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Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 18.04.2012 wird der Haftungsbescheid vom 8.6.2011 dahingehend geändert, dass der Haftungsbetrag auf 134.152,21 EUR herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu 73,7 v.H. und das beklagte Finanzamt zu 26,3 v.H. zu tragen.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin, eine Sparkasse, begehrt mit ihrer Klage die Aufhebung eines gegen sie gerichteten Haftungsbescheides, durch den sie als Abtretungsempfängerin gemäß
3§ 191 der Abgabenordnung – AO – i.V.m. § 13 c Umsatzsteuergesetz – UStG – vom Beklagten, dem Finanzamt – FA -, in Anspruch genommen wird.
4Eine Kreditnehmerin der Klägerin, eine GmbH, hatte im Zuge der Liquidation ihres Geschäftsbetriebes 12 Fahrzeuge ihres Fuhrparks zu einem Kaufpreis in Höhe von 980.000,- EUR zzgl. 186.200,- EUR Umsatzsteuer im ersten Quartal 2010 veräußert. Den Kaufpreis hatte sie in voller Höhe (1.166.200 EUR) aufgrund einer Abtretungsvereinbarung mit der Klägerin vom 11.2.2010 zur Rückführung ihres Kontokorrentkredites abgetreten. Entsprechend der Abtretungsvereinbarung wurde der Bruttokaufpreis aus der Veräußerung der Fahrzeuge am 3.4.2010 dem bei der Klägerin geführten Kontokorrentkonto der GmbH gutgeschrieben und vollständig mit den bestehenden Kredit- und Zinsforderungen verrechnet.
5Die Umsatzsteuer aus der Fahrzeugveräußerung wurde von der GmbH in ihrer am 12.4.2010 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung für das 1. Quartal 2010 angemeldet, jedoch trotz Fälligkeit in Höhe von 182.051,37 EUR nicht entrichtet.
6Am 8.2.2011 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
7Mit Schreiben vom 8.3.2011 hat der Insolvenzverwalter die Abtretungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Gemeinschuldnerin gemäß §§ 129 ff. der Insolvenzordnung – InsO - angefochten.
8Durch Bescheid vom 8.6.2011 nahm das FA die Klägerin per Haftungsbescheid nach
9§ 13 c UStG für die Umsatzsteuerrückstände der GmbH aus den Fahrzeugverkäufen in Höhe von 182.051,37 EUR in Haftung, weil an die Klägerin der Bruttokaufpreis vollständig abgetreten und von ihr auch in voller Höhe zur Rückführung des Kontokorrentsaldos vereinnahmt worden sei.
10Mit Vergleich vom 29.6.2011 zwischen der Klägerin und dem Insolvenzverwalter erkannte die Klägerin das Bestehen von Anfechtungsansprüchen des Insolvenzverwalters bezüglich der Abtretungsvereinbarung vom 11.2.2010 grundsätzlich an. Im Vergleichswege verpflichtete sich die Klägerin hierin gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Zahlung von 300.000,- EUR zur Insolvenzmasse und zum Verzicht auf die Anmeldung weiterer Ansprüche zur Insolvenztabelle. Im Gegenzug für den Verzicht weiterer Forderungsanmeldungen erklärte der Insolvenzverwalter seinen Verzicht auf die Geltendmachung des Differenzanspruchs zwischen dem Zahlbetrag von 300.000,- EUR und dem Abtretungsbetrag von 1.166.200,- EUR. Außerdem stellte der Insolvenzverwalter die Klägerin im Innenverhältnis von sämtlichen Ansprüchen der Finanzverwaltung aus dem Haftungsbescheid frei (§ 4 Abs. 1 des Vergleichs).
11Gegen den Haftungsbescheid hat die Klägerin Einspruch eingelegt und - nach aus Sicht der Klägerin vermeintlich am 4.8.2011 ergangener Einspruchsentscheidung – am 22.8.2011 Klage erhoben.
12Sie trägt vor:
13Die Klage sei zulässig erhoben worden. Das Schreiben des beklagten FA vom 4.8.2011 sei als Einspruchsentscheidung zu beurteilen, da das FA hierin eingangs ausführe: "Ihrem o.g. Einspruch vermag ich nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu entsprechen".
14Durch den Vergleich vom 29.6.2011 und die hierin vereinbarte Zahlung der Sparkasse in Höhe von 300.000,- EUR bei gleichzeitigem Verzicht auf die Anmeldung weiterer Forderungen zur Insolvenztabelle sei die Klägerin im Ergebnis im Hinblick auf die zu erwartende Insolvenzquote von ca. 70% in etwa so gestellt, als wenn sie den gesamten Bruttokaufpreis infolge der Anfechtung an die Insolvenzmasse erstattet hätte und ihre Forderungen regulär zur Tabelle angemeldet hätte.
15Der Gesetzgeber habe bei Einführung des § 13 c UStG offensichtlich Insolvenzfälle nicht bedacht. Die Anwendung dieser Norm höhle das der Insolvenzmasse zustehende Anfechtungsrecht aus und bevorteile die Finanzverwaltung. Hierdurch werde vom Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung abgewichen. Deswegen sei § 13 c UStG so auszulegen, dass mit Insolvenzeröffnung und Geltendmachung eines Anfechtungsanspruchs eine wirksame Vereinnahmung des Forderungsbetrages durch den Haftungsschuldner "ex tunc" nicht mehr bestehe. Dies ergebe sich aus § 144 Abs. 1 InsO, wonach die der Forderungsabtretung zugrunde liegende Forderung der Klägerin gegen die Gemeinschuldnerin rückwirkend wieder auflebe. Die Klägerin bezieht sich insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - in dessen Urteil vom 11.11.2008 VII R 19/08 (BFHE 223, 303, BStBl II 2009, 342).
16Die Klägerin beantragt,
17die Einspruchsentscheidung vom 18.4.2012 und den
18Haftungsbescheid vom 8.6.2011 aufzuheben;
19hilfsweise, die Revision zuzulassen.
20Das beklagte FA beantragt,
21die Klage abzuweisen;
22hilfsweise, die Revision zuzulassen.
23Das FA vertritt die Auffassung, die Klage sei unzulässig, da ohne abgeschlossenes Einspruchsverfahren erhoben worden. Eine Einspruchsentscheidung habe das FA erst während des Klageverfahrens am 18.4.2012 erlassen.
24Das FA ist der Ansicht, es habe den Haftungsbescheid nach § 13 c UStG zu Recht erlassen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift im Zeitpunkt des Bescheiderlasses erfüllt gewesen seien und dem FA auch kein Ermessen bezüglich der Inanspruchnahme der Klägerin zugestanden habe. Die Anfechtung der Forderungsabtretung durch den Insolvenzverwalter nach den §§ 129 ff. InsO führe nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts "ex tunc", sondern zu einem Rückgewährschuldverhältnis in Form eines schuldrechtlichen Verschaffungsanspruchs für den Insolvenzverwalter.
25Entscheidungsgründe:
26Die zulässige Klage ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet, da die Klägerin insoweit durch den angefochtenen Haftungsbescheid in ihren Rechten verletzt ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -.
27Die am 22.8.2011 bei Gericht eingegangene Klage ist erst mit Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 18.4.2012 in die Zulässigkeit erwachsen, da erst hierdurch die Sachurteilsvoraussetzung eines abgeschlossenen Vorverfahrens erfüllt worden ist (vergl. § 44 Abs. 1 FGO). Wird vor Abschluss des Einspruchsverfahrens Klage gegen einen Steuerbescheid erhoben, so wird die Klage mit der Entscheidung über den Einspruch zulässig, da es sich nach der Rechtsprechung des BFH bei der Voraussetzung des § 44 Abs. 1 FGO um eine Sachurteilsvoraussetzung, nicht aber um eine Zugangsvoraussetzung handelt (u.a. Urteil des BFH vom 17.05.1985, III R 13/82, BFHE 143, 509, BStBl II 1985, 521).
28Mit dem von der Klägerin angeführtem Schreiben vom 4.8.2011 hatte das FA hingegen lediglich die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides abgelehnt und in diesem Zusammenhang gleichzeitig seinen rechtlichen Standpunkt bezüglich der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides dargelegt. Es handelt sich hierbei eindeutig nicht um eine Einspruchsentscheidung betreffend den angefochtenen Haftungsbescheid.
29Das FA hat die Klägerin seinerzeit im Grundsatz zu Recht gemäß § 191 AO i.V.m § 13 c UStG als Abtretungsempfängerin für die Umsatzsteuerrückstände der GmbH, die aus der Veräußerung ihres Fuhrparks resultierten, in Anspruch genommen.
30Die Voraussetzungen des § 13 c UStG waren vorliegend erfüllt.
31Soweit der leistende Unternehmer den Anspruch auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG an einen anderen Unternehmer abgetreten und die festgesetzte Steuer, bei deren Berechnung dieser Umsatz berücksichtigt worden ist, bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet hat, haftet der Abtretungsempfänger nach Maßgabe des Absatzes 2 für die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer, soweit sie im vereinnahmten Betrag enthalten ist (§ 13 c Abs. 1 Satz 1 UStG).
32Der Abtretungsempfänger ist ab dem Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen, in dem die festgesetzte Steuer fällig wird, frühestens ab dem Zeitpunkt der Vereinnahmung der abgetretenen Forderung. Bei der Inanspruchnahme nach Satz 1 besteht abweichend von § 191 AO kein Ermessen. Die Haftung ist der Höhe nach begrenzt auf die im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht entrichtete Steuer (§ 13 c Abs. 2 Sätze 1 – 3 UStG).
33Die GmbH hatte vorliegend die Ansprüche aus dem umsatzsteuerpflichtigen Verkauf der Fahrzeuge an die Klägerin abgetreten. Die Klägerin hat die Forderung inklusive der hierin enthaltenen Umsatzsteuer auch vereinnahmt, da sie die Gutschrift des Verkaufserlöses auf dem bei ihr geführten Konto der GmbH vollständig dazu verwendet hat, den Negativsaldo der Klägerin zurückzuführen (zur "Vereinnahmung" siehe Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG-Kommentar, § 13 c, Anm. 48). Die dem Haftungsbescheid zugrunde liegende Umsatzsteuer war mit Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung 1. Quartal 2010 am 12.4.2010 festgesetzt (siehe § 168 Satz 1 AO) und fällig (§ 18 Abs. 1 UStG), jedoch von der GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit nur in Höhe eines geringen Betrages beglichen worden.
34Entgegen der Auffassung der Klägerin führte die durch Schreiben des Insolvenzverwalters vom 8.3.2011 nach den §§ 129 ff. InsO erklärte Anfechtung der Forderungsabtretung nicht dazu, dass die ursprüngliche Abtretungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der GmbH rückwirkend als nichtig anzusehen ist bzw. die für den Erlass eines auf § 13 c UStG gestützten Haftungsbescheides notwendige Vereinnahmung der Forderung entfiele. Wie das FA unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – BGH - in dessen Urteil vom 21.09.2006 IX ZR 235/04 (ZInsO 2006, 1217, DB 2006, 2810-281) zu Recht ausgeführt hat, führt die Anfechtung einer Abtretung nach §§ 129 ff InsO nicht zur Nichtigkeit des angefochtenen Rechtsgeschäfts, sondern es entsteht vielmehr ein Rückgewähranspruch in Form eines schuldrechtlichen Verschaffungsanspruchs. Solange die Forderung nicht zurückübertragen ist, bleibt der Anfechtungsgegner nach dieser Entscheidung Inhaber der Forderung, weswegen hier trotz erfolgter Anfechtungserklärung weiterhin von einer Vereinnahmung der Forderung durch die Klägerin auszugehen ist.
35Die vorliegende Problematik war – soweit ersichtlich – noch nicht Gegenstand eines finanzgerichtlichen Rechtsstreits. In der Literatur wird zum Teil vertreten, dass die Voraussetzungen des § 13 c UStG tatbestandlich dann nicht erfüllt sein sollen, wenn der Haftungsbescheid zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, an dem die Forderungsabtretung vom Insolvenzverwalter bereits wirksam angefochten und die verrechneten Beträge an die Masse zurückgeführt wurden, weil sie in diesem Fall in wirtschaftlicher Hinsicht nicht vom Abtretungsempfänger vereinnahmt worden seien. Sei die Inanspruchnahme per Haftungsbescheid zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt, sieht auch diese Literaturmeinung die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftungsbescheides als erfüllt an. Für diesen Fall wird die Möglichkeit eines Widerrufs des Haftungsbescheides aus sachlichen Billigkeitsgründen als Lösungsmöglichkeit angedacht (siehe Waza, Uhländer, Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 8. Aufl., Rdnr. 2355). Roth (in: Insolvenz/Steuerrecht, 2011, Rdnr. 4.510) vertritt die Auffassung, dass die Anfechtung einer Forderungsabtretung im Insolvenzverfahren unabhängig von ihrem Zeitpunkt die Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme des Abtretungsempfängers in allen Fällen unberührt lasse.
36Vorliegend wurde der Haftungsbescheid zu einem Zeitpunkt erlassen, als der Insolvenzverwalter zwar die Anfechtung der Forderungsabtretung schon per Schreiben vom 8.3.2011 erklärt hatte, jedoch noch keine Überführung des Forderungsbetrages zur Insolvenzmasse erfolgt war. Eine konkrete Anerkennung der Anfechtungsansprüche und eine dezidierte Ausgestaltung des hieraus folgenden Rückgewährschuldverhältnisses erfolgte erst aufgrund des – nach Erlass des Haftungsbescheides – abgeschlossenen Vergleichs zwischen der Klägerin und dem Insolvenzverwalter (siehe §§ 1 und 2 des Vergleichs vom 29.6.2011). Somit wäre auch nach den beiden aufgezeigten Literaturmeinungen vorliegend der Haftungsbescheid rechtmäßig ergangen. Eine Billigkeitsentscheidung, die teilweise in der Literatur als Lösungsmöglichkeit angedacht wird (s.o., Waza, Uhländer, Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 8. Aufl., Rdnr. 2355), ist hingegen nicht Gegenstand dieses Klageverfahrens.
37Allerdings ist der zunächst rechtmäßig ergangene Haftungsbescheid um die Umsatzsteuerbeträge zu vermindern, die in dem von der Klägerin an den Insolvenzverwalter infolge der Vereinbarung vom Vergleichs vom 29.6.2011 zurückbezahlten Betrag in Höhe von 300.000,- EUR enthalten sind, was zu einer Verringerung des Haftungsbetrages um 47.899,16 EUR (= 300.000 EUR : 119 X 19) und zu der aus dem Tenor ersichtlichen Teilstattgabe der Klage führt:
38Bei dem Haftungsbescheid gemäß § 13 c UStG handelt es sich – insoweit abweichend zu der Vorschrift des § 191 Abs. 1 AO – um eine gebundene Entscheidung (siehe § 13 c Abs. 2 Satz 1 UStG: "Der Abtretungsempfänger ist ... in Anspruch zu nehmen.") und nicht um eine Ermessensentscheidung. Maßgebend ist daher der Sachverhalt, wie er sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung dem Gericht darstellt. Dass nach Auffassung der Finanzverwaltung für die Rechtmäßigkeit des Bescheides die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung und damit hier erst im Klageverfahren ergangenen Einspruchsentscheidung vom 18.4.2012 maßgebend sein sollen (siehe USTAE Abschn. 13c.1. Abs. 40), führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis.
39Demzufolge kann das Gericht nicht unberücksichtigt lassen, dass die Klägerin – nach Erlass des Haftungsbescheides und vor Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 18.4.2012 - infolge der grundsätzlichen Anerkennung der Anfechtungsberechtigung des Insolvenzverwalters durch Vergleich vom 29.6.2011 (siehe § 1 Abs. 1 des Vergleichs) an diesen 300.000,- EUR mit Wertstellung vom 12.7.2011 zurück erstattet hat (siehe Kontoauszug; Bl. 33 der Akte).
40Soweit das FA meint, es komme für die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides nur darauf an, dass die Klägerin ursprünglich die abgetretene Forderung in voller Höhe vereinnahmt habe, die spätere (Teil-)Rückzahlung an den Insolvenzverwalter sei hingegen unbeachtlich (so auch Roth, Insolvenz/Steuerrecht, 2011, Rdnr. 4.510), folgt das Gericht dieser Auffassung nicht: § 13 c UStG soll nach der Gesetzesbegründung Umsatzsteuerausfälle verhindern, die dadurch entstehen, dass der abtretende Unternehmer häufig finanziell nicht in der Lage ist, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer zu entrichten, weil der Abtretungsempfänger die (Brutto-)Forderung eingezogen hat (RegE zum StÄndG 2003, BT-Drs. 15/1562, S. 46, siehe auch Urteil des FG München vom 22.06.2010 14 K 1707/07, EFG 2010, 1937). Wenn und soweit die infolge der Abtretung vereinnahmten Beträge vom Abtretungsempfänger an den Steuerpflichtigen – oder im Falle der Insolvenz an den Insolvenzverwalter – aus welchem Grunde auch immer zurückerstattet werden, besteht nach Auffassung des Senats kein Grund mehr dafür, an der Haftung des Abtretungsempfängers festzuhalten. Denn im Fall der Rückerstattung der Beträge beruhen die Steuerrückstände nicht mehr auf der Vereinnahmung der Bruttoforderung durch den Abtretungsempfänger. Diese Sichtweise wird im Übrigen auch von der Finanzverwaltung geteilt (siehe UStAE Abschn. 13c.1., Abs. 29 Satz 1:
41"Vereinnahmt der Abtretungsempfänger, Pfandgläubiger oder Vollstreckungsgläubiger die Forderung und zahlt er den eingezogenen Geldbetrag ganz oder teilweise an den leistenden Unternehmer zurück, beschränkt sich die Haftung auf die im einbehaltenen Restbetrag enthaltene Umsatzsteuer."; ebenso Haunhorst in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG-Kommentar, § 13c, Rdnr. 40). Ein Festhalten an der Haftungsinanspruchnahme in den Fällen der Rückerstattung der vom Abtretungsempfänger vereinnahmten Beträge würde nach Auffassung des Senats dem Gebot der Verhältnismäßigkeit widersprechen. Ein System einer unbedingten Haftung, das über das für den Schutz staatlicher Ansprüche Erforderliche hinausgeht, erachtet der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - als unverhältnismäßig (siehe u.a. Urteil des EuGH "Federation of Technological Industries u.a." vom 11.05.2006 C-384/04, JURIS, Haunhorst in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG-Kommentar, § 13c, Rdnr. 7).
42Das Gericht geht aber nicht so weit, der Auffassung der Klägerin darin zu folgen, dass aufgrund der Vergleichsvereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Insolvenzverwalter, an denen das FA nicht beteiligt war, davon auszugehen sei, dass die abgetretene Forderung in voller Höhe an die Insolvenzmasse zurückerstattet worden sei. Abzustellen ist nur auf die tatsächlich der Insolvenzmasse zugeflossenen Beträge, nicht jedoch darauf, dass die Klägerin aufgrund der weiteren Vereinbarungen in dem Vergleich nach ihrer Darstellung und der des Insolvenzverwalters so gestellt worden sei, als ob sie den gesamten Forderungsbetrag an den Insolvenzverwalter zurück gewährt hätte, gleichzeitig ihre wiederauflebenden Forderungen (siehe hierzu das von der Klägerin angeführte Urteil des BFH vom 11.11.2008 VII R 19/08, BFHE 223, 303, BStBl II 2009, 342) aus dem Kontokorrentkredit in voller Höhe als Insolvenzforderung zur Tabelle angemeldet hätte. Denn nur die tatsächliche Rückzahlung der 300.000,- EUR hat die Insolvenzmasse vergrößert, wohingegen die weiteren zivilrechtlichen Vergleichsvereinbarungen lediglich Absprachen beinhalten, welche die Höhe der anzumeldenden Insolvenzforderungen betreffen. Im übrigen kann es in Fällen wie dem hier zu beurteilenden der Finanzverwaltung nicht zugemutet werden, vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Abtretungsempfänger und dem Insolvenzverwalter, an denen der Fiskus selbst nicht beteiligt war, inhaltlich und rechtlich daraufhin zu überprüfen, ob diese in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung die gleichen Folgen haben wie eine vollständige Rückerstattung der abgetretenen Forderung aufgrund der Anfechtung. Diese Überprüfung wäre in Fällen wie dem vorliegenden auch nur dann möglich, wenn im Zeitpunkt der zivilrechtlichen Vereinbarung über die Abwicklung der Anfechtung die exakte Insolvenzquote bereits feststünde. Dies mag zwar vorliegend der Fall gewesen sein, dürfte aber nicht dem Regelfall entsprechen.
43Die Haftungsforderung war daher um die in dem zurückbezahlten Betrag von 300.000 EUR enthaltene Umsatzsteuer zu mindern.
44Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.
45Da die hier streitige Rechtsfrage in der Literatur kontrovers diskutiert wird und das Verhältnis der Anfechtung von Forderungsabtretungen im Insolvenzverfahren zur Haftungsinanspruchnahme nach § 13 c UStG – soweit ersichtlich - noch nicht Gegenstand einer finanzgerichtlichen Entscheidung war, lässt der Senat gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sac