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Der Bescheid vom 09.11.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.03.2011 wird aufgehoben, soweit darin die Festsetzung von Kindergeld für das Kind "A" für die Monate Februar 2010 bis Oktober 2010 aufgehoben und das insoweit ausgezahlte Kindergeld i.H.v. 1.656,- Euro zurückgefordert worden ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Streitig ist, ob dem Kläger in den Monaten Februar 2010 bis Oktober 2010 (Streitzeitraum) ein Kindergeldanspruch nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG – für seinen am 03.04.1990 geborenen Sohn "A" zustand.
3"A" war seit dem 27.04.2009 bei der Arbeitsagentur Arbeit suchend gemeldet. Arbeitslosengeld bezog er nicht. Mit Bescheid vom 12.05.2009 setzte die Beklagte Kindergeld ab Dezember 2008 fest und zahlte fortlaufend Kindergeld aus.
4"A" belegte gegenüber der Arbeitsagentur zuletzt am 18.08.2009 Eigenbemühungen bezüglich seiner Arbeitssuche. Am 02.12.2009 nahm er einen Termin bei der Arbeitsagentur ohne Angabe von Gründen nicht wahr. Daraufhin versandte die Arbeitsagentur eine Mitteilung, dass sie beabsichtigte die Arbeitsvermittlung einzustellen. Nachdem keine Rückmeldung des Kindes eingegangen war, fertigte die Arbeitsagentur unter dem 05.01.2010 ein Schreiben, in dem sie mitteilte, dass sie die Arbeitsvermittlung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 des Dritten Sozialgesetzbuches – SGB III – einstelle. Mit Wirkung zum 11.01.2010 wurde "A" aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet.
5Am 04.11.2010 reichte der Kläger bei der Beklagten einen Arbeitsvertrag seines Sohnes bei der "B" GmbH ein, in dem ein Arbeitsverhältnis ab dem 22.10.2010 vereinbart wurde.
6Mit Bescheid vom 09.11.2010 hob die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld ab Februar 2010 gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte den Kläger gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO – zur Rückzahlung des ausgezahlten Kindergeldes für die Zeit von Februar 2010 bis Oktober 2010 i.H.v. 1.656,- Euro auf. Zur Begründung führte sie aus, dass die besonderen Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld bei volljährigen Kindern nicht vorgelegen hätten. Nach den Daten der für die Arbeitsvermittlung zuständigen Stelle werde das Kind dort nicht bzw. nicht mehr als arbeitssuchendes Kind geführt. Es sei der Meldepflicht bei der Arbeitsvermittlung nicht nachgekommen.
7Am 30.11.2010 legte der Kläger Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass "A" zum 11.02.2010 aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet worden sei. Daraufhin führte der Kläger aus, dass er über die Abmeldung verwundert und dass diese durch "A" nicht veranlasst worden sei. Vom 01.01.2010 bis zum 25.10.2010 habe "A" bei der Firma "C" als Aushilfe im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung in der Hoffnung auf eine Vollzeitanstellung gearbeitet. Während dieser Zeit habe er sich beim Schlachthof "D" bei der Start Zeitarbeit, Firma Arbeit auf Zeit (Industriereiniger), Tischlerei "E", Dekra Zeitarbeit, Part Zeitarbeit und anderen Firmen beworben und etwa zwei bis drei Mal die Woche persönlich nachgefragt, ob eine Stelle frei geworden wäre. Weiterhin habe er sich bei den Firmen Real, Roller, Toys"R"Us, Biber, Getränke "F", Feinblech, Kötter Security, Edeka, Mac Geiz, Rewe, Aldi und verschiedenen Einzelhandelsfirmen beworben und sich persönlich mehrmals bei diesen Firmen vorgestellt. Tatsächlich sei er bis zum 26.10.2010 Arbeit suchend gewesen.
8Mit Einspruchsentscheidung vom 02.03.2011 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, weil die besonderen Anspruchsvoraussetzungen zur Berücksichtigung volljähriger Kinder nicht vorgelegen hätten. Sie führte zur Begründung aus, dass eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht möglich sei, weil "A" im Streitzeitraum nicht bei einer Agentur für Arbeit bzw. einem anderen für Arbeitslosengeld II zuständigen Leistungsträger (Arbeitsgemeinschaft oder Kommune) arbeitslos/arbeitsuchend gemeldet gewesen sei. Ein Nachweis über eine entsprechende Meldung sei nicht vorgelegt worden. Die Arbeitssuche auf eigene Initiative ohne Beteiligung der vorgenannten Stellen reiche nicht aus.
9Mit seiner am 04.04.2011 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass "A" im Streitzeitraum nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG beim Kindergeld zu berücksichtigen sei. Ab dem 02.01.2010 habe "A" eine Aushilfstätigkeit im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des Vierten Sozialgesetzbuches – SGB IV – bei der Firma "C" ausgeübt. Dort sei ihm eine Festanstellung nach Ablauf der Probezeit von sechs Monaten in Aussicht gestellt worden, was er der Arbeitsvermittlung auch mitgeteilt habe. Parallel zu seiner Aushilfstätigkeit habe er sich bei diversen Arbeitgebern um eine Lehrstelle oder Vollzeittätigkeit bemüht, weil eine verbindliche Zusage der Fa. "C" noch nicht vorgelegen habe. Soweit die Bundesagentur "A" pflichtgemäße Mitteilung zum Anlass genommen habe, ihn aufgrund der Vermittlungssperre abzumelden, sei dies nicht nachvollziehbar und offenbar auf einen administrativen Fehler zurückzuführen. Einen diesbezüglichen Bescheid habe "A" nicht erhalten; ansonsten hätte er den Sachverhalt aufgeklärt und sich notfalls neu arbeitssuchend gemeldet.
10Der Kläger beantragt,
11den Bescheid vom 09.11.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.03.2011 aufzuheben, soweit darin die Festsetzung von Kindergeld für die Monate Februar bis Oktober 2010 aufgehoben und das insoweit ausgezahlte Kindergeld i.H.v. 1.656,- Euro zurückgefordert worden ist.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte ist der Ansicht, dass "A" im Streitzeitraum die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld nicht erfüllt habe. Insbesondere könne er nicht als arbeitsuchendes Kind i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG berücksichtigt werden. Sie weist darauf hin, dass seit der Abmeldung aus der Arbeitsvermittlung am 10.01.2010 keine erneute Meldung als Arbeit suchend bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einem für Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch – SGB II – zuständigen Leistungsträger erfolgt sei. Außerdem sei "A" aus der Arbeitsvermittlung gestrichen worden, weil er ab Dezember 2009 seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei.
15Die Berichterstatterin hat das Kind "A" im Erörterungstermin am 24.01.2012 zu seinen Bewerbungsbemühungen um einen Ausbildungsplatz informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll, Bl. 68 ff. GA, Bezug genommen.
16Nach telefonischer Auskunft der Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit - vom 14.02.2012 wurde das Schreiben, mit dem die Einstellung der Arbeitsvermittlung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III angeordnet wurde, mit einfachem Brief übersandt. Über einen Zustellnachweis verfügt die Arbeitsagentur nicht.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die hinzugezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Die Klage ist begründet.
20Der Bescheid vom 09.11.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.03.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit darin die Festsetzung von Kindergeld für die Monate Februar bis Oktober 2010 für das Kind "A" aufgehoben und das insofern ausgezahlte Kindergeld i.H.v. 1.656,- Euro zurückgefordert worden ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
21I.
22Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 12.05.2009 lagen nicht vor. Vorliegend kommt allein eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist die Festsetzung von Kindergeld, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern. Eine solche Änderung der Verhältnisse, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs geführt hätte, ist vorliegend nicht gegeben. Dem Kläger stand im Streitzeitraum ein Anspruch auf Kindergeld für seinen Sohn "A" nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG zu. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.
231.
24"A" war in den Monaten Februar 2010 bis Oktober 2010 zwischen 18 und 21 Jahre alt, so dass er die Altersvorgaben erfüllte. Seine Aushilfstätigkeit im Streitzeitraum steht dem Kindergeldanspruch nicht entgegen. Arbeitslos i.S. des Kindergeldrechts kann auch sein, wer eine geringfügige Beschäftigung von regelmäßig weniger als 15 Stunden wöchentlich ausübt (Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10.01.2003 VIII B 81/02, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2003, 897), so dass eine geringfügige Beschäftigung keine nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG schädliche Beschäftigung ist.
252.
26Der Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG setzt weiterhin eine Meldung bei der Arbeitsagentur voraus; eine solche ist für die Berücksichtigung beim Kindergeld ausreichend, aber auch erforderlich (BFH-Urteil vom 07.04.2011 III R 24/08, BFHE 233, 44, BFH/NV 2011, 1229). Der Registrierung bei der Arbeitsagentur kommt keine (echte) Tatbestandswirkung zu; entscheidend ist vielmehr, ob sich das Kind tatsächlich bei der Arbeitsagentur gemeldet hat (BFH-Urteile vom 17.07.2008 III R 106/07, BFH/NV 2009, 368; vom 07.04.2011 III R 24/08, BFHE 233, 44, BFH/NV 2011, 1229).
27"A" meldete sich – unstreitig – im April 2009 bei der Arbeitsagentur Arbeit suchend. Da keine ausdrückliche steuerliche Regelung besteht, wann der durch die Meldung begründete Status des arbeitsuchenden Kindes wieder wegfällt, sind für das Kindergeld insoweit die Vorschriften des Sozialrechts – hier insbesondere des § 38 SGB-III heranzuziehen (BFH-Urteil vom 19.06.2008 III R 68/05, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 222, 349, Bundessteuerblatt Teil II – BStBl II – 2009, 1008). Demnach ist "A"s Status als arbeitsuchendes Kind nicht weggefallen.
28a) "A"s Status als arbeitsuchendes Kind ist nicht aufgrund einer wirksamen Einstellung der Arbeitsvermittlung entfallen. Eine entsprechende Anordnung einer sogenannten Vermittlungssperre nach § 38 Abs. 3 Satz. 2 SGB III ist nicht in Kraft getreten.
29Nach der vorgenannten Regelung kann die Arbeitsagentur die Vermittlung einstellen, wenn der Arbeitsuchende bestimmte Pflichten ohne wichtigen Grund nicht erfüllt. Die Einstellung der Vermittlung seitens der Arbeitsagentur hat zur Folge, dass die betroffene Person nicht mehr als Arbeit suchend bei der Arbeitsagentur geführt wird (Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, Loseblattsammlung, Stand 1/07, K § 38 Rn. 18). Als weitere Folgewirkung entfällt im Fall einer wirksamen Einstellung wegen der Anknüpfung des Kindergeldanspruchs an die Meldung bei der Arbeitsagentur ab dem Folgemonat der Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG.
30Wird die Arbeitsvermittlung nicht wirksam eingestellt und das Kind damit zu Unrecht aus der Arbeitsvermittlung herausgenommen, bleibt der Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG im Umkehrschluss bestehen.
31Vorliegend ist "A" zu Unrecht aus der Arbeitsvermittlung herausgenommen worden. Die von der Arbeitsagentur angeordnete Einstellung der Arbeitsvermittlung ist nicht wirksam geworden. Der Einstellungsbeschluss für die Vermittlung eines Arbeitsplatzes ist ein bekannt zu gebender Verwaltungsakt i.S.d. § 31 des Zehnten Sozialgesetzbuches – SGB X – (so auch zu dem Einstellungsbeschluss nach § 38 Abs. 2 SGB III in der
32bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (SGB III a.F.): Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, Loseblattsammlung, Stand 1/07, K § 38 Rn. 13; Mutschler in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Calewu, SGB III, 3. Aufl. 2008, § 38 Rn. 30; der BFH hat die Rechtsqualität des Einstellungsbeschlusses nach § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III a.F. in seinen Urteilen vom 19.06.2008 III R 68/05, BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008 und vom 17.07.2008 III R 106/07, BFH/NV 2009, 368 ausdrücklich offengelassen). Gemäß § 31 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Mit der Anordnung einer so genannten Vermittlungssperre nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III entscheidet die Arbeitsagentur im Einzelfall darüber, ob die Arbeitsvermittlung aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Arbeitsuchenden eingestellt wird. Erlässt sie eine solche Sperre, kann der Arbeitsuchende die Vermittlung erst nach Ablauf von zwölf Wochen erneut in Anspruch nehmen (§ 38 Abs. 3 Satz 3 SGB III). Der Arbeitsuchende ist also für diese 12 Wochen von der Arbeitsvermittlung ausgeschlossen und er wird erst dann wieder in das System aufgenommen, wenn er sich nach Ablauf der 12 Wochen bei der Arbeitsagentur erneut meldet. Dem Arbeitsuchenden wird durch den Beschluss also ein Vorteil entzogen, so dass es sich um eine belastende Maßnahme handelt (so zu § 38 Abs. 2 SGB III a.F. Mutschler in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Calewu, SGB III, 3. Aufl. 2008, § 38 Rn. 30). Dabei steht der Arbeitsagentur ein Ermessen zu; sie kann auch trotz der fehlenden Mitwirkung des Arbeitsuchenden die Vermittlung fortführen.
33Der Einstellungsbeschluss ist vorliegend mangels einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe nicht wirksam geworden (§ 39 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 37 SGB X). Die Bekanntgabe ist ein willentlicher behördlicher Akt, durch den der Erklärende den Erklärungsempfänger vom Inhalt eines Verwaltungsakts in Kenntnis setzt, sei es durch einfache Übersendung oder Übergabe eines Schriftstücks, sei es durch mündliche Mitteilung, Zustellung oder öffentliche Bekanntmachung (zur Parallelvorschrift des § 122 AO: Seer in Tipke/Kruse, § 122 AO Rn. 1). Daran fehlt es hier.
34Die Zugangsvermutung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X greift nicht ein. Nach dieser Vorschrift gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der – wie vorliegend – im Inland durch die Post übermittelt wird, grundsätzlich am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese Vermutung gilt aber nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes nachzuweisen. Die Nachweispflicht der Behörde hinsichtlich des Zugangs kommt zum Tragen, wenn der Empfänger die Zugangsvermutung durch entsprechenden Tatsachenvortrag erschüttert; dabei genügt es u.a., wenn der Zugang überhaupt ausdrücklich bestritten wird (Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 09.12.2008 B 8/9b SO 13/07 R, juris; Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 17.03.2011 L 19 R 443/10 B PKH, juris; jeweils m.w.N.). Der Kläger bestreitet, dass sein Sohn das Schreiben vom 05.01.2010, mit dem die Einstellung der Arbeitsvermittlung angeordnet wurde, erhalten hat. Es hätte daher der Beklagten oblegen, den Nachweis des Zugangs zu erbringen, woran es hier fehlt. Es kann aufgrund der Angaben der Arbeitsagentur nur davon ausgegangen werden, dass das entsprechende Schreiben dort mit einfachem Brief abgesandt worden ist. Dass dieses Schreiben das Kind erreicht hat, ergibt sich daraus jedoch nicht zwangsläufig. Insbesondere greift zugunsten der Beklagten kein Anscheinsbeweis ein, wonach ein mit einfachem Brief übersandtes Schreiben den Empfänger auch tatsächlich erreicht (zur insofern inhaltsgleichen Vorschrift des § 122 Abs. 2 AO BFH Urteil vom 14.03.1989 VII R 75/85, BFHE 156,66 BStBl II 1989, 534).
35b) Der Berücksichtigung des Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG steht auch nicht entgegen, dass "A" sich seit August 2009 nicht mehr mit der Arbeitsagentur in Verbindung gesetzt hat. Zwar wirkt die Meldung eines arbeitsuchenden Kindes nach bisheriger Rechtsprechung des BFH nur drei Monate fort, was bedeutet, dass sich das Kind nach Ablauf von drei Monaten erneut Arbeit suchend melden muss, um den Anspruch auf Kindergeld aufrechtzuerhalten (BFH-Urteil vom 19.06.2008 III R 68/05, BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008). Diese Rechtsprechung kommt vorliegend aber nicht mehr zum Tragen. Sie basierte auf § 38 Abs. 4 Satz. 2 SGB III in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung. In dieser Vorschrift war geregelt, dass die Arbeitsvermittlung nach drei Monaten einzustellen ist. In der seit dem 01.01.2009 – und damit auch für den vorliegenden Fall – geltenden Fassung des § 38 SGB III ist in Absatz 3 Satz 2 geregelt, dass die Agentur für Arbeit die Vermittlung einstellen kann, wenn der Arbeitsuchende bestimmte Mitwirkungspflichten nicht erfüllt. Eine feste Frist, nach deren Ablauf die Vermittlung einzustellen ist oder automatisch endet, enthält die Neuregelung nicht mehr. Da § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG an die Begrifflichkeiten des SGB III anknüpft (BFH-Urteile vom 19.06.2008 III R 68/05, BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008, vom 07.04.2011 III R 24/08, BFHE 233, 44, BFH/NV 2011, 1229) und der Drei-Monats.Frist des § 38 Abs. 4 Satz. 2 SGB III a.F. weggefallen ist, ist nach Auffassung des erkennenden Senats an der bisherigen Rechtsprechung des BFH ab dem 1.1.2009 nicht mehr festzuhalten. Demzufolge kann für einen Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG keine erneute Meldung nach Ablauf von drei Monaten mehr verlangt werden.
36II.
37Der Bescheid über die Rückforderung des ausgezahlten Kindergeldes für die Monate Februar bis Oktober 2010 ist rechtswidrig. Die Voraussetzung für eine Rückforderung nach § 37 Abs. 2 AO lagen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann eine ohne rechtlichen Grund ausgezahlte Steuervergütung – wozu nach § 31 Satz 3 EStG auch das Kindergeld gehört – zurückgefordert werden. Die Auszahlung des Kindergeldes für die Monate Februar bis Oktober 2010 erfolgte aber nicht ohne rechtlichen Grund, sondern aufgrund der wirksamen Kindergeldfestsetzung vom 12.05.2009.
38III.
39Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 135 Abs. 1 FGO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
40IV.
41Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen. Klärungsbedürftig ist zum einen die Frage, ob trotz der Neufassung des § 38 SGB III ein Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nur besteht, wenn sich das Kind alle drei Monate erneut bei der Arbeitsagentur meldet. Zum anderen ist die Frage klärungsbedürftig, ob der Einstellungsbeschluss nach § 38 Abs. 3 S. 2 SGB III ein bekannt zu gebender Verwaltungsakt ist.