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Einzelfallentscheidung zur einer fristlosen Kündigung aufgrund von Arbeitszeitverstößen und Ersatz von Detektivkosten
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.11.2023 –18 Ca 206/23– wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Tat- und hilfsweisen Verdachtskündigung sowie über die Erstattung von Detektivkosten.
3Der am .1970 geborene Kläger ist seit dem 01.04.2009 bei der Beklagten, einem Verkehrsunternehmen des ÖPNV, als Fahrausweisprüfer angestellt. Sein durchschnittlicher Verdienst beträgt ca. 3.300,- Euro brutto pro Monat.
4Er ist Ersatzmitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrates, zuletzt wurde er insoweit im November 2022 für den Betriebsrat tätig.
5Auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung werden die Arbeits- und Pausenzeiten der Mitarbeiter der Beklagten mittels des Zeiterfassungssystem A erfasst. Die Fahrausweisprüfer nutzen das Zeiterfassungssystem über eine mobile App.
6Am 09.12.2022 stempelte der Kläger um 10:58 Uhr ein, eine Pause von 16:05 Uhr bis 16:35 Uhr und um 19:22 Uhr aus.
7Am 12.12.2022 stempelte der Kläger um 06:55 Uhr ein, eine Pause von 10:44 Uhr bis 11:15 Uhr und um 15:01 Uhr aus.
8Am 13.12.2022 stempelte der Kläger um 06:42 Uhr ein, eine Pause von 11:29 Uhr bis 12:05 Uhr und um 14:54 Uhr aus.
9Am 16.12.2022 stempelte der Kläger um 06:50 Uhr ein, eine Pause von 10:24 Uhr bis 10:55 Uhr und um 15:10 Uhr aus.
10Am 20.12.2022 wurde er zu dem Vorwurf des fortgesetzten Arbeitszeitbetrugs im Beisein der Arbeitgebervertreter Herrn Br, Frau S, Herrn Mo, Frau Hö und dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden R angehört.
11Mit Schreiben vom 02.01.2023, das dem Kläger am gleichen Tage zugegangen ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.
12Am 11.01.2023 hat der Kläger beim Arbeitsgericht Köln Kündigungsschutzklage eingereicht.
13Der Kläger hat behauptet, keinen Arbeitszeitbetrug begangen zu haben. Das Zeiterfassungssystem habe nicht zuverlässig funktioniert und er habe in der Moschee und in Bäckereien Teambesprechungen durchgeführt.
14Er hat die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats bei der Anordnung der Observierung wie auch bei der Kündigung bestritten. Aufgrund eines Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung und gegen sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung bestehe ein Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot. Die Beauftragung eines Detektivs sei nicht notwendig gewesen.
15Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
161. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung vom 02.01.2023 beendet wurde;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein wohlwollendes, qualifiziertes Zwischenzeugnis und – hilfsweise für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – ein entsprechendes Endzeugnis zu erstellen;
3. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreites zu den bisherigen Bedingungen als Kontrolleur/Prüfer weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
231. die Klage abzuweisen;
2. widerklagend den Kläger zu verurteilen, an sie 21.608,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieses Antrags (08.03.2023) zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt,
28die Widerklage abzuweisen.
29Die Beklagte hat behauptet, im Rahmen von zwei Austauschgesprächen am 07. und 15.07.2022 mit dem bei ihr tätigen Sicherheitsunternehmen W Security GmbH sei zufällig aufgefallen, dass Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Arbeitszeiterfassung sowie die tatsächlich geleistete Arbeitszeit des Klägers bestanden. So sei von den Mitarbeitern der W Security GmbH unter anderem berichtet worden, dass seitens des Klägers während der Arbeitszeit Besuche im Fitness-Studio, in der Hü Moschee und beim Friseur durchgeführt worden seien. Auch seien private Fotoshootings erwähnt worden, die vom Kläger während seiner vertraglich geschuldeten Arbeitszeiten am Rhufer abgehalten worden seien.
30Um diese schwerwiegenden Vorwürfe zu überprüfen, habe sie die Detektei We beauftragt, den Kläger unregelmäßig an einzelnen Tagen zu observieren. Die Detektei We sei dem nachgekommen und habe den Kläger im November 2022 zunächst an fünf Tagen während seiner vertraglichen Arbeitszeiten observiert. An den entsprechenden Tagen (04.11.2022, 07.11.2022, 08.11.2022, 09.11.2022, 11.11.2022) seien mehrfache Arbeitszeitverstöße aufgezeigt worden. Aufgrund dieser Funde, insbesondere eines aus Sicht der Beklagten erheblichen Arbeitszeitbetrugs am 11.11.2022, sei die Detektei beauftragt worden, den Kläger nochmals über einen festen Zeitraum (02.12.2022 - 16.12.2022) zu überwachen, um so ein wirklich verlässliches Ergebnis zu erlangen.
31Bezüglich der Ergebnisse der Ermittlungen im Einzelnen hat sich die Beklagte auf den Bericht der Detektive in Anlage CBH 2 (Bl. 73 ff. d. erstinstanzlichen Akte) bezogen. Im Rahmen der Observation sei insbesondere festgestellt worden, dass der Kläger sich während seiner Arbeitszeit mehrfach - ohne entsprechenden Pauseneintrag in dem Arbeitszeiterfassungssystem A - an der Adresse seiner Freundin in F oder in Bäckereien/Cafés aufgehalten habe. Mehrfach habe er längere Pausen gemacht als in A von ihm eingetragen worden sei. Nachweise oder Berichte über etwaige Fahrausweiskontrollen in diesen Zeiträumen lägen nicht vor. Im Rahmen seiner Anhörung habe der Kläger für die genannten Zeiten lediglich pauschale Schutzbehauptungen vorgebracht und die ihm vorgehaltenen Sachverhalte insgesamt nicht erklären können.
32Der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung mit dem als Anlage CBH 40 (Bl. 312 ff. erstinstanzlichen Akte) vorgelegten Schreiben angehört worden. Auch habe der stellvertretende Vorsitzende an der Anhörung des Klägers am 20.12.2022 teilgenommen und daher bereits umfassende Kenntnis über den Kündigungssachverhalt gehabt.
33Die Beklagte hat behauptet, der Kläger sei mindestens am 04.11.2022 38 Minuten, am 07.11.2022 61 Minuten, am 08.11.2022 94 Minuten, am 09.11.2022 160 Minuten, am 11.11.2022 150 Minuten, am 02.12.2022 167 Minuten, am 05.12.2022 31 Minuten, am 06.12.2022 103 Minuten, am 07.12.2022 61 Minuten, am 08.12.2022 134 Minuten, am 09.12.2022 61 Minuten, am 12.12.2022 138 Minuten, am 13.12.2022 41 Minuten, am 14.12.2022 56 Minuten, am 15.12.2022 52 Minuten und am 16.12.2022 insgesamt 207 Minuten seiner Arbeit nicht nachgekommen und habe auch entsprechende Pausen nicht eingetragen, so dass er dennoch die volle arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung bezogen habe. Die beobachteten Zeiträume privater Tätigkeiten habe sie den vom Kläger im Zeiterfassungssystem A über eine App selbst getätigten Arbeitszeiteinträgen für die entsprechenden Tage (vgl. Anlagen CBH 3 und 4 zum SS v. 06.03.2023, Bl. 177 ff. d. erstinstanzlichen Akte) gegenübergestellt. Darüber hinaus habe der Kläger das ihm allein zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellte Fahrzeug für private Zwecke genutzt, obwohl dies nicht erlaubt gewesen sei.
34Die Detektei habe für die Observierung des Klägers insgesamt 21.608,90 Euro zzgl. 19 % MwSt. in Rechnung gestellt. Die beiden Rechnungen seien vorab durch ihre Prozessbevollmächtigten bezahlt und der Rechnungsbetrag sodann durch sie erstattet worden.
35Die Beklagte hat die Kündigung als außerordentliche Tatkündigung und hilfsweise als außerordentliche Verdachtskündigung wegen fortgesetzten Arbeitszeitbetrugs über insgesamt fast 26 Stunden durch den Kläger gerechtfertigt. Angesichts des besonders flagranten Ausmaßes der Arbeitszeitverstöße sei die Kündigung das mildeste Mittel gewesen, um der mangelnden Vertragstreue des Klägers zu begegnen. Dieser habe keinerlei Einsicht gezeigt, sondern versucht, seine schuldhaften Pflichtverletzungen mit zum Teil offenkundig falschen Behauptungen zu rechtfertigen. Sein fortgesetztes Fehlverhalten habe er zu keinem Zeitpunkt bedauert oder Reue gezeigt.
36Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme durch die Vernehmung der Zeugen Re, Br, Mo, Me, Wei, Z, K und L hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 08.11.2023 die Klage bis auf den Antrag auf Erteilung eines Endzeugnisses abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das Kläger zumindest am 09., 12., 13. und 16.12.2022 erhebliche von ihm gemachte Pausen nicht erfasst hat. Die Observation durch die Detektei sei berechtigt gewesen, Beweisverbote bestünden nicht und der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Zudem schulde er Kläger der Beklagten die Erstattung der Detektivkosten als Schadenersatz.
37Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 08.11.2023 (Bl. 488 ff. der erstinstanzlichen Akte) Bezug genommen.
38Gegen das ihm am 08.12.2023 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 11.12.2023 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.03.2024 – am 07.03.2024 begründet.
39Der Kläger ist der Auffassung, dass keine konkrete Arbeitszeit vereinbart sei. Daher könne es schon keinen Pflichtenverstoß geben. Das Arbeitsgericht hätte ausführen müssen, wo der Kläger seine administrativen Tätigkeiten, also Büroarbeit, hätte verrichten können und müssen, wo er die Absprachen mit seinen Berufskollegen hätte treffen können und müssen und wo er seine Notdurft hätte verrichten sollen. A habe nicht zuverlässig funktioniert, die Datenerfassung habe er nicht autorisiert. Da die Bäckerei ein stetiges Ziel des Klägers und seiner Berufskollegen war, hätte es nahegelegen zu vermuten, dass dort gearbeitet wird und es sich um einen Treffpunkt handelte, wo man die Arbeit vorbereitet bzw. nachbereitet. Die Überwachung durch die Detektive sei rechtswidrig gewesen.
40Ein Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten bestehe nicht, weil eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitnehmers gegenüber einem Arbeitgeber nicht existiere.
41Der Kläger beantragt sinngemäß,
42unter Abänderung des Urteiles des Arbeitsgerichtes Köln vom 08.11.2023 – 18 Ca 206/23 –
431. festzustellen, dass das zwischen den Parteien des Rechtsstreites bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 02.01.2023 beendet wurde;
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreites zu den bisherigen Bedingungen als Kontrolleur / Prüfer weiterzubeschäftigen;
3. die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
50die Berufung zurückzuweisen.
51Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angegriffene Urteil.
52Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der erst- und zweitinstanzlichen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
53Entscheidungsgründe
54I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
55II. Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Denn das Arbeitsgericht hat richtig entschieden und die Entscheidung zutreffend begründet. Die Kammer schließt sich dieser Begründung an. Das Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz bietet lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:
561. Die außerordentliche Kündigung vom 02.01.2023 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang beendet.
57a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 –, Rn. 15, juris).
58Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Arbeitgeber (BAG, Urteil vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 –, Rn. 17, juris).
59b) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist ein wichtiger Grund für die Kündigung des Klägers gegeben. Denn der Kläger hat zumindest am 09., 12., 13. und 16.12.2022 erhebliche Pausenzeiten vorsätzlich nicht in dem Zeiterfassungssystem A dokumentiert, wozu er aufgrund der Betriebsvereinbarung und einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht jedoch verpflichtet war.
60Das Arbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), dass der Kläger am 09.12.2022 zwischen 15:18 Uhr und 15:59 Uhr privaten Tätigkeiten nachgegangen ist, ohne dies als Pausenzeit zu erfassen. Da er um 15:58 Uhr aus dem Haus seiner Freundin Frau G gekommen ist, ist davon auszugehen, dass er seit seiner Ankunft dort war. Es ist auszuschließen, dass er in der Wohnung seiner Freundin Fahrkarten kontrolliert hat. Dass er dort eine andere Arbeitsleistung erbracht hat, ist nicht ersichtlich oder vorgetragen. Eine Pausenzeit wurde nicht in A erfasst. Konkrete Probleme bei der Zeiterfassung sind nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht konkret vorgetragen. Er behauptet nicht einmal, dass er versucht hat, die Zeit in der Wohnung seiner Freundin als Pausenzeit zu erfassen. Gleiches gilt für den ca. 45-minütigen Besuch bei seiner Freundin während seiner Arbeitszeit am 16.12.2022.
61Das Arbeitsgericht hat zudem rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Kläger am 13.12.2022 zwischen 06:53 und 07:31 privaten Tätigkeiten in Form eines Bäckereibesuchs nachgegangen ist, ohne dies als Pausenzeit zu erfassen. Gleiches gilt für den 12.12.2022 zwischen 13:35 Uhr und 14:07 Uhr und den 16.12.2022 von 07:01 Uhr bis 07:50 Uhr. Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger während seiner ausgiebigen Bäckereibesuche eine Arbeitsleistung erbracht hat. Dies behauptet der Kläger, dem insoweit eine sekundäre Darlegungslast obliegt, für diese Tage auch nicht konkret. Eine Pausenzeit wurde nicht in A erfasst. Konkrete Probleme bei der Zeiterfassung sind nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht konkret vorgetragen.
62c) Das Arbeitsgericht ist ebenfalls zutreffend davon ausgegangen, dass die Observation des Klägers durch die Detektei nach § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG zulässig war und ein Beweisverbot nicht besteht. Die Kammer folgt der Begründung des Arbeitsgerichts und sieht von einer wiederholenden Wiedergabe ab.
63Selbst wenn man dies anders sehen würde und eine Überwachung des Klägers durch eine Detektei für unzulässig hielte, würde hieraus kein Beweisverbot folgen.
64Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot kommt - gerade auch im Geltungsbereich der DSGVO - nur in Betracht, wenn die Nichtberücksichtigung von Vorbringen oder eines Beweismittels wegen einer durch Unionsrecht oder Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition des Arbeitnehmers zwingend geboten ist (BAG, Urteil vom 29.06.2023 – 2 AZR 297/22 –, Rn. 28, juris).
65Das setzt in aller Regel voraus, dass die betroffenen Schutzzwecke des bei der Gewinnung verletzten Grundrechts der Verwertung der Erkenntnis oder des Beweismittels im Rechtsstreit entgegenstehen und deshalb die Verwertung selbst einen Grundrechtsverstoß darstellen würde. Dies ist der Fall, wenn das nach Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar an die Grundrechte gebundene Gericht ohne Rechtfertigung in eine verfassungsrechtlich geschützte Position einer Prozesspartei eingriffe, indem es eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Privaten perpetuierte oder vertiefte. Jenseits der sie treffenden Pflicht, ungerechtfertigte Grundrechtseingriffe zu unterlassen, können die Gerichte allenfalls dann wegen einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht gehalten sein, einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Private aktiv zu begegnen und Sachvortrag oder Beweisantritte einer Partei aus Gründen der Generalprävention außer Acht zu lassen, wenn andernfalls die verletzte Schutznorm in den betreffenden Fällen leerliefe (BAG, Urteil vom 29.06.2023– 2 AZR 297/22 –, Rn. 31, juris).
66Die Überwachung des Klägers durch Detektive, die beobachten, fotografieren und dokumentieren, sowie die Anbringung eines GPS-Senders an dem während der Schichtzeiten genutzten Dienstfahrzeug stellen zwar einen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrechte und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Dieser Eingriff ist aber von geringer Intensität, weil er nur während seiner Schichtzeiten im öffentlichen Verkehrsraum über einen Zeitraum von wenigen Tagen erfolgt ist und praktisch nur das dokumentiert wurde, was jeder beliebige Passant ebenfalls hätte wahrnehmen können. Eine vom Kläger angeführte „Orwell‘sche Überwachung“ lag mitnichten vor. Eine Nichtberücksichtigung der hieraus erlangten Erkenntnisse wäre daher selbst bei der –hier nicht vorliegenden– Rechtswidrigkeit der Überwachung nicht zwingend geboten.
67d) Der Betriebsrat wurde mit dem Anhörungsschreiben vom 27.12.2022 (Bl. 312-333 der erstinstanzlichen Akte) umfassend und ordnungsgemäß angehört. Konkrete inhaltliche Rügen hierzu hat der Kläger nicht vorgebracht. Das Arbeitsgericht hat aufgrund der Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei festgestellt (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), dass dieses Anhörungsschreiben dem Betriebsrat am 27.12.2022 zugegangen ist.
682. Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten in Höhe von 21.608,90 Euro netto aus §§ 280 Abs. 1, 249 BGB.
69a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, hat der Arbeitnehmer wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten (§ 280 Abs. 1 BGB) dem Arbeitgeber die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung des Arbeitnehmers überträgt und der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Insofern handelt es sich um keine Vorsorgekosten, die unabhängig von konkreten schadensstiftenden Ereignissen als ständige Betriebsausgabe vom Arbeitgeber zu tragen sind. Nach § 249 BGB erstreckt sich die Schadensersatzpflicht auf alle Aufwendungen des Geschädigten, soweit diese nach den Umständen des Falles als notwendig anzusehen sind. Dazu gehört auch die Abwehr drohender Nachteile, wenn sich insofern konkrete Verdachtsmomente ergeben. § 254 BGB verlangt von einem Geschädigten allerdings die Rücksichtnahme auf das Interesse des Schädigers an der Geringhaltung des Schadens. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber nur für die Maßnahmen Erstattungsansprüche hat, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Arbeitgeber nach den Umständen des Einzelfalles zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern auch als erforderlich ergriffen haben würde (BAG, Urteil vom 26.09.2013 – 8 AZR 1026/12 –, Rn. 22, juris).
70b) Diese Voraussetzungen sind gegeben.
71Die Beklagte war berechtigt, eine Detektei mit der Überwachung des Klägers zu beauftragen. Aufgrund der Aussagen der Mitarbeiter der W Security GmbH konnte und musste die Beklagte den Verdacht haben, dass der Kläger Arbeitszeitbetrug begeht, indem er während seiner Arbeitszeiten privaten Dingen wie Fotoshootings, Moscheebesuchen und Friseurbesuchen nachgegangen ist.
72Der Kläger wurde einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt, die zur Wirksamkeit der fristlosen Kündigung geführt hat.
73Die Höhe der Detektivkosten und damit des Schadens wurde vom Kläger nicht konkret bestritten. Dass die Beklagte die Detektivkosten letztlich als Auslagenerstattung ihrer Rechtsanwälte getragen hat, wurde vom Arbeitsgericht durch die Beweisaufnahme festgestellt.
74c) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.
75III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.