ UR ‑ 1991, 83).
48Die in der Rechnung der D-GbR vom 31.05.2009 über den Verkauf des Inventars der Gaststätte „E“ ausgewiesene Umsatzsteuer ist die von der D-GbR gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer für deren Lieferung des Gaststätteninventars gemäß Kaufvertrag. Der Verkauf ist nicht im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen erfolgt.
49Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 a Satz 1 UStG nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt nach § 1 Abs. 1 a Satz 2 UStG vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1 a UStG setzt Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie (nunmehr Art. 19 MwStSystRL) in nationales Recht um. Danach können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Die Mitgliedstaaten treffen gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen, um Wettbewerbsverzerrungen für den Fall zu vermeiden, dass der Begünstigte nicht voll steuerpflichtig ist. Dabei bezweckt Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie nach der Rechtsprechung des EuGH die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen. Im Hinblick auf diesen Zweck erfasst Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie die Übertragung der Geschäftsbetriebe und der selbständigen Unternehmensteile, die jeweils materielle und immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammengenommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann (Urteil des EuGH vom 27.11.2003 Rs. C-497/01, Zita Modes, Slg. 2003, I-14393, BFH/NV 2004 (Beilage 2), 128 Rdnr. 39 f.; Urteil des Bundesfinanzhofs ‑ BFH ‑ vom 19.12.2012 XI R 38/10, Bundessteuerblatt ‑ BStBl ‑ 2013, 1053).
50Der Erwerber muss darüber hinaus die Absicht haben, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit (Urteil des EuGH vom 27.11.2013 Rs. C-497/01, a. a. O., Rdnr. 44).
51Die Frage, ob ein Unternehmen oder ein in der Gliederung gesondert geführter Betrieb „im Ganzen“ übereignet wird, kann nicht nach nationalen ertragsteuerlichen Kriterien, sondern nur unter Berücksichtigung der Regelung der 6. EG-Richtlinie entschieden werden. Wie sich bereits aus den Begriffen des Gesamtvermögens und des Teilvermögens ergibt, die die Richtlinie gleichrangig verwendet, kommt es für die Unternehmensfortführung nach Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie nicht darauf an, dass der Steuerpflichtige sein gesamtes Unternehmensvermögen auf den Erwerber überträgt. Im Hinblick auf die nach der EuGH-Rechtsprechung maßgebliche Absicht des Erwerbers, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben, ist vielmehr entscheidend, ob die übertragenen Vermögensgegenstände die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglichen. Hiermit übereinstimmend ist es nach der Rechtsprechung des BFH maßgeblich, ob die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung die Art der übertragenen Vermögensgegenstände und der Grad der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten zu berücksichtigen (Urteil des BFH vom 28.11.2002 V R 3/01, BStBl II 2004, 665).
52Der unternehmerischen Fortführbarkeit und der Fortführungsabsicht durch den Erwerber, und zwar auch aus der Sicht des Erwerbers, kommen entscheidendes Gewicht zu (Urteil des BFH vom 29.08.2012 XI R 10/12, BStBl II 2013, 221).
53§ 1 Abs. 1 a UStG setzt nicht voraus, dass der Erwerber das Unternehmen unverändert weiterführt. Der vom EuGH bei der Auslegung betonte Vereinfachungszweck greift vielmehr auch dann ein, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb aus z. B. betriebswirtschaftlichen oder kaufmännischen Gründen in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert. Die Wesentlichkeit einzelner Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zu Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand (Urteil des BFH vom 04.07.2002 V R 10/01, BstBl II 2004, 662) stellen in diesem Zusammenhang keine eigenständigen Voraussetzungen für die Nichtsteuerbarkeit da, sondern sind im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, aus der sich ergibt, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht (Urteil des BFH vom 23.08.2007 V R 14/05, BStBl II 2008, 165).
54Hieran fehlt es z. B., wenn nur der Warenbestand verkauft wird (Urteil des EuGH vom 27.11.2003 Rs C-497/01, Zita Modes, a. a. O., Rdnr. 44).
55Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hat der Senat im Streitfall die Überzeugung gewonnen, dass nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Klägerin das von der D-GbR berechnete Inventar nicht im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen erworben hat.
56Die D-GbR hat der Klägerin mit der Veräußerung des gesamten Inventars (mit Ausnahme von sieben Ölgemälden) zwar eine wesentliche Gesamtheit von Sachen und Gegenständen übertragen, die für den Betrieb einer Gaststätte notwendig war. Die Klägerin hat den Betrieb der Gaststätte jedoch nicht im Wesentlichen unverändert und ohne großen finanziellen Aufwand fortführen können und tatsächlich fortgeführt. Vielmehr musste im Hinblick auf den baulichen Zustand des Mietobjektes (der Gaststättenräumlichkeiten) als ‑ neben dem Inventar ‑weiterer elementarer Betriebsgrundlage mit erheblichem finanziellen Aufwand ein den Betrieb einer Gaststätte möglich machender Zustand erst wieder hergestellt werden. Damit korrespondiert auch der Umstand, dass in den Räumlichkeiten ca. sechs Monate keine Gaststätte betrieben wurde.
57Wie der Zeuge F (Vermieter) im Einzelnen dargelegt hat, waren die Gaststättenräumlichkeiten bei Beendigung des Pachtvertrages mit der D-GbR in einem so desolaten Zustand, dass eine komplette „Entkernung“ (Erneuerung der Elektroinstallation und der Lüftungsanlage, Einbau eines Fettabscheiders) neben den weiteren im Mietvertrag genannten Instandhaltungsarbeiten notwendig war, um die Gaststättenräumlichkeiten wieder in einen konzessionsfähigen Zustand zu versetzen. Der Zeuge hat den Aufwand mit ca. xx € bis xx € beziffert.
58Darüber hinaus wurden auch von der Klägerin ausweislich der von ihr dazu vorgelegten Unterlagen weitere umfangreiche Renovierungs-, Umbau- und Investitionsmaßnahmen in einer die Anschaffungskosten des Inventars deutlich übersteigenden Größenordnung getätigt, wobei noch hinzukommt, dass das übernommene Inventar nach Darstellung der Klägerin in weiten Bereichen wegen maroder Technik nicht genutzt werden konnte.
59Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass angesichts des Umfangs der vom Vermieter der Gaststättenräumlichkeiten und von der Klägerin zwingend zu tätigenden Instandsetzungsmaßnahmen und des damit verbundenen ganz erheblichen finanziellen Aufwands mangels identischer wesentlicher Betriebsgrundlage von einer Betriebs- oder Unternehmensfortführung nicht mehr gesprochen werden kann. Insofern unterscheidet sich der Streitfall auch vom Sachverhalt, der dem vom Beklagten für seine Auffassung herangezogenen Urteil des FG Düsseldorf vom 12.07.2013 1 K 4421/10 U, a. a. O., zugrunde lag. Dort war ‑ soweit ersichtlich ‑ ein unmittelbarer Weiterbetrieb der Gaststätte ohne nennenswerten finanziellen Aufwand und ohne zeitliche Zäsur möglich.
60Im Rahmen der Gesamtwürdigung sind darüber hinaus folgende gegen eine Geschäftsveräußerung im Ganzen sprechenden Umstände zu berücksichtigen. Die Klägerin hat von der D-GbR keine Arbeitnehmer und keinen Warenbestand übernommen. Die Gaststätte wurde von der Klägerin unter anderer Bezeichnung geführt. Eine Namensfortführung war ihr vertraglich ausdrücklich untersagt. Bierlieferungsverträge wurden ebenfalls nicht übernommen. Die Klägerin und die D-GbR verfolgten unterschiedliche gastronomische Konzepte mit entsprechend unterschiedlichem Warensortiment und Kundenstamm. Schließlich wurde der Mietvertrag mit der Erbengemeinschaft F von der Klägerin zeitlich bereits vor dem Kaufvertrag zwischen Klägerin und der D-GbR über das Inventar abgeschlossen, wobei Auswahl der Klägerin als neuer Mieter und Initiative zum Abschluss eines neuen Mietvertrages nicht von der D-GbR, sondern vom Vermieter, der Erbengemeinschaft F, ausgingen.
61Über sämtliche vorstehend genannten Umstände hinaus scheitert die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen aber auch daran, dass die Anmietung der Gaststättenräumlichkeiten von dritter Seite (von der Erbengemeinschaft F) nicht mit der Veräußerung des Inventars durch die D-GbR an die Klägern zusammengefasst werden darf. Der BFH hat zwischenzeitlich mit Urteil vom 04.02.2015 XI R 42/13, juris-doc., das vom Beklagten für seine Rechtsauffassung herangezogene Urteil des FG Düsseldorf vom 12.07.2013 1 K 4421/10 U, a. a. O., aufgehoben und der dortigen Klage stattgegeben. Er hat unter anderem ausgeführt, dass für die Prüfung der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen die einzelnen zwischen verschiedenen Personen bestehenden Leistungsbeziehungen zu unterscheiden seien und nicht zusammengefasst werden könnten. Er hat lediglich offen gelassen, wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn der Erwerber des Inventars im Rahmen eines umfassenden Vertrages mit dem Veräußerer des Inventars in dessen mit einem Dritten bestehenden Pachtvertrag (vollumfänglich) eingetreten wäre. Einen derartigen Übergang der „Pächterstellung“ vom Veräußerer auf den Erwerber hat der BFH im dortigen Urteilsfall verneint. Er hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich betont, dass sich aus dem Urteil des BFH vom 06.05.2010 V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873, auf das sich auch der Beklagte im vorliegenden Streitfall gestützt hat, nichts anderes ergebe.
62Im vorliegenden Streitfall hat ebenfalls kein Eintritt der Klägerin in den bestehenden Pachtvertrag der D-GbR und damit kein Übergang der „Pächterstellung“ stattgefunden.
63Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
64Die Entscheidung über die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren folgt aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
65Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.