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Der Beklagte wird unter Aufhebung seiner Bescheide vom 29.04.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.09.2008 verpflichtet, der Klägerin entsprechend ihren Anträgen vom 27.12.2007 und 14.01.2008 97.466,83 EUR Mineralölsteuer und 212.380,01 EUR Energiesteuer zu vergüten.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin schloss mit ihrer Muttergesellschaft, der A AG, 2003 einen Dienstleistungsrahmenvertrag, nach dem sie vor allem in den Bereichen Flugbetrieb, Kraftfahrzeugdienst, Gebäudeverwaltung und Betriebliche Altersversorgung Dienstleistungen erbrachte. Bezogen auf den Bereich Flugbetrieb erzielte sie im Vergleich zu ihrem Gesamtumsatz folgende Umsatzerlöse:
| Geschäftsjahr | Gesamtumsatzerlöse | Umsatzerlöse des Bereichs Flugbetrieb |
| 2005/2006 | 13.021 TEUR | 2.847 TEUR |
| 2006/2007 | 15.711 TEUR | 4.924 TEUR |
| 2007/2008 | 18.629 TEUR | 7.147 TEUR |
Die Klägerin betrieb seit 2003 den am Flughafen X beheimateten und ihr gehörenden Konzern-Jet, mit dem Vorstände des A-Konzerns für ausschließlich geschäftliche Flüge befördert wurden. Alle Leistungen ihres Bereichs Flugbetrieb, dessen Büro sich auch auf dem Flughafen X befindet, wurden ihrer Muttergesellschaft gegen volle Kostenerstattung mit einem Gewinnaufschlag von 2% in Rechnung gestellt. Die Muttergesellschaft belastet ihrerseits die von der Klägerin in Rechnung gestellten Beträge den Auftrag gebenden Konzerngesellschaften.
5Aufgrund der ihr fehlenden Zulassung als Luftfahrtunternehmen beantragte die Klägerin unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 31.10.2006, 4 K 3864/06 VM, am 27.12.2007 für die Zeit von Januar bis Juli 2006 die Erstattung von 97.466,83 EUR Mineralölsteuer und für die Zeit von August bis Dezember 2006 die Erstattung von 65.652,89 EUR Energiesteuer für den von ihr versteuert bezogenen Flugturbinenkraftstoff (Kerosin).
6Am 14.01.2007 beantragte die Klägerin die Erstattung von 146.727,12 EUR Energiesteuer für den von ihr im Jahr 2007 versteuert bezogenen Flugturbinenkraftstoff.
7Die Anträge lehnte der Beklagte mit Bescheiden vom 29.04.2008 ab, da der Klägerin die für eine Erstattung erforderliche luftverkehrsrechtliche Genehmigung fehle. Den dagegen fristgerecht eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 16.09.2008 als unbegründet zurück.
8Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor, ihr Flugbetrieb gehöre auch nach dem Urteil des EuGH vom 01.12.2011, C-79/10, zu der durch Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom RL 2003/96 begünstigten Verwendung.
9Ihr Geschäftszweck sei auch die Erbringung von Luftfahrtdienstleistungen, die ausschließlich und unmittelbar aus der entgeltlichen Personenbeförderung bestünden. Eine eigenbetriebliche oder private Nutzung gebe es nicht. Sie habe bisher darauf verzichtet, sich um eine Zulassung als Luftfahrtunternehmen zu bemühen, weil sie ohne diese Zulassung kürzere Landebahnen und kleinere, zielnähere Flugplätze nutzen könne. Eine Zulassung als Luftfahrtunternehmen benötige sie nicht, um ihre Dienstleistungen am Markt anbieten zu können, da ihr Luftfahrzeug auch so ausgelastet sei.
10Die Klägerin beantragt,
11den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 29.04.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.09.2008 zu verpflichten, ihr entsprechend ihren Anträgen vom 27.12.2007 und 14.01.2008 97.466,83 EUR Mineralölsteuer und 212.380,01 EUR Energiesteuer zu erstatten.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen,
14hilfweise die Revision zuzulassen.
15Dazu führt er aus: Auch unter Berücksichtigung der Urteile des EuGH vom 01.12.2011, C-79/10, und vom 21.12.2011, C-250/10, komme eine Erstattung nicht in Betracht. Die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/96 vorgesehene Steuerbefreiung diene nur der Einhaltung internationaler Verpflichtungen zugunsten der Zivilluftfahrt und damit in erster Linie der Wettbewerbsfähigkeit der in der EU ansässigen Luftfahrtgesellschaften. Daraus habe der EuGH geschlossen, dass eine Beförderung von Personen und Sachen zu eigen- oder innerbetrieblichen Zwecken nicht begünstigt sei.
16Eine Luftfahrtdienstleistung könne nur dann entlastet werden, wenn sie mit den im 23. Erwägungsgrund der RL 2003/96 genannten Entlastungsgründen (bestehende internationale Verpflichtungen und Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Gemeinschaftsunternehmen) vereinbar seien. Insoweit müsse die Luftfahrtdienstleistung gegen Entgelt für Dritte und damit auf dem Markt angeboten werden. Dies tue die Klägerin nicht, denn sie betreibe im Konzernverbund nur innerbetriebliche Flüge.
17Würden auch derartige Flüge steuerbefreit, bestehe die Gefahr, dass eigentlich innerbetriebliche Luftfahrtdienstleistungen ausgegliedert und der an sich vorgesehenen Besteuerung entzogen würden. Insoweit sei ein künftiger Gestaltungsmissbrauch zu befürchten.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist begründet.
20Die Bescheide vom 29.04.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.09.2008 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit das beklagte Hauptzollamt es abgelehnt hat, ihr in der beantragten Höhe Mineralölsteuer und Energiesteuer zu vergüten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
21Die Klägerin hat in dem von ihr begehrten Umfang für den Vergütungsabschnitt vom 1. Januar bis zum 31. Juli 2006 einen Anspruch auf die Vergütung der Mineralölsteuer.
22Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) darf Mineralöl als Luftfahrtbetriebsstoff von einem Luftfahrtunternehmen u.a. für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Sachen verwendet werden. Zu den Luftfahrtbetriebsstoffen gehört auch Kerosin, § 4 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 MinöStG. Dementsprechend bestimmt § 50 Abs.1 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStV), dass auf Antrag einem Luftfahrtunternehmen die Steuer für Luftfahrtbetriebsstoffe erstattet oder vergütet wird, die es im Steuergebiet versteuert bezogen und für steuerfreie Flüge verwendet hat. Unter einem Luftfahrtunternehmen ist ein Unternehmen zu verstehen, das Personen oder Sachen gewerbsmäßig, d.h. gegen Entgelt und nicht nur gegen Ersatz der Selbstkosten befördert (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 6. Februar 1996 VII R 101/94, BFHE 179, 511).
23Im Streitfall kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin in den Jahren 2006 und 2007 weder über eine Betriebsgenehmigung nach § 20 des Luftverkehrsgesetzes noch über eine solche nach Art. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen verfügte und deshalb nach Auffassung des Beklagten auch kein Luftfahrtunternehmen in diesem Sinne war. Art. 14 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/96, der seit dem 01.01.2004 anzuwenden ist (Art. 28 Abs. 2 der RL 2003/96), erfordert als höherrangiges Gemeinschaftsrecht für eine Steuerbefreiung lediglich, dass die Energieerzeugnisse als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt verwendet werden. Dies ist dahin zu verstehen, dass bei der Luftfahrt, die unter diese Befreiung fällt, der Kraftstoff für ein Luftfahrzeug verwendet wird, das unmittelbar der entgeltlichen Erbringung von Luftfahrt-Dienstleistungen dient. Der Begriff "Luftfahrt" verlangt somit, dass die entgeltliche Dienstleistung unmittelbar mit dem Flug des Luftfahrzeugs zusammenhängt (Gerichtshof der Europäischen Union – EuGH – Urteil v. 01.12.2011, C-79/10, Rz. 21). Ob das das Flugzeug betreibende Unternehmen ein zugelassenes Luftfahrtunternehmen ist, ist dabei unerheblich (EuGH-Urteil vom 21.12.2011, C-250/10, Rz. 24).
24Auf diese Bestimmung der RL 2003/96 kann sich die Klägerin auch unmittelbar berufen. Mit Urteil vom 10.06.1999, C-346/97, Slg. 1999, I-3419, Rz. 31 hat der EuGH bereits entschieden, dass sich ein einzelner unmittelbar auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle berufen kann. Art. 14 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/96 entspricht dieser Vorschrift, so dass für eine Erstattung oder Vergütung von Mineralölsteuer nach § 50 Abs. 1 MinöStV nicht mehr darauf abgestellt werden kann, ob der jeweilige Antragsteller ein Luftfahrtunternehmen betreibt.
25Die Klägerin hat den von ihr im Steuergebiet versteuert bezogenen Flugturbinenkraftstoff auch für steuerfreie Flüge verwendet, denn mit ihren Flügen hat sie unmittelbar entgeltlich Luftfahrt-Dienstleistungen erbracht. Sie hat mit dem ihr gehörenden Konzern-Jet Vorstände der Gesellschaften ihres Konzerns ausschließlich für geschäftliche Flüge befördert und ihre Leistungen ihrer Konzern-Muttergesellschaft in Rechnung gestellt.
26Damit hat sie Luftfahrt-Dienstleistungen erbracht und keine eigenbetrieblichen Leistungen.
27Dass sie ihre Dienstleistungen jedenfalls hinsichtlich des Flugbetriebs nicht auf dem Markt anbot, ist unerheblich, weil sie diese Dienstleistungen entgeltlich angeboten hat (s. EuGH-Urteil vom 21.12.2011, C-250/10, Rz. 24).
28Die Klägerin hat für die Vergütungsabschnitte vom 01.08. bis zum 31.12.2006 und vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2007 Anspruch auf die Vergütung der Energiesteuer in der von ihr beantragten Höhe.
29Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) wird auf Antrag eine Steuerentlastung für nachweislich versteuerte Energieerzeugnisse gewährt, die zu den in § 27 EnergieStG genannten Zwecken verwendet worden sind. Die Steuerentlastung kann in der Vergütung der Steuer bestehen (§ 45 EnergieStG). Nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 EnergieStG darf u.a. Flugturbinenkraftstoff steuerfrei in Luftfahrzeugen für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt verwendet werden. § 60 Abs. 4 der Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes (EnergieStV) definiert die private nichtgewerbliche Luftfahrt im Sinne des § 27 Abs. 2 Nr. 1 EnergieStG in dem hier interessierenden Zusammenhang als die Nutzung eines Luftfahrzeugs durch seinen Eigentümer oder den durch Anmietung oder aus sonstigen Gründen Nutzungsberechtigten zu anderen Zwecken als zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen durch Luftfahrtunternehmen. Gewerbsmäßigkeit soll nach § 60 Abs. 5 EnergieStV vorliegen, wenn die mit dem Luftfahrzeug gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird und der Unternehmer auf eigenes Risiko und eigene Verantwortung handelt.
30Die Bestimmung des Begriffs der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt durch § 60 Abs. 4 EnergieStV widerspricht Art. 14 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/96, weil sie die Verwendung eines Luftfahrzeugs unmittelbar zur entgeltlichen Erbringung von Luftfahrt-Dienstleistungen dann aus dem Anwendungsbereich des § 27 Abs. 2 EnergieStG ausnimmt, wenn der Betreiber kein Luftfahrtunternehmen ist. Darauf kommt es aber, wie bereits ausgeführt, nicht an. Da sich die Klägerin unmittelbar auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/96 als höherrangiges Gemeinschaftsrecht berufen kann (EuGH-Urteil in Slg. 1999, I-3419 Rz. 31), kann sich das beklagte Hauptzollamt nicht auf die dieser Vorschrift widersprechenden Bestimmungen des § 60 Abs. 4 EnergieStV stützen.
31Zweifel an der von der Klägerin verfolgten Gewinnerzielungsabsicht, dem von ihr mit dem Flugbetrieb zu tragenden Risiko und der sie damit treffenden Verantwortung, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar geworden, so dass auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 EnergieStV gegeben sind.
32Gründe, für eine Annahme, die Organisation der Luftfahrtdienstleistung der Klägerin stelle einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 Abs. 1 der Abgabenordnung dar, sind vom Beklagten nicht vorgetragen worden, sondern werden von ihm nur für künftige Gestaltungen befürchtet. Derartiges ist im Streitfall allerdings fernliegend, da in dem Konzern, der die Klägerin angehört, nach Angabe in der mündlichen Verhandlung das Firmenflugzeug seit etwa 20 Jahren immer in einer eigenen Gesellschaft betrieben worden ist.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
34Die Revision konnte nicht nach § 115 Abs. 2 FGO zugelassen werden, da dafür Gründe weder vorgetragen noch sonst erkennbar geworden sind. Das Gericht folgt nur der durch den EuGH vorgegebenen Auslegung des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/96.