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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
2Die Antragstellerin betrieb in den Streitjahren 2007 bis 2009 unter der Bezeichnung „A“ einen Einzelhandel mit Textilien mit Ladenlokalen in B und C. Anlässlich einer Betriebsprüfung (Prüfungszeitraum 2007 bis 2009) traf der Prüfer u. a. folgende Feststellungen:
3In den Veranlagungszeiträumen 2007 bis 2009 hatte die Antragstellerin Vorsteuerbeträge i. H. v. 9.614,00 € (2007), 18.804,26 € (2008) und 30.134,74 € (2009) aus mehreren Rechnungen einer Firma D, Inhaber E, über die Lieferungen von Kleidungsstücken (Pullis, Tuniken, Jeans, Hosen, Tops, T-Shirts, Blusen, Röcke, Jacken) abgezogen. Der Prüfer vertrat die Auffassung, der Vorsteuerabzug aus den genannten Rechnungen sei zu versagen, da den Rechnungen tatsächlich keine entsprechenden Lieferungen des E an die Antragstellerin zugrunde gelegen hätten.
4Seine Auffassung stützte der Prüfer auf eine Selbstanzeige des E vom 12.11.2010, in der dieser – vertreten durch den Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer () – erklärt hatte, in der Zeit von 2007 bis 2010 weder Textileinkäufe vorgenommen noch Textilverkäufe durchgeführt zu haben, sondern anderen Großhändlern Scheinrechnungen erteilt zu haben, um diesen einen Vorsteuerabzug zu ermöglichen. Hierfür habe er eine Provision zwischen 7 % und 9 % erhalten. Außerdem habe er – zur Minderung seiner eigenen Umsatzsteuerschuld - von anderen Großhändlern Einkaufsrechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer erhalten und diesen Rechnungsausstellern eine Provision zwischen 3 % und 5 % gezahlt.
5In der Selbstanzeige wird weiter ausgeführt, E habe inzwischen eine Stornierung der von ihm erteilten Scheinrechnungen veranlasst, so dass die Rechnungsadressaten keinen Vorsteuerabzug mehr geltend machen könnten. Tatsächlich stornierte E jedoch nur seine im Jahr 2010 erteilten Rechnungen.
6Der Antragsgegner folgte den Feststellungen des Prüfers mit geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen 2007 bis 2009 vom 16.11.2012. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom 03.07.2013 als unbegründet zurück.
7Hiergegen hat die Antragstellerin die unter dem Az. 1 K 2427/13 U anhängige Klage erhoben, über die der Senat noch nicht entschieden hat. Sie beantragt – nach Ablehnung durch den Antragsgegner – Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht.
8Die Antragstellerin macht geltend:
9Entgegen den Angaben in seiner Selbstanzeige habe E die in den Rechnungen ausgewiesenen Textilien tatsächlich geliefert. Aus der eidesstattlichen Versicherung des F (Bl. 49 d. A.), die dieser am 26.03.2013 in der JVA () abgegeben habe, ergebe sich, dass mindestens ein- bis zweimal im Monat Ware bei E abgeholt worden sei. In der eidesstattlichen Versicherung heißt es u. a.:
10„In den Jahren 2008 - 2010 war ich als Fahrer bei G (Anm: Ehemann der Antragstellerin) tätig. Zum damaligen Zeitpunkt hatte G zwei Modegeschäfte, und zwar eins in C und eins in B. Ca. ein- bis zweimal In der Woche fuhr ich zum H nach I. ... Wenn mir von Herrn Rechtsanwalt () vorgehalten wird, ob ich auch Ware bei der Firma D abgeholt habe, so kann ich mich an diesen Namen heute mit Sicherheit nicht erinnern. Wenn mir weiter der Name E vorgehalten wird, so kann ich erklären, dass ich des Öfteren mit "E" zu tun hatte. Es handelt sich hierbei um einen Mann, der über 50 Jahre alt war, etwa 1,70 cm groß, weiße Haare, Brillenträger. Er war dunkelhäutig. Bei E handelt es sich um einen (Nichteuropäer). Er sprach relativ gut Deutsch. Nach meinen Erinnerungen habe ich mindestens ein- bis zweimal im Monat bei "E" Ware abgeholt. Teilweise bin ich zum H alleine gefahren, teilweise hat mich G oder sein Sohn begleitet. Normalerweise habe ich an einer Rampe oder auf einem Parkplatz geparkt. Ich habe mir sodann einen sogenannten Trolli genommen und bin zum Lager des "E" gegangen. Dort habe ich die bestellte Ware aufgeladen und zu dem "Sprinter" - das war unser Fahrzeug - gebracht. Die Ware befand sich in Kleidersäcken und in Kartons. Auf ein Trolli gehen ca. 30 bis 40 Kleidersäcke. Manchmal habe ich Ware für ein Trolli gehabt, manchmal aber auch für drei oder vier Trollis, teilweise sogar mehr. Sofern die Ware in Kartons gepackt war kamen etwa 20 Kartons auf ein Trolli. Wenn ich bei "E" zum Lager kam, war die Ware bereits bereitgestellt. Ich brauchte sie nur noch auf den Trolli zu laden. Ich habe die Ware dann zu den Geschäften in B und C gebracht. Dort haben andere Mitarbeiter die Ware sodann ausgepackt. ... Ob "E" ein einiges (gemeint wohl: eigenes) Lager im H hatte, weiß ich nicht. Ich habe jedenfaIIs Ware an verschiedensten Stellen abgeholt. Die Ware war dann jeweils gekennzeichnet, dass sie von "E" stammte und für uns bestimmt war. Teilweise war auch "E" beim Abholen an den verschiedensten Stellen anwesend und hat die Ware übergeben. Die Waren selbst (Kartons oder Kleidersäcke) waren nicht gekennzeichnet, lediglich auf der bereit gelegten Ware fand sich jeweils oben ein einzelner Zettel, aus dem sich Menge und Namen ergaben. Sofern ich Waren von anderen Lieferanten abholte, verlief die Abholprozedur ähnlich. Die Ware war bereitgestellt und oben drauf lag ein Zettel mit Lieferant und Mengenangaben. Von daher konnte ich genau unterscheiden, welche Waren von "E" waren und welche von übrigen Lieferanten.“
11Die Antragstellerin habe ihren Einzelhandel am 19.07.2003 eröffnet. Die hierzu erforderlich Ware habe sie von der Firma D erworben (Rechnung vom 15.07.2003 über 11.179,50 € brutto, Bl. 65 d. A.). Ohne den Bezug von Waren sei die Eröffnung des Textilhandels nicht denkbar. Bei Durchsicht alter Unterlagen habe die Antragstellerin zudem noch einen Zettel mit einer sog. Pick-Up-Adresse gefunden, lautend auf „J Ltd., () (Bl. 66 d. A.). Auf dem Zettel habe E handschriftlich vermerkt: „Next to Big building“. Eigentümer des Grundstücks () und Inhaber der J Ltd. sei K. Dieser habe gegenüber dem Prozessvertreter der Antragstellerin erklärt, E schon lange zu kennen; E bzw. die D seien Mieter des Grundstücks () gewesen. Der Ehemann der Antragstellerin könne bezeugen, dass an dieser Adresse Waren abgeholt worden seien.
12Die Antragstellerin habe auch Waren von der Firma L (Geschäftsführer M) bezogen, die ebenfalls Geschäftsräume im H gehabt habe. N, ein Mitarbeiter der Fa. L, sei von E öfter gebeten worden, für die Antragstellerin bestimmte Ware entgegen zu nehmen und bis zur Abholung durch die Antragstellerin bei der Fa. L zu lagern. Hierzu hat die Antragstellerin eine „zeugenschaftliche Erklärung“ des N vom 18.12.2013 (Bl. 67 d. A.) vorgelegt, in der es u. a. heißt:
13„Ich war in dem Zeitraum von Januar 2004 bis August 2012 Angestellter der Firma L. Der Inhaber dieser Firma war M … . Die Firma L hatte ihre Geschäftsräume im H in I. Aus meiner Tätigkeit habe ich Kontakt zu der Firma D gehabt. Der Inhaber dieser Firma war E. Ich kann mich gut daran erinnern, dass E mich des Öfteren darum gebeten hatte, Warenlieferungen, die für die Firma A bestimmt waren, entgegen zu nehmen und in unserer Firma zu lagern bis sie von der Firma A abgeholt werden würden. E lieferte dann die Ware in eingepackten Kartons, die für die Firma A beschriftet waren. Diese Ware ist dann von G oder seinem Fahrer F abgeholt worden. Zu den einzelnen Warenlieferungen hat mir E auch jeweils einen Umschlag gegeben mit dem Vermerk, dass sich darin die Rechnung befinde. Diesen Umschlag habe ich dann G oder F ausgehändigt.“
14Aufgrund der Angaben des E, Rechnungen über tatsächlich nicht ausgeführte Lieferungen ausgestellt zu haben, sei sowohl gegen den Inhaber der L - M – als auch gegen N ein Strafverfahren eingeleitet worden, in dessen Verlauf E als Zeuge vernommen worden sei. Die zuständige Richterin am Amtsgericht () habe E befragt, ob den Rechnungen Warenlieferungen zugrunde gelegen hätten, was dieser – auch nach einer Ermahnung der Richterin, bei der Wahrheit zu bleiben – bejaht habe. Die Richterin habe E dann auf ein von ihm unterschriebenes Schriftstück hingewiesen, in dem das Gegenteil von dem stehe, was er gerade ausgesagt habe. Auf die Aufforderung der Richterin, diesen Widerspruch aufzuklären, sei E nervös geworden und habe sinngemäß gesagt, er sei ein alter Mann. Er habe dann die zuvor gemachte Aussage wiederholt, dass Warenlieferungen erfolgt seien (vgl. „zeugenschaftliche Erklärung“ des N vom 18.12.2013, Bl. 67 d. A.). Das Strafverfahren gegen M und N sei dann mit Beschluss vom 31.01.2013 gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden ( Bl. 68 d. A.). Nach Angaben der Verteidiger der beiden Beschuldigten habe die Richterin erklärt, sie glaube E kein Wort.
15Entgegen dem Vortrag des Antragsgegners habe E auf dem Grundstück () über ein Lager verfügt. Zudem seien Warenlieferungen auch ohne eigenes Lager möglich. Dies zeige auch die Aussage des N, wonach E Waren bei der Fa. L „geparkt“ habe. Auch aus der eidesstattlichen Versicherung des F ergebe sich, dass ihm jeweils angegeben worden sei, wo die Ware abzuholen sei. Transportfahrzeuge seien ebenfalls nicht nötig, wenn die Ware vom Lieferanten angeliefert und vom Abnehmer abgeholt werde. Seine Ware könne E „schwarz“ oder unter Verwendung von Abdeckrechnungen bezogen haben. Ein nicht nachvollziehbarer Wareneinkauf des E stehe der Annahme von Lieferungen des E nicht entgegen.
16Im Übrigen habe E in seiner Selbstanzeige lediglich ausgeführt, anderen Großhändlern Scheinrechnungen erteilt zu haben. Den Begriff „Großhändler“ habe der Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer () sicherlich nicht versehentlich verwandt; bei der Antragstellerin handele es sich hingegen um eine Einzelhändlerin. E habe bisher auch keine plausible Erklärung dafür abgegeben, weshalb er bis zum Jahr 2007 mit Textilien gehandelt habe, ab 2007 aber dann nicht mehr. Zudem habe E im Rahmen des von ihm selbst geführten finanzgerichtlichen Verfahren 1 V 4534/09 A(U) (vgl. Beschluss des FG Düsseldorf vom 28.06.2010 in Band II der BP-Handakte der Antragstellerin) noch vorgetragen, tatsächlich Waren bezogen und weitergeliefert zu haben. Der Wahrheitsgehalt der Selbstanzeige des E sei deshalb nicht nur nicht zweifelsfrei, vielmehr bestünden Zweifel von solchen Gewicht, dass Aussetzung der Vollziehung zu gewähren sei, zumal der Antragsgegner seinen Amtsermittlungspflichten nur unzureichend nachgekommen sei.
17Die Antragstellerin beantragt,
18die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2009 vom 16.11.2012 i. H. v. 9.614,00 € (2007), 18.804,26 € (2008) und 30.134,74 € (2009) auszusetzen.
19Der Antragsgegner beantragt,
20den Antrag abzulehnen.
21Der Antragsgegner macht geltend, es bestünden keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Antragstellerin, die die objektive Beweislast für das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs trage, ihre Waren nicht von E bezogen habe. Die eidesstattliche Versicherung des F sei voller Ungereimtheiten und Widersprüche, so dass erhebliche Zweifel an ihrer inhaltlichen Richtigkeit bestünden. Es sei bereits unklar, mit welchem Fahrzeug F die Waren abgeholt haben wolle; im Betriebsvermögen der Antragstellerin habe sich erst ab 10/2008 ein geeignetes Transportfahrzeug „Sprinter“ befunden. Unklar sei auch, ob es sich bei dem in der eidesstattlichen Versicherung genannten „E“ um E handele. Die eidesstattliche Versicherung des F widerspreche der – später nochmals bestätigten - Selbstanzeige des E. Die Aussage des N sei allgemein gehalten und beziehe sich nicht explizit auf die Streitjahre. Gegen eine Umsatztätigkeit E spreche zudem, dass er nach den Feststellungen der Finanzverwaltung weder über Lagerräume noch über Transportfahrzeuge verfügt habe; auch habe er weder Speditionskosten gehabt noch Arbeitnehmer beschäftigt. Soweit E ursprünglich Wareneinkaufsrechnungen vorgelegt habe, handele es sich um Scheinrechnungen. Ab November 2007 seien Rechnungen einer O GmbH vorgelegt worden. Sämtliche Rechnungen wiesen diesen Namen aus, obwohl die GmbH bis zum 24.01.2008 und nach dem 01.09.2008 unter anderen Namen firmiert habe. Auch der in allen Rechnungen genannte Geschäftsführer sei erst am 24.01.2008 bestellt und am 01.09.2008 wieder abberufen worden. Die in den Rechnungen angegebene Mobilfunknummer sei erst am 17.06.2008 vergeben wurde. Ab 2009 habe E Eingangsrechnungen eines weiteren Lieferanten vorgelegt. An der in diesen Rechnungen angegebenen Anschrift habe kein Hinweis auf diesen Lieferanten existiert. Zudem sei in den aus 2009 datierenden Rechnungen eine Steuernummer ausgewiesen, die erst am 04.03.2010 vergeben worden sei.
22Der Antrag ist unbegründet.
23Gemäß § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Vollziehung eines Verwaltungsaktes ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. z. B. BFH, Beschluss vom 28.05.1986 I B 22/86, BStBI II 1986, 656).
24Als Vorsteuerbeträge abziehen kann ein Unternehmer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die gesetzlich geschuldete und in einer Rechnung i. S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist, dass über eine Lieferung oder sonstige Leistung des Rechnungsausstellers abgerechnet wird; deshalb müssen Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer grundsätzlich identisch sein (BFH, Urteil vom 04.09.2003 V R 9, 10/02, BStBl II 2004, 627 und Beschluss vom 26.08.2004 V B 243/03, BFH/NV 2005, 255, jeweils m. w. N.). Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Der bloße Rechnungsschreiber, der selbst keine Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringt, ist nicht Leistender (BFH, Beschluss vom 15.07.2004 V B 164/03, BFH/NV 2004, 1676).
25Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind auch im Aussetzungsverfahren die Regeln über die Verteilung der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu beachten (ständige Rspr.; vgl. z. B. BFH, Beschlüsse vom 24.05.1993 V B 33/93, BFH/NV 1994, 133; vom 04.06.1996 VIII B 64/95, BFH/NV 1996, 895 und vom 26.08.2004 V B 243/03, BFH/NV 2005, 43). Die objektive Beweislast für das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer. Dies entspricht dem im Steuerrecht allgemein geltenden Grundsatz, dass der Steuerpflichtige die Feststellungslast für alle steuerbefreienden oder steuermindernden Tatsachen trägt. Weil für den Vorsteuerabzug die Beweislastgrundsätze im Hauptsacheverfahren und im Aussetzungsverfahren übereinstimmen, führen Zweifel, die sich im Hauptsacheverfahren nach Beweislastgrundsätzen zum Nachteil des Unternehmers auswirken, regelmäßig auch im Aussetzungsverfahren nicht zum Erfolg. Demzufolge ist es Sache des Antragstellers, die entscheidungserheblichen Tatsachen im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht glaubhaft zu machen (§ 155 FGO i. V. m. § 294 ZPO). Die gebotene Berücksichtigung der objektiven Beweislast führt allerdings nicht generell dazu, im Aussetzungsverfahren ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Vorsteuerabzugs zu verneinen. Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalles und das Gewicht der Gründe, die Anlass zum Zweifel geben. Dementsprechend kann je nach der gegebenen Sachlage eine Aussetzung der Vollziehung gerechtfertigt oder abzulehnen sein (vgl. BFH, Beschluss vom 24.05.1993 V B 33/93, BFH/NV 1994,133 m. w. N.).
26Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall keine Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Angesichts der Feststellungen des Antragsgegners sprechen - auch unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des F vom 26.03.2013 und der „zeugenschaftlichen Erklärung“ des N vom 18.12.2013 - erhebliche Umstände gegen die Behauptung der Antragstellerin, E habe die in den streitigen Rechnungen aufgeführten Waren tatsächlich an die Antragstellerin geliefert.
27Von wesentlicher Bedeutung ist insoweit, dass E im Rahmen seiner - nach anwaltlicher Beratung erfolgten – Selbstanzeige vom 12.11.2010 erklärt hat, entgegen den Angaben in den von ihm erteilten Rechnungen in den Streitjahren tatsächlich keine Lieferungen von Textilien ausgeführt zu haben. Nach dem Vorbringen des Antragsgegners hat er dies – wie dem Senat auch aus anderen Verfahren bekannt ist - in Rahmen einer Vernehmung durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung () vom 26.07.2011 nochmals bestätigt. Soweit in der Selbstanzeige vom 12.11.2010 von in den Jahren 2007 bis 2010 erteilten Scheinrechnungen an „Großhändler“ die Rede ist, versteht der Senat dies nicht dahingehend, dass damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass es sich nur bei den Rechnungen des E an Textilgroßhändler, nicht hingegen bei seinen Rechnungen an Textileinzelhändler um Scheinrechnungen gehandelt habe. Gegen ein solches Verständnis spricht zunächst der in der Selbstanzeige enthaltene Satz: „Tatsächlich hat E weder Textileinkäufe vorgenommen, noch Textilverkäufe durchgeführt.“ Wenn die Selbstanzeige nur einen Teil der von E erteilten Ausgangsrechnungen hätte betreffen sollen, hätte es zudem nahegelegen, in der Selbstanzeige zum Ausdruck zu bringen, bei Rechnungen an welche Adressaten es sich um Scheinrechnungen handelt und welche Adressaten tatsächlich mit Textilien beliefert worden sind. In gleicher Weise wäre auf der Wareneingangsseite eine entsprechende Aufteilung erforderlich gewesen.
28Durch seine Angaben gegenüber dem Finanzamt hat E sich selbst erheblich belastet; dieser Gesichtspunkt spricht ganz erheblich für den Wahrheitsgehalt seiner Angaben. Greifbare Gründe, die E dazu veranlasst haben könnten, sich wahrheitswidrig selbst zu belasten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
29Die von der Antragstellerin vorgelegten Erklärungen des F und des N stellen die Feststellungen des Antragsgegners bzw. den Wahrheitsgehalt der Angaben des E zwar in Frage, so dass diese nicht als gesichert angesehen werden können. Sie führen indes nicht zu so gravierenden Zweifeln an diesen Feststellungen, dass trotz der die Antragstellerin treffenden Feststellungslast für das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs eine Aussetzung der Vollziehung gerechtfertigt wäre. Auch wenn der Senat nicht daran zweifelt, dass mit der als „E“ bezeichneten Person E gemeint ist, sind die Angaben des F in wesentlichen Punkten unklar. Während zunächst davon die Rede ist, dass F zum Lager des „E“ gegangen und dort bestellte Ware aufgeladen habe, heißt es später, er – F – wisse nicht, ob „E“ ein eigenes Lager im H gehabt habe; er habe jedenfaIIs Ware, die als solche von „E“ gekennzeichnet gewesen sei, an verschiedensten Stellen im H abgeholt. Dieser Darstellung kann – auch bei Wahrunterstellung - nicht hinreichend sicher entnommen werden, dass die „an verschiedensten Stellen“ im H abgeholte und mit dem Namen „E“ gekennzeichnete Ware tatsächlich von E geliefert worden ist. Denkbar ist ebenfalls ein – mit den Angaben des E in Einklang zu bringender – Leistungsbezug von Dritten unter Verwendung des Namens und von Rechnungen des E. Hinsichtlich der Erklärung des N bleibt – auch bei Wahrunterstellung – vor allem unklar, ob die dort dargestellte Zwischenlagerung von für die Antragstellerin bestimmten Waren in den Räumen der L im H in den Streitjahren oder früher, als E unstreitig mit Textilien gehandelt hat, erfolgt ist. Insofern bleibt es beim gegenwärtigen Sachstand bei dem für den Regelfall geltenden Grundsatz, dass sich nach Beweislastgrundsätzen zum Nachteil des Unternehmers auswirkende Zweifel auch im Aussetzungsverfahren nicht zum Erfolg führen und die begehrte Aussetzung der Vollziehung abzulehnen ist. Denn es ist vor allem Sache des den Vorsteuerabzug begehrenden Steuerpflichtigen und nicht das Risiko der Allgemeinheit, wenn der Steuerpflichtige die tatsächlichen Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht glaubhaft machen kann. Dabei sind an die den Steuerpflichtigen treffenden Nachweispflichten besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn – wie im Streitfall - umfangreiche Leistungen in bar abgewickelt worden sein sollen (BFH, Beschluss vom 03.08.2007 V B 73/07, BFH/NV 2007, 2368). Insoweit vermag der Senat der Antragstellerin auch nicht darin zu folgen, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides sei deshalb ernstlich zweifelhaft, weil der Antragsgegner seinen sich aus § 88 AO ergebenden Amtsermittlungspflichten nicht hinreichend nachgekommen sei. Vielmehr war es angesichts der sich aus den Angaben des E ergebenden erheblichen Zweifeln am Vorliegen der in den streitigen Rechnungen dokumentierten Lieferungen – auch im Aussetzungsverfahren – Sache der Antragstellerin, deren tatsächliche Durchführung hinreichend glaubhaft zu machen (§ 155 FGO i. V. m. § 294 ZPO). Auch das Gericht ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu weiteren Ermittlungen verpflichtet. Vielmehr ergeht die Entscheidung bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. z. B. BFH, Beschluss vom 22.03.2005 II B 14/04, BFH/NV 2005, 1379 m. w. N.).
30Aus der neueren Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 21.06.2012 Rs. C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, UR 2012, 591, vom 06.12.2012 Rs. C-285/11 – Bonik EOOD -, UR 2013, 195 und vom 31.01.2013 Rs. C-642/11 - Stroy trans EOOD -, UR 2013, 275 und Rs. C-643/11 - LVK - 56 EOOD -, UR 2013, 346) ergibt sich für den Streitfall nichts Anderes. Soweit der EuGH sich in seiner jüngeren Rechtsprechung zu Fragen der Feststellungs- und Beweislast beim Recht auf Vorsteuerabzug geäußert hat, betrifft dies vorliegend nicht einschlägige Fragestellungen. Die Entscheidungen des EuGH bezogen sich auf Sachverhalte, in denen – anders als vorliegend – Leistender und Rechnungsaussteller unzweifelhaft identisch waren. Gleichwohl war den Leistungsempfängern der Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt worden, es sei auf vorausgehenden oder nachfolgenden Umsatzstufen zu Hinterziehungen oder Unregelmäßigkeiten gekommen. Insoweit hat der EuGH ausgeführt, dass es den zuständigen Steuerbehörden obliege, die objektiven Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung dieses Rechts geltend gemachte Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war, rechtlich hinreichend nachzuweisen. Dies ändert jedoch bei summarischer Prüfung nichts daran, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Steuerpflichtige die Feststellungslast dafür trägt, dass Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch sind.
31Auch das EuGH-Urteil vom 13.02.2014 Rs. C-18/13 - Maks Pen EOOD – (juris) führt bei summarischer Prüfung nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide. In Rn. 32 dieser Entscheidung hat der EuGH ausgeführt, die MwStSystRL sei in dem Sinne auszulegen, dass sie ausschließt, dass ein Steuerpflichtiger die Mehrwertsteuer abzieht, die in den von einem Leistenden ausgestellten Rechnungen ausgewiesen ist, wenn die Leistung zwar erbracht worden ist, sich aber herausstellt, dass sie nicht tatsächlich von diesem Leistenden oder seinem Subunternehmer bewirkt worden ist, insbesondere weil diese nicht über das erforderliche Personal sowie die erforderlichen Sachmittel und Vermögenswerte verfügten, die Kosten ihrer Leistung in ihrer Buchführung nicht dokumentiert wurden oder die Unterschrift der Personen, die bestimmte Dokumente als Leistende unterzeichnet haben, sich als falsch erwiesen hat, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich diese Umstände den Tatbestand eines betrügerischen Verhaltens erfüllen und aufgrund der von den Steuerbehörden beigebrachten objektiven Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Abzugsrechts geltend gemachte Umsatz in diesen Betrug einbezogen war.
32Diese Ausführungen des EuGH betreffen– im Anschluss an das EuGH-Urteil Bonik EOOD (Urteil vom 06.12.2012 Rs. C-285/11, UR 2013, 195) – in erster Linie die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Recht auf Vorsteuerabzug - trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen - deshalb versagt werden kann, weil es in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Insoweit stellt der EuGH erneut klar, dass derartige Umstände von den Steuerbehörden nachgewiesen werden müssen. Soweit dem EuGH-Urteil Maks Pen EOOD entnommen werden kann, dass der Vorsteuerabzug nicht schon allein deshalb zu versagen ist, weil in den „von einem Leistenden ausgestellten Rechnungen“ über Leistungen abgerechnet wird, die „nicht tatsächlich von diesem Leistenden oder seinem Subunternehmer bewirkt worden“ sind, versteht der Senat dies – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH zu sog. Strohmanngeschäften (z. B. BFH, Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BStBl II 2004, 622; Urteil vom 12.08.2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259) - dahingehend, dass ein Vorsteuerabzug nicht allein deswegen ausgeschlossen ist, weil es sich bei dem Rechnungsaussteller z. B um einen Strohmann handelt und die fraglichen Leistungen rein tatsächlich von Dritten erbracht worden sind. Aus dem EuGH-Urteil Maks Pen EOOD kann bei summarischer Prüfung aber nicht gefolgert werden, dass ein Vorsteuerabzug ggf. auch dann zu gewähren sein kann, wenn das der abgerechneten Leistung zugrunde liegende zivilrechtliche Rechtsverhältnis nicht zwischen dem Rechnungsaussteller und dem Leistungempfänger abgeschlossen worden ist. Nach Auffassung des Senats ist vielmehr auch unter Berücksichtigung der neueren EuGH-Rechtsprechung weiterhin nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Vorsteuerabzug eine Rechnung desjenigen voraussetzt, der nach den zivilrechtlichen Vereinbarungen mit dem Leistungsempfänger als Schuldner der abgerechneten Leistung anzusehen ist, und dass der den Vorsteuer begehrende Unternehmer insoweit feststellungsbelastet ist.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
34Die Zulassung der Beschwerde erfolgt zur Fortbildung des Rechts im Hinblick auf die vorgenannte neuere EuGH-Rechtsprechung (§§ 128 Abs. 3 Satz, 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).