Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
In dem Rechtsstreit
2()
3Entscheidungsgründe:
4Die Klage ist unbegründet.
5§ 38 Abs. 5 und 6 KStG und § 34 Abs. 16 KStG sind nach Auffassung des Senates nicht verfassungswidrig, so dass das Verfahren nicht auszusetzen war, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.
61. Gemäß § 38 Abs. 5 Satz 1 KStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) beträgt der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag 3/100 des nach § 38 Abs. 4 Satz 1 KStG festgestellten Endbetrags. Der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag ist gemäß § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG auf den Betrag begrenzt, der sich nach den Absätzen 1 bis 3 als Körperschaftsteuererhöhung ergeben würde, wenn die Körperschaft ihr am 31. Dezember 2006 bestehendes Eigenkapital laut Steuerbilanz für eine Ausschüttung verwenden würde.
71.1 Der spiegelbildlich zu dem Körperschaftsteuerminderungsbetrag nach § 37 Abs. 4 KStG i.d.F. des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7. Dezember 2006 eingeführte § 38 Abs. 5 KStG löst die in den Absätzen 1 bis 3 enthaltene Regelung ab. Danach führten Leistungen, für die das gemäß § 36 Abs. 7 KStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes vom 23. Oktober 2000 festgestellte und fortgeschriebene EK 02 als verwendet galt, innerhalb des 15-, später 18-jährigen Übergangszeitraums zu einer Körperschaftsteuererhöhung um 3/7 des Betrags (§ 38 Abs. 2 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts --Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz-- vom 20. Dezember 2001). Dadurch sollte die für diese Leistungen nach altem Recht geltende Ausschüttungsbelastung von 30 % erreicht werden.
8Da dem Gesetzgeber die bisherige Regelung als zu aufwändig erschien, schuf er § 38 Abs. 5 Sätze 1 und 2 KStG, mittels derer die sonst während des Übergangszeitraums eingetretene Körperschaftsteuererhöhung in Fällen, in denen das EK 02 als verwendet galt, in pauschalierter Form abgegolten werden soll. Der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag beträgt grundsätzlich 3/100 des letztmalig auf den 31. Dezember 2006 festgestellten Endbetrags (§ 38 Abs. 4 Satz 1 KStG). Der Gesetzgeber besteuert damit verwendungsunabhängig ein Zehntel des am 31. Dezember 2006 vorhandenen Endbetrags an EK 02 mit der zuletzt im Anrechnungsverfahren geltenden Ausschüttungsbelastung von 30 %. Der verbleibende restliche Bestand an EK 02 entfällt und löst keine weitere Körperschaftsteuererhöhung aus. Die pauschale Besteuerung - so die Gesetzesbegründung - soll jedoch unterbleiben, soweit eine Gesellschaft nicht über positives Eigenkapital verfügt. Die Höhe der Abschlagszahlung ist dann auf den Betrag begrenzt, der sich bei Anwendung der bisherigen Regelung ergeben würde, wenn das zum maßgeblichen Stichtag 31. Dezember 2006 vorhandene Eigenkapital ausgeschüttet würde. Dabei wird aus Vereinfachungsgründen auf das Steuerbilanzkapital abgestellt (BFH-Urteil vom 12.10.2011 I R 107/10, BFHE 235, 398, BStBl II 2012, 610).
9Auf dieser gesetzlichen Grundlage hat der Beklagte den Körperschaftsteuererhöhungsbetrag unstreitig zu Recht auf 73.955.611 € festgesetzt.
101.2 § 38 Abs. 5 und 6 KStG stellt entgegen der Ansicht der Klägerin keine verfassungswidrige Vermögensbesteuerung dar. Im Rahmen des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren wird das System der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteuererhöhung durch eine pauschale Abschlagzahlung ersetzt. Es handelt sich nicht um eine Vermögensbesteuerung, sondern um einen Ersatztatbestand für die bisher geltende ausschüttungsabhängige Nachversteuerung bisher unversteuerten Eigenkapitals mit 30 % des ausgeschütteten Eigenkapitals. Zur Bewältigung der auf dem Systemwechsel vom Anrechnungs- zum Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren beruhenden Schwierigkeiten hat der Gesetzgeber stark typisierend Ausschüttungen unterstellt, die er besteuert. Der Nachteil der ausschüttungsunabhängigen Nachversteuerung wird typisierend durch die Reduzierung der Steuerbelastung auf ein Zehntel und die Verteilung der Steuerlast auf 10 Jahre kompensiert. Ursprünglich hatte der Gesetzgeber eine Nachversteuerung des EK 02 auf der Ebene der Körperschaft bei Ausschüttungen wie zu Zeiten des Anrechnungsverfahrens noch für 15 Jahre vorgesehen und den Zeitraum dann auf 18 Jahre erweitert. Da der Gesetzgeber einen besonders weiten Spielraum bei der Umstrukturierung komplexer Regelungssysteme hat (BVerfG-Beschluss vom 17.11.2009 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, 1, HFR 2010, 521), war er berechtigt, die ausschüttungsunabhängige Nachversteuerungsregelung auch auf Steuerpflichtige zu erstrecken, die – wie die Klägerin – in der Vergangenheit keine Ausschüttungen vorgenommen haben und behaupten, im gesamten Übergangszeitraum von 18 Jahren Ausschüttungen nicht zu beabsichtigen.
111.3 Die Vorschrift des § 38 Abs. 5 und 6 KStG entfaltet keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung. Es liegt keine verfassungsrechtlich unzulässige „echte“ Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) vor. Die vorliegende „unechte“ Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) beeinträchtigt das verfassungsrechtlich geschützte Vertrauen des Einzelnen nicht unverhältnismäßig.
12Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet bei rückwirkenden Gesetzen in ständiger Rechtsprechung zwischen Gesetzen mit echter Rückwirkung, die grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar sind, und solchen mit unechter Rückwirkung, die grundsätzlich zulässig sind.
13Eine Rechtsnorm entfaltet „echte“ Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon für vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"). Im Steuerrecht liegt eine echte Rückwirkung nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert. Für den Bereich des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum jedenfalls in formaler Hinsicht der Kategorie der unechten Rückwirkung zuzuordnen ist; denn nach § 38 AO in Verbindung mit § 36 Abs. 1 EStG entsteht die Einkommensteuer erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, das heißt des Kalenderjahres (§ 25 Abs. 1 EStG). Dasselbe gilt für Veranlagungen zur Körperschaftsteuer (vgl. § 30 Nr. 3 KStG)(BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 1 BvL 5/08, HFR 2014, 359).
14Im Streitfall gilt § 38 Abs. 5 und 6 KStG nicht schon für vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung bereits abgeschlossene Tatbestände. Zwar knüpft § 38 Abs. 5 KStG an den auf den 31.12.2006 ermittelten Endbetrag i.S.d. § 36 Abs. 7 KStG an, der auf den Endbeständen der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals auf den 31.12.2001 beruht. Dies führt aber nicht zu einer nachträglichen Abänderung einer bereits entstandenen Steuerschuld. Denn die Steuerschuld gemäß § 38 Abs. 5 und 6 KStG entsteht erst mit Erlass des Bescheides über den Körperschaftsteuererhöhungsbetrag.
15Eine "unechte" Rückwirkung liegt vor, soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung“). Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (BVerfG-Beschluss vom 7.7.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76).
16Die Änderungen des § 38 Abs. 4 bis 10 KStG entfaltet nach diesen Grundsätzen eine unechte Rückwirkung. Sie führen den nach dem Systemwechsel vom Anrechnungs- auf das Halbeinkünfteverfahren nach § 36 Abs. 7 KStG festzustellenden positiven Endbetrag des EK 02 einer Besteuerung zu und knüpfen damit tatbestandlich an einen bereits ins Werk gesetzten, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt an, auch wenn die belastenden Rechtsfolgen der Besteuerung erst nach der Verkündung des Gesetzes eintreten (FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 24.9.2012 2 K 31/11, EFG 2013, 155, Az. des BFH I R 76/12).
17Der Gesetzgeber hat – wie das FG Hamburg überzeugend ausgeführt hat - durch die Neuregelung das verfassungsrechtlich geschützte Vertrauen des Einzelnen in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Die Erwartung der Klägerin, dass das EK 02 nach Ablauf der Übergangszeit steuerfrei sein würde, genießt als bloße allgemeine Erwartung in den Fortbestand der alten Rechtslage keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Die Klägerin hatte keine verfestigte Rechtsposition in Bezug auf eine Steuerfreiheit des EK 02 erlangt. Die bloße Möglichkeit einer Steuerfreiheit des EK 02 bei einem Verzicht auf Ausschüttungen begründet keine verfassungsrechtlich geschützte Position (FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 24.9.2012 2 K 31/11, EFG 2013, 155, Az. des BFH I R 76/12; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.8.2013 8 K 8289/10, Az. des BFH I R 65/13).
181.4 Es ist auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass durch § 38 Abs. 5 KStG eine endgültige Abgeltung des letztmalig festgestellten positiven Endbetrags des EK 02 unabhängig von einer Ausschüttung herbeigeführt wird.
19Der allgemeine Gleichheitssatz im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Der Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten verlangt eine gesetzliche Ausgestaltung der Steuer, die den Steuergegenstand in den Blick nimmt und mit Rücksicht darauf eine gleichheitsgerechte Besteuerung des Steuerschuldners sicherstellt. Ausnahmen von dem jedenfalls für die Ertragsteuern und damit auch für die Körperschaftsteuer geltenden Gebot gleicher Besteuerung bei gleicher Ertragskraft bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. BFH-Beschluss vom 10.8.2011 I R 39/10, BFHE 234, 396, BStBl II 2012, 603 m. w. N.).
20Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen angemessen sein muss. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Urteil vom 9.12.2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210, HFR 2009, 180).
21Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze wird nach Auffassung des Senates durch die Regelung des § 38 Abs. 5 KStG nicht das Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit verletzt, wie das FG Hamburg zutreffend ausgeführt hat (FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 24.9.2012 2 K 31/11, EFG 2013, 155, Az. des BFH I R 76/12), und bei der Klägerin keine Übermaßbesteuerung ausgelöst. Zwar wird durch die Ausschüttungsfiktion der Besteuerungstatbestand gesetzlich herbeigeführt und der Entscheidungsfreiheit des Steuerpflichtigen entzogen. Jedoch wird durch die nach § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG durchzuführende Vergleichsrechnung eine Besteuerung auf den Betrag begrenzt, der sich nach § 38 Abs. 1 bis 3 KStG als Körperschaftsteuererhöhung ergeben würde, wenn die Körperschaft ihr am 31. Dezember 2006 oder an dem nach § 38 Abs. 4 Satz 2 KStG maßgebenden Zeitpunkt bestehendes Eigenkapital laut Steuerbilanz für eine Ausschüttung verwenden würde. Damit wird der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen Rechnung getragen. Eine Abmilderung der Folgen der zwangsweisen Auslösung des Besteuerungstatbestandes erfolgt durch den sehr niedrigen Steuersatz und die zinsfreie ratierliche Abgeltung der Steuerschuld. Anhaltspunkte dafür, dass die steuerliche Belastung unter diesen Umständen nicht getragen werden kann, hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. Dass der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag auf jeder Beteiligungsebene erhoben wird, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn auf jeder Beteiligungsebene war bisher unversteuerten Eigenkapitals nachzuversteuern. Wenn § 38 Abs. 5 KStG in Einzelfällen dazu führen sollte, wie die Klägerin behauptet, dass es im Ergebnis zum Ausweis stiller Reserven, die schon in der Zeit vor dem 01.01.1977, d.h. vor dem Inkrafttreten des Anrechnungsverfahrens gebildet worden seien, komme, ist dies als Folge des Systemwechsels hinzunehmen. Etwaige Unbilligkeiten, die sich im Einzelfall ergeben, sind durch Billigkeitsmaßnahmen in dem von der Klägerin beantragten Verfahren auf Erlass einer Billigkeitsmaßnahme i. S. des § 227 AO durch den Beklagten auszugleichen.
22Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich etwas Anderes auch nicht daraus, dass ihr EK 02 darauf beruht, dass sie als ehemals gemeinnütziges Wohnungsunternehmen in der Schlussbilanz zum 31.12.1990 gemäß § 13 Abs. 2 und 3 KStG ihre Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert ansetzen musste. Wegen des sowohl vom BVerfG als auch vom BFH anerkannten Vereinfachungszieles des körperschaftsteuerrechtlichen Übergangsrechts (BVerfG-Beschluss vom 17.11.2009 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, 1, HFR 2010, 521; BFH-Urteil vom 11. 2. 2009 I R 67/07, BFHE 224, 296, BStBl. II 2010, 57) war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, im Rahmen der Regelungen in § 38 Abs. 5 und 6 KStG die Herkunft des EK 02 zu berücksichtigen. Der im Falle eines Systemwechsels großzügige Einschätzungs- und Typisierungsspielraum des Steuergesetzgebers erlaubt ihm das Absehen von einer besonderen Vorschrift, die die Herkunft des EK 02 ehemals gemeinnütziges Wohnungsunternehmen berücksichtigt. Im konkreten Einzelfall mag die Zusammensetzung des Bestandes des EK 02 für die Beteiligten ergründbar seien. Daraus ist indes nicht auf eine verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers zu schließen, eine inhaltliche Rückverfolgung der Zusammensetzung und Herkunft der Teilbeträge des EK 02 allgemein oder speziell für ehemals gemeinnütziges Wohnungsunternehmen gesetzlich zu regeln. Dadurch wäre das Vereinfachungsziel des Systemwechsels vereitelt worden (FG Düsseldorf, Urteil vom 6.11.2012 6 K 384/10 K, F, AO, GmbHR 2013, 770; BFH-Beschluss vom 11.9.2013 I B 17/13, BFH/NV 2014, 184). Etwaige Unbilligkeiten, die sich im Einzelfall ergeben, sind möglicherweise durch Billigkeitsmaßnahmen in dem von der Klägerin beantragten Verfahren auf Erlass einer Billigkeitsmaßnahme i. S. des § 227 AO durch den Beklagten auszugleichen.
23Das Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit wird auch nicht dadurch verletzt, dass der festgesetzte Körperschaftsteuererhöhungsbetrag nicht mit den erwirtschafteten laufenden Verlusten der Klägerin verrechnet oder ausgeglichen werden kann, wie das FG Hamburg zutreffend ausgeführt hat. Die Trennung der Nachbelastung des Endbestands des EK 02 von der Besteuerung der unter Geltung des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens erwirtschafteten Einkünfte ist systemgerecht und stellt keine Verletzung des objektiven Nettoprinzips dar. Denn die Festsetzung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags dient der Abwicklung der steuerlichen Folgen von noch vorhandenem EK 02. Die Ausschüttung führte im Anrechnungsverfahren unabhängig von den laufenden Einkünften zu einer Besteuerung. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber auch bei Herstellung der gesetzlichen Ausschüttungsfiktion die Besteuerung unabhängig von den laufenden Einkünften vornimmt. Dass die finanzielle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in diesen Fällen vorhanden ist, wird durch die Begrenzung auf das tatsächlich verfügbare ausschüttungsfähige Eigenkapitel sichergestellt. Eine Beeinträchtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit durch laufende Verluste wird durch die Möglichkeiten der Verlustabzugs im neuen System der Körperschaftsbesteuerung Rechnung getragen (FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 24.9.2012 2 K 31/11, EFG 2013, 155, Az. des BFH I R 76/12).
241.5 Die Auffassung der Klägerin, dass zu berücksichtigen sei, dass § 38 Abs. 4 bis 10 KStG gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie verstoße, wenn und soweit eine im EU-Ausland ansässige Muttergesellschaft an der den Körperschaftsteuererhöhungsbetrag schuldenden und unbeschränkt steuerpflichtigen Tochtergesellschaft beteiligt sei und dieses eine Ungleichbehandlung i. S des Artikel 3 Abs. 1 GG bedeute, wenn die Rechtmäßigkeit der Erhebung einer Abgeltungssteuer davon abhängig sein sollte, ob die jeweilige Muttergesellschaft im Inland oder im EU-Ausland ansässig sei, überzeugt nicht (a. A. Frotscher, BB 2006, 861). Zum einen ist im Streitfall keine im EU-Ausland ansässige Muttergesellschaft an der Klägerin beteiligt und es wurde nicht substantiiert vorgetragen, dass es derartige Fälle überhaupt gibt, in denen eine im EU-Ausland ansässige Muttergesellschaft sich auf die Europarechtswidrigkeit des § 38 Abs. 4 bis 10 KStG beruft. Zum anderen verstößt § 38 Abs. 4 bis 10 KStG nach Auffassung des Senates auch nicht gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie. Der EUGH hat in seinem Urteil vom 26.6.2008 (C-284/06 „Burda“, HFR 2008, 982) entschieden, dass es sich bei der Körperschaftsteuererhöhung anlässlich einer Gewinnausschüttung an eine im EU-Ausland ansässigen Muttergesellschaft nicht um eine Quellenbesteuerung im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtline handelt, sondern um eine eigene Steuer der leistenden inländischen Körperschaft (Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die KSt, KStG § 38 Rz. 5b). Diese Grundsätze gelten auch für § 38 Abs. 4 bis 10 KStG.
252. Die Beschränkung der Optionsregelung des § 34 Abs. 16 KStG auf bestimmte Unternehmen aus der Wohnungswirtschaft verletzt nicht Art. 3 GG.
262.1 Gemäß § 34 Abs. 16 KStG sind § 38 KStG und § 40 KStG in der am 27. Dezember 2007 geltenden Fassung auf Antrag weiter anzuwenden für Körperschaften oder deren Rechtsnachfolger, an denen unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 50 Prozent juristische Personen des öffentlichen Rechts aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder aus Staaten, auf die das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet oder Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG alleine oder gemeinsam beteiligt sind und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die ihre Umsatzerlöse überwiegend durch Verwaltung und Nutzung eigenen zu Wohnzwecken dienenden Grundbesitzes, durch Betreuung von Wohnbauten oder durch die Errichtung und Veräußerung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen oder Eigentumswohnungen erzielen, sowie für steuerbefreite Körperschaften. Der Antrag ist gemäß § 34 Abs. 16 Satz 2 KStG unwiderruflich und kann von der Körperschaft bis zum 30.9.2008 bei dem für die Besteuerung zuständigen Finanzamt gestellt werden.
272.2 Wie oben bereits dargelegt, gebietet Art. 3 Abs. 1 GG wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Ausnahmen von dem jedenfalls für die Ertragsteuern und damit auch für die Körperschaftsteuer geltenden Gebot gleicher Besteuerung bei gleicher Ertragskraft bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes.
28Ursprünglich sollten nur Wohnungsunternehmen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts und steuerbefreite Körperschaften privilegiert werden. Den juristischen Personen des öffentlichen Rechts wurden dann noch gemeinnützige Körperschaften und Wohnungsbaugenossenschaften gleichgestellt, wenn sie einen bestimmten Tätigkeitskatalog erfüllen. Mit den Änderungen sollte die Regelung weiterhin dem Ziel gerecht werden, solchen Unternehmen ein Wahlrecht einzuräumen, die regelmäßig einem öffentlichen oder gesetzlich festgelegten besonderen Zweck dienen, der auch strukturelle Auswirkungen auf die Möglichkeit zur Ausschüttung und das Ausschüttungsverhalten hat (BT-Drs. 16/7036 S. 21).
29Die Privilegierung dieser Unternehmen stellt keine sachwidrige Ungleichbehandlung dar, wie das FG Hamburg zutreffend ausgeführt hat (FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 24.9.2012 2 K 31/11, EFG 2013, 155, Az. des BFH I R 76/12). Der Gesetzgeber knüpft hier an Besonderheiten bestimmter Unternehmen an. Er hat drei Gruppen von Unternehmen privilegiert, die entweder einem öffentlichen oder gesetzlich festgelegten besonderem Zweck dienen (vgl. BT-Drs 16/6290 S. 74). Bei der ersten Gruppe wird auf die Beteiligung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder gemeinnützigen Einrichtungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG abgestellt. Diese Gruppe von Unternehmen kann jedoch nur dann wirksam zur weiteren Anwendung des alten Rechts optieren, wenn überwiegend Umsatzerlöse aus der begünstigten Tätigkeit, nämlich der Verwaltung und Nutzung eigenen zu Wohnzwecken dienenden Grundbesitzes, erzielt werden. Die zweite Gruppe erfasst unabhängig von den Beteiligungsverhältnissen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (u. a. gemäß § 5 Nr. 10 KStG), die Umsatzerlöse aus der begünstigten Tätigkeit erzielen. Zur dritten Gruppe zählen die von der Steuer befreiten Unternehmen, auch wenn sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten (vgl. BT-Drs. 16/7036 S. 21). Die Entscheidung des Gesetzgebers, diesen Unternehmen, bei denen die Beteiligungsverhältnisse und/oder der besondere Unternehmenszweck auch Auswirkungen auf die Möglichkeit zur Ausschüttung und das Ausschüttungsverhalten haben, grundsätzlich durch Eröffnung eines Wahlrecht die Möglichkeit zu geben, sich der gesetzlichen Herbeiführung der Ausschüttungsbelastung zu entziehen, knüpft an besondere Strukturelemente dieser Unternehmen an. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung der Klägerin, die keine der Voraussetzungen des § 34 Abs. 16 KStG erfüllt, liegt darin nicht (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.8.2013 8 K 8289/10, Az. des BFH I R 65/13).
30Die Einräumung eines Optionsrechts für nicht von der Körperschaftsteuer befreite Wohnungsunternehmen in der Rechtsform einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft ist im Hinblick auf die in § 1 Genossenschaftsgesetz definierte Rechtsnatur einer Genossenschaft nicht verfassungswidrig.
31Anders als Kapitalgesellschaften, deren Gesellschaftszweck auf Gewinnerzielung gerichtet ist, ist die Genossenschaft trotz ihrer körperschaftlichen Struktur vorwiegend personalistisch ausgerichtet. Deshalb wird sie auch als gesetzlich besonders geregelter förderwirtschaftlicher Personenverein bezeichnet (Beuthien, Genossenschaftsgesetz, 14. Aufl., § 1 Rz. 2 f m.w.N.). Der gesetzliche Auftrag der Genossenschaft ist die Förderung seiner Mitglieder. Eine Gewinnerzielungsabsicht als Selbstzweck widerspricht den genossenschaftlichen Grundprinzipien. Genossenschaften sind – anders als Kapitalgesellschaften – geprägt von den Grundsätzen der Selbsthilfe, der Selbstverwaltung und Selbstverantwortung der Mitglieder (Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, Genossenschaftsgesetz, 3. Aufl., § 1 Rz. 6 und Rz. 24 ff.; Beuthien, Genossenschaftsgesetz, 14. Aufl., § 1 Rz. 2).
32Die durch § 34 Abs. 16 KStG privilegierten Unternehmen unterscheiden sich somit bezüglich Beteiligungsverhältnisse und/oder der besonderen Unternehmenszwecke insoweit von der Klägerin, dass ihre Privilegierung durch den Gesetzgeber keine sachwidrige Ungleichbehandlung darstellt. Es unterliegt der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit, ob und aus welchen sachlichen Gründen der Gesetzgeber bestimmte Unternehmen fördern will. Grenzen sind ihm nur im Hinblick auf eine sachwidrige Ungleichbehandlung gesetzt.
332.3 Soweit die Klägerin und einzelne Stimmen in der Literatur eine Ungleichbehandlung darin sehen, dass nicht allen betroffenen Unternehmen ein Wahlrecht in Bezug auf eine weitere Anwendung der bisherigen ausschüttungsabhängigen Besteuerung eingeräumt wird (Binneweis in Streck, KStG, 8. Aufl., § 38 Rn. 70; Bauschatz in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 38 Rn. 116), wird dabei außer Betracht gelassen, dass es für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit nicht darauf ankommt, ob es wünschenswert gewesen wäre, allen Körperschaften die Optionsmöglichkeit einzuräumen, sondern nur darauf, ob es aus Gleichbehandlungsgrundsätzen notwendig gewesen wäre (FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 24.9.2012 2 K 31/11, EFG 2013, 155, Az. des BFH I R 76/12). Notwendig war es jedoch – wie oben bereits dargelegt – nicht.
342.4 Im Übrigen hat die Klägerin den Antrag im Sinne des § 34 Abs. 16 Satz 2 KStG nicht bis zum Ablauf der gesetzlichen Antragsfrist am 30.9.2008, sondern erst in der mündlichen Verhandlung am 18.3.2014 gestellt. Die Auffassung der Klägerin, dass ein Antrag nicht erforderlich sei, da die Klägerin nicht unter den Wortlaut der Norm falle, hält der Senat nicht für zutreffend. Für eine analoge Anwendung des § 34 Abs. 16 KStG im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung ist es nach Auffassung des Senates erforderlich, dass die Klägerin alle Tatbestandsmerkmale des § 34 Abs. 16 KStG mit Ausnahme der Zugehörigkeit zum begünstigten Personenkreis erfüllt. Zwar könnte man ihr, da sie vom Wortlaut der Norm nicht erfasst wurde, eine längere Antragsfrist einräumen. Dann hätte sie nach Auffassung des Senates aber bei Begründung ihres Einspruchs am 27.10.2010, als sie erstmals geltend machte, dass die Ausgestaltung des Wahlrechts gleichheitswidrig sei, oder spätestens in der Klagebegründung vom 17.6.2011, als sie eine verfassungskonformen Auslegung des § 34 Abs. 16 KStG anregte, einen entsprechenden Antrag stellen müssen. Dies hat sie aber – auch nach ihrer eigenen Auffassung - eindeutig nicht getan.
35Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
36Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO.