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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Der Kläger begehrt mit seiner Klage im Jahr 2011 weitere Sonderausgaben in Höhe von 111,- EUR zu berücksichtigen.
3Der Kläger ist pensionierter …beamter und war sowohl im Streitjahr 2011 als auch im vorangegangenen Jahr 2010 privat krankenversichert. Seine Ehefrau bezieht Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und hatte Ansprüche auf steuerfreie Zuschüsse zur Krankenversicherung.
4Im Jahr 2011 erstattete die private Krankenversicherung dem Kläger für 2010 Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 495,- EUR. In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 2011 erklärten der Kläger und seine Ehefrau in der Anlage Vorsorgeaufwand (Zeilen …ff) folgende Beträge:
5Ehemann (Kläger) |
Ehefrau |
|
… Beiträge zur KV (nur Basisabsicherung) |
1.486 EUR |
1.494 EUR |
… Beiträge zur Pflege- Pflichtversicherung |
314 EUR |
301 EUR |
… von der privaten KV erstattete Beiträge |
(Kennziffer …) ------- |
_____ |
… Zuschuss von dritter Seite zu den Beiträgen |
470 EUR |
|
… Beiträge (abzüglich erstatteter Beiträge) zu zusätzlichen Pflege-Versicherung |
392 EUR |
356 EUR |
Summe |
2.192 EUR |
1.681 EUR |
insgesamt: 3.873 EUR
7…: Unfall- und Haftpflichtversicherung: 423 EUR
8(Summe insgesamt: 4.296 EUR)
9Mit Einkommensteuerbescheid vom 20.11.2012 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 3.233 EUR fest. Bei den Sonderausgaben berücksichtigte er abweichend von der Erklärung einen Betrag in Höhe von 3.804 EUR (Differenz: 492 EUR) und führte in den Erläuterungen zum Bescheid aus, dass die Beiträge zur Basiskranken- und gesetzlichen Pflegeversicherung entsprechend der elektronisch übermittelten Daten berücksichtigt worden seien.
10Hiergegen legten der Kläger und seine Ehefrau am … Einspruch ein und beantragten, die beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben in Höhe von 4.203 EUR anzusetzen und den Steuerbescheid entsprechend zu ändern.
11Der Beklagte wies in seinem Schreiben vom … darauf hin, dass folgende Daten übermittelt und entsprechend berücksichtigt worden seien:
12Ehemann (Kläger) |
Ehefrau |
|
… Beiträge zur KV (nur Basisabsicherung) |
1.487 EUR |
1.495 EUR |
… Beiträge zur Pflege- Pflichtversicherung |
302 EUR |
314 EUR |
… von der privaten KV erstattete Beiträge |
(Kennziffer …) 495 EUR |
_____ |
… Zuschuss von dritter Seite zu den Beiträgen |
470 EUR |
|
… Beiträge (abzüglich erstatteter Beiträge) zu zusätzlichen Pflege-Versicherung |
392 EUR |
356 EUR |
Summe |
1.686 EUR |
1.695 EUR |
insgesamt: 3.381 EUR
14…: Unfall- und Haftpflichtversicherung: 423 EUR
15(Summe insgesamt: 3.804 EUR)
16Der Kläger und seine Ehefrau teilten dem Finanzamt mit Schreiben vom … mit, dass zwar im Jahr 2011 eine Beitragsrückerstattung in Höhe von 495 EUR erfolgt sei, weil der Kläger für 2010 bei der privaten Krankenversicherung (A) keine Erstattung von Krankheitskosten beantragt habe. Es seien Krankheitskosten in Höhe von 370,96 EUR in 2010 angefallen. Zum Nachweis legte er entsprechende Rezepte und Arztrechnungen aus dem Jahr 2010 vor. Insoweit hätte dem Kläger ein Erstattungsbetrag von der privaten Krankenversicherung in Höhe von 111,- EUR zugestanden. Daher müssten bei der Zeile … Kennziffer … von dem Erstattungsbetrag von 495,- EUR ein Betrag von 111 EUR subtrahiert werden. Insoweit seien noch 384 EUR als Erstattungsbetrag zu berücksichtigen. Ursächlich für die Erstattung von Krankenkassenbeiträgen sei der Verzicht auf Kostenerstattung in Höhe von 111,- EUR gewesen. Aus diesem Grund seien die abzugsfähigen Sonderausgaben um 111,- EUR zu erhöhen.
17Mit Einspruchsentscheidung vom 17.07.2013 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers und seiner Ehefrau als unbegründet zurück. Er führte aus: Soweit dem Kläger Krankheitskosten im Jahr 2010 entstanden seien, hätten diese als außergewöhnliche Belastung im Jahr der Zahlung geltend gemacht werden können, soweit seitens der Krankenkasse keine Erstattung vorgenommen worden sei.
18Eine Erhöhung der Sonderausgaben um 111,- EUR sei nicht möglich. Die Rückerstattung der Beiträge (hier 495,- EUR) sei im Erstattungsjahr mit gleichartigen Sonderausgaben zu verrechnen, mit der Folge, dass die abziehbaren Sonderausgaben des Erstattungsjahres entsprechend gemindert würden.
19Mit der hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger vor:
20Ursächlich für die Beitragsrückerstattung von 495,- EUR sei der Forderungsverzicht im Jahr 2011 in Höhe von 111,- EUR gewesen. Insoweit sei ein Aufwand von 111,- EUR angefallen, um die Beitragsrückerstattung von 495,- EUR zu erreichen. Dieser Aufwand in Höhe von 111,- EUR sei im Rahmen der Kürzung der Sonderausgaben vom Finanzamt zu berücksichtigen gewesen. Bei den 111,- EUR handle es sich nur sekundär um Krankheitskosten, primär aber um Krankenkassenbeiträge, die wegen des Verzichts auf einen Erstattungsanspruch teilweise erstattet würden. Der Anspruch auf Erstattung der Krankheitskosten ende nicht im Kalenderjahr der Zahlung der Krankheitskosten.
21Die Entscheidung des BFH vom 18.07.2012 (X R 41/11, DStR 2012, 1696) zur Praxisgebühr sei als solche nicht zweifelsfrei richtig. Diese habe zudem mit dem hier vorliegenden Streitfall nichts zu tun. Es sei nicht beantragt worden, aus eigenen Mitteln gezahlte Krankheitskosten als Sonderausgaben abzuziehen. Vielmehr sei auf eine Forderung gegen die Krankenkasse verzichtet worden. Dies sei ein unmittelbarer Aufwand, um die Beitragsrückerstattung zu erhalten. Dieser Forderungsverzicht in Höhe von 111,- EUR mindere daher unmittelbar die Beitragsrückerstattung. Dieser Sachverhalt werde sowohl vom Finanzamt als auch vom Finanzgericht ignoriert.
22Es werde empfohlen, die Sache logisch zu betrachten. Beiträge stünden ohne konkrete Leistungen den Kassen zu. Krankheitskosten bezögen sich immer auf eine konkrete Leistung und stünden dem Leistenden (hier Arzt) zu. Auch die Praxisgebühr sei – abweichend von der Ansicht des BFH in seiner höchst angreifbaren Begründung - den Beiträgen zuzurechnen. Diese angreifbare Rechtsprechung werde nun auf einen anderen Sachverhalt (Verzicht auf einen Erstattungsanspruch) bezogen. Zu Unrecht werde dabei ausgeklammert, dass der Verzicht auf den Erstattungsanspruch die Beitragserstattung begründe und deshalb als Aufwand zu berücksichtigen sei. Es sei unverständlich, dass ein derart klarer Sachverhalt zu der Lösung führe, bei dem Erstattungsanspruch handle es sich um Krankheitskosten.
23Auf den weiteren Inhalt der Schriftsätze des Klägers wird verwiesen.
24Der in der mündlichen Verhandlung nicht erschienene Kläger beantragt sinngemäß,
25den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 20.11.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.07.2013 zu ändern und weitere Sonderausgaben in Höhe von 111,- EUR zu berücksichtigen.
26Der Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Er trägt vor:
29Der Kläger vermenge hier Aufwendungen, die nach § 33 EStG im Jahr des Abflusses berücksichtigt werden mit solchen, die im Rahmen des § 10 EStG üblicherweise als Sonderausgaben erfasst werden. Auch wenn die Beitragsrückerstattung mit dem Verzicht auf die Erstattung von Krankheitskosten in Zusammenhang stünde, könnten diese verschiedenen Positionen steuerlich nicht miteinander verrechnet werden.
30Entscheidungsgründe
31Die Klage ist unbegründet.
32Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 20.11.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.07.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
33Der Beklagte hat zu Recht den Sonderausgabenabzug im Jahr 2011 um die von der privaten Krankenversicherung rückvergüteten Beiträge für das Jahr 2010 in Höhe von 495,- EUR gemindert.
341. Das Finanzamt durfte im Streitjahr 2011 die vom Kläger als Sonderausgaben geltend gemachten Beiträge zu seiner Kranken- und Pflegeversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a und b i.V.m. Satz 2 EStG um die „gleichartige“ Beitragsrückerstattung für 2010 kürzen.
35Vorsorgeaufwendungen, zu denen auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gehören, sind gemäß dem auch bei den Sonderausgaben geltenden Zufluss- und Abflussprinzip in dem Veranlagungszeitraum abzugsfähig, in dem sie gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 des EStG abgeflossen sind. Ist der Steuerpflichtige durch die Aufwendungen jedoch nicht tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet, da die Beiträge ihm (ggfs. teilweise) erstattet werden, sind die Aufwendungen nicht als Sonderausgaben abzugsfähig. Erfolgt die Erstattung nicht in demselben Jahr, erfolgt die Verrechnung erstatteter Sonderausgaben mit im Erstattungsjahr gezahlten gleichartigen Sonderausgaben (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, vergleiche nur Urteil vom 21.07.2009 X R 32/07, BFHE 226, 67, BStBl II 2010, 38; FG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2013 13 K 3456/12 E, EFG 2014, 260 m.w.N.). Für die Bestimmung der Gleichartigkeit hat der BFH auf die Ähnlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit des Sinns und Zwecks sowie der wirtschaftlichen Bedeutung und Auswirkung der Sonderausgaben für den Steuerpflichtigen abgestellt (vgl. FG Köln, Urteil vom 06.02.2014 10 K 2042/12, juris).
36Vorliegend besteht „Gleichartigkeit“ zwischen den rückerstatteten Beiträgen für 2010 in Höhe von 495,- EUR und den vom Kläger gezahlten Beiträgen zur Basisabsicherung in der Krankenversicherung bzw. den Beiträgen zur Pflegeversicherung für 2011. Bei den Versicherungsbeiträgen für 2010 und den für 2011 handelt es sich dem Grunde nach um gleichartige Aufwendungen zur Absicherung derselben Risiken, die lediglich unterschiedliche Versicherungszeiträume betreffen.
37Auch die steuerlichen Auswirkungen der rückerstatteten Beiträge für 2010 und den gezahlten Beiträgen im Jahr 2011 sind „gleichartig“ (anders ggf. zwischen dem Veranlagungszeitraum 2009 und 2010 vgl. FG Köln, Urteil vom 06.02.2014 10 K 2042/12 , juris Rev. eingelegt Az. X R 22/14). Die erstatteten Beiträge in Höhe von 495,- EUR wurden vom Kläger nach der Neuregelung der Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen durch das Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 16.07.2009, BGBl. I 2009, 1959), welches mit Wirkung zum 01.01.2010 in Kraft getreten ist, entrichtet. Die Neuregelung führt dazu, dass die vom Steuerpflichtigen tatsächlich geleisteten Beiträge für eine Absicherung auf sozialhilfegleichem Versorgungsniveau (Basisabsicherung) zur privaten und gesetzlichen Krankenversicherung und zur gesetzlichen Pflegeversicherung in vollem Umfang steuerlich berücksichtigt werden.
382. Entgegen der Auffassung des Klägers sind im Streitjahr 2011 die Beitragsrückerstattungen der privaten Krankenversicherung in Höhe von 495,- EUR auch insgesamt und nicht nur in Höhe von 384,- EUR (= 495,- EUR minus 111,- EUR) als Minderung der abziehbaren Sonderausgaben anzusetzen. Der „Verzicht“ auf einen (möglichen) Erstattungsanspruch der selbst getragenen Krankheitskosten in Höhe von 111,- EUR zur Erlangung der Beitragsrückerstattung kann nicht als Sonderausgabe berücksichtigt werden.
39a) Der Abzug scheitert bereits daran, dass dem Kläger durch den „Verzicht“ einer Erstattung der Krankheitskosten im Jahr 2011 keine absetzbaren „Aufwendungen“ in Höhe von 111,- EUR entstanden sind, die mit der Beitragsrückerstattung für 2010 verrechnet werden könnten. Sonderausgaben setzen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG „Aufwendungen“ voraus, die wiederum nach dem Abflussprinzip (§ 11 Abs. 2 EStG) abgeflossen sein müssen. Für den Abfluss kommt es darauf an, wann der Steuerpflichtige seine Leistungshandlung vornimmt und die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Gegenstand der Leistung verliert (vgl. Schmidt/Krüger EStG § 11 Rz. 35 m.w.N.). Zwar sind dem Kläger im Jahr 2010 Arzt- und Arzneikosten in Höhe von 370,- EUR entstanden, die durch Barzahlung in der Apotheke oder durch Bezahlung der Arztrechnung per Banküberweisungen im Jahr 2010 auch abgeflossen sind. Durch die Entscheidung des Klägers, die (teilweise) Erstattung von Krankheitskosten bei seiner privaten Krankenversicherung nicht zu beantragen („Verzicht“), um die Beitragsrückerstattung zu erhalten, ist jedoch im Jahr 2011 kein Betrag aus seinem Vermögen in Höhe von 111,- EUR im Sinne von § 11 Abs. 2 EStG abgeflossen. Der Verzicht auf eine Einnahme führt – entgegen der Auffassung des Klägers - im Streitfall nicht zu einem „Abfluss“ nach dem Abflussprinzip.
40b) Soweit von einigen Stimmen in der Literatur die Ansicht vertreten wird, steuerlich die Beitragsrückerstattung nur insoweit als Minderung der abziehbaren Sonderausgaben anzusetzen, als sie die selbst getragenen (abgeflossenen) Krankheitskosten übersteigen (vgl. hierzu z.B. Christoph Lanz „Beitragsrückerstattung der privaten KV: Auswirkungen auf den Sonderausgabenabzug“ in GStB 2011, 186 oder Axel Neumann „Krankheitskosten als Minderung der Beitragsrückerstattung beim Sonderausgabenabzug“ in DStR 9/2013,388) ist diesem Vorschlag nicht zu folgen, weil Krankheitskosten keine Sonderausgaben, sondern allenfalls außergewöhnliche Belastungen sind (vgl. h.M. im Schrifttum: Kulosa in H/H/R, EStG, § 10 Anm. 152; Schmidt/Heinicke, EStG, § 10 Rz. 4 m.w.N.), die insoweit nur im Jahr der Bezahlung (hier: 2010) ggf. zu berücksichtigen wären.
41c) Dies dahingestellt, kann der Betrag in Höhe von 111,- EUR durch Verrechnung mit der Beitragsrückerstattung auch nach dem weiteren Wortlaut der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG nicht als Sonderausgabe abgezogen werden.
42Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG sind nur „Beiträge zu Krankenversicherungen“ als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass nur solche Ausgaben zu den Beiträgen zu Krankenversicherungen gehören können, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen und damit --als Vorsorgeaufwendungen-- letztlich der Vorsorge dienen (vgl. BFH, Urteil vom 18.07.2012 X R 41/11, BFHE 238, 103, BStBl II 2012, 821 (zur Praxisgebühr) und BFH, Beschluss vom 08.10.2013 X B 110/13 , BFH/NV 2014, 154 (zum Selbstbehalt)). Selbst getragene Krankheitskosten oder ein Verzicht auf Erstattung von Krankheitskosten durch die private Krankenversicherung sind hingegen keine Krankenversicherungsbeiträge. Sie sind keine Gegenleistung für die Erlangung von Krankenversicherungsschutz, sondern – wie die Selbst- und Eigenbeteiligung - gerade das Gegenteil (vgl. BFH, Beschluss vom 08.10.2013 X B 110/13 , BFH/NV 2014, 154).
43Insoweit können die 111,- EUR – selbst wenn der Kläger diesen Betrag im Jahr 2011 tatsächlich aufgewendet hätte - nicht als Sonderausgabe berücksichtigt werden, weil sie keinen Beitrag des Klägers zur Erlangung des Versicherungsschutzes bei seiner privaten Krankenversicherung darstellen.
443. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.