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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten darüber, ob im Rahmen der Einkommensteuer für 2010 Kosten für einen Zivilrechtsstreit als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind.
3Im Jahr 2007 verstarb die Mutter der Klägerin. Ausweislich eines aufgefundenen Testamtes hatte sie die Klägerin zur Alleinerbin eingesetzt. Die Klägerin beantragte daraufhin einen Erbschein. Im Rahmen des Erteilungsverfahrens zweifelte der Bruder der Klägerin die Rechtmäßigkeit des Testamentes an. Es kam zu einem Zivilrechtsstreit, in dem das Amtsgericht Ibbenbüren zu Gunsten der Klägerin entschied. Dagegen legte der Bruder der Klägerin Beschwerde ein, der das Amtsgericht nicht abhalf. Das für die Beschwerdeentscheidung zuständige Landgericht Z hob den Nichtabhilfebeschluss und die Vorlageverfügung des Amtsgerichts auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Das Amtsgericht erhob im zweiten Rechtsgang Beweis durch Einholung eines graphologischen Gutachtens. Mit Beschluss vom 1.2.2010 erteilte es der Klägerin schließlich einen Alleinerbschein. Im Zusammenhang mit diesem Zivilrechtsstreit entstanden der Klägerin in 2010 Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € und Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 €, die ihr weder von ihrem Bruder noch von dritter Seite erstattet wurden. Die Gerichtskosten setzten sich aus den Gebühren für die Erteilung eines Erbscheins, den Gebühren für die Beurkundung einer eidesstattlichen Versicherung, den Gebühren für die Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen sowie den Auslagen für den Gutachter zusammen.
4Die Klägerin machte die betreffenden Kosten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2010 zunächst nicht geltend. Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) veranlagte die Kläger mit Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 22.7.2011 zur Einkommensteuer. Gegen diesen Einkommensteuerbescheid legte die Klägerin fristgemäß Einspruch mit der Begründung ein, dass aufgrund der neuen – geänderten – Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gemäß dem Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10 (Sammlung der Entscheidungen des BFH --BFHE-- 234, 30, Bundessteuerblatt --BStBl-- 2011, 1015) die Anwaltskosten aus dem Nachlassverfahren als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien.
5Das FA wies die Klägerin mit Schreiben vom 30.3.2012 darauf hin, dass in Bezug auf das betreffende BFH-Urteil ein Nichtanwendungserlass ergangen sei.
6Mit Einspruchsentscheidung vom 14.9.2012, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, wies das FA den Einspruch schließlich als unbegründet zurück.
7Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin ergänzend vorträgt: Über die bereits im Einspruchsverfahren geltend gemachten Anwaltskosten hinaus seien in 2010 für die Zivilrechtsstreitigkeit Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 € angefallen. Ein Teil der Gerichtskosten sei dadurch entstanden, dass das Gericht die Einholung eines graphologischen Gutachtens für erforderlich gehalten habe. Sämtliche Kostenpositionen seien zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG entstanden. Sie sei von ihrem Bruder in der Nachlasssache klageweise in Anspruch genommen worden, da dieser die Rechtmäßigkeit des Testaments angezweifelt habe. Nach der geänderten Rechtsprechung des BFH würden Kosten eines Zivilprozesses dem Steuerpflichtigen unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits zwangsläufig erwachsen. Auch sei keine leichtfertige Einlassung auf den Prozess erfolgt. Zwischenzeitlich sei das Verfahren abgeschlossen. Das Amtsgericht habe ihr einen Alleinerbschein ausgestellt. Die beabsichtigte Rechtsverteidigung sei daher erfolgreich und damit auch unausweichlich im Sinne des § 33 EStG gewesen. Eine Erstattung durch eine Rechts-schutzversicherung sei nicht erfolgt. Ein Ruhen des Verfahrens komme aus ihrer Sicht nicht in Betracht.
8Die Klägerin beantragt sinngemäß,
9den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 22.7.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.9.2012 dahingehend abzuändern, dass Gerichtskosten in Höhe von 3.866,55 € und Anwaltskosten in Höhe von 3.460,03 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.
10Das FA beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Nach dem BMF-Schreiben vom 20.12.2011 (BStBl I 2011, 1286) sei das BFH-Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10 über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
13Die zulässige Klage ist unbegründet.
14I. Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 22.7.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.9.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
15Die geltend gemachten Prozesskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG zu berücksichtigen.
161. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.
172. Nach der Rechtsprechung des BFH können auch Zivilprozesskosten aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen und damit als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein (vgl. etwa BFH-Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015). Nach der in diesem Urteil vom BFH erstmals vertretenen Auffassung soll dies unabhängig vom Gegenstand des Prozesses möglich sein. Unausweichlich sollen derartige Aufwendungen allerdings nur dann sein, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (vgl. BFH-Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015). Die Zivilprozesskosten sollen zudem der Höhe nach nur insoweit abziehbar sein, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten; etwaige Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl 2011, 1015).
183. Nach Maßgabe dieses BFH-Urteils wären die hier in Rede stehenden Kosten der Nachlasssache jedenfalls zum größten Teil als außergewöhnliche Belastung abziehbar (so etwa im Anschluss an die geänderte Rechtsprechung des BFH das FG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 12.11.2013 3 K 1665/12, abrufbar in juris, ebenfalls betreffend eine Nachlasssache). An der Zwangsläufigkeit und Unausweichlichkeit der Anwalts- und Gerichtskosten (möglicherweise mit Ausnahme der Gebühren für die Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen und der Gebühren für die Erteilung des Erbscheins) bestehen aus Sicht des Senats keine Zweifel. Auch der Höhe nach bestehen keine Bedenken in Bezug auf die Angemessenheit der Aufwendungen. Einem Abzug stünde auch die Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.6.2013 (BGBl. I 2013, 1809) nicht entgegen. Danach sind zwar Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Die Vorschrift ist jedoch im Streitfall nicht anwendbar. Der Senat schließt sich der vom Finanzgericht Düsseldorf im Urteil vom 8.8.2013 11 K 3540/12 E (abrufbar in juris) vertretenen Auffassung an, wonach diese Bestimmung mangels einer besonderen Anwendungsbestimmung im § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG erst ab dem Veranlagungszeitraum 2013 anzuwenden ist.
194. Ungeachtet dessen teilt der Senat die vom VI. Senats im Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) vertretene Auffassung nicht. Der Senat hält die vom FG Hamburg (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 24.9.2012 1 K 195/11, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 41) sowie Teilen der Literatur geäußerte Kritik (vgl. etwa Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011, Anm. 5), dass die grundsätzliche Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung bei hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung nicht den Vorgaben des § 33 EStG entspricht, für zutreffend.
20a) Leitmaxime des Einkommensteuerrechts ist die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die das verfassungsrechtlich im Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verankerte Gebot der Steuergleichheit konkretisiert (vgl. etwa Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 4.12.2002 2 BvR 400/98, Entscheidungen des BVerfG --BVerfGE-- 107, 27). Demzufolge sind Aufwendungen, die zu einer Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit führen, aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden. Abzugsfähig sind dabei nicht nur die sog. Erwerbsaufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erwirtschaftung von Einkünften stehen und die objektive steuerliche Leistungsfähigkeit bestimmen (sog. objektives Nettoprinzip), sondern auch private Ausgaben, die der Deckung des existentiell notwendigen Lebensbedarfs dienen (sog. subjektives Nettoprinzip, vgl. etwa BFH-Urteil vom 8.7.2010 VI R 10/08, BFHE 230, 352, BStBl II 2011, 32). Nach dem subjektiven Nettoprinzip muss dem Steuerbürger ein „staatsfreies Existenzminimum" verbleiben, da die Fähigkeit zur Steuerzahlung erst nach Deckung des allernotwendigsten Lebensbedarfs beginnt (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.2004 XI R 37/02, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH --BFH/NV-- 2005, 1024 m.w.N.). Das EStG trägt dem subjektiven Nettoprinzip Rechnung, indem es z.B. im Tarif den Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 EStG berücksichtigt und für bestimmte Minderungen der subjektiven Leistungsfähigkeit Abzugsmöglichkeiten als Sonderausgaben oder als außergewöhnliche Belastungen vorsieht. Der Tatbestand des § 33 EStG ist daher zugleich Ausfluss und Konkretisierung des subjektiven Nettoprinzips.
21b) Auf der Tatbestandsebene des § 33 EStG kommt der Zusammenhang mit dem subjektiven Nettoprinzip in dem Merkmal der „Außergewöhnlichkeit“ – umschrieben durch die (verunglückte) Formulierung „größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands“ – zum Ausdruck (vgl. etwa BFH-Urteil vom 27.9.2007 III R 71/06, abrufbar in juris). Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen, liegen (vgl. BFH-Urteil vom 27.9.2007 III R 71/06, abrufbar in juris; a.A. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 590, der die Einschränkung auf den existentiell notwendigen Lebensbedarf aus dem Merkmal „notwendig“ ableitet und dieses im Sinne einer „existentiellen Notwendigkeit“ interpretieren will). Der Tatbestand der außergewöhnlichen Belastungen ergänzt daher den Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 EStG. Beide Vorschriften betreffen den existenziell notwendigen Lebensbedarf. Sie unterscheiden sich aber dadurch, dass der Grundfreibetrag den regelmäßig entstehenden existentiellen Grundbedarf typisierend abbildet, während demgegenüber § 33 EStG den unregelmäßigen und untypischen und damit nicht typisierbaren existenznotwendigen Aufwand betrifft (vgl. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 206).
22c) Dieser Systematik trägt die geänderte BFH-Rechtsprechung nach Auffassung des Senats nicht in ausreichendem Maße Rechnung. Der BFH sieht die „Außergewöhnlichkeit“ von Prozesskosten vor dem Hintergrund als gegeben an, dass diese nicht im sozialhilferechtlichen Regelbedarf enthalten seien (so die Argumentation des VI. Senats im BFH-Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015). Nach Auffassung des Senats bestehen aber insoweit gerade im Hinblick auf Prozesskosten Besonderheiten. Ebenso wie das EStG unterscheidet auch das Sozialrecht zwischen dem laufenden, regelmäßig entstehenden Grundbedarf, der sich in dem sog. Regelbedarf ausdrückt (vgl. § 20 SGB II, § 27a SGB XII), und – vergleichbar den außergewöhnlichen Belastungen im EStG – dem sog. Mehr- und Sonderbedarf aufgrund atypischer Lebenssituationen (vgl. etwa §§ 21 ff. SGB II und §§ 30 ff. SGB XII). Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung bilden Prozesskosten weder Regel- noch Mehrbedarf (vgl. etwa Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25.2.2010 L 7 AS 117/09, abrufbar in juris; Urteil des Landessozialgerichts NRW vom 7.5.2013 L 6 AS 63/13 B, abrufbar in juris). Die Begründung hierfür sieht die sozialgerichtliche Rechtsprechung darin, dass bei Hilfebedürftigkeit der Anspruch auf einen Zuschuss zu den Prozesskosten in den Verfahrensordnungen abschließend durch die Regelung zur Prozesskostenhilfe geregelt ist. Deren Bestimmungen sollen den Regelungen über die Grundsicherung nach dem SGB II und SGB XII vorgehen (vgl. Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25.2.2010 L 7 AS 117/09, abrufbar in juris). Die Prozesskostenhilfe bildet daher ein eigenständiges System der Hilfe für Bedürftige, die sich in der besonderen Situation befinden, dass sie staatlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen müssen. Hintergrund hierfür ist, dass der Zugang zu den Gerichten für jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnet sein soll. Art. 3 GG und das Rechtsstaatsprinzip gebieten daher eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. Beschluss des BVerfG vom 13.3.1990 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 356). Die der Gewährung von Prozesskostenhilfe zugrunde liegende verfassungsrechtliche Werteentscheidung, Bedürftigen auch Prozesskostenhilfe für Verfahren zu gewähren, die nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Gewährleistung des sozialrechtlichen Existenzminimums stehen, geht über die Werteentscheidung des EStG, die unvermeidbaren Aufwendungen für die eigene Existenzsicherung von der Besteuerung auszunehmen, hinaus. Nach Auffassung des Senats können daher einkommensteuerlich allenfalls solche Prozessaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können, die durch ein Gerichtsverfahren veranlasst sind, in dem über für den Steuerpflichtigen existentielle Fragen entschieden wird.
23Dagegen lässt die neuere Rechtsprechung des BFH, wonach jeder mit hinreichender Erfolgsaussicht geführte Zivilprozess als unausweichlich und damit als zwangsläufig i. S. des § 33 EStG anzusehen wäre, die dem Tatbestand des § 33 EStG immanente Beschränkung auf den existentiell notwendigen Lebensbedarf außer Acht. Der Senat schließt sich der Kritik von Steinhauff an, dass nach der geänderten Rechtsprechung des BFH nunmehr auch solche Aufwendungen für Rechtsstreitigkeiten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen wären, die mit dem notwendigen Lebensbedarf des Steuerpflichtigen nichts zu tun haben (vgl. Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011 Anm. 5). Einen Abzug derartiger Aufwendungen gebietet das subjektive Nettoprinzip jedoch nicht. Dass die BFH-Rechtsprechung einen zu weitgehenden Abzug von Prozesskosten ermöglichen würde, wird nach Auffassung des Senats an der im Streitfall gegebenen Konstellation deutlich. Die im Zusammenhang mit der Erteilung des Erbscheins entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem existenziell notwendigen Lebensbedarf der Klägerin.
24d) Gegen die vom BFH im Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 40, BStBl II 2011, 1015) vertretene Rechtsauffassung spricht aus Sicht des Senats schließlich auch, dass der BFH eine entsprechende Sichtweise in früheren Entscheidungen bereits ausdrücklich aufgegeben hatte. In seiner Rechtsprechung zu den Kosten einer Ehescheidung hatte der BFH mit einer ähnlich gelagerten Begründung wie derjenigen des VI. Senats in seinem Urteil vom 12.5.2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) den Abzug von Ehescheidungskosten als außergewöhnliche Belastung zunächst erlaubt. Nach der seinerzeit vom BFH vertretenen Auffassung resultierte die Zwangsläufigkeit der Ehescheidungskosten daraus, dass eine Ehe bei Lebzeiten des anderen Ehegatten nur durch eine gerichtliche Scheidung – also unter Inanspruchnahme des Rechtswegs – gelöst werden konnte (vgl. etwa BFH-Urteile vom 8.11.1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111 und vom 23.2.1968 VI R 239/67, BFHE 91, 534, BStBl II 1968, 407). In seinem Urteil vom 2.10.1981 VI R 38/78 (BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116) setzte sich der BFH mit dieser Rechtsprechung auseinander und gestand ausdrücklich zu, dass es darauf, dass eine Ehe nur durch eine gerichtliche Entscheidung gelöst werden könne, bei der Bestimmung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen nicht allein ankommen könne, weil sonst auch Aufwendungen für jeden anderen rechtsgestaltenden Staatsakt, wie z.B. die Gebühren des Standesbeamten für eine Eheschließung, als zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG anzusehen wären. Die Zwangsläufigkeit könne daher im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG nicht allein an der unmittelbaren Zahlungsverpflichtung gemessen werden. Erforderlich sei vielmehr, dass auch das die Verpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sein müsse. Diese Grundannahme, dass Prozesskosten nur als zwangsläufig zu erachten sind, wenn das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen ist, hat der BFH in der Folgezeit konsequent auch auf die Kosten eines Zivilprozesskosten übertragen und im Übrigen daran festgehalten, dass eine Vermutung gegen ihre Zwangsläufigkeit spricht (vgl. etwa BFH-Urteil vom 9.5.1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). In seinem Urteil vom 4.12.2001 III R 31/00 (BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382) hat der BFH seine Rechtsprechung zu dieser Problematik dahingehend modifiziert, dass eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Kosten eines Zivilprozesses keine außergewöhnlichen Belastungen seien, dann greife, wenn der Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich berühre und der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Nach Auffassung des Senats war die Entwicklung der früheren Rechtsprechung vor dem Hintergrund, dass das subjektive Nettoprinzip nur den Abzug existentiell notwendiger Aufwendungen gebietet, folgerichtig.
254. Selbst wenn man jedoch nicht der hier vertretenen Auslegung des § 33 EStG folgen würde, wären die geltend gemachten Aufwendungen nach Auffassung des Senats unter einem weiteren Gesichtspunkt nicht abzugsfähig. Die Klägerin hat die hier maßgeblichen Aufwendungen investiert, um einen Gegenwert zu erlangen, nämlich die Erbschaft. Die vorliegende Konstellation ist daher mit der Fallgruppe der Beerdigungskosten vergleichbar. In diesen Fällen hat der BFH einen Abzug als außergewöhnliche Belastung mit dem Argument versagt, dass es schon an einer Belastung fehle, wenn die Beerdigungskosten aus dem Erbe bestritten werden könnten (vgl. etwa BFH-Urteil vom 29.5.1996 III R 86/95, BFH/NV 1996, 807). Gleiches muss auch im Streitfall gelten, in dem die Klägerin ebenfalls einen Vorteil in Form der Erbschaft erhalten hat. Der Wert des streitigen Erbes wird in der Gerichtskostenrechnung auf ca. 153.000 € beziffert.
26II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.
27III. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.