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Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d:
2Die Kläger sind Ehegatten, die für die Jahre 2008 und 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
3Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch die gewerbliche Untervermietung von Gewerberäumen im Erdgeschoss sowie ersten und zweiten Obergeschoss des bebauten Grundstücks X-Str. in B (etwa 5.912 qm und 326 qm) an etwa 38 Mieter. Der Kläger hatte das Grundstück seinerseits umsatzsteuerpflichtig von dem Eigentümer angemietet. Der monatliche Mietzins für die Fläche von 5.812 qm betrug 41.386,80 € Kaltmiete zuzüglich 11.824,80 € Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung zuzüglich Umsatzsteuer von 10.110,20 € und für eine weitere Fläche von 326 qm 2.937 € Kaltmiete zuzüglich 913,92 € Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung zuzüglich Umsatzsteuer von 731,78 €.
4Der Kläger ermittelte seinen Gewinn durch Bilanzierung. In den Streitjahren ermittelte er in den Jahresabschlüssen zum 31. Dezember 2008 (eingereicht beim beklagten Finanzamt am 24. August 2010) und zum 31. Dezember 2009 (eingereicht beim beklagten Finanzamt am 12. Mai 2011) einen Gewinn von 134.936,52 € für das Jahr 2008 und von 159.205,84 € für das Jahr 2009. Das beklagte Finanzamt setzte die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag sowie die Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 2008 und 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Das beklagte Finanzamt folgte den am 24. August 2010 und 12. Mai 2011 vom Kläger eingereichten Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2008 und 2009 (erklärte festzusetzende Umsatzsteuer für 2008 16.280,65 € und für 2009 39.990,93 €).
5Im Rahmen einer bei den Klägern durchgeführten Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2006 bis 2009 traf der Prüfer ausweislich seines Berichts vom 4. November 2011 u.a. folgende Feststellungen:
6Die Mieteinnahmen seien im Rahmen der Sollversteuerung debitorisch zu verbuchen gewesen. Hierfür seien die in den Mietverträgen vereinbarten Mieten maßgebend. Gleiches gelte für die abgerechneten Nebenkosten; auch diese seien debitorisch zu verbuchen und nicht erst mit ihrer Einnahme zu erfassen. Soweit das in den Streitjahren geschehen sei, sei die Erfassung rückgängig zu machen (Anlagen 1 und 2 zum Prüfungsbericht).
7Das beklagte Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und änderte mit Bescheiden vom 9. Januar 2012 die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 2008 und 2009 sowie die Festsetzungen der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags für das Jahr 2009. Mit Bescheid vom 18. Januar 2012 änderte es die Festsetzung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags für das Jahr 2008. Ferner änderte es mit Bescheiden vom 20. Januar 2012 die Festsetzungen der Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 2008 und 2009.
8Hiergegen wandten sich die Kläger mit ihren Einsprüchen. Sie trugen vor: Falls das beklagte Finanzamt an der Sollverbuchung der Erträge festhalte, müsse sich diese Behandlung auch in der Sollverbuchung der Aufwendungen widerspiegeln. Daher werde die Berücksichtigung von noch nicht verbuchten Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2008 und 2009 begehrt. Die Nebenkostenabrechnung des Eigentümers für das Jahr 2009 (Datum 27. Dezember 2010) liege bereits vor (Anlage 21 zum Schriftsatz vom 18. April 2012). Aus dieser ergebe sich eine Nachzahlung in Höhe von 136.246,80 € netto (zuzüglich 25.886,91 € Umsatzsteuer), die als Aufwand des Jahres 2009 kreditorisch zu verbuchen sei. Die Nebenkostenabrechnung für das 2008 habe der Kläger noch nicht erhalten. Es sei jedoch nach § 249 Abs. 1 S. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) eine Rückstellung zu bilden, die aus dem Mittelwert der (Netto-) Nachzahlungen der Jahre 2006, 2007 und 2009 wie folgt zu ermitteln sei:
92006 11.820,62 €
102007 22.366,40 €
112009 136.246,80 €
12170.433,82 €
13hiervon ein Drittel: 56.811,27 €
14Die Nachzahlung für das Jahr 2006 sei ausweislich des Kontos 4909 aus der Buchhaltung des Klägers im Januar/Februar 2008 gezahlt worden. Die Nachzahlung für das Jahr 2007 sei in mehreren Raten in den Monaten August bis Dezember 2008 gezahlt worden (Anlage 22 zum Schriftsatz vom 18. April 2012).
15Das beklagte Finanzamt half den Einsprüchen aus anderen hier nicht streitigen Punkten teilweise ab und wies die Einsprüche im Übrigen mit Entscheidungen vom 4. November 2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es hinsichtlich der Nebenkostennachzahlungen des Klägers an den Eigentümer aus: Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 249 Abs. 1 S. 1 HGB lägen insoweit vor. Die Nebenkostenvorauszahlungen, die der Kläger von seinen Mietern erhalten habe, seien jedoch ebenfalls debitorisch zu verbuchen. Die tatsächlichen Nebenkostennachzahlungen, die der Kläger von den Mietern fordern könne, stünden zwar erst fest, wenn er seinerseits die Nebenkostenabrechnung von dem Eigentümer erhalte. Ihr grundsätzliches Vorhandensein sei jedoch bekannt. Das müsse angemessen berücksichtigt werden.
16Die Kläger tragen mit ihrer Klage vor: Für das Jahr 2008 sei eine Rückstellung von 56.000 € und für das Jahr 2009 eine solche von 136.000 € zu berücksichtigen. Das beklagte Finanzamt gehe in seiner Einspruchsentscheidung selbst davon aus, dass hinsichtlich der an den Eigentümer geleisteten Nebenkostennachzahlungen die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten erfüllt seien. Das beklagte Finanzamt vertrete jedoch zu Unrecht die Auffassung, dass der Kläger eine Forderung gegen seine Mieter in derselben Höhe aktivieren müsse. Eine Forderung auf Nachzahlung von Nebenkosten entstehe erst im Zeitpunkt der Erteilung einer Abrechnung. Diese werde niemals zum 31. Dezember eines Jahres erteilt. Der Kläger habe erst Monate oder sogar Jahre nach dem Ende eines Kalenderjahres die Abrechnungen für seine Mieter erstellt. Eine Aktivierung als Forderung würde gegen das Vorsichtsprinzip und das Imparitätsprinzip verstoßen. Bei Nebenkostenabrechnungen, die eine Abrechnung über einen Mehrbezug an Leistungen darstellten, sei fraglich, ob und in welcher Höhe ein zu einer Nachzahlung führender Mehrbezug stattgefunden habe. Deshalb könne auch zum Bilanzstichtag keine Aussage dazu gemacht werden, ob ein Mehrgewinn realisiert worden sei. Es sei zudem keinesfalls sicher, dass eine Nebenkostenforderung beglichen werde. Gerade im Unternehmen des Klägers sei der Forderungsausfall eine alltägliche Erfahrung, wie dies im bisherigen Schriftverkehr mit dem beklagten Finanzamt im Rahmen der Außenprüfung und des Einspruchsverfahrens nachgewiesen worden sei.
17Der Kläger hat seine Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 3. September 2014 zurückgenommen, soweit er die Änderung der Festsetzung der Umsatzsteuer für die Jahre 2008 und 2009 angefochten hatte.
18Die Kläger beantragen,
19die Bescheide über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für die Jahre 2008 und 2009 vom 9. und 18. Januar 2012 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 4. November 2013 dergestalt zu ändern, dass der Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2008 um 56.000 € und für das Jahr 2009 um 136.000 € gemindert wird.
20Der Kläger beantragt,
21die Bescheide über Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 2008 und 2009 vom 20. Januar 2012 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 4. November 2013 dergestalt zu ändern, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2008 um 56.000 € und für das Jahr 2009 um 136.000 € gemindert wird.
22Das beklagte Finanzamt beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Zur Begründung verweist es auf seine Einspruchsentscheidungen.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
26Das Verfahren ist nach § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einzustellen, soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat.
27Die Klage ist unbegründet. Die Bescheide über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für die Jahre 2008 und 2009 vom 9. und 18. Januar 2012 und die Bescheide über die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 2008 und 2009 vom 20. Januar 2012, sämtlich in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 4. November 2013, sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das beklagte Finanzamt hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, den Gewinn der Streitjahre um 56.000 € bzw. um 136.000 € zu mindern.
28Es kann dahinstehen, ob hinsichtlich der vom Kläger zu leistenden Nachzahlungen von Nebenkosten dem Grunde nach die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 S. 1 HGB erfüllt sind. Die vom Kläger begehrten Rückstellungen könnten jedenfalls nicht mit den von ihm angesetzten Beträgen von 56.000 € und 136.000 € bewertet werden. Denn die Ansprüche des Klägers gegen seine Mieter auf Nachzahlung der Nebenkosten sind als künftige Vorteile mindernd zu berücksichtigen, so dass die von ihm begehrten Rückstellungen allenfalls mit jeweils 0 € anzusetzen wären.
29Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG sind bei der Bewertung von Rückstellungen künftige Vorteile, die mit der Erfüllung der Verpflichtung voraussichtlich verbunden sein werden, soweit sie nicht als Forderung zu aktivieren sind, wertmindernd zu berücksichtigen. Voraussetzung für die Wertminderung der Rückstellung ist, dass zwischen der zu erfüllenden Verpflichtung und dem wirtschaftlichen Vorteil zumindest ein sachlicher Zusammenhang besteht. Dies ergibt sich zwar nicht bereits aus dem Wortlaut der Norm, aber aus ihrem Sinn und Zweck. Die Kompensationsregelung verfolgt das Ziel, die steuerliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmers zutreffend zu bemessen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass künftige Einnahmen die später zu erfüllende Verbindlichkeit in ihrer Belastungswirkung mindern (BFH, Urteil vom 17. Oktober 2013 IV R 7/11, BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302). Anders als der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung gemeint hat, wird daher durch § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG gerade die steuerliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt.
30Künftige Vorteile sind i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG auch solche, die erst nach dem Bilanzstichtag realisiert werden (BFH, Urteil in BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302). Eine voraussichtliche Verbundenheit besteht bereits dann, wenn mehr Gründe für als gegen den Eintritt des Vorteils sprechen, mit anderen Worten der Eintritt des Vorteils überwiegend wahrscheinlich ist (BFH, Beschluss vom 21. August 2013 I B 60/12, BFH/NV 2014, 28).
31Nach diesen Grundsätzen wäre eine zu bildende Rückstellung um die Ansprüche des Klägers gegen seine Mieter, die betragsmäßig in derselben Höhe bestehen wie die Verpflichtung des Klägers gegenüber seinem Vermieter, jedenfalls auf 0 € zu vermindern. Zwar mögen die Ansprüche des Klägers gegen seine Mieter zum Bilanzstichtag noch nicht als Forderung auszuweisen gewesen sein. Das setzt § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG indessen gerade voraus.
32Zwischen den vom Kläger geleisteten Nebenkostennachzahlungen und seinen Ansprüchen auf Nebenkostennachzahlung gegenüber seinen Mietern bestand auch ein sachlicher Zusammenhang. Die Ansprüche des Klägers korrespondierten dem Grunde und der Höhe nach mit seiner eigenen Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Vermieter des Grundstücks. Es handelt sich um die nämlichen Kosten, die der Kläger an seine Mieter weiterberechnet hat. Die Belastung des Klägers durch die Verpflichtung zu Nachzahlung von Nebenkosten wird durch seine Ansprüche auf Nachzahlung der Nebenkosten gegen seine Mieter gemindert. Der Umstand, dass die Ansprüche des Klägers gegenüber seinen Mietern erst nach dem Bilanzstichtag hätten realisiert werden können, ist nach den dargestellten Grundsätzen unbeachtlich.
33Es liegt auch die voraussichtliche Verbundenheit der Vor- und Nachteile vor, weil mehr Gründe für als gegen das Bestehen von Erstattungsansprüchen des Klägers gegen seine Mieter sprechen. Das Bestehen der Ansprüche des Klägers gegen seine Mieter auf Nachzahlung der Nebenkosten ist genauso wahrscheinlich wie das Bestehen eines Anspruchs des Vermieters des Grundstücks gegen den Kläger auf Nachzahlung der Nebenkosten.
34Der Umstand, dass die Nebenkostenabrechnung 27. Dezember 2010 für das Jahr 2009 über eine Nachzahlung von 136.246,80 € bei erstmaliger Geltendmachung des Aufwands im Einspruchsverfahren bereits vorlag, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es kann letztlich dahinstehen, ob das Vorliegen dieser Nebenkostenabrechnung als wertaufhellende Tatsache dergestalt zu berücksichtigen wäre, dass anstelle der Rückstellung eine Verbindlichkeit des Klägers gewinnmindernd zu erfassen wäre, weil die Unsicherheit über das Ob und Wie der Zahlungsverpflichtung mit dem Zugang der Nebenkostenabrechnung entfallen ist. Selbst wenn man von einer Wertaufhellung ausgehen würde, wäre jedenfalls auch jegliche Unsicherheit hinsichtlich des Entstehens von Ansprüchen des Klägers gegenüber seinen Mietern in gleicher Höhe entfallen, so dass eine entsprechende Forderung in gleicher Höhe gewinnerhöhend zu erfassen wäre.
35Die vom Kläger begehrten Rückstellungen könnten auch nicht deshalb mit einem höheren Betrag als mit 0 € angesetzt werden, weil er behauptet hat, dass seine Mieter die Nebenkosten in vielen Fällen überhaupt nicht oder nur in geringerer Höhe gezahlt hätten. Aus den insoweit von ihm übersandten Unterlagen ergibt lediglich, dass er immer wieder die Zahlung von Mietzinsen und Nebenkosten von seinen Mietern anmahnen und beitreiben musste. Dem von ihm übersandten Schriftverkehr lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass bereits in den Jahren 2008 und 2009 von einer völligen Wertlosigkeit der Ansprüche des Klägers gegen seine Mieter auf Nachzahlung von Nebenkosten auszugehen war. Ob die Ansprüche des Klägers auf Zahlung der Nebenkosten letztlich wegen Uneinbringlichkeit in späteren Veranlagungszeiträumen abzuschreiben gewesen wären (vgl. hierzu etwa BFH, Urteil vom 20. August 2003 I R 49/02, BFHE 203, 319, BStBl II 2003, 941), ist für die hier in Rede stehenden Veranlagungszeiträume nicht zu entscheiden.
36Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 2 FGO.