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1. Ein Verhinderungsgrund im Sinne des § 381 Abs. 1 ZPO muss so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob er vorliegt, z.B. ob eine geltend gemachte Verhandlungsunfähigkeit oder Reiseunfähigkeit besteht. Hierzu gehört es zum Zeitpunkt der Erkrankung, zu den konkreten Beschwerden, zur Dauer der Erkrankung und dem Zeitpunkt der ärztlichen Feststellungen Angaben zu machen.
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 21.01.2025 – 10 Ca 1701/24 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe
2I. Die Beklagte wendet sich gegen einen Ordnungsgeldbeschluss.
3Die Parteien streiten im Ausgangsverfahren über Kündigungsschutz, Weiterbeschäftigung, die Erteilung eines Zwischenzeugnisses, Annahmeverzugslohn für Februar 2024, Überstundenvergütung für Juni 2023 sowie (hilfsweise) Urlaubsabgeltung.
4Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil am 19.12.2024 über das Zwischenzeugnis und die Überstundenvergütung entschieden. Im Übrigen war der Rechtsstreit nach Auffassung des Arbeitsgerichts nicht zur Entscheidung reif.
5Das Gericht hatte mit Beschluss vom 02.08.2024 das persönliche Erscheinen des Geschäftsführers zum Kammertermin zur Herbeiführung einer gütlichen Einigung sowie zur Aufklärung des Sachverhalts angeordnet. Zum Kammertermin vom 19.12.2024 wurde der Geschäftsführer der Beklagten am 04.08.2024 geladen.
6Zu diesem Kammertermin ist der Geschäftsführer nicht erschienen. Ausweislich des Protokolls war der Beklagtenvertreter über die Gründe nicht informiert und konnte den Geschäftsführer nicht erreichen.
7Mit Beschluss vom 23.12.2024 wurde der Beklagten aufgegeben, das Ausbleiben des Geschäftsführers im Kammertermin am 19.12.2024 bis zum 18.01.2025 zu erläutern und etwaige Verhinderungsgründe glaubhaft zu machen. Auf § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO wurde hingewiesen.
8Auf den Beschluss reagierte die Beklagte nicht, so dass das Arbeitsgericht am 21.01.2025 einen Ordnungsgeldbeschluss gegen den Geschäftsführer der Beklagten erließ. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass durch das Ausbleiben des Geschäftsführers die Sachverhaltsaufklärung und die Herbeiführung einer gütlichen Einigung erschwert und verzögert wurde.
9Gegen den Beschluss hat die Beklagte am 22.01.2025 sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung erstmals ausgeführt, der Geschäftsführer sei aufgrund einer akuten fieberhaften Infektion verhandlungs- und reiseunfähig gewesen. Zur Glaubhaftmachung reichte sie ein ärztliches Attest der Ärzte für Allgemeinmediziner Dr. B und Dr. V ein.
10Mit Beschluss vom 22.01.2025 half das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht ab und führt zur Begründung aus, dass das Ausbleiben des Geschäftsführers nicht entschuldigt sei, da sich dem Attest nicht entnehmen lasse, wie die unterzeichnende Ärztin zu ihrer Diagnose gekommen sei und ob der Geschäftsführer am Tag der Verhandlung tatsächlich von der unterzeichnenden Ärztin untersucht worden sei.
11Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wiederholte die Beklagte ihren Vortrag aus der Beschwerdeschrift und führte aus, der Geschäftsführer der Beklagten habe sich in ambulanter Behandlung der Dres. med. B und V befunden. Er sei am Verhandlungstag aufgrund einer akuten fieberhaften Infektion erkrankt und daher verhandlungs- und reiseunfähig gewesen. Als Beweis bietet er das Zeugnis der Frau Dr. B an. Die Beklagte vertrat die Auffassung, das Attest sei hinreichend.
12Mit Verfügung vom 05.03.2025 hat das Beschwerdegericht darauf hingewiesen, dass die Verhinderung weiterhin nicht ausreichend entschuldigt sein dürfte. Es sei weder ersichtlich, welche Ärztin den Geschäftsführer untersucht hat (als Beweis wird Frau Dr. B angegeben, das Attest ist aber mit V unterschrieben), noch werde vorgetragen, dass tatsächlich eine Untersuchung stattgefunden habe. Auch zum Auftreten der Erkrankung und zu den konkreten Beschwerden fehlten jegliche Angaben. Auch wäre zu erläutern, weshalb der Prozessvertreter hiervon im Kammertermin keine Kenntnis hatte und den Geschäftsführer auch nicht erreichen konnte.
13Mit Schriftsatz vom 20.03.2025 wiederholt die Beklagte erneut ihr bisheriges Vorbringen und stellt klar, dass die Diagnose von Frau Dr. V erfolgt ist und bietet nunmehr diese als Zeugin an.
14II. Die nach §§ 51 Abs. 1 ArbGG, 141 Abs. 3, 380 Abs. 3 ZPO statthafte und form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten (§§ 78 ArbGG, 567, 569 ZPO) hat keinen Erfolg.
15Nach § 51 Abs. 1 ArbGG kann der Vorsitzende in jeder Lage des Verfahrens das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen. Gegen eine ordnungsgemäß geladene und im Termin dennoch nicht erschienene Partei kann nach §§ 141 Abs. 3, 380 Abs. 1 ZPO wie gegen einen nicht erschienenen Zeugen Ordnungsgeld verhängt werden. Ein unentschuldigtes Ausbleiben im Verhandlungstermin reicht für sich allein nicht für eine Ordnungsgeldfestsetzung aus. Die Ermessensentscheidung hat sich in den gesetzlichen Grenzen zu halten und am gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift auszurichten. Das Ordnungsgeld soll nicht eine bewusste Missachtung des Gerichts, sondern die pflichtwidrige Behinderung der Mitwirkung einer Partei an der Sachverhaltsaufklärung und an dem Vorantreiben des gerichtlichen Verfahrens sanktionieren (BAG 20.08.2007 - 3 AZB 50/05 - NZA 2008, 1151; BAG 04.03.2010 - 3 AZB 36/09 -; LAG Hamm 29.11.1996 - 1 Ta 495/06 - m.w.N). Das Gericht wird mit der Möglichkeit der Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien in die Lage versetzt, den entscheidungserheblichen Sachverhalt so umfassend und schnell wie möglich zu klären, um so zu einer der materiellen Rechtslage möglichst gerecht werdenden Entscheidung zu gelangen (BAG 20.08.2007 und 04.03.2010 a.a.O.).
16In Anwendung dieser Grundsätze ist die Ordnungsgeldfestsetzung gegen die Beklagte rechtlich nicht zu beanstanden.
17Dass der Geschäftsführer der Beklagten ordnungsgemäß persönlich zum Kammertermin geladen wurde, wird von ihr selbst nicht in Abrede gestellt. Die Tatsache, dass das Arbeitsgericht den Rechtsstreit nicht vollständig beilegen konnte, sondern nur ein Teilurteil erlassen hat spricht auch dafür, dass insbesondere der Zweck der Anordnung in Form der Möglichkeit einer gütlichen Einigung sowie der Aufklärung des Sachverhalts vereitelt wurde. Dies wird auch im Rahmen der Beschwerdebegründung nicht in Abrede gestellt. Die Beklagte selbst führt im Rahmen der Berufungsbegründung aus, dass eine Anhörung des Geschäftsführers hätte erfolgen müssen. Das Ausbleiben ist auch nicht vor Erlass des Beschlusses im Rahmen der vom Arbeitsgericht gesetzten Frist bis zum 18.01.2025 entschuldigt worden. Eine rechtzeitige Entschuldigung im Sinne des § 381 Abs. 1 S. 1 ZPO wird auch von der Beklagten nicht behauptet.
18Es besteht auch kein Anlass zur nachträglichen Aufhebung des Ordnungsgeldes gemäß § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO. Eine nachträgliche genügende Entschuldigung oder Glaubhaftmachung ist nicht erfolgt. Ein Verhinderungsgrund im Sinne des § 381 Abs. 1 ZPO muss so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob er vorliegt, z.B. ob eine geltend gemachte Verhandlungsunfähigkeit oder Reiseunfähigkeit besteht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.11.2013 - L 11 R 2450/13 B, Rn. 16 m.w.N, juris.; ebenso Bayerisches LSG, Beschluss vom 30.09.2016 - L 2 AS 594/16 B). Das erfordert bei geltend gemachten gesundheitlichen Hinderungsgründen, dass das Gericht aus einer vorgelegten ärztlichen Bescheinigung Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung entnehmen und so die Frage einer etwaigen Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit selbst beurteilen kann (LSG Baden-Württemberg vom 29.03.2022 - L 2 KR 321/21 B; Bayerisches LSG, Beschluss vom 30.09.2016 - L 2 AS 594/16 B; LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Wichtig sind neben den Diagnosen u.a. hinreichend konkrete Angaben in den ärztlichen Attesten zu beklagten Beschwerden und festgestellten Befunden (OLG Bamberg v. 20.03.2023 - 2 W 13/23; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 17. Mai 2022 – L 2 KR 74/22 B –, Rn. 41, juris). Hierauf hat das Beschwerdegericht ausdrücklich mit Verfügung vom 05.03.2025 hingewiesen.
19Soweit die Beklagte insoweit meint, eine ordnungsgemäße Entschuldigung liege vor, folgt das Beschwerdegericht dem nicht. Der Geschäftsführer war ausweislich des Attest vom 19.12.2024 aufgrund einer akuten fieberhaften Infektion verhandlungs- und reiseunfähig. Weitere Angaben sind dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen. Es handelte sich um eine Erkrankung, deren Auftreten unklar bleibt und von der der Prozessvertreter im Kammertermin nicht informiert war, da er diese weder mitteilen konnte noch Kontakt zu seiner Mandantschaft aufnehmen konnte. Wann diese Erkrankung aufgetreten ist, wird nicht mitgeteilt. Das Attest vom 19.12.2024 wird auch auf die gerichtliche Auflage vom 23.12.2024 mit Fristsetzung zum 18.01.2025 nicht vorgelegt, sondern erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Trotz des Hinweises im Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts und dem Hinweis des Beschwerdegerichts vom 05.03.2025 hat die Beklagte weder zum Zeitpunkt der Erkrankung, zu den konkreten Beschwerden, zur Dauer der Erkrankung und dem Zeitpunkt der ärztlichen Feststellungen irgendwelche Angaben gemacht. Vielmehr ergibt sich aus dem Attest nicht einmal, dass überhaupt eine Untersuchung am Tag der Kammerverhandlung stattgefunden hat. Angaben zu den konkreten Beschwerden und den ärztlichen Feststellungen erfolgen nicht. Der diagnostizierte fieberhafte Infekt ist vollkommen unbestimmt und nicht geeignet, Grundlage einer Plausibilitätsprüfung einer aus ihr folgenden Verhandlungsunfähigkeit zu sein. Eine eingeschränkte Reisefähigkeit von seinem Wohnsitz in Z aus ist erst recht nicht ersichtlich, wird aber in dem Attest bescheinigt. Der Einritt der Erkrankung ist auch deshalb von Bedeutung, weil bei frühzeitiger Mitteilung das Gericht noch hätte Dispositionen treffen können (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 381 ZPO, Rn. 2). Einer Vernehmung der benannten Ärztin bedurfte es aus den oben genannten Gründen nicht, da weitere Nachforschungen im Rahmen des § 381 Abs. 1 S. 3 ZPO wie oben ausgeführt nicht veranlasst sind.
20Die Höhe des angesetzten Ordnungsgeldes von 250,-- € ist unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Spannbreite von 5,-- € bis 1.000,-- € angemessen und auch im Hinblick auf den Gesamtstreitwert des Verfahrens nicht zu beanstanden.
21Die sofortige Beschwerde der Beklagten war somit mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
22Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben, §§ 72 Abs. 2, 78 ArbGG.
23Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird mit 250,-- € informatorisch mitgeteilt (orientiert an der Höhe des verhängten Ordnungsgeldes).