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Ein Arbeitnehmer, der auf Basis eines Freiwilligenprogramms einen Aufhebungsvertrag mit Abfindungszahlung abschließt, hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Anpassung seines Aufhebungsvertrages, wenn der Arbeitgeber später ein neues Freiwilligenprogramm mit verbesserten Konditionen ausrollt.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 06.09.2024 –19 Ca 2283/24– wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über eine Anpassungspflicht der Beklagten im Hinblick auf die Konditionen eines geschlossenen Aufhebungsvertrags zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, hilfsweise über Schadenersatz und äußerst hilfsweise über die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags.
3Der am 1968 geborene Kläger war bei der Beklagten vom 09.04.1990 bis zum 31.07.2023 als Mechatroniker beschäftigt. Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft des US-amerikanischen Automobilherstellers F M Com.
4Die Beklagte hat in den vergangenen Jahren in Absprache mit ihrer Muttergesellschaft sog. „Freiwilligenprogramme“ (FP) zum Abschluss von Aufhebungsverträgen unterhalten. Diese Programme waren auf einen gewissen Zeitraum begrenzt und wurden je nach Zielerreichung und Budgetlage ggf. verlängert. Die Freiwilligenprogramme sahen stets eine „doppelte Freiwilligkeit“ vor.
5Im März 2019 wurde das FP „Reset & Redesign“ mit der Zielsetzung des Stellenabbaus von 5.400 Stellen in Deutschland ausgerollt, wobei die Konditionen des FP 2018 übernommen wurden. Es enthielt u.a. die Möglichkeit, dass die Beschäftigten vorzeitig ab einem Lebensalter von 55 Jahren aus ihrem Arbeitsverhältnis ausscheiden und dafür bis zum 63. Lebensjahr 55 % des zuletzt gezahlten Bruttomonatsentgelts als Überbrückungszahlung sowie einen Pauschalbetrag zur Sozialversicherung in Höhe von 300,- Euro im Monat erhalten können. Das FP „Reset & Redesign“ war zunächst bis zum 31.12.2019 befristet und wurde später zweimal um jeweils ein Jahr verlängert, zuletzt also bis zum 31.12.2021.
6Im Programmflyer des FP „Reset & Redesign“ (Bl. 28 der erstinstanzlichen Akte) findet sich auszugsweise folgende Formulierung:
7„Es gilt Doppelte Freiwilligkeit: Eigeninteresse des Mitarbeiters und Zustimmung durch Arbeitgeber notwendig. Die Abfindungssumme ist nicht individuell verhandelbar. Unterzeichnung des Vertrages in 2020 mit den zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung geltenden Konditionen. Es erfolgt nach Unterzeichnung keine spätere Anpassung der Konditionen. Die Konditionen werden sich im Laufe der Zeit nicht verbessern.“
8Die Beklagte teilte unter dem 27.09.2021 ihren Beschäftigten mit, dass das FP „Reset & Redesign“ noch bis zum Ende des Jahres angeboten werde.
9Kurz vor dessen Auslaufen schlossen die Parteien im Rahmen des FP „Reset & Redesign“ am 16.12.2021 einen Aufhebungsvertrag, der ein Ausscheiden des Klägers zum 31.07.2023 vorsieht. U.a. vereinbarten die Parteien die Zahlung einer Abfindung, die ab August 2023 bis zum Ablauf des 30.06.2031 in monatlichen Teilbeträgen als sog. „Überbrückungsgeld" gezahlt wurde und wird. Ab August 2023 bis Juli 2024 beträgt das Überbrückungsgeld monatlich 1.007,21 Euro brutto, von August 2024 bis 15.09.2025 insgesamt 0,00 Euro und vom 16.09.2025 bis 30.06.2031 monatlich wieder 1.007,21 Euro brutto. Insgesamt beträgt die vertraglich vereinbarte Abfindungsleistung 110.587,62 Euro brutto. Auf den weiteren Inhalt des Aufhebungsvertrages wird Bezug genommen (Bl. 11/12 der erstinstanzlichen Akte).
10Am 26.01.2022 informierte die Beklagte ihre Mitarbeiter darüber, dass auch in 2022 ein FP angeboten werde, dessen finanzielle Ausgestaltung unverändert bleibe und welches sich in erster Linie an alle Überhangbereiche wende.
11Seit Herbst 2022 fanden zwischen der Beklagten und der F M C (USA) umfangreiche Gespräche und Verhandlungen statt, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ein weiterer Personalabbau insbesondere im Bereich „Product-Development" (PD) erforderlich sein wird.
12Hierüber wurden mit dem Betriebsrat Gespräche im Januar 2023 geführt, in denen sich die Betriebsparteien darauf verständigten, dass ein Abbau vorzugswürdig über Freiwilligenprogramme stattfinden solle. Im Rahmen der Verhandlungen wurde in diesem Zusammenhang auch deutlich, dass zur Realisierung der Abbauziele –basierend auf den Erfahrungen aus der Vergangenheit– bessere Konditionen des FP erforderlich sein werden.
13In einer außerordentlichen Betriebsversammlung am 23.01.2023 wurde schließlich im Hinblick auf die anstehenden F F Restrukturierungsmaßnahmen die sofortige Beendigung aller FP bzw. Abfindungsprogramme verkündet.
14Im Februar 2023 einigte sich die Beklagte mit der F M C (USA) über die finalen Zahlen des Personalabbaus durch die Durchführung von Freiwilligenprogrammen und unter Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 2032. Am 13.02.2023 vereinbarten die Betriebsparteien die sogenannte Future-Rahmenvereinbarung („FP 2023“), die verbesserte Ausscheidenskonditionen in Form einer Überbrückungszahlung von 65 % des Brutto-Monatsentgelts oder eine Abfindung (ggfs. Sprinterabfindung) vorsah und noch unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die amerikanische Muttergesellschaft stand. Diese Genehmigung wurde am 06.03.2023 erteilt. Das Überbrückungs- und Abfindungsprogramm richtete sich an Arbeitnehmer in der Produktentwicklung und im Admin-Bereich. Ab dem 05.04.2023 schloss die Beklagte entsprechende Aufhebungsverträge.
15Mit der am 16.04.2024 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage hat der Kläger die Ansicht vertreten, dass ihm die besseren Konditionen des FP 2023 zustünden. Die Formulierung „Die Konditionen werden sich im Laufe der Zeit nicht verbessern." aus dem Angebotsflyer der Beklagten sei programmübergreifend, also auch zukünftige Freiwilligenprogramme umfassend, zu verstehen. Dies lasse sich auch daraus herleiten, dass die Geschäftsführung durch Herrn H nochmal darauf hingewiesen habe, dass die „Konditionen sich im Laufe der Zeit nicht mehr ändern". Zudem sei in einer Bulkmail von 2022 wörtlich bestätigt worden, dass „die Programme" in ihrer Ausgestaltung unverändert bleiben würden und sich weder die finanziellen Rahmenbedingungen noch die doppelte Freiwilligkeit ändern würden. Sinn und Zweck des Hinweises sei es gewesen, so viele Arbeitnehmer der Beklagten wie möglich zu motivieren, auf Basis des Freiwilligenprogrammes eine Aufhebungsvereinbarung zu schließen und das so zeitnah wie möglich um die Zielvorgaben des Stellenabbaus zu erfüllen. Letzteres sei offensichtlich nur zu erreichen gewesen, indem die Beklagte zusichere, dass es auch zukünftig („im Laufe der Zeit") – also über das jeweilige Freiwilligenprogramm hinaus – keine besseren Konditionen geben werde. Nur so mache der Hinweis überhaupt Sinn. Dass sich die Konditionen des jeweiligen Freiwilligenprogrammes während des jeweiligen Freiwilligenprogrammes nicht verändern würden, verstehe sich von selbst und habe daher keiner besonderen Erwähnung auf einem Flyer oder des damaligen Geschäftsführers der Beklagten bedurft. Danach könne die Aussage nur so ausgelegt werden, dass sie auch für zukünftige Programme gelte.
16Die Äußerungen der Beklagten hätten deshalb gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen. Daher habe der Kläger einen Anspruch auf Anpassung des geschlossenen Aufhebungsvertrags dahingehend, dass die Beklagte verpflichtet werde, dem Kläger zukünftig ein Überbrückungsgeld in Höhe von 65 % des letzten Bruttomonatsentgelts zu zahlen oder hilfsweise einen Schadensersatz in Höhe des Abfindungsbetrages, der dem Kläger bei Abschluss des verbesserten Aufhebungsvertrags insgesamt zugestanden hätte. Der Kläger hat behauptet, er hätte den ursprünglichen Aufhebungsvertrag nie unterschrieben, wenn er gewusst hätte, dass es zwei Jahre später bessere Konditionen geben würde. Einzig aufgrund der von der Beklagten aufgebauten erheblichen Drucksituation im Hinblick auf den angedrohten Stellenabbau habe sich der Kläger gezwungen gefühlt, den Aufhebungsvertrag abzuschließen.
17Höchst hilfsweise hat der Kläger die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht, weil die Beklagte darauf hingewiesen habe, dass kausale Folge bei unterstellter Pflichtverletzung, Vertretenmüssen und Kausalität der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien zu den ursprünglichen Konditionen sei.
18Der Kläger hat beantragt,
191. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger rückwirkend mit Wirkung zum 01.08.2023 den Abschluss eines Nachtrages zur Aufhebungsvereinbarung v. 16.12.2021 zu unterbreiten, wonach das in der Aufhebungsvereinbarung v. 16.12.2021 vereinbarte Überbrückungsgeld abweichend von der Aufhebungsvereinbarung v. 16.12.2021 monatlich 1.634,02 Euro brutto beträgt;
2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilten, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 51.085,01 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen;
3. höchst hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die durch den Abschluss der Aufhebungsvereinbarung v. 16.12.2021 entstandenen Nachteile, das heißt die Differenz zwischen dem in der Aufhebungsvereinbarung v. 16.12.2021 vereinbarten Abfindungsbetrag und der Abfindung, die sich nach dem neuen im März 2023 von der Beklagten aufgesetzten Abfindungsprogramm 2 berechnet, zu ersetzen;
4. äußerst hilfsweise, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch schriftliche Vereinbarung vom 16.12.2021 beendet wurde, sondern unverändert über den 31.07.2023 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, dass sich der Hinweis im Angebotsflyer und durch die Geschäftsführung, dass sich die Konditionen nicht verbessern werden, aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nur auf das verlängerte Freiwilligenprogramm „Reset & Redesign“ beziehe, sodass eine derartige –vom Kläger angenommene– programmübergreifende Erklärung nicht Grundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Aufhebungsvertrags habe werden können. Einen programmübergreifenden Charakter des Hinweises sowie, dass dieser Geschäftsgrundlage des Aufhebungsvertrags der Parteien geworden ist, unterstellt, läge aber jedenfalls keine Störung der Geschäftsgrundlage vor, da nicht unzweifelhaft sei, dass der Kläger den Aufhebungsvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn er von einer möglichen Verbesserung der Konditionen zu einem nicht festgelegten Zeitpunkt in der Zukunft ausgegangen wäre. Zudem falle die Möglichkeit später verbesserter Konditionen der Freiwilligenprogramme bei der Beklagten in den vertraglichen Risikobereich des Klägers. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass sich die Konditionen von Freiwilligenprogrammen bei der Beklagten niemals verbessern würden, dies auch nicht aufgrund der Tatsache, dass sich die Höhe der Überbrückungszahlungen von 2018 bis Ende 2022 nicht geändert haben.
30Ein Schadensersatzanspruch scheide schon mangels Pflichtverletzung, Vertretenmüssen und Kausalität einer möglichen Pflichtverletzung zum geltend gemachten Schaden aus. Es fehle bereits an einer erforderlichen Pflichtverletzung. Die Beklagte habe weder eine Aufklärungspflicht verletzt, noch gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen. Die Beklagte habe erkennbar keine Kenntnis davon gehabt oder auch nur geahnt, dass es zukünftig Programme mit besseren Konditionen geben werde. Ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns liege ebenfalls nicht vor. Das Gebot fairen Verhandelns als vertragliche Nebenpflicht gebiete die Wahrung eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Abschlusses eines Aufhebungsvertrags. Es beziehe sich dabei nicht auf den Inhalt des Vertrages, sondern nur auf die den Vertragsschluss vorbereitenden Verhandlungen. Aufhebungsverträge könnten daher zwar unabhängig von ihrem Inhalt gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen. Dies erfasse nach der Rechtsprechung des 6. Senats des BAG aber nur absolute Ausnahmefälle, in denen eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt werde, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwere oder sogar unmöglich mache. Ein solcher Ausnahmefall sei vorliegend nicht einschlägig. Vielmehr hätten sich die Beschäftigten und somit auch der Kläger das jeweilige Freiwilligenprogramm nebst Konditionen ansehen und dann freiwillig ein Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu den jeweiligen Konditionen abgeben können. Die Laufzeiten der Programme seien in zeitlich Hinsicht stets lang bemessen gewesen, so dass ausreichend Zeit für die Beschäftigten bestanden habe, sich ausgiebig mit den Vor- und Nachteilen eines solchen Aufhebungsvertrages zu befassen und auf dieser Grundlage eine wohlüberlegte Entscheidung treffen zu können. Der Kläger habe vorliegend sogar mehrere Jahre Zeit gehabt, sich für oder gegen die Teilnahme an dem Freiwilligenprogramm zu entscheiden. Das geforderte Mindestmaß an Fairness sei durch die beklagte Partei somit eingehalten. Insbesondere könne der Beklagten nicht unterstellt werden, sie habe Druck dadurch ausgeübt, dass öffentlich bekannt wurde, dass Stellen gestrichen werden müssen. Es sei für einen objektiven Betrachter bei dem Angebot eines Freiwilligenprogramms stets erkennbar, dass durch den freiwilligen Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen Stellen eingespart werden sollen.
31Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 06.09.2024 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Ansprüche des Klägers unter keinem rechtlichen Gerichtspunkt bestehen würden. Insbesondere liege keine Störung der Geschäftsgrundlage vor. Die Aussage „Die Konditionen werden sich im Laufe der Zeit nicht verbessern." im Angebotsflyer sei lediglich eine programmbezogene Erklärung und keine Garantieerklärung für alle zukünftigen Programme. Zudem sei dem Kläger ein Festhalten am Vertrag nicht unzumutbar. Für einen Schadenersatzanspruch fehle es an der Pflichtverletzung und einem kausalen Schaden.
32Gegen dieses ihm am 11.09.2024 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.10.2024 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.12.2024 – am 10.12.2024 begründet.
33Er hält das Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens für unrichtig. Das Arbeitsgericht habe sich nicht mit der konkreten Situation des Klägers beschäftigt. Die Aussage im Flyer sei programmübergreifend zu verstehen, es sei eine Garantieerklärung für alle zukünftigen Programme. Für die Beschäftigten habe seit Anfang März 2019 eine erhebliche Unsicherheit bestanden, den Arbeitsplatz zu verlieren. Die Situation sei mit der Bezeichnung „Friss oder stirb" zu umschreiben. Der Kläger hatte die Wahl: Entweder er schließt eine Aufhebungsvereinbarung nach den von der Beklagten vorgegebenen Bedingungen oder es besteht das Risiko, dass die Beklagte den Kläger — wohlgemerkt mit 53 Jahren nach einer Beschäftigungszeit von 31 Jahren — kündigt und der Kläger das Unternehmen der Beklagten ohne Zahlung einer Abfindung verlassen muss.
34Ihm sei es auch sehr wohl unzumutbar an der geschlossenen Aufhebungsvereinbarung festzuhalten. Hätte er Ende 2021 gewusst, dass die Beklagte nach dem 31.12.2021 ein deutlich besseres Abfindungsprogramm anbieten wird, hätte er die Aufhebungsvereinbarung am 16.12.2021 nicht unterschrieben, sondern noch zugewartet und dann die Aufhebungsvereinbarung auf Basis des neuen Programms mit den besseren Konditionen geschlossen.
35Der Kläger beantragt,
36das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 06.09.2024, 19 Ca 2283/24, abzuändern und
37a) die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger rückwirkend mit Wirkung zum 01.08.2023 den Abschluss eines Nachtrages zur Aufhebungsvereinbarung v. 16.12.2021 zu unterbreiten, wonach das in der Aufhebungsvereinbarung v. 16.12.2021 vereinbarte Überbrückungsgeld abweichend von der Aufhebungsvereinbarung v. 16.12.2021 monatlich 1.634,02 Euro brutto beträgt;
38b) hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 51.085,01 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
39c) höchst hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die durch den Abschluss der Aufhebungsvereinbarung v. 16.12.2021 entstandenen Nachteile, das heißt die Differenz zwischen dem in der Aufhebungsvereinbarung v. 16.12.2021 vereinbarten Abfindungsbetrag und der Abfindung, die sich nach dem neuen im März 2023 von der Beklagten aufgesetzten Abfindungsprogramm 2 berechnet, zu ersetzen;
40d) äußerst hilfsweise festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch schriftliche Vereinbarung vom 16.12.2021 beendet wurde, sondern unverändert über den 31.07.2023 hinaus fortbesteht.
41Die Beklagte beantragt,
42die Berufung zurückzuweisen.
43Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angegriffene Urteil.
44Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
45Entscheidungsgründe
46I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
47II. Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden und die Entscheidung zutreffend begründet. Die Klage ist insgesamt unschlüssig. Das Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz bietet lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:
481. Der Hauptantrag ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anpassung des Aufhebungsvertrages. Hierfür gibt es keine Anspruchsgrundlage. Insbesondere ergibt sich der Anspruch nicht aus § 313 BGB.
49a) Nach § 313 BGB ist ein Vertrag anzupassen, wenn sich Umstände, die zu seiner Grundlage geworden sind, schwerwiegend verändert haben. Geschäftsgrundlage sind die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut. Voraussetzung für eine Vertragsanpassung ist, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Änderung vorausgesehen hätten, und einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (BAG, Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 AZR 615/13 –, BAGE 148, 227-243, Rn. 23).
50b) Es ist nicht Geschäftsgrundlage des abgeschlossenen Aufhebungsvertrages geworden, dass sich die Konditionen für Aufhebungsverträge bei der Beklagten nie mehr verbessern werden.
51Für das Bestehen einer derartigen Geschäftsgrundlage finden sich im abgeschlossenen Aufhebungsvertrag selbst keinerlei Anhaltspunkte.
52Sie ergibt sich auch nicht aus dem Angebotsflyer. Dieser enthält zwar die Formulierungen „Die Abfindungssumme ist nicht individuell verhandelbar. […] Es erfolgt nach Unterzeichnung keine spätere Anpassung der Konditionen. Die Konditionen werden sich im Laufe der Zeit nicht verbessern.“, die teilweise auch von der Geschäftsführung in Betriebsversammlungen wiederholt wurden. Diese Formulierungen sind aber Hinweise zum damaligen Freiwilligenprogramm und stellen weder Willens- oder Garantieerklärungen oder eine Zusicherung dar.
53Sie sind insbesondere nicht dahingehend zu verstehen, dass die Beklagte nie wieder bessere Abfindungsprogramme anbieten wird.
54Analog § 133 BGB ist diese Formulierung aus Sicht eines objektiven Dritten auszulegen. Dabei ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Ausgehend vom Wortlaut ist der objektive Bedeutungsgehalt der Erklärung zu ermitteln. Maßgebend ist der allgemeine Sprachgebrauch unter Berücksichtigung des vertraglichen Regelungszusammenhangs. In die Auslegung einzubeziehen sind auch die Begleitumstände der Erklärung, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind auch der von den Arbeitsvertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die Interessenlage der Beteiligten (BAG, Urteil vom 25.04.2007 –6 AZR 622/06– Rn. 22).
55Bereits der Wortlaut der Formulierung „im Laufe der Zeit" bringt zum Ausdruck, dass sich die Aussage auf die Laufzeit des damaligen Freiwilligenprogramms bezieht. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass es für die Höhe der Abfindung vollkommen unerheblich ist, ob man sein Interesse an einem Aufhebungsvertrag zu Beginn des Freiwilligenprogramms bekundet oder ob man bis kurz vor Ende der Laufzeit des Programms wartet. Sinn und Zweck war es zu verhindern, dass Mitarbeiter nur deshalb mit der Interessenbekundung warten, weil sie auf bessere Konditionen zum Ende der Laufzeit hoffen. Ferner sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass die Konditionen des Freiwilligenprogramms über seine gesamte Laufzeit feststehen und nicht individuell verhandelbar sind.
56Dieses Ergebnis wird auch durch eine an der Systematik orientierten Auslegung bestätigt. Denn die Angabe wurde auf einem Flyer gemacht, der Informationen und Konditionen für das damalige Freiwilligenprogramm enthielt.
57Dass die Beklagte für alle zukünftigen Programme eine Art „Ewigkeitsgarantie" für eine Deckelung der Programmkonditionen ungeachtet nicht vorhersehbarer wirtschaftlicher und sonstiger Entwicklungen abgeben wollte, konnte von einem objektiven Betrachter nicht so verstanden werden.
58Selbst wenn der Kläger die Aussage „Die Konditionen werden sich im Laufe der Zeit nicht verbessern.“ als programmübergreifende Zusage und Geschäftsgrundlage verstanden hätte, müsste er aber auch den davorstehenden Satz „Es erfolgt nach Unterzeichnung keine spätere Anpassung der Konditionen.“ gegen sich gelten lassen, was er –wie der Klageantrag zeigt– offenbar nicht möchte.
59c) Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass er den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er damals schon von den Konditionen des FP 2023 gewusst hätte, so scheidet eine Anwendbarkeit des § 313 BGB und damit ein Anspruch auf Anpassung des Aufhebungsvertrages allein deshalb aus, weil es dem Kläger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht unzumutbar ist, am Aufhebungsvertrag in unveränderter Form festzuhalten (§ 313 Abs. 2 iVm. Abs. 1 BGB). Bei dem Gesamtvolumen der dem Kläger aufgrund des Aufhebungsvertrages von der Beklagten gewährten Leistungen (110.587,62 Euro brutto Abfindung zzgl. Nebenleistungen) ist es dem Kläger - auch unter Berücksichtigung, dass er als Gegenleistung auf den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses verzichtet hat - nicht unzumutbar, an dem überaus üppig dotierten Aufhebungsvertrag festzuhalten (vgl. BAG, Urteil vom 24. Januar 2013 – 8 AZR 965/11 –, Rn. 35, juris).
602. Der Hilfsantrag zu 2) ist ebenfalls unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Schadenersatz aus § 280 Abs. 1 BGB oder einer anderen Rechtsnorm.
61a) Es fehlt bereits an einer Pflichtverletzung.
62Die Tatsache, dass die Beklagte weit über ein Jahr nach Abschluss des Aufhebungsvertrages mit anderen Arbeitnehmern aufgrund eines anderen Freiwilligenprogramms noch besser dotierte Aufhebungsverträge abgeschlossen hat, verletzt keine Pflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger. Es sind keine Tatsachen ersichtlich, dass sich die Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet hätte, niemanden besser zu behandeln als ihn.
63Auch im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und im Zeitraum davor ist keine Pflichtverletzung der Beklagten gegenüber dem Kläger erkennbar. Weder hat die Beklagte dem Kläger pflichtwidrig eine unzureichende oder falsche Auskunft erteilt, noch hat sie ihm falsche Versprechungen gemacht. Unstreitig hatte sie damals nicht geplant, dass sie aufgrund veränderter Rahmenbedingungen deutlich über ein Jahr später ein „besseres“ Freiwilligenprogramm ausrollen werde. Über zukünftige Entwicklungen, die die Beklagte nicht kennt, kann sie auch nicht aufklären.
64Soweit der Kläger versucht, mit der Bezeichnung „Friss oder stirb" eine Drucksituation zu konstruieren, ist dies weder nachvollziehbar noch ergibt sich hieraus eine Pflichtverletzung. Der Kläger hatte nicht Stunden, nicht Tage, nicht Wochen, nicht Monate, sondern Jahre Zeit sich zu überlegen, ob er bereit ist, sein Arbeitsverhältnis für sehr gute Abfindungskonditionen zu beenden oder nicht. Er hatte mehr als ausreichend Zeit, sich rechtlich und wirtschaftlich beraten zu lassen. Wenn er bis kurz vor Auslaufen des Freiwilligenprogramms wartet, hat er den empfundenen Druck selbst zu verantworten. Irgendwann muss eben eine Entscheidung getroffen werden. Dass der Kläger im Nachhinein die Entscheidung bereut, mag sein. Da aber niemand seriös die Zukunft sicher vorhersagen kann, ergeben sich bei vielen Entscheidungen im Leben Unsicherheiten, die später zu Verärgerung oder zu Freude führen können. Das gehört zum Leben dazu.
65b) Zudem fehlt es an der Kausalität für den geltend gemachten Schaden. Denn es ist weder ersichtlich, dass der Kläger zur Zielgruppe des FP 2023 gehörte, noch, dass die Beklagte mit dem Kläger überhaupt einen Aufhebungsvertrag mit den Konditionen des FP 2023 geschlossen hätte. Einen entsprechenden Rechtsanspruch hätte der Kläger jedenfalls nicht gehabt.
66c) Letztlich wäre der Schaden auch weit überwiegend noch überhaupt nicht entstanden, da die vereinbarte Abfindung zeitratierlich bis zum 30.06.2031 ausgezahlt wird. Der geltend gemachte Schaden wäre dementsprechend auch erst mit der letzten Abfindungszahlung in voller Höhe entstanden.
673. Die Hilfsanträge zu 3) und 4) sind aus den o.g. Gründen ebenfalls unbegründet.
68III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Gründe für eine Revisionszulassung sind nicht gegeben.